5. Kapitel ⏐ Lina
Lina atmete noch einmal tief durch und betrat dann den Raum. Es war eine gute Idee von Eva gewesen, sich vor dem Aufeinandertreffen mit Julian zu einem gemeinsamen Frühstück zu verabreden. So war ihr Gedankenkarussell wenigstens für eine Weile zur Ruhe gekommen. Denn Lina machte sich Sorgen. Sie war auf diesen Job angewiesen und Mark Bergmann enorm dankbar, weil er sie trotz ihrer mangelnden Berufserfahrung und der zweijährigen Auszeit nach dem Studium eingestellt hatte. Diese Chance musste sie nutzen und Julian Eberhardt würde ihr das nicht kaputt machen! Deshalb hatte sich Lina fest vorgenommen, sich nicht mehr von ihm provozieren zu lassen. Irgendwie musste sie das hinbekommen.
Julian blickte von seinem Laptop auf, als sie eintrat. „Gut, wenn wir jetzt endlich vollzählig sind, können wir ja anfangen."
Denk an deinen guten Vorsatz, Lina. Atme und lass dich nicht jetzt schon auf eine Diskussion ein. Es sollte ihr egal sein, dass sie immer noch zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit hier war und er absolut keinen Grund hatte, eine Unpünktlichkeit ihrerseits anzudeuten. Stattdessen pflasterte sie sich ein Lächeln ins Gesicht und sagte betont fröhlich: „Guten Morgen!" Dann setzte sie sich neben Eva, die ihr ein Daumen-hoch-Zeichen gab. Wenigstens eine von uns ist zufrieden ...
„Also, fassen wir noch einmal zusammen", begann Julian, „wir haben uns gestern auf den 12. Juli als Datum und unser Firmengebäude als Veranstaltungsort geeinigt. Wir können die Dachterrasse und die Kantine nutzen und so Kosten sparen. Außerdem passt beides zu unserem Motto: ‚Happy Birthday, A&M Events! Rückblick auf 35 Jahre Eventplanung'. Wenn die Firma schon im Juli gegründet wurde und in diesem Jahr auch noch ein Jubiläum hat, können wir das Sommerfest auch am richtigen Tag feiern."
„Vielleicht können wir auch in den Konferenzräumen in der zweiten Etage eine Ausstellung organisieren, die die Arbeit der letzten 35 Jahre widerspiegelt", warf Lina in den Raum und unterbrach Julians Ausführungen, der sie nun mit finsterer Miene anstarrte. „Mit Großdrucken von Veranstaltungsfotos, gerahmten Zeitungsartikeln, in denen A&M Events positiv erwähnt wird, und Portraits der Firmengründer und ersten Mitarbeiter, die alles mit aufgebaut haben. Dann müssten wir natürlich noch die Übergabe der Geschäftsführung an die nächste Generation thematisieren. Und wir können auch eine Diashow vorführen, die den Bau dieses Gebäudes hier zeigt und wie sich die Firma im Laufe der Jahre vergrößert hat. Und ..."
„Okay, das reicht! Wir haben schon verstanden, dass du vor Ideen nur so überquillst. Aber lass mich trotzdem erstmal unsere bereits geklärten Punkte durchgehen. Danach kannst du deine kreativen Ergüsse gerne mit uns teilen", unterbrach Julian sie verärgert. „Also, zurück zum Thema: Die Einladungen gehen als E-Mail an die Mitarbeiter raus und nur die VIP-Gäste erhalten sie in Papierform. Für die Entwürfe beauftragen wir unser Design-Team, das sich auch um den Druck kümmern wird. Den Versand übernimmt dann unsere Poststelle. Wir müssen ihnen nur die Adressliste zur Verfügung stellen. Was uns zu den offenen Fragen bringt: Wen wollen wir außer den aktiven Mitarbeitern noch einladen?"
Lina meldete sich zu Wort, ohne groß darüber nachzudenken: „Das ist doch ganz klar, wir ..."
„Ich bin immer noch nicht fertig, Herrmann!", wurde Julian nun laut. „Wärst du wohl so gütig, mich ausreden zu lassen?" Er funkelte wütend in ihre Richtung.
Lina sah ihn überrascht an. Sie hatte doch gar nicht die Absicht gehabt, ihn zu verärgern. „Äh. Ja, sorry. Bitte, mach weiter", antwortete sie mit kapitulierend erhobenen Händen. Das ist doch kein Grund, sich gleich so aufzuregen ...
„Danke, dass du mich meinen Job machen lässt", murmelte Julian immer noch ungehalten. Da ist aber jemand empfindlich.
Dann fuhr er in normaler Lautstärke fort: „Wie ich schon sagte, es gibt noch weitere Punkte, die zu klären sind. Wir müssen uns über den Aufbau und die Deko Gedanken machen. Das Catering muss geplant und organisiert werden. Wir brauchen einen Zeitplan für das Unterhaltungsprogramm der Veranstaltung und einen für die gesamte Organisation im Vorfeld sowie den Abbau und die Aufräumarbeiten. Dann sollten wir uns entscheiden, ob wir Live-Musik wollen oder einen DJ engagieren, und anschließend die Musiknutzung bei der GEMA beantragen. Die Künstler-Verträge müssen aufgesetzt und unterschrieben werden. Wir brauchen eine Liste der geplanten Redner – und natürlich ihr Einverständnis, um dann alle weiteren Details mit ihnen klären zu können."
Da fiel Lina etwas ein: „Was ist mit Erster Hilfe?" Dummerweise unterbrach sie Julian damit schon wieder, was sie bei seinem Gesichtsausdruck leider etwas zu spät bemerkte. Julians rechtes Auge begann zu zucken, sein Mund war inzwischen zu einer schmalen Linie zusammengepresst und seine Gesichtsfarbe ähnelte innerhalb von Sekunden einer reifen Tomate. Anscheinend versuchte er jedoch, sich zu beherrschen und nicht auszurasten. Sonst wäre er schon längst explodiert – das wusste sie aus Erfahrung. Mist, hoffentlich wirft er mich jetzt nicht aus dem Team ... zuzutrauen wäre es ihm ja.
Doch noch bevor Julian irgendwie reagieren konnte, nahm ihm Sarah die Entscheidung ab. „Hey, du eingebildete Ziege!", fauchte sie Lina an. Diese riss überrascht den Kopf herum und starrte Sarah entgeistert an. „Du glaubst wohl, dass du alles besser weißt, obwohl Julian dir jetzt schon zweimal gesagt hat, dass du ihn ausreden lassen sollst! Er ist viel schlauer als du, also halt endlich die Klappe!"
Lina blinzelte. Was war das denn? Und mit einem Seitenblick auf Julian stellte sie fest, dass selbst er von Sarahs Ausbruch völlig überrascht war.
„Hey, du Giftspritze, jetzt halt mal die Luft an!", fauchte Eva zurück, die anscheinend als Einzige nicht sprachlos war. „Was bildest du dir eigentlich ein, Lina so runterzuputzen? Nur weil du mit Julian in der Kiste warst, hast du noch lange nicht das Recht, dich so aufzuführen! Komm mal wieder runter, er will sowieso nichts mehr von dir wissen. Das hat jeder kapiert, nur du nicht!" Eva funkelte Sarah wütend an und deutete mit dem Zeigefinger auf sie, um ihren Standpunkt zu verdeutlichen. Wow, Löwen-Mama lässt grüßen! Lina musste lächeln. Dabei bin ich doch schon ein großes Mädchen und gar nicht auf ihren Schutz angewiesen.
Jetzt war es Sarah, die ihre Augen vor Überraschung weit aufriss und rot wurde – allerdings eher vor Scham als vor Wut, vermutete Lina. Puh, das hat gesessen. Jetzt tut sie mir fast ein wenig leid.
Sarah schaute peinlich berührt zu Julian und flüsterte: „Ich fühle mich nicht so gut, können wir eine Pause machen?"
Er starrte sie kurz an, nickte dann aber. „Klar, lasst uns für 30 Minuten unterbrechen. Eine kurze Pause tut uns sicher allen ganz gut." Das sah Lina genauso. Tja, das war's dann wohl mit meinen guten Vorsätzen und dem Wunsch nach einem friedlichen Arbeitstag ...
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