4. Kapitel ⏐ Julian
Am nächsten Morgen ging Julian gerade ein letztes Mal seine Notizen durch, als Mike das Büro betrat. Seine kurzen schwarzen Haare waren noch feucht und sein Gesicht gerötet. In der Hand trug er eine Sporttasche, die er nun neben seinem Schreibtisch fallen ließ. Er grinste Julian an.
„Hey Mann, ich habe gehört, dein erster Tag als Projektleiter lief nicht so gut."
Julian verzog das Gesicht. „Wer konnte auch ahnen, dass ausgerechnet Lina Herrmann hier auftaucht und alles durcheinanderbringt ...", murmelte er.
„Aber du warst auch nicht ganz unbeteiligt an der Situation, oder?", hakte Mike mit einem Augenzwinkern nach.
„Lass gut sein, okay?", beendete Julian das Thema. Er wollte den gestrigen Tag nicht noch einmal durchkauen.
Als Mike sich ihm gegenüber an den Schreibtisch setzte, blieb Julians Blick wieder an seinen Haaren hängen. Er schaute runter zur Sporttasche und runzelte die Stirn. „Warst du nicht gestern erst im Fitnessstudio?"
Sie hatten Glück und konnten sich fit halten, ohne nach der Arbeit lange Wege auf sich nehmen zu müssen. Die Firmenleitung hatte schon während der Bauplanung beschlossen, in eines der oberen Stockwerke ein Fitnessstudio für die Mitarbeiter einzubauen. Dort gab es natürlich auch Duschen – was Mikes feuchte Haare erklärte – und Ruheräume, die während einer zeitaufwendigen Projektplanung wirklich goldwert waren.
„Schon", antwortete Mike auf die Frage, „aber Eva war heute zum Frühstück mit Lina verabredet und ich wurde ausdrücklich ausgeladen. Scheinbar haben die beiden ‚Mädchenkram' zu besprechen." Er malte mit seinen Fingern Anführungszeichen in die Luft. „Also habe ich mir gedacht, dass ich nicht alleine zu Hause rumsitzen muss und bin einfach noch mal trainieren gegangen. Kann ja nicht schaden, oder?" Er grinste.
So, so. Die beiden haben also ‚Mädchenkram' zu besprechen. Wetten, dass es dabei um mich geht? Eigentlich konnte ihm das ja egal sein, aber er fragte sich trotzdem, was Lina wohl alles über ihn erzählen würde. Wenn Julian ehrlich war, hatte er sich ihr gegenüber nicht immer korrekt verhalten. Aber er wollte nicht, dass Eva und Mike deshalb schlecht von ihm dachten.
„Hey, Erde an Julian!", sagte Mike und wedelte plötzlich mit seiner Hand vor Julians Gesicht herum. War er nicht eben noch auf der anderen Seite des Schreibtisches gewesen?
„Sorry, mir ist gerade etwas eingefallen, das ich auf die heutige Agenda setzen muss", griff er zu einer Notlüge und kritzelte schnell etwas auf seine To-Do-Liste. Julian wollte wirklich nicht, dass Mike mitbekam, wie sehr ihn das Auftauchen von Lina aus der Bahn geworfen hatte. Was ist nur los mit mir?
„Ich habe dich auch nur gefragt, ob wir nach der Arbeit vielleicht noch was zusammen trinken wollen. Die Mädels gehen frühstücken, also machen wir einen Männerabend – das ist nur fair", wiederholte Mike mit einem breiten Grinsen, was er gerade gesagt hatte. Dieser Kerl war einfach immer gut gelaunt. Deshalb passt er auch so gut zu Eva. „Ich dachte, du musst vermutlich Frust ablassen, wenn der Tag genauso läuft wie gestern", fuhr Mike fort und zwinkerte ihm schon wieder zu.
Julian verdrehte die Augen, dachte aber über den Vorschlag nach. Eigentlich eine gute Idee, obwohl er heute auf Linas Anwesenheit vorbereitet war. Er hatte sich extra früh auf den Weg ins Büro gemacht, um noch eine Weile seine Ruhe zu haben, bevor alle anderen auftauchten. Er hatte gewusst, dass er sich eine Strategie zurechtlegen musste, wie er mit ihr und seiner Verantwortung für das Projekt umgehen sollte. Auf gar keinen Fall durfte er sich heute wieder so unprofessionell benehmen wie gestern. Aber da hatte ihn Lina nun mal kalt erwischt. Heute war das anders. Trotzdem ...
Er nickte und nahm Mikes Einladung an: „Klar. Lass uns das machen." So würde er wenigstens nach der Arbeit den Kopf freibekommen und nicht dauernd darüber nachdenken, was Linas Anwesenheit hier alles anrichten konnte.
Mike nickte. „Okay, dann treffen wir uns einfach unten am Eingang, wenn ihr fertig seid." Er klopfte Julian aufmunternd auf die Schulter. „Du schaffst das schon."
Julian lächelte dankbar. „Du bist echt ein guter Freund, weißt du das?"
Mike grinste. „Ja, das wurde mir schon das ein oder andere Mal gesagt." Dann hörten sie, wie die Tür aufging. Mike schaute in die Richtung und wurde wieder ernst. „It's Showtime. Sarah ist da."
Na dann mal los.
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