Hailey konnte sich nicht bewegen. Ihre Angst fesselte sie, sie starrte auf den Spalt und die Umrisse der Bestie wurden mehr und mehr sichtbar. Als sie sich erhob und auf Hailey herab blickte, war sie gute drei Mann hoch. Ganz langsam schritt Hailey rückwärts, bis sie die Mauer in ihrem Rücken spürte. Lauernd folgte ihr der riesige Kopf der Schlange. Hailey wusste das dies die Tätowierung von Astaroth war, jedoch hatte sie keine Ahnung aus welchem Grund er sie auf sie angesetzt hatte.
Der Kopf der Schlange schnellte nach vorne und Hailey schloss ihre Augen. Sie wartete auf den Schmerz, doch er kam nicht. Im Gegenteil, sie spürte eine Wärme und ein wohliges brennen auf ihrer Haut. Vorsichtig öffnete sie ihre Augen. Ungläubig sah sie sich um, Krümel war verschwunden. Hatte sie nur geträumt? War sie übermüdet, oder wurde sie allmählich verrückt? Das Adrenalin verschwand langsam aus ihrem Körper und sie konnte ihre Augen nicht länger offen halten. Sie kroch zurück auf ihren Ast. Hailey schlief ein, tief und fest schlief sie. So wie schon lange nicht mehr.
Als Hailey am Morgen erwachte, spürte sie etwas seltsames. Etwas das vorher nicht da war. Unter ihrem Federbett bewegte sich etwas, sofort war sie hell wach. Mit voller Wucht stieß sie Ihr Federbett weg, es glitt zu Boden und sie sah an ihrem Körper hinunter. Doch es war nichts zu sehen. Sie spürte ein kribbeln auf ihrem Rücken, das sich nach oben auf ihre Schulter ausbreitete. Ihr Herz begann wild zu klopfen. Sie sprang von ihrem Ast und lief in ihr Baderaum. Als sie in den Spiegel sah, entwich ihr ein Spitzer Schrei.

„Geh weg! Weg! Weg! Weg mit Dir! Na los, geh runter von mir!"

Doch außer das sich Krümel noch ein Stück weiter nach oben schlängelte geschah nichts. Er blieb an Ort und Stelle, unter ihrer Haut. Sein Kopf ruhte in Höhe ihres Schlüsselbeins.
Er rollte sich ein. Mit zittriger Hand fuhr Hailey über das Tattoo, doch sie konnte keine Veränderung zu ihrer Haut spüren. Dennoch Versand sie nicht, warum er hier war. Und warum er ausgerechnet unter ihre Haut wollte. Er tat ihr nicht weh, aber diese Zeichnung gehörte dem Fürsten. Angst machte sich in ihr breit, was wenn der Fürst bemerkt, dass seine heiß geliebte Schlange verschwunden war? Wenn er rausfand das Hailey sie trägt? Er würde sie bestimmt töten. Erneut versuchte Hailey Krümel zu vertreiben.

„Hey! Du bist bei mir falsch! Gehe zurück zu deinem Herrchen, na los verschwinde schon!"

Doch außer einer leichten Bewegung, die Hailey kitzelte, geschah rein garnicht's.

„Na schön, dann bleib halt da! Wenn ich deinetwegen verletzt werde oder getötet werde, kannst du dein blaues Wunder erleben!"

Zornig riss sie ihre Trainingskleidung vom Ast der Trauerweide und zog sie an. Mit klopfendem Herzen verließ sie ihr Gemach und ging schnellen Schrittes zum Speisesaal, wo die anderen bereits warteten. Malu lief augenblicklich auf sie zu und nahm sie in die Arme. Die kleine sah richtig gut aus, ihr Auge war nicht mehr geschwollen. Gemeinsam gingen sie zu Tisch, wo Kayden sich angeregt mit Cole unterhielt.

„Heute Abend, nach dem Training werden wir erneut in das Antiquariat gehen! Zagan hat ja nicht ohne Grund gesagt, wir sollen morgen wieder kommen. Kayden hör mal, ich habe stimmen vernommen. Irgendetwas dort drin möchte das ich es finde. Vielleicht ist dies die Antwort auf all unsere Fragen."

Cole sprach mittlerweile ganz leise, sodass nur die Anwesenden an ihrem Tisch es verstehen konnten. Malu sah zwischen allen hin und her. Natürlich vertrauten sie der kleinen. Malu sah plötzlich jedoch völlig geschockt aus. Mit geweiteten Augen starrte sie Hailey an. Hailey vernahm aus dem Augenwinkel den Grund dafür. Schnell ließ sie ihren Arm unter den Tisch sinken und schüttelte ihn wild. Was erneut ein starkes kitzeln hervorbrachte. Den Arm hinauf bis zu ihrer Schulter, solange bis Krümel wieder zum Erliegen kam.
Summer sah das Entsetzen im Gesicht der kleinen Malu und augenblicklich hatte sie ihre Aufmerksamkeit.

„Malu, was hast du denn kleines?"

Natürlich hat Malu sofort gemerkt, das Hailey das Ding vor den anderen verheimlichte. Nie würde sie ihr in den Rücken fallen, nicht nach alldem was Hailey für sie getan hat. Sie hat noch nie gesprochen, also würde sowieso niemand etwas von ihr erfahren. Alle Augenpaare am Tisch hatten ihre Aufmerksamkeit. Dann ließ sie einen Rülpser los. Entschuldigend zuckte Malu mit den Schultern und ihre Freunde begannen zu lachen.
Hailey war der kleinen dankbar, denn sie hatte keine Ahnung wie sie ihren neuen Freunden erklären sollte, warum sich ausgerechnet Astaroth's Schlange auf ihr befand. Sie hoffte nur dass diese Bestie sich nicht mit ihrem Herr unterhalten konnte. Wenn Krümel sie auffliegen lässt, war es das für sie alle. Gemeinsam mit Malu schritt Hailey zur Tafel und flüsterte ihr zu.

„Danke kleine, ich werde es den anderen später sagen, versprochen."

Erleichtert nickte Malu ihr zu, sie nahm sich ein Stück Brot und gemeinsam gingen sie zurück an den Tisch. Nach dem Frühstück machte sich Malu's Gruppe auf den Weg zum Training. Auch Hailey und die andern waren auf dem Sprung. Kayden diskutierte noch immer mit Cole.

„Das mag ja sein Cole. Aber was wenn wir erneut angegriffen werden? Hmm? Was sollen wir dann tun? Irgendwann muss derjenige, der uns all diese Kreaturen auf den Hals hetzt, doch hinter unser kleines Geheimnis kommen. Was glaubst du was sie mit uns machen werden? Mit jedem von uns?"

Cole blieb stehen und drehte sich um, grade als er zu sprechen begann unterbrach Hailey sie.

„Leute, können wir bitte später darüber debattieren? Wir haben jetzt Training und sollten uns konzentrieren. Ich habe jede Menge Neuigkeiten, die für uns alle wichtig sind. Ich werde sie euch später erörtern."

Summer sah sie fragend an. Die anderen beiden gaben endlich Ruhe. Sie öffnete die Tür und traten ein. Erstaunt ließ Hailey ihren Blick schweifen. Wo war ihr Trainer, wo war Zagan?
Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit. Zur Bestätigung bewegte sich Krümel auf ihrer Schulter. War ihm etwas zugestoßen? Auch Kayden blickte verwundert drein, er war der erste von ihnen, der etwas sagte.

„Wo ist Zagan? Er war heute morgen weder im Speisesaal noch ist er hier?! Glaubt ihr ihm ist etwas schlimmes widerfahren?"

Cole schloss die Tür und ging einige Schritte in den Raum. Dann drehte er sich zu seinen Freunden um.

„Hier stimmt etwas nicht, das ist es was ich euch die ganze Zeit zu sagen versuche.
Überlegt doch mal, ständig widerfahren uns solche seltsamen Dinge. Die andere Gruppe bleibt verschont. Und jetzt ist auch noch unser Trainer verschwunden, der einzige dem wir hier vertrauen können."

Hailey sah sich nervös um. Der Gedanke, dass Zagan etwas zugestoßen ist, erfüllte sie mit Angst. Sie mochte ihn und Fay hat ihr geraten ihm zu vertrauen.

„Okay, wir sollten alle ruhig bleiben. Vielleicht hat er verschlafen, oder es ist etwas anderes dazwischen gekommen."

Krümel wurde unruhig, er bewegte sich unaufhaltsam auf Hailey's Körper, was ihr eine Gänsehaut bescherte. Sie konnte spüren das die Schlange mehr wusste, sehr viel mehr sogar. War dies der Grund für ihr erscheinen? Der Grund das sie sich auf Hailey niederließ? Wollte sie ihnen nichts Böses? Sie erinnerte sich an Astaroth's Worte. Krümel mochte sie. Das hat Astaroth gesagt, an dem Abend als sie vor ihn treten musste. Bevor jemand der anderen ein Wort sagen konnte, legte Hailey nach.

„Hört zu! Zagen hatte uns doch die Tiegel überreicht. Die Salbe war von meiner Mutter. In meinem befand sich ein Pergament. Zagan steht auf unserer Seite, er ist einer von den guten. Ich habe erfahren was meine und Kayden's Herkunft ist. Wir lagen richtig mit unserer Vermutung. Gestern Abend, bevor ich schlief ist etwas seltsames geschehen. Ich weiß nicht wie ich es euch sagen soll, deshalb werde ich es euch zeigen."

Kayden's Gedanken überschlugen sich, es war also wirklich wahr. Er ist ein Nessaja, das Volk das als ausgestorben galt. Er und Hailey. Sein Herz schlug unglaublich schnell und er konnte diese Aussage nicht glauben. Auch wenn er es tief in seinem Inneren bereits gewusst hatte. Gespannt richtete er seinen Blick auf Hailey, die dabei war sich ihrem Oberteil zu entledigen.
Die Erde unter ihren Füßen begann so stark zu Beben, das sie große Mühe hatten ihr Gleichgewicht zu bewahren. Dies häufte sich in letzter Zeit immer mehr.
Cole hatte es die ganze Zeit über gewusst. Begeisterung lag in seinem Blick. Vor ihm standen zwei leibhaftige Nessaja. Das stärkste Volk das es in Delian gab. Leider hatten sie keine Kontrolle über ihre Kräfte. Dies wird ein schweres Unterfangen werden, aber es wird machbar sein. Gespannt sah er zu Hailey. Summer konnte es noch immer nicht glauben. Es gab sie also doch noch, die Nessaja. Das Volk das die Macht hatte, Astaroth zu stürzen. In ihr wuchs neue Hoffnung.
Hailey spürte das Krümel sich auf ihrem Rücken zurück zog, in ihren Gedanken rebellierte sie.
Oh nein mein Freund, du machst jetzt keinen Rückzieher! Hörst du! Du hast dich ungebeten auf mir nieder gelassen, jetzt sei nicht so ein Feigling und zeig dich gefälligst den anderen! Du bist doch aus einem bestimmten Grund hier, oder etwa nicht!?
Es dauerte einen Moment bis er nachgab. Doch seine Bewegungen kitzelten mehr denn je. Hailey wusste das er dies beabsichtigte. Dümmlich grinsend stand sie halb entblößt vor ihren Freunden, die sie fragend ansahen. Dann wich der fragende Gesichtsausdruck einem entsetzten. Summer trat einen Schritt zurück, während aus den Mündern der beiden Jungs ein „Ach du scheiße" kam.
Krümel's Kopf kam langsam auf ihrer Schulter zum Vorschein und schlängelte weiter ihren Arm hinab, wo er zum Erliegen kam.

„Ich weiß, genauso habe ich heute morgen auch geschaut. Ich habe keine Ahnung was er von mir will, aber er hat sich auf mir nieder gelassen und will einfach nicht verschwinden!
Aber als wir eben von Zagan gesprochen haben, wurde er unruhig. Ich konnte spüren, das er diesbezüglich etwas weiß."

Noch immer schauten ihre Freunde ihr voller Entsetzen entgegen. Cole fand als erster seine Sprache wieder.

„Okay! Das ist alles nicht gut, ganz und garnicht gut! Was wenn er Astaroth Bericht erstattet? Was wenn Astaroth noch nicht weiß, das sein Schmusetier verschwunden ist? Was wenn er herausfindet das du es besitzt?! Was glaubst du was er mit uns anstellen wird?!"

„Ich habe mir das nicht ausgesucht Cole! Glaubst du, ich wollte das seine Schlange sich plötzlich auf mir niederlässt?! Was soll ich denn tun?! Er will einfach nicht von mir ablassen!"

Cole sah beschämt zu Boden und trat von einem Fuß auf den anderen.

„Du hast ja recht, es tut mir leid das ich dich so angegangen habe. Es ist nur, hier geschehen allerhand Dinge, in so kurzer Zeit. Ich weiß nicht so recht, wie wir die einzelnen Probleme angehen sollen. Jetzt ist auch noch unser einziger Verbündeter verschwunden. Ich bin mit meinen Ideen am Ende."

Hailey erinnerte sich an den vorherigen Abend und Krümel huschte umgehend zu ihrer Schulter zurück. Sie erinnerte sich an ein platschen und erneut wurde die Schlange unruhig. Aber wo sollten sie bloß mit ihrer Suche beginnen? Am See vielleicht? Die Bestätigung kam unverzüglich. Krümel löste seinen Kopf von Hailey's haut und nickte züngelnd an ihrem Gesicht, ehe er sich wieder nieder laß. Aufgeregt nickte sie vor sich hin.

„Ich weiß wo wir unsere Suche beginnen! Los, folgt mir! Wir müssen einem Freund helfen!"