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Nemesis
Ich lag an Naevan gekuschelt in unserem Bett, der Schweiß unserer Körper bereits getrocknet. Wohlige Wärme umgab mich und ich hatte mich noch nie sicherer gefühlt.
Naevans hatte seinen Arm um mich gelegt und malte träge Kreise auf meine Schulter. Meine Hand lag auf seiner Brust, die sich regelmäßig hob und senkte, während ich seinen Herzschlag unter meiner Handfläche spüren konnte.
Mein Kopf war ruhig. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte ich so etwas wie Ruhe.
„Erzähl mir etwas von deiner Welt", sagte ich leise, „Also... wenn du willst."
Er drehte den Kopf zu mir.
„Sehr gern. Ich kann sie dir aber auch einfach zeigen."
Er legte seine Hand auf meine, jetzt lagen beide über seinem Herzen.
„Schließ die Augen", wies er mich sanft an und ich tat es ohne zu zögern. Ich vertraute ihm. Ganz und gar.
N'allei.
Ich merkte, wie er gegen meinen Geist klopfte. Und als ich ihn rein ließ, zeigte er mir seine Erinnerungen.
Bunte Blumen, türkises Wasser und saftige Felder so weit das Auge reichte. Flammende Sonnenuntergängen und strahlende Sterne, dessen Konstellationen dieselben waren, wie auch bei uns. Vögel flatterten durch die Lüfte, einige davon sogar mit goldenen Gefieder.
Ich bemerkte die Ähnlichkeiten zu der Landschaft, die ich gesehen hatte, als ich Naevan von den Toten zurück geholt hatte.
Jetzt sah ich ein Dorf. Hütten aus hellem Holz und bunte Glasscherbeb die von Dach zu Dach gespannt wurden, dass sich das Licht darin verfangen konnte. Aus der Ferne ertönte eine Flöte, die von Heimat und Frieden sang. Lachen drang an mein Ohr und Kinder rannten zwischen den Häusern umher.
Die Szenerie wechselte zu das Innere eins Hauses. Der Boden war mit meisterhaft gestickten Teppichen ausgelegt, weite Fenster füllten den Raum mit Licht. Überall standen zum Teil heruntergebrannte Kerzen und der Geruch von Gebackenen hing in der Luft. Ein Feuer knackte im Kamin und ich fühlte mich sofort geborgen.
Ich drehte mich rum und stand nun auf einem Platz. Runde Platten aus Stein wandten sich einen Hügel hoch, wo ein weißer Sockel mit unterschiedlich hohen Säulen thronte. Menschen mit luftiger Kleidung, wie die von Naevan strömten dahin. Einige hatten Instrumente dabei sodass eine feierlich Musik die Luft erfüllte. Schalen mir Feuer waren überall aufgestellt erhellten die Nacht.
Wollte ich mir die Menschen genauer anschauen, verschwammen ihre Gesichter im Schatten. Ich konnte sie nicht erkennen.
„Es ist zu lange her."
Naevan trat plötzlich neben mich. Die Augen sehnsüchtig auf den kleinen Tempel gerichtet. In ihnen spiegelte sich das Feuer.
„Ich kann mich an ihre Gesichter nicht erinnern. Auch nicht an die meiner Familie. Oder an ihre Stimmen. Ich weiß nur, dass ich sie mal kannte."
Ich nahm seine Hand, blieb aber stumm. Es gab nichts zu sagen, was es besser machte.
„Deine Welt ist wunderschön", flüsterte ich stattdessen und er nickte.
„Das ist sie."
Er schluckte, unsere Umgebung verschwand und wir waren wieder bei mir im Bett, ich an ihn gekuschelt.
„Zwar habe ich meine Welt verloren, aber ich habe dafür dich gefunden. Meine N'allei."
Als ich bei seinen Worten mit zu ihm aufsah, erwiderte er den Blick voller Wärme.
„Ich habe niemals geglaubt, dass ich dieses Glück verdient hätte."
Sanft legte ich die Hand an seine Wange. Zu berührt von dem, was hinter seine Worten steckte. Also zog ich ihn zu mir runter und legte seine Lippen auf meine. Ich versuchte das, was ich nicht aussprechen konnte, in den Kuss zu legen.
Wir lösten uns. Beide berührt und voller Ehrfurcht vor dem, was zwischen uns war. Was wir fühlen durften. Dass wir einander haben durften.
Liebe macht schwach.
Ich wäre beinahe zusammengezuckt, aber ich brachte den Gedanken entschieden zum schweigen. Auch wenn es stimmte, dass man mich mit Naevan erpressen konnte. Und sobald Allstair von unserer Verbindung etwas mitbekam, würde er alles dran setzen, sie zu zerstören. Naevan würde sein Ziel sein.
Der Hüter war bereits vor meinen Augen gestorben und dass würde ich nicht wieder erleben wollen.
Also schwor ich mir, dass ich ihn beschützen würde. Mit meinem Leben.
~•~
Drystan
Es war mittlerweile spät abends und ich stand mit frischen Klamotten und nassem Haar vom Bad auf dem Balkon. Vermutlich war es bisschen zu frisch für meine Tunika, aber das war mir egal. Ich war viel zu sehr in Gedanken versunken, um es zu merken.
Ich dachte an das, was Naevan und Nemesis über die Götter gesagt hatten. Dass eine ganze Welt durch sie zerstört worden war. Zusammen mit den Menschen, die Naevan geliebt haben musste.
Ich war noch unschlüssig, ob ich ihm glauben sollte. Aber ein kleiner Teil von mir tat es bereits. Denn die Art wie er davon erzählt hatte, der unterschwellige Schmerz, der in seiner Stimme durchgeklungen war... den konnte man nicht fälschen.
Doch der größere Teil wollte nicht wahrhaben, was das bedeutete. Dass die Götter uns kontrolliert und verraten hatten, damit wir in der Burg unsere Magie annahmen. Dass wir ihnen geholfen hatten, indem wir ihre Träger waren.
Ich fuhr mir durch das Haar und starrte weiterhin auf den leeren Hof vor mir ohne ihn wirklich zu sehen.
Was ich nicht ignorieren konnte, war wie leicht Riniah meinen Körper hatte übernehmen können. Sie hatte meine Erlaubnis nicht gebraucht und sie könnte es jedes Mal wieder tun.
Nur diesmal erinnerte ich mich an das, was sie in meinem Namen getan hatte oder hatte tun wollen. Um ein Haar hätte ich Nemesis umgebracht.
Bei dem Gedanken fingen meine Hände an zu zittern, also packte ich die Brüstung nur noch fester.
Und noch eine Erinnerung war zurückgekehrt, als Riniah meinen Körper gelenkt hatte. Es war nämlich nicht das erste mal gewesen. Als Nemesis und ich in die Tunnel gegangen waren, um dem Geistwesen Nemesis Erinnerungen im Tausch gegen Informationen zu geben, hatte ich gegen das Wesen gekämpft. Riniah hatte übernommen und es getötet.
„Beim letzten Mal hast du dich auf die Seite meines Sohnes gestellt", erinnerte ich es, „Deswegen bist du hier unten eingesperrt, fernab der Geschichten, die du so liebst."
Ich trat näher ran und konnte fasziniert beobachten, wie die Haut des Wesen anfing zu zischen.
„Wir haben dich bereits am Leben gelassen, trotz allem, was du für Arnicus getan hast, aber du hast die Vereinbarung gebrochen und deiner Gier nachgegeben."
Das Wesen presste sich noch weiter an die Wand, aber es konnte nicht noch weiter zurück.
„Ich wusste nicht, dass Nemesis ebenfalls eine eurer Figuren ist!"
Ich bleckte die Zähne: „Sie alle sind es."
Das Wesen hielt inne, ehe es leise lachte.
„Arnicus ist noch immer richtig, nach all den Jahren. Man darf euch nicht trauen.. wieso die Menschen euch so anbeten, habe ich nie verstanden."
Es spuckte vor mir auf den Boden.
„Ihr tut nichts anderes als lügen."
Seufzend ließ ich den Arm sinken und das Licht verschwand.
„Ich hatte gehofft die Zeit hier würde dich zur Besinnung bringen, alter Freund."
Ich drehte mich um. In gleicher Bewegung ruckte ich mit dem Kopf und ein Lichtblitz schoss in die Brust des Geistwesens.
Es war auf der Stelle tot.
Zitternd stieß ich die Luft aus.
Vielleicht hatten Nemesis und Naevan recht?
Ich vergrub die Hände in den Haaren. Mein Herz kannte die Antwort. Tief im Inneren hatte ich mich immer gegen die Mague gesträubt und das vielleicht aus gutem Grund.
Die Geschichte von Naevan und Nemesis ergab Sinn. Und er erklärte auch die Ähblichkeit meines Arnes mit der Haut der infizierten.
Ich glaubte nicht, das Arnicus der gute war.
Aber meine Götter waren es möglicherweise auch nicht.
Mit immernoch sich drehenden Gedanken, stieß ich mich von der Brüstung ab und marschierte durch mein Gemach zur Tür.
Phyrros der locker auf meinem Schreibtischsstuhl saß, ein Buch in der Hand, sah verwundert auf.
„Wo willst du hin?"
„Ich muss die Prinzessin sprechen."
Seine Augenbrauen hoben sich.
„Es geht um die Götter, stimmt's?"
Vor halb geöffneter Tür nickte ich und ging in den Flur hinaus. Die Wachen vor der Tür folgten mir zum Gemach der Prinzessin.
Ich klopfte an. Wenig später öffnete Chara mir die Tür.
„Ich muss mit dir über das reden, was Nemesis und Navean erzählt haben."
Chara nickte ernst und trat zur Seite, um mich einzulassen.
„Das muss ich auch."
Ich ging rein und sah mich um. Wie es aussah, hatte man ihr Zimmer im typisch chrisischen Stil eingerichtet, statt dem koranéeanischen. Deswegen waren die meisten Möbel aus geflochtenen Material, mit weißen Kissen drauf. Eine Flagge mit der schwarzen chrisischen Hand und dem goldenen Stern darüber hing über dem breiten, tief liegenden Bett.
Auch die Prinzessin hatte einen Schreibtisch, nur war ihrer aus hellem Holz und mit geschnitzten Fußbeinen. Darauf lagen ein paar Bücher und ein angefangener Brief. Die Feder mit Tinte direkt daneben.
Pflanzen füllten den Raum. Kleine Palmen und welche mit großen Blättern. Sie harmonierten sehr gut mit den erdigen Farben der Möbel. Kerzen brannten im Zimmer verteilt und tauchten den Raum in ein warmes Licht.
Als ich eintrat stand Virginia von einem der auf den Boden liegenden Sitzkissen auf und verbeugte sich. Ihre Waffen hatte sie abgelegt, diese lagen neben dem Kissen und sie trug schlichtes Hemd und Hose.
Ich nickte ihr grüßend zu und lies mich wie die Prinzessin auf eines der restlichen Kissen fallen, sodass wir in einem Kreis beinander saßen.
„Ich hab auch über das nachgedacht, was Naevan und Nemesis gesagt haben", kam Chara direkt zur Sache, „Ihre Geschichte ergibt Sinn. Das erklärt, wie Arnicus von den Gängen wissen konnte. Und warum wir trotz der Falschinformationen, die wir unseren Freunden gesteckt haben, von den Infizierten an der richtigen Stelle angegriffen wurden."
„Du glaubt ihnen also?"
Chara sah mich unsicher an. Wenn ich nicht die gleichen Zweifel teilte, könnte ich sie jetzt des Verrats bezichtigen. Also sagte ich schnell:
„Ich glaube auch, dass an dem was sie sagen, was dran sein könnte. Aber..."
Virginia murmelte: „Aber Ihr wollt nicht wahr haben, was das bedeuten könnte."
Chara rieb sich die Stirn.
„Wenn die Götter wirklich vor haben diese Welt zu zerstören, dann haben Drystan und ich ein massives Problem, denn sie sind in uns."
„Vermutlich hören sie auch dieses Gespräch", bemerkte die Leibwächterin und die Prinzessin verzog das Gesicht.
„Wir gehen zu Nemesis und Naevan", bekräftigte Chara nach ein paar Sekunden des Schweigens, „Ich will mir in Ruhe alles anhören."
Sie stand auf, Virginia erhob sich mit ihr.
Ich sah zu den Frauen hoch.
„Was hat dich zum Umdenken bewegt?"
Charas Lippen wurden schmal.
„Ich hab das Gesicht der Götter gesehen, als sie die Magie bekommen haben. Es war die reine Gier. Eben mit den anderen habe ich das Ungleichgewicht gespürt. Es sieht übel aus. Und Riniah hat deinen Körper übernommen, um Nemesis zu töten."
Ich sah sie an, die gleiche Verzweiflung im Blick wie sie, aber ich stand auf.
Kaum wollten wir Richtung Tür gehen, schoss ein Schmerz durch meine Schläfe der Chara und mich beide aufschreien lies.
Wir können uns eure Zweifel nicht leisten.
Riniah fegte mich zur Seite, als wäre ich ein Blatt im Wind. In einem Moment hatte ich noch die Kontrolle über meinen Körper, im nächsten nicht mehr. Ich konnte zwar alles sehen, riechen und hören, aber ich war nur ein Zuschauer.
Was tust du da?!
Die Kontrolle übernehmen. Mein Gatte und ich haben unsere Pläne und wir lassen sie uns nicht durchkreuzen, nur weil ihr den anderen glaubt.
Ich richtete mich auf, genauso wie Chara. Ihre Augen leuchteten Silber, den Xenos hatte auch ihren Körper übernommen.
Virginia verstand schnell, was passiert war, packte Chara an den Schultern und riss sie zu ihr rum.
„Du kannst ihn aussperren, also tu es!"
Ein Zucken ging durch Charas Körper, kurz flackerten ihre Augen, doch dann leuchteten sie nur noch heller. Ehe Virginia sich versah, drückte die Prinzessin sie am Hals hoch gegen die nächste Wand.
„Entweder du folgst der Prinzessin oder du stirbst!"
Virginias Augen weiten sich, ihre Beine strampelten über dem Boden, während ihr die Luft abgedrückt wurde. Unter Charas Hand leuchtete es Silber, was irgendwie dafür sorgte, dass die Adern an Virgias Hals sich schwarz verfärbten.
„Ich folge", krächzte sie und Chara lies sie los. Hustend wich Virginia zurück. Dabei fasste sie sich zitternd an den Hals und starrte voller Panik auf die Prinzessin.
Chara drehte sich zu mir.
„Wir müssen uns um Naevan und Nemesis kümmern."
Ich nickte und Chara ließ die Tür mit einem Wink der Hand aufschwingen, ehe wir das Gemach verließen.
„Sie haben uns einmal zu viel behindert", stimmte ich zu.
Ich rief nach den Waffen, die auf dem Gang waren und befahl einem, noch mehr zu holen. Eigentlich sollten wir sie nicht brauchen, aber Nemesis hatte den Wahrscheinlichkeiten gestrotzt, als sie Naevan von den Toten zurückgeholt hatte. Ich wollte kein Risiko eingehen.
Nach einigen Minuten bildeten wir eine Truppe von acht Mann, plus Chara und mich. Mit sicheren Schritten steuerten wir auf Nemesis' Tür zu.
Ein Hämmern gegen meinen Kopf. Das war der Prinz, aber ich brachte ihn zum schweigen. Mit den Resten meiner Magie war ich in der Lage seinen Körper länger zu besetzen. Und was er für Nemesis empfand, war nebensächlich.
Es wurde Zeit, dass Nemesis und Naevan starben.
2164 Wörter
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