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Naevan
Ich schluckte und musste das Brennen hinter den Augen unterdrücken.
„Bist du dir sicher?", fragte ich jetzt laut, die Stimme rau.
Nemesis sah mich immer noch ohne zu wanken an. Der Sturm in ihren Augen sprach Bände und mein Herz zog sich zusammen.
Sie bückte sich schwach vor und ich reichte ihr meine Hand, die sie schwach drückte.
„Du hast mich in Allstairs Geist zum Weiterkämpfen gebracht. Ich war am Ende."
Ihre Augen bannten mich und in diesem Moment würde ich nichts dagegen tun, würde ich mich für imme in ihnen verlieren.
Ich wusste nicht wie. Ich wusste nicht wann.
Aber irgendwo in dieser verkorksten Geschichte hatte ich mich in sie verliebt. Und dass ich das jemals erleben durfte, dafür würde ich ihr für immer dankbar sein.
Sie fuhr fort: „Nur dank dir konnte ich wieder aufstehen. Du bist mein Anker... und..."
Sie atmete aus. Ich wusste, dass ihr das nicht leicht fiel.
„Und ich liebe dich."
„Ich dich auch."
Langsam beugte ich mich vor. In Zeitlupe, damit sie mich jederzeit stoppen konnte.
„Ist ein Kuss ok?", hauchte ich nur Zentimeter vor ihren Lippen
Sie antwortet nicht ,sondern überbrückte den letzten Abstand zwischen uns.
Der Kuss war sanft und voller Liebe. Sanft auf eine Art, die mich erschauern lies.
Als wir uns lösten hatten wir beide Tränen in den Augen. Keiner von uns hatte geglaubt sowas zu verdienen. Aber wir hatten uns gefunden.
Und ich würde jeden Atemzug damit verbringen, sicher zu gehen, dass ich sie verdiente.
„Also. Was jetzt?", fragte Nemesis. Sie klang immer noch unfassbar müde, während sie sich in das Kissen zurücksinken lies.
„Wie beschissen ist unsere Situation?"
„Du meinst, weil wir den leymalischen König beschützen haben?"
Als ich auf König Allstair zu sprechen kam, wurde ihr Körper kaum merklich steif. Doch sie nickte.
„Riniah hat klar gemacht, dass wir hier nicht länger geduldet sind."
Schulterzuckend stieß ich die Luft aus.
„Der Prinz war auch hier. Er hat deine Sachen getragen, damit ich dich aufs Zimmer bringen kann. Und er hat gefragt, warum wir gegen seine Götter kämpfen."
Sie hob die Augenbrauen, also fuhr ich fort:
„Er hat mich erklären lassen. Aber ich glaube nicht, dass er mir glaubt."
Sie sah von mir gerade aus. Dumpfer Schmerz lag in ihren Augen.
„Ich denke nicht, dass er seine Meinung ändern wird. Riniah ist in seinem Kopf und er hat offensichtlich keine Kontrolle. Jetzt zumindest nicht mehr, wo die Göttereltern ihre Magie zurück haben."
„Also stimmst du mir zu, dass wir hier so schnell wie möglich weg sollten?"
Nemesis nickte: „Es wäre naiv zu glauben, dass wir hier sicher sind. Früher oder später werden die Götter versuchen uns umzubringen."
„Wir könnten fürs erst nach Dejinn", schlug ich vor, „Zumindest bis wir wissen, wie wir die Götter und Allstair aufhalten."
„Ist vermutlich die beste Idee."
Mit fiel auf, wie sie abdriftete und wieder in Gedanken versank. Ihre Muskeln verkrampften sich und ihr Blick wurde leer.
Was auch immer zwischen ihr und Allstair in seinem Geist gelaufen war, es hatte ein paar Wunden aufgerissen.
„Darf ich mich zu dir legen?"
Bei meiner Stimme blinzelte sie und fokussierte sich wieder auf mich. Ein zögerlichen Nicken.
Also zog ich stumm die Schuhe aus, setzte mich langsam neben sie und streckte den Arm aus. Sie nahm das Angebot an, rückte näher, sodass ich meinen Arm um ihre Schultern legen konnte. Sie bettete den Kopf an meine Brust.
„Wir müssen trotzdem einmal vorher mit allen sprechen. Ich sollte ihnen grob erzählen, was bei mir und Allstair passiert ist."
Ich wollte nicht nachhaken, also schwieg ich. Nemesis redete trotzdem weiter:
„Ich habe seine Infizierten vernichten können und habe sowohl Allstair als auch Armicus geschwächt, aber er wird neue erschaffen. Der Krieg ist noch lange nicht vorbei."
Ich malte mit den Fingern Kreise auf ihrer Schulter. Es fühlte so richtig an, so nah bei ihr zu sein, ihren Duft nach Rosen einzuatmen, ihre Wärme zu spüren. Gleichzeitig neu und doch so vertraut.
„Ja, ich weiß. Wenn wir die Götter wirklich aufhalten wollen, kommt einiges auf uns zu."
Eine Weile lagen wir beinander, lauschten dem prasselnden Regeb und verfolgten die Wassertropfen, die an den Scheiben herunterliefen.
Dann wollte Nemesis wissen:
„Wie kann es sein, dass du immer noch Magie hast? Du hast die Göttermagie abgegeben und bist gestorben. Wie kann das also sein?"
Als sie meine Tod erwähnte, zitterte ihre Stimme kaum merklich. Jetzt gerade gab sie alle Mauern auf, verbarg ihre Gefühle nicht. Vielleicht war Nemesis auch einfach noch zu erschöpft, um dafür Energie aufzuwenden.
„Ich hab sie fünfhundert Jahre in mir getragen", erinnerte ich sie, „Und ich habe einen großen Teil der Zeit auch mit ihr trainiert. Der ganze Tempel ist von Magie durchdrungen und so lange darin zu leben hat seine Auswirkungen. Ein Teil der Magie ist in mich übergegangen, quasi mit mir verschmolzen."
„Wusstest du das, als du die Magie gegeben hast?"
Ich neigte nachdenklich den Kopf.
„Naja, der Prozess ist sehr langsam, aber ich habe gemerkt, wie ich übernatürlich stark und schnell geworden bin. Ich hab sowas vermutet, aber sicher war ich mir nicht."
Sie nickte und änderte ein wenig ihre Position. Ich passte mich an, damit sie es bequemer hatte.
„Also haben sowohl du, als auch ich, einen kleinen Teil der Magie gestohlen."
„Sieht so aus."
Ein teuflisches Lächeln schlich sich auf ihre Lippen.
„Ich wette, Riniah und Xenos rasen vor Wut."
~•~
Nemesis hatte mir nach einer Mahlzeit und mehreren Stunden im Bett liegen versichert, dass sie sich stark genug fühle, die anderen auf ihr Zimmer zu bitten und alles zu klären.
So stand sie wieder in tadelloser Haltung am Balkonfenster, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Sie hatte ein tiefblaues Hemd aus ihrem Schrank in eine schwarze Stoffhose gesteckt. Der befleckte Kampfanzug lag noch dort, wo Drystan ihn abgelegt hatte. Allerdings hatte sie ihr Schwert um die Hüfte und Messer im Stiefel.
Das Haar war noch offen und etwas zerzaust, aber das tat ihrer Schönheit keinen Abriss.
Ich stand neben ihr, die Arme vor der Brust verschränkt, das Fenster im Rücken. Ich hatte in der Zwischenzeit zu der Kleidung meiner Welt gewechselt: die Stoffbahnen quer über der Brust, die weite Hose. Sichtliche Waffen trug ich keine, aber das war auch nicht nötig. Ich konnte begrenzt Gegenstände quasi aus dem Nichts erschaffen. Darunter meinen Kampfstab.
Es klopfte und auf Nemesis' Erlaubnis traten die anderen ein. Drystan und Chara zuerst, Virginia in der Mitte und die beiden Königswächter mit Phyrros folgten. Der Kammerdiener schloss die Tür hinter sich.
Stumm, mit ernsten Gesichtern verteilten sich alle in dem Gemach. Während sie sich setzten musterte ich jeden von ihnen mit mindestens genauso dunkler Miene.
Nemesis dreht sich um, ihre Züge eine perfekte Maske der Gleichgültigkeit.
Es war beeindruckend, wie sie ihre Mimik und ihren Körper unter Kontrolle hatte. Auch wenn die Gründe dafür keine schönen waren.
In Phyrros Blick lag eine Warnung, als er die Beine auf dem Schreibtisch, auf dem er saß, übereinanderschlug.
Wir wussten, dass er einer von den Rebellen war und versteckt gegen Riniah arbeitete. Aber ihn zu verraten würde uns nichts bringen.
„Freut mich, dass du wach bist", sagte Drystan leise in die Stille hinein.
Nemesis sah ihn ausdruckslos an.
„Danke. Ich bin auch froh, dass wir es alle überlebt haben."
Chara rieb sich das Gesicht. Sie sah müde und fertig aus. Außerdem hatte sie ihren Kranz weggelassen und trug ein einfaches weißes Top und Hose mit den Ringen an der Hüfte.
„Ja, die meisten hatten weniger Glück. Viele unsere Männer sind infiziert worden und zu Staub zerfallen. Sowohl delerische als auch koranéeanische."
Die Leibwächterin stand hinter dem Sofa, das Chara sich mit Drystan teilte und legte ihr stützend eine Hand auf die Schulter. Dankbar lächelte die Prinzessin zu Virginia hoch, ehe sie Nemesis direkt ansah.
„Es gibt einiges zu erklären."
Weder Nemesis noch ich leugneten es, aber ich überlies es ihr, die Geschichte zu erzählen. Das war Nemesis' Kampf gewesen, nicht meiner.
Nemesis schilderte knapp die Auseinandersetzungen mit dem Schwert, wie einer der Tentakel sie erwischt hatte und sie anschließen in König Allstairs Geist eingedrungen war.
Aramis verzog bei der Erwähnung der Tentakel das Gesicht.
„Igitt."
Den Teil in Allstairs Geist hielt sie kurz und ich wusste, dass sie einiges ausließ. Aber entscheidend war, dass sie zur Magie vorgedrungen und die Infizierte vernichtet hatte.
„Das gibt euch nur ein wenig Zeit, um euch zu formatieren. Aber Allstair wird weiterhin versuchen euch anzugreifen."
Die anderen nickten wissend.
„Aktuell wird unser Land aber von niemanden besetzt. König Allstair hatte nur infizierte Soldaten für die Eroberung eingesetzt. Die leymalische Grenze ins unbewacht, die Minen ausgenommen",
berichtete Chara aus der heutigen Sitzung mit dem Rat.
„Die wird immer noch von Assassinen und Soldaten gehalten. Auch wenn es jetzt abzüglich der Infizierte insgesamt ein paar weniger sein werden."
Drystans meldete sich zu Wort und nannte die neuesten Beschlüsse des Rats. Man würde das Volk weiterhin in Traddis wohnen lassen und nach wie vor so viele aufnehmen wie möglich. Es war zu riskant für die Menschen, wieder näher an die Grenze zu ziehen.
Jeder, der die Stadt betrat würde auf schwarzes Blut untersucht werden. Ab zehn Uhr sollten alle in ihren Häusern bleiben. Stichprobenartig würden Soldaten auch die Bewohner auf das schwarze Blut untersuchen und in der Nacht natürlich patrouillieren. Die Seuche durfte sich auf gar keinen Fall neu ausbreiten.
Die Nahrung, die wir uns mit Feldern im Umkreis nicht erwirtschaften konnten, würde Chri-Delero mit Schiffen liefern. Auch hier würde sichergestellt, dass die Bewohner zu essen bekamen.
Martell ging dazu über zu beschreiben, wie wir gekämpft hatten, so lange Nemesis sich um Allstair gekümmert hatte. Die Infizierten hatten uns angegriffen und hatten verhindert, das wir zu ihr konnten. Es waren wirklich viele gewesen und sehr viel länger hätten wir es nicht geschafft. Keiner von uns hatte sich infiziert. Was fast schon ein Wunder war.
Nach den sachlichen Schilderungen wurde es still im Raum. Die Luft war angespannt.
„Also", Chara drückte den Rücken durch, „Wieso habt ihr König Allstair beschützt? Es hätte einfach vorbei sein können. Der Krieg wäre zu Ende, die Bedrohung durch Leymalien gäbe es nicht mehr."
Alle Augen richtete sich auf und. Ausgenommen Phyros konnte keiner den Vorwurf in ihnen verbergen. Drystan kannte die Antwort bereits, aber er sah Nemesis an, als hoffe er auf eine bessere.
Unruhig fixierte ich Chara und Drystan. Ich spürte wie die Magie, in ihren anstieg.
Nemesis bemerkte es ebenfalls und lies ihre Hände locker neben ihr Schwert und Messer fallen.
~1734 Wörter
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