74
Nemesis
Peitschend schoss der Schmerz durch meinen Unterarm. Riss an mir.
Das war ein Schmerz der tiefer ging als alles, was ich jemals gefühlt hatte, weswegen ich mich vor Qual hin und her warf.
Drystans Augen waren weit aufgerissen und er sah mit zitternden Händen auf mich runter, während er neben mir kniete. Überfordert, was er tun und wie er mir helfen sollte.
„Was passiert hier?", flüsterte er und sah hoch zu Naevan der kampfbereit neben mir aufragte. Das Gesicht eine steinerne Maske.
„Tut was!"
„Das sind Eure Götter, die dafür zuständig sind. Ich bin machtlos gegen den Deal.", fauchte der Hüter.
Zwar war in seinem Gesicht nichts zu sehen, aber die leichte Panik in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Der Rest sammelte sich um mich, alle blass, da ich mich am Boden krümmte und mit den Händen auf den Stein schlug, was den Schmerz natürlich nicht besser machte.
„Wenn sie die Schmerzen so offensichtlich zeigt, will ich nicht wissen, was sie gerade durchmacht", bemerkte Aramis und berührte flüchtig seine Schulter.
Virginia musterte mich einen Moment genauso ratlos wie alle anderen, dann drehte sie den Kopf zu dem Hüter, dessen Körper angespannt war, wie eine Bogensehne.
„Was machen wir jetzt?"
„Wieso fragst du ihn das?", knurrte Drystan und sah einen Moment von mir auf.
Schulterzuckend antwortet die Leibwächterin:
„Nun, er hat zumindest erkannt, dass wir auf irgendeiner Ebene von den Göttern gelandet sind. Was auch immer das heißt."
„Das heißt, das wir gleich ein Problem haben", sagte Naevan düster und drehte den Kopf zu Seite, zu einer zerklüfteten Steinformation. Der Rest folgte seinem Blick, wo sich langsam in Gold und Silber die Gestalten von Riniah und Xenos materialisierten.
Der Göttervater war etwas größer als Naevan in eine weiße Toga gehüllt, über die ein reich verzierter Brustpanzer lag. Dazu hatte er braune Sandalen und ein massives Schwert an der Hüfte.
Seine Augen blitzen silber, das Gesicht mit perfekten Zügen geformt. Die Aura, die von ihm ausging, war erdrückend, gab mir das Gefühl klein und unwichtig zu sein.
Aber das waren Gefühle, die mühelos von dem Deal hinweggespült wurden, der mittlerweile meinen ganzen Arm in Flammen setzte.
Neben Xenos stand Riniah mit gestrafften Schultern und den Mund zu einer schmalen Linie verzogen. Ihre dunkle Haut bildete einen starken Kontrast zu dem goldenen Reif auf ihrem Haupt und dem weißen Gewand. In perfekten, glänzenden Wellen fiel ihr das schwarze Haar über die Schultern fast bis zum Boden.
„Seid gegrüßt", sprach die Götter-Mutter, „Es ist Zeit, den Deal einzulösen."
Chara und Drystan entspannen sich ein Stück, da es ihre Götter waren, die zu ihnen sprachen. Anders als für Naevan und mich, stellten die Götter keine Bedrohung da.
Virginia blieb wachsam, Aramis und Martell machten von der Präsenz der göttlichen Macht eingeschüchtert einen Schritt zurück.
Alle bis auf Naevan gingen auf die Knie. Ich für meinen Teil, blieb weiterhin zuckend am Boden und bekam sowieso kaum was mit.
Die Augen des Göttervaters richteten sich brennend auf den Hüter, der ihn voller Hass erwiderte.
„Naevan."
„So sieht man sich wieder", trotz der sichtlichen Feindschaft blieb der Genannte ruhig.
Immer noch kniend tauschten die anderen verwirrte Blicke.
„Du hast etwas, was uns gehört", bemerkte Riniah. Dabei hatte sie den Kopf schief gelegt, wie eine Raubkatze. Ohne, dass sie die Stimme erhob, ging diese einen durch Mark und Bein.
Am Rande deutete sie den anderen, sich zu erheben. Nur Drystan blieb neben mir knien. Seine Augen zuckten immer wieder zwischen den Göttern und mir hin und her.
Naevas Hand um den Griff seines Schwertes wurde fester:
„Ihr habt die Magie missbraucht."
Voller Überzeugung, meinte Xenos:
„Wir brauchen diese Magie, um diese Welt zu retten."
Würde ich es nicht besser wissen, hätte ich ihm sogar geglaubt. Was alle außer Naevan und mir auch taten.
Zwar war der Hüter still, aber zwischen den ganzen Qualen spürte ich seinen Sturm aufwallen. Da stand er den Mördern seiner Familie, seiner ganzen Welt, gegenüber und das einzige, was er tun konnte, war die Magie zurück zu halten. Töten konnte er die Götter hier nicht, denn sie hatten keinen Körper. Und jeder Kampf führte ins Nichts.
Die nächste Schmerzenswelle ließ mich mit einem Schrei herumwerfen. Seit Jahren nicht vergossene Tränen stiegen mir in die Augen.
Mein Innerstes wurde förmlich zerrissen. Gleichzeitig donnerte mein Herz in der Brust vor Panik, die mir den Brustkorb abschnürte.
Das war's. Ich raste auf meinen Tod zu, das fühlte ich.
Und Allstair war noch immer mehrere Kilometer entfernt.
Naevan fuhr bei dem Schrei zusammen. Genauso wie Drystan, dessen Gesicht blass wurde. Panisch schoss sein Kopf zu dem Göttervater:
„Ihr müsst ihr helfen!"
Mit regungsloser Miene hob Xenos seinen Arm. Der Ärmel seiner Toga rutschte runter und enthüllte das gleiche Band, dass auch um meinen geschlungen war. Mit dem Unterschied, dass seines sich nicht zuzog, sondern locker über der Haut schwebte.
„Ich bin genauso an den Deal gebunden. Ein Deal geschmiedet mit Magie eines Gottes kann auch der Gott selbst nicht umgehen."
Drystan schüttelte den Kopf, als wolle er es nicht wahrhaben und sah wieder zu mir. Die Augen geweitet, als ich erneut aufstöhnte.
„Du darfst nicht sterben. Das kannst du nicht!"
Ruckartig sprang er auf und packte gewaltsam Naevan am Kragen.
„Gebt ihnen die Magie, verdammt! Und wenn ich sie aus dir raus zwingen muss!"
Der Hütter war etwas überrumpelt, wandte sich aber mühelos aus Drystans Griff. Die Miene eine regungslose Maske aus Stahl.
„Wenn ihr sie sterben lasst-", setzte der Prinz am ganzen Körper zitternd an, da unterbrach Xenos polternd.
„Sie hat eine Minute. Entweder wir bekommen unsere Mague zurück oder ihr Leben ist beendet."
„Ihr bekommt die Magie nicht", presste ich zwischen den Zähnen hervor, ehe ich mich erneut zur Seite warf.
Nicht... heute.
Statt mir zu antworten sahen die Götter abwartend zu Naevan. Drystan ballte immer wieder die Hände zu Fäusten, Chara hatte sich bei meinen Schmerzensschreien die Hand vor den Mund geschlagen.
Virginia stand grimmig hinter ihr, Drystans Freunde waren genauso blass wie er.
„Bist du dir sicher, dass du diese Verbindung aufgeben willst?", fragte Riniah jetzt sanft, „Du weist so gut wie wir, wie selten sie ist."
Daraufhin warf Naevan ihr einen Blick zu, der so voller Hass und Todeswunsch war, das alle anderen schlucken mussten.
Doch statt etwas zu sagen kniete er sich neben mich und nahm meine krampfende Hand, um die sich das rote Band zog.
Trotz der Schmerzen versuchte ich ihn irgendwie anzusehen und blinzelte heftig, damit meine Sicht klar stellten. Was schwere war, als gedacht. Noch mehr Probleme hatte ich allerdings mich auf seine Worte zu konzentrieren und nicht in den Flammen zu versinken, die jeden Muskel erschütterten.
Traurig lächelnd sah Naevan mich an.
„Sorg dafür, dass sie leiden, ok? Und lass Allstair tausend Tode sterben."
Ehe ich seine Worte ganz begreifen konnte, küsste er mich bereits. Energisch lagen seine Lippen auf meinen. Ein Kuss so voller Hingabe, dass mir einfach die Luft weg blieb.
Zeitgleich verschwand der Schmerz und ich sacke gegen seine Brust. Warme, starke Armee umfingen mich.
„Ich weiß, du wirst meine Familie rächen", flüsterte Naevan mit zitternder Stimme und hauchte mir einen Kuss auf den Scheitel.
Meine noch vernebelten Gedanken kamen nur langsam hinter dem her, was passierte, da stand er schon auf und schloss die Augen.
Ein Leuchten ging von Naevans Brust aus, Wind kam auf und wehte den roten Sand über den Boden. Naevans schwarzes Haar tanzte, während er die Hände vor die Brust hielt und das Leuchten sich aus seinem Brustkorb löste. Nun schwebte ein wirbelndes, zuckerndes Licht in seiner Hand.
„Naevan, was..."
Ich brach ab, als ich ein plötzliches Ziehen in der Brust spürte. Überrascht berührte ich Stelle über den Herzen.
Das Licht schwebte von seinen Händen auf das Götterpaar zu, welches es fixierte, als hinge ihr Leben davon ab. Auch alle anderen verfolgten die Kugel, spürten die uralte Macht, die von ihr ausging.
Mein Mund wurde trocken und ich kam stolpernd auf die Beine. Längst nicht so kräftig, wie ich es wollte, packte ich Naevans Schultern.
„Nein, das darfst du micht!"
Mein Herz raste in nie gekannter Panik. Mir war riesig kalte und Angst grub tiefe Krallen in mein Herz. Noch tiefer, als es mein bis eben bevorstehender Tod getan hatte.
Wortlos nahm Naevan meine Hände von seinen Schultern in seine und lehnte seine Stirn an meine.
„Naevan. Nein!", flüsterte ich erstickt.
Er strich mir sanft über die Wange.
„Du bist wichtiger, als meine Rache", flüsterte er, „Mir jeh etwas anderes einzureden war Schwachsinn."
„Endlich!"
Riniah und Xenos breiteten die Arme aus. Ihre Gesichter ein Ausdruck der Gier, als die Kugel sich teilte und in die Brust des jeweiligen flog.
Zeitgleich schlang sich ein rotes Armband um Naevan Unterarm und er schrie augeblicklich auf. Seine Beine knickten im mit verzerrten Gesicht weg. Reliefartig wollte ich ihn auffangen, aber ich war zu geschwächt, weswegen ich mit ihm zu Boden fiel.
Schnell rollte ich ihn auf den Rücken und krallte meine Finger Hemd, wo er immer wieder stöhnte. Das rote Band grub sich tief in sein Fleisch und von dort ausgehend traten die Adern hervor.
„Nein. Nein, nein, nein"
Ich packte seine Schultern, konnte aber nichts gegen das Aufbäumen seines Körpers verhindern.
Der Wind wurde stärker und tobte mittlerweile über die ganze Ebene. Roter Sand wurde aufgewirbelt. Magie knisterte in der Luft und überzog meine Haut mit eisiger Gänsehaut.
Die anderen sahen gebannt zu den Göttepaar, dessen Haare zu Wehen begannen. Beide hatten die Augen geschlossen und hielten ihre Macht mit offenen Armen willkommen.
Gold und Silber wirbelte um Riniah bzw. Xenos und ihre Haut begann zu leuchten. Falls irgendwie möglich, waren sie jetzt noch perfekte und glänzender als zuvor.
Aber ich nahm nicht davon wahr. Alles war ich spürte, war Naevan, wie er unter meinen Händen zuckte. Jetzt verdrehte er auch noch die Augen, dass nur noch das weiße zu sehen war und stieß immer wieder einen Schrei der puren Qual aus.
Dazu meldete sich ein Ziehen in meiner Brust, das icb vorher auch noch nie gespürte hatte. Doch wenn ich mich konzentrierte, nahm ich eine Verbindung wahr.
Ein Band das direkt zu Naevan führte.
Jeder seiner Schreie ging mir durch Mark und Bein.
Aber das war nichts im Vergleich zu dem Moment, wo sein Herz unter meiner Hand erst stolperte und dann stehen blieb.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro