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Allstair blieb einige Schritte von uns entfernt stehen und hob die Hand. Schatten wanden sich um Charas Arme, hoben sie nach oben und rissen sie mit sich in die Luft. Überrascht schrie die
Prinzessin auf und strampelte mit den Beinen. Drystan war bereits aufgesprungen, da wurden auch seine Arme von schwarzen Fäden über seinen Kopf gehoben und sein Körper mit ihm.
Erneut raunten die anwesenden Clanmitglieder. Ihre neugierigen, wenn auch ein Stück weit mit Angst vermischten, Gesichter wurden von den umliegenden Fackeln beleuchtet. Trotzdem hatte ich das Gefühl mit dem Verwenden von Allstairs Magie, war es ein Stückchen dunkler geworden.
Eine von vielen Schmerzenswellen schwappten über mich und spätestens jetzt wären mir die Beine weg gebrochen. Allstair Magie hielt mich aufrecht, wie viel man in meinem Gesicht lesen konnte, wusste ich nicht, aber das spielte keine Rolle mehr. Der ganze Saal richtete seine Augen uneingeschränkt auf ihren König, derselbige ließ das Königspaar zu sich schweben. Rechts hing jetzt Chara und links Drystan in der Luft.
Beiden stand die Angst ins Gesicht geschrieben, denn sie wussten nicht, was Allstair vor hatte.
Meine Gesichtszüge verkrampften sich und ich wollte mich übergeben. Das schwarze Blut fraß sich durch meinen ganzen Körper, kratzte mich von innen mit schmerzhaften Krallen aus, während ich in Flammen stand. Zumindest fühlte es sich so an und an mich zu halten, um nicht laut zu schreien, brachte mich fast um den Verstand.
Da hatte ich es noch so oft durchgemacht, es wurde nicht leichter.
Allstair baute sich zwischen Chara und Drystan auf. Seinen Fell-Mantel ließ er dramatisch von seinen breiten Schultern gleiten, sodass er nur noch die enge, schwarze Ledekluft trug. Jetzt wurden auch die Waffen nicht mehr verdeckt, aber alle hatten Klingen an ihrem Körper. Die Männer meistens an der Hüfte, teilweise unter den Fellen versteckt. Die Frauen trugen es an einem Gürtel an ihrem Oberschenkel, über der Hose oder auch ganz klassisch an der Hüfte. Fing einer einen Streit an, waren alle bereit.
„Die Götter gaben mir die Macht ihre Wahl rückgängig zu machen und unser Land dabei zu stärken. Sie sind auf unserer Seite, edle Freunde!" Das zuversichtliche Lächeln auf seinem Gesicht wirkte und einige wurden angesteckt.
„Ich kann den Auserwählten ihre Magie wieder nehmen und sie in mich aufnehmen."
Chara riss die Augen auf und zerrte an ihren Armen, aber sie konnte sich kein Stück bewegen. Noch immer wurde sie von Schatten an den Armen oben gehalten.
Drystan, der seine Magie scheinbar noch nie gespürt hatte, reagierte mit Unglauben.
„Beginnen wir."
Allstair schloss die Augen und senkte den Kopf. Dabei hatte er die Beine breitbeinig aufgestellt und die Hände sorgsam hinterm Rücken verschränkt.
Der Saal wurde still, sodass ich meine eigenen, erschwerte Atemzüge hören konnte. Nur mit Mühe nahm ich das Geschehen vor mir wahr. Das schwarze Blut nahm fast all meine Sinne ein. Trotzdem entging mir nicht, wie der Raum immer dunkler wurde. Die Schatten aus den Ecken, krochen sich windend über den Boden auf Allstair zu. Die Gäste hoben erschrocken die Füße und versuchten nicht auf die Schatten zu treten, aber sie wanden sich ungestört zwischen ihnen durch und sammelten sich zu den Füßen des Königs, der nach wie vor unbeweglich da stand.
Die Temperatur im Rau sank erheblich und es kroch mir kalt den Rücken hoch. Ein weiterer Schrei wollte sich in meinem Hals Bahn brechen, aber ich schluckte ihn gewaltsam runter. Meine Sicht flimmerte, doch ich blinzelte heftig dagegen an.
Jetzt hob Allstair den Kopf. Seine Augen waren schwarz, wie die der Infizierten nur, dass sie vom schwarzen, feinen Adern umrahmt wurden. Die Gäste wichen erschrocken zurück, einige legten sogar die Hände an ihre Waffen.
Der König ließ sich nicht stören. Träge stoben die Schatten zu seinen Füßen auseinander und sammelten sich unter dem schwebenden Königspaar. Langsam wanden sie sich Drystans und Charas Füße hoch. Chara versuchte dem dunklen Rauch die Beine zu entziehen, aber sie wurden von der Magie festgehalten. Das gleiche galt für Drystan, der mit weit aufgerissenen Augen verfolgte, wie die Schaten sich bis zu seinen Schultern hocharbeiteten und von da aus begannen, über seinen Körper zu jagen.
Chara sah schwer atmend, fast schon flehend zu mir und ich sah die panische Angst in ihrem Gesicht. Aber ich konnte mich nicht bewegen und schaffte es gerade noch bei Sinnen zu bleiben .
Ohne Vorwarnung ging eine Druckwelle, von Allstair aus, die alle umstehenden zurückweichen ließ. Zeitgleich mit der Demonstration seiner Macht drangen die Schatten in Chara und Drystan. Ehe ich ganz vertstand, was passiert war, schrien beide zeitgleich auf und krümmten sich.
Da sie beide nur dünnen Stoff trugen, konnte ich verblasst die Schatten unter ihrer Haut wandern sehen. Wobei es bei Drystans hellbrauner Haut mehr hervorstach, als bei der dunkelhäutigen Prinzessin.
Doch als der Prinz den Kopf zurück warf und einen Schrei der Qual ausstieß, begleietet von heftigen Krämpfen, die ihm die Tränen in die Augen schießen ließen, wurde etwas in mir berdrohlich still.
Chara links von Allstair hatte das Gesicht vor Schmerz verzerrt und auch ihr liefen die Tränen über die Wangen.
"Hört auf!", flehte sich zwischen zwei gellenden Schreien, "Hört auf!"
Die Gäste waren inziwschen wieder näher gerückt und betrachteten das Königspaar mit gemischten Gefühlen. Einige zuckten bei ihren schmerzerfüllten Schreien zusammen, andere schien es nicht zu stören, sie schienen gar Schadenfreude zu empfinden.
Doch ich hatte nur Augen für Drystan, der sich unter Qualen wandt.
Langsam wanderten meine Augen von den Schatten unter der Haut des Prinzen zu dem König in der Mitte. Und als ich das schmale Lächeln auf seinen Lippen bemerkte, schossen die eisigen Flammen in meinem Inneren eisig durch mich hindurch.
Eine nie gekannte Wut erwachte brüllend in mir. Der Schmerz des schwarzen Blutes rückte in den Hintergrund, denn alles woran ich denken konnte, war der leidende Prinz. Ich wusste wie es sich anfühlte, machte sowas ähnliches in diesem Moment selbst durch. Ich konnte es etragen, verdiente es sogar. Ich war daran nicht zugrunde gegangen, aber so stark war Drystan nicht.
Also würde ich für uns beide stärker sein as diese schwarze Magie.
Zorn vermischte sich mit einer eisernen Entschlossenheit und den Mordlüsten, die soeben um das dreifache gestiegen waren, zu etwas neuen, schärferen, das durch den Schmerz schnitt wie durch Luft.
Mit einem inneren Schrei zerfetzte ich das schwarze Blut, das durch meine Adern jagte. Ich konnte spüren, wie die Magie zurückzuckte. Plötzlich wollte sie fliehen, aber ich ließ sie nicht entkommen. Nein, ich hielt den Schmerz in meinem Inneren, zeriss, zerstörte, zerstückelte bis nichts mehr von ihm übrig war. Bis das magische Blut keine Wirkung mehr zeigte.
Schwer atmend hob ich den Kopf und fixierte Allstair. Er hatte genüsslich den Kopf in den Nacken gelegt, da sich jetzt jeweils ein schwarzes dünnen Band von Drystans und Charas Brust zu seiner entwickelt hatte, von dem ihre Magie in ihn über ging. Jedes Mal wenn Drystan schrie, war es wie ein Peitschenhieb für mich, was das eiseren Feuer in mir nur noch weiter entfachte.
Doch jetzt richtete ich das scharfe Messer aus Zorn, Rache und Blutlust nach außen. Ohne zu zögern durchtrennte ich Allstairs Magie, die mich an Ort und Stelle hielt.
Und dann hielt mich nichts mehr zurück.
Mit einem einzigen Sprung schoss ich nach vorne, überbrückte die Meter zur Mitte des Saales und war über Allstair, ehe irgendjemand reagieren konnte. Mit bloßen Händen durchtrente ich rechts und links das Band und die Schatten stoben zischend auseinander.
Zum ersten Mal konnte ich Schock in den Augen des Königs ausmachen, als ich vor ihm in der Hocke landete und ihm die Beine mit einer fließenden Bewegung wegtrat. Ich war schneller, als er es wahrnehmen konnte und ehe er sich versah, lag er auf dem Rücken. Schlagartig wurde der Zauber unterbrochen, das Königspaar fiel zu Boden.
Gerade hatte ich mich aufgerichtet, um meine Hand auf den Hals des Königs nieder sausen zu lassen, da rollte er sich mit ebenso übernatürlicher Schnelligkeit zur Seite. Krachend versank meine Hand in dem Stein des Bodens, von wo aus sich sogar feine Risse bildeten.
Grimmig zog ich meine unverletze Hand aus dem Stein und wirbelte zu dem König herum, der irgendwie auf der anderen Seite des Thronsaales angekommen war und wieder vor seinem Thron stand.
Die Gäste hatten uns gar nicht mit den Augen verfolgen können, sodass es für sie nur wie ein Aufblitzen von schwarz und rot ausgesehen haben musste. Blinzelnd starrten sie auf das Loch, das meine Faust hinterlassen hatte, zu mir und anschließend verständnislos zum König.
Das Königspaar rechts und links von mir auf dem kalten Boden regte sich stöhnend.
"Wie konntest du dich befreien?", zischte der König und ich bemerkte genüsslich, dass sich seine Hände zu Fäusten geballt hatten. Renalds war sofort an seiner Seite und streckte die Hand nach mir aus.
Zwar spürte ich, wie seine Magie nach mir greifen und mich hochheben wollte, aber ich wischte sie wortwötlich mit einer Handbewegung zur Seite.
Die Rechte Hand des Königs ließ blass seinen Arm fallen.
"Wieso tust du nichts?!" Allstairs Stimme hob sich, als er sich an Renalds wandte, ohne mich aus den Augen zu verlieren.
"Meine Magie wirkt nicht mehr", gestand dieser.
Allstair war einen Moment still, doch dann hob er seinerseits die Hände. "Blödsinn!"
Sämtliche Schatten im Raum erhoben, verdichteten sich und schossen pfeilspitz auf mich zu.
Der schwach am Boden liegende Drystan neben mir schrie meinen Namen, da hatte mich die Schwärze bereits eingehüllt. Im ersten Moment zuckte ich zusammen und schloss dabei die Augen, doch als nichts passierte öffnete ich sie wieder. Schwarze Wolken tosten um mich herum, aber sie berührten mich nicht.
Verwundert streckte ich meine Hand aus, das wilde Inferno in mir noch immer spürend. Da, wo ich sie berührte, wichen die Schatten schlagartig zurück.
Langsam stahl sich ein Lächeln auf mein Gesicht.
Die Magie hatte Angst vor mir.
Blitzschnell packte ich die Schatten, wie ich es eben mit dem Blut in mir getan hatte. Sie versuchten mir zu entkommen, aber ich war schneller als sie. Und als die Schatten in meiner Gewalt waren, ging ich in die Knie, um mit der flachen Hand auf den Boden zu schlagen. Es knallte viel lauter, als es natürlich war und die Schatten zersplitterten.
Langsam erhob ich mich, ein wildes Lächeln auf den Lippen, als ich den König ins Auge nahm. Es erfüllte mich mit tiefer Befriedigung die hervostehend Ader an seiner Schläfe zu sehen. Sein Gesicht lief rot an vor Wut.
"Wie ist das möglich?", keifte er. Sein Körper zitterte vor Zorn und der Demütigung unter den vielen Augenpaaren der Clans. Renalds war neben ihm zurückgewichen, genauso wie einige andere im Saal, die das Gewaltversprechen in meiner Haltung erkannten.
Mein Lächeln wurde breiter.
"Du hattest recht, als du sagtest, dass ich eine Waffe bin. Du hast mich zu der tödichsten von allen gemacht", ohne ihn aus den Augen zu verlieren, ging ich ein wenig in die Knie, um einen stabileren Stand zu haben, "Aber führen tust du mich nicht länger."
Mit diesen Worten kanalsierte ich das eisige Feuer in meine Hände und wollte ein zweites Mal vorstürzen, da griff Drystan nach meinem Arm. Mein Kopf schoss herum und mir entging nicht, wie Drystan zusammenzuckte. Sein Griff war schwach und er konne sich kaum auf den Beinen halten.
"Nemesis", flehte er, "Bring uns hier raus."
Sogar seine Stimme war dünn. Was auch immer Allstair so genau getan hatte, es hatte ihn erheblich geschwächt. Chara neben mir kämpfte sich ebenfalls wankend hoch.
"Nicht ohne Virginia."
Ohne auf die beiden einzugehen, richtete ich meine mörderischen Augen wieder auf den König. Für eine Sekunde ewiderte er meinen Blick, inzwischen wesentlich gefasster, doch dann befahl er laut: "Tötet sie!"
Die Umstehenden sahen verwirrt von mir zum König, doch da tauchten schon seine Soldaten zwischen den Clanmitgliedern auf. Allesamt in schwarzen Kampfanzügen und bewaffnet.
Drystan und Chara rückten unwillkürlich näher an mich ran, als der ganze Saal zögernd, nacheinander die Waffen zog und mich anvisierte.
"Was machen wir jetzt?", flüsterte Chara mit Panik in der Stimme.
Doch ohne Angst trat ich vor und ging in Kampfstellung. Meine Sinne waren bereits geschärft, mein Stärke durch das eisige Feuer in meinem Inneren genährt.
"Jetzt seht ihr nicht hin", sagte ich leise.
Der erste Soldat machte einen Schritt vor, da war ich schon neben ihn und hatte meine Hände über seine Kehle gezogen. Wobei, eigentlich hatte ich ihn nicht mal wirklich berührt, da ging er schon gurgelnd zu Boden. Überrascht schlossen sich meine Finger um etwas kühles in meiner Hand.
Eine durchsichtige, kaum wahrnehmbare Klinge lag in meiner Hand. Sie war nicht aus Eisen oder Schwarzstahl und wog kaum etwas, auch wenn sie so groß war wie ein herkömmlicher Dolch.
Aber ich hinterfragte das nicht länger, sondern griff den nächsten an. Ehe er auch nur reagieren konnte, lag sein Kopf zu meinen Füßen.
Von da an stürzten sich alle auf mich. Leymalier waren von kämpferischer Natur und jeder hatte eine Waffe dabei, mit der er auch umgehen konnte.
Ein Gedanke reichte aus und die seltsame Klinge wuchs auf die Länge eines Schwertes. Mit einem wilden Lächeln stellte ich mich den Angreifern.
Je tiefer ich das tosende Feuer in mich einließ und je weniger ich es zurückhielt, wie ich es all die Jahre in Angst und Verleugnung getan hatte, desto lagsamer wurde das Geschehen um mich herum. Die Zeit verzerrte sich, wohingegen ich mich rasend schnell durch sie Bewegen konnte.
Ich tauchte unter dem langsamen Arm eines Clanmitgliedes durch, kam hinter ihm wieder hoch und rammte ihm meine Klinge in den Rücken. Mit dem nächsten Schritt stand ich schon bei einem weigern Leymalier und hatte sein Herz durchbohrt, da war der vorherige noch gar nicht auf dem Boden aufgeschlagen.
Ich pflügte eine Schneise durch die Menge um mich herum, wobei ich keinen einzigen Treffer kassierte. Niemand sah mich kommen, geschweige denn hatte Zeit seine Waffe zu heben, da war es schon aus. Meine Klinge war wie immer eine Verlängerung meines Armes, meine Bewegungen nur Schemen und mein Körper eine perfekte Waffe des Todes. Blut spritzte mir ins Gesicht, schmerzenschreie drangen an mein Ohr, aber da war ich schon fünf Leymalier weiter.
Sie alle hatten dabei zugesehen, wie der König mich einsetzte. Wie ich Landsmänner und Feinde gleichermaßen emordert hatte und sie hatten nichs unternommen. Männer als auch einige wenige Frauen hatten meine Dienste im Bett beansprucht, die König Allstair für Gefallen bewilligt hatte. Diese Welt hatte mir alles genommen und nichts zurück gegeben. Das, was von mir übrig war, hinterließ Blut und Leichen im Saal.
Sie alle verdienten meinen Zorn. Meinen Zorn, meine Klinge, den Tod.
Den Tod und so viel mehr.
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