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Nachdem mich die Kommandantin an den Toren rausgelassen hatte, war ich nochmal eine Runde durch die Stadt gegangen. Es ging mir hauptsächlich darum, die Stadt weiter auszukundschaften. Außerdem wollte ich über den Pfeil und die Absicht des Schützen nachdenken.
Der Pfeil war eindeutig von ihm. Das wusste ich, weil ich die selben Pfeile abgeschossen hatte.
Ein Attentat auf den Kronprinzen. Aber warum jetzt? Und warum so einfach konzipiert? Seine Pläne waren normalerweise ausgeklügelter und mehrschichtiger verarbeitet. Auf jeden Fall kein Schütze auf dem Dach, der den Prinzen einfach erschoss.
Aber an meisten irritierte mich das Motiv. Wenn er das Land wirklich hatte Schwächen wollen, warum nicht den König umbringen? Der Prinz konnte den Thron zwar übernehmen, aber er wäre nicht darauf vorbereitet und es würde ihn an Erfahrung im Krieg fehlen. Das wäre doch viel effizienter.
Während ich darüber grübelte, was er vorhaben könnte und nebenbei Erinnerungen ausblendete, merkte ich kaum, wohin meine Schritte mich führten.
Noch weniger bemerkte ich meine Verfolger.
In einer kleineren Gasse, nicht allzu weit vom Gasthaus, hörte ich schließlich das unverkennbare Geräusch einer Waffe, die gezogen wurde.
Auf der Stelle wirbelte ich herum, mein Schwert bereits erhoben.
Ich war spät aus dem Schloss gekommen und inzwischen ging die Sonne unter. Es war noch nicht dunkel, aber lange würde es nicht mehr dauern.
Wachsam und die Muskeln angespannt suchte ich meine Umgebung ab. Die Gasse war gepflastert, Häuser aus Backstein ragten rechts und links von mir hoch. Über mir hing eine leere Wäscheleine.
Die Fenster der Häuser waren geöffnet, aber dahinter war es dunkel.
Das Trappeln einer Maus drang an mein Ohr, sie huschte hinter mir durch eine Lücke in der Mauer des Hauses.
Abgesehen vor mir und ihr war es still. Die Gasse verlassen.
Ich spürte eine Präsenz hinter mir und wirbelte noch im selben Moment herum.
Stahl stieß auf Stahl und ich blickte in das Gesicht meines Verfolgers.
Kalte, braune Augen blickten mir entgegen, eine Narbe von der Wange bis zum Kinn.
Ich kannte ihn.
„Auch wenn man es dir nicht ansieht", zischte er, „Ich weiß, dass du überrascht bist."
Wir sprangen auseinander und ich musterte ihn berechnend. Schwarze Montur, die gleiche die auch ich getragen hatte. Zusätzliche Messer an der Hüfte und das waren nur die, die ich sehen konnte.
Er trug einen Mantel, die Kapuze war unten, die silbernen Knöpfe am Kragen glänzten.
Er war einer von vielen seiner Gefolgsleute. Das wusste ich, da ich mir jedes Gesicht in dieser verdammten Burg eingeprägt hatte.
Ich kniff die Augen zusammen. Da, wo Julius war, war auch sein Zwilling nicht weit.
Als hätte mein Gedanke ihn hervorgerufen, hörte ich eine Bewegung hinter mir. Sofort duckte ich mich und entging so der Klinge die mich enthauptet hätte.
Also wandte ich mich noch immer geduckt um und zog mein Messer quer über Jacks Brust.
Er schnappte nach Luft und stolperte zu seinem Bruder. Seine Montur begann sich zu verfärben, aber der Schnitt war nicht tief. Ich war dennoch durch die Montur bis auf die Haut gedrungen.
Jetzt standen die beiden also vor mir. Einer blutend, einer unverletzt. Einander wie aus dem Gesicht geschnitten, bis auf eine Sache:
Julius hatte die Narbe auf der rechten Wange, Jack auf der linken. Die hatte er ihnen zugefügt, um sie unterscheiden zu können.
„Wie habt ihr mich gefunden?", forderte ich zu wissen.
Julius sah wütend auf die Verletzung seines Bruders, ehe er antwortete.
„Das war reiner Zufall. Wir hatte die Mission den Prinzen zu töten, als du den Plan vereitelt hast."
Innerlich hielt ich mir selber eine Standpauke. Nur wegen dieser dämlichen Rettungsaktion, hatten sie mich entdeckt. Warum auch hatte ich es getan?
„Dann endet eure Mission hier und jetzt.", ich hob das Schwert, „Ihr wisst, dass ich euch nicht zurück gehen lassen kann. Mein Standort muss geheim bleiben."
Julius hielt seinerseits das Schwert fester, Jarves ignorierte meinen Schnitt und ging kampfbereit in Stellung.
„Wir sind zwei, du bist allein. Dazu schützt dich deine Kleidung vor gar nichts."
Ich sah an mir runter. Das hochgeschlossene Oberteil, die schwarze Hose und Stiefel, boten tatsächlich keinen Schutz.
Als ich aufsah, war mein Gesicht kalt und leer.
„Ihr vergesst, wer mich geformt hat."
Damit stürzte ich vor. In der einen Hand mein Schwert, in der anderen ein Messer. Sie kamen mir entgegen und der Kampf begann.
Ich fand mich hier vollausgebildeten Soldaten gegenüber. Sie waren darauf trainiert zu töten.
Aber das war ich auch.
Jahrelanges Training, Schweiß, Schmerzen und Blut machten meine Körper schnell und wendig. Ebenso waren meine Manöver präzise ausgeführt. Meine Deckung nicht zu durchdringen.
Mein Schwert war mein verlängerter Arm, meine Beine berührten nie länger als paar Sekunden den Boden. Meine Augen sahen ihre Angriffe voraus, erfassten ihr Kampfmuster.
Zur Waffe erzogen. Zum Monster geformt.
Ich parierte einen Schlag von Julius' Schwert, drehte mich dann zur Seite, sodass Jacks Messer lediglich die Luft zerschnitt. Erst stieß ich Julius nach hinten, dann sprang ich zurück und warf mit einer blitzschnellen Bewegung mein Messer nach Jack.
Er hatte es bereits kommen sehen und konnte ausweichen, aber Julius hinter ihm war noch immer aus dem Gleichgewicht. Gerade als er es wiederfand, bohrte sich mein Messer in sein Auge. Es drang bis zum Schaft hinein.
„Julius!", Jack fing seinen Bruder auf, bevor er auf den Boden aufschlagen konnte. Sanft legte er ihn ab und richtete seine Augen von dem Blut auf mich. Blanke Wut stand in ihnen geschrieben und dementsprechend aggressiv war sein Angriff. Seine Attacken wehrte ich alle ab. Sie waren direkt und einfach. Keine Finten, keine Tricks, nur die Wut.
Das wurde ihm letztendlich zum Verhängnis, als ich unter dem Messer durchtauchte, das auf meine Kehle zielte. Ich befand mich unter seiner Deckung und stieß ihm das Schwert in den Bauch.
Er gab ein undefinierbaren Laut von sich und sah verwundert auf das Schwert. Ohne das Gesicht zu verziehen, zog ich es wieder raus. Rotes, frisches Blut klebte an ihm.
Jack ließ seine Messer fallen und sank auf die Knie. Die Hände auf die blutende Wunde gepresst. Das Rot breitete sich noch weiter auf seiner Montur aus, als zu dem Schnitt über der Brust noch die Bauchwunde hinzukam
Er holte zitternd Luft, ehe er zu mir hochsah. Seine grauen Augen flackerten bereits.
„Du ma-magst geflohen sein, aber du bist noch immer seine Waffe. Tötest noch immer so kaltblütig und gnadenlos, wie du es für ihn getan hast.", er spuckte Blut vor meine Füße, aber ich verzog keine Miene.
„Du.. Du bist vielleicht nicht mehr in der Burg." Er verzog vor Schmerz das Gesicht. Das Reden strengte ihn an.
„Aber... Aber du wirst niemals frei sein von ihm."
Der letzte Messerangriff von ihm gegen mich.
Und das Messer drang tief.
Er kippte seitlich um. Die Augen stumpf und Blut auf den Lippen.
So stand ich da in der verlassenen Gasse, im Licht der untergehenden Sonne. Ein blutiges Schwert in der Hand und zwei Leichen vor mir. Eine in einer Blutlache liegend, die andere mit dem Messer im Auge.
Ich stieß den Atem aus und steckte das Schwert in die Scheide. Dann sah ich mich bei den Häusern um. Die Lampen am Eingang waren nicht angezündet, aber für gewöhnlich lagen die Feuersteine direkt daneben.
Drei Häuser weiter wurde ich fündig und schnappte mir die Steine.
Wieder zurück bei Julius und Jack, zündete ich ihre Körper an. Das Feuer brannte erst klein und loderte dann hell auf. Ein bestialischer Gestank drang in meiner Nase und ich hielt mir sofort die Hand auf Mund und Nase.
Ohne einen Blick zurück zu werfen, wandte ich mich um und ging die Gasse entlang zum Gasthaus.
Es würde nur noch Asche übrig bleiben, die der Wind verwehte. Nichts, das auf mich zurück zu führen war.
~•~
Eine Woche später, saß ich wie immer bei Delara an der Bar und verschlang mein Abendessen. Ich setzte mich grundsätzlich nicht zu anderen an den Tisch, redete mit jemanden oder spielte Karten. Lieber hielt ich Abstand und kam alleine zurecht.
In dieser letzten Woche hatte ich an keinem Turnier mehr teilgenommen. Die Geschichte über das Mädchen, das den Pfeil gefangen hatte, hatte schon längst die Runde gemacht. Allerdings waren die Gerüchte schon so oft weiter erzählt worden, dass ich feuerrote Haare hatte und zu der Loge geflogen war. Es hieß ich sei eine von den Göttern auserwähltet Luft-Magierin.
Ich schnaubte.
Von den Göttern auserwählt. Ja klar.
Gerade schnitt ich meinen saftigen Stake an, da schwang die Tür zum Gasthaus auf. Wie immer warf ich einen Blick über die Schulter, um den Neuankömmling in Augenschein zu nehmen. Die Person trug schlichte, schwarze Kleidung und einen Mantel. Die Kapuze ließ mich nur die untere Hälfte seines Gesichts erkennen. Vom Körperbau her war es ein Mann.
Er ging mit sicheren Schritten direkt auf mich zu. Instinktiv umfasste ich den Griff meines Schwertes. Seitdem Julius und Jack mich angegriffen hatten, war ich viel vorsichtiger.
Die anderen Kämpfer des Gasthauses folgten ihm kurz mit ihren Augen und wandten sich dann wieder ihren eigenen Angelegenheiten zu.
Der Fremde ließ sich locker neben mir auf einen Barhocker fallen und wandte sich mir zu. Ich ließ ihn nicht aus den Augen, als er das Schwert von seiner Hüfte band und mir reichte.
Ich sah auf seine Hand und nahm das Schwert belustigt entgegen. Auch wenn man es mir nicht ansah.
„Sollte ich mich verbeugen oder wollt ihr Eure Tarnung beibehalten?"
Der Prinz hielt verwundert inne und fragte mit gesenkter Stimme.
„Was hat mich verraten?"
Ich lehnte das Schwarzstahl-Schwert gegen den Barhocker und stützte meinen Kopf auf die Hand. Dabei legte ich den Kopf leicht schräg.
„Ihr tragt den königlichen Siegelring am Finger."
Er sah auf seine Hand und versteckte sie anschließend unter seinem Umhang.
„Danke für das Schwert. Was verleiht mir die Ehre, dass Ihr es persönlich vorbei bringt?", wollte ich wissen. Meine Stimme war ebenso gedämpft, wie seine.
Der Prinz neigte sich ein wenig vor.
„Ich bitte Euch das Angebot nochmal zu überdenken."
Darauf zog ich nur eine Augenbraue hoch.
„Wieso wollt Ihr mich unbedingt als Leibwächterin? Es gibt doch sicher vielversprechende Kandidaten unter der Königsgarde."
Ich bemerkte, wie er seine Worte abwog und überlegte, was er sagen sollte.
„Ihr seid anders. Ihr verehrt mich nicht oder folgt mir nur wegen meines Titels, wie andere es tun. Ihr schleimt Euch bei mir nicht ein, um die Stelle zu bekommen. Ihr wollt nicht mal am Hof arbeiten.", ich sah ein schiefes Lächeln unter seiner Kapuze aufblitzen.
„Das macht euch zu einer besseren Leibwächterin, als alle anderen. Ihr würdet mich nicht anders behandeln, nur weil ich ein Prinz bin. Und mein Charme scheint bei Euch ebenfalls nicht zu wirken."
„Ihr wollt mich also, weil ich euer Ego verletze?", formulierte ich es anders.
Er korrigierte entschieden „Ich will Euch, weil Ihr mir keine Ergebenheit vorheuchelt. Ich seid nicht, wie der Adel am Hof."
Ich stieß die Luft auf und wandte mich ihm ganz zu.
„Na schön. Ich nehme an."
Sein Lächeln wurde breiter. „Hat mein Charme Euch doch überzeugt?"
„Ich fürchte, da muss ich Euch enttäuschen. Es liegt allein daran, das es doch in meinen Interessen liegt, am Hof teilzuhaben."
Zwei von seinen Männern hatten mich entdeckt. Wenn es einmal passiert war, könnte es auch wieder passieren. Im Palast war ich sicherer und schwerer zu erreichen. Außerdem barg es tatsächlich nur Vorteile.
„Aber ich habe eine Bedingung.", sagte ich fest.
Der Prinz wurde wieder ernst und nickte.
Ich sah ihn eindringlich an und ich merkte wie er schluckte.
„Ich bin nicht dazu verpflichtet, auf Eure Fragen zu antworten."
„Welche Fragen meint Ihr?"
Statt zu antworten, nahm ich mein neues Schwert und stand vom Hocker auf.
„Das werdet Ihr schon merken."
Schließlich stellte ich mich vor ihm hin und reichte ihm meine behandschuhte Hand.
„Das ist meine Bedingung. Wenn Ihr sie gutheißt, bin ich ab sofort Eure Leibwächterin."
Auch wenn ich seine Augen nicht sah, wusste ich, dass er mich musterte.
Schließlich lächelte er und schüttelte einmal kräftig meine Hand.
„Ich werde meinen Vater davon berichten. Packt eure Habseligkeiten zusammen und kommt morgen Mittag ins Schloss, Lady Nemesis."
Ich ließ seine Hand los und sagte: „Nennt mich nicht so."
Er legte den Kopf schief, wodurch seine Kapuze ein wenig verrutschte. Eine braune Locke kam zum Vorschein.
„Wieso nicht? Das ist Euer Titel, wenn ihr meine Leibwächterin seid. Ihr werdet auf den Stand eines Mitglied der Königsgarde erhoben."
Ich war ihm keine Erklärung schuldig also erwiderte ich nur: „Nennt mich einfach nicht so."
Die Sache war die: der Titel einer Lady stand mir nicht zu. Er war zu damenhaft, zu freundlich, zu rein für meine blutbefleckten Hände.
Für eine Weile spürte ich seine Augen noch auf mir, dann stand er auf und wandte sich zum gehen.
„Wir sehen uns morgen, Nemesis Warleigh"
Aus irgendeinem Grund jagte mir seine Stimme ein Kribbeln den Rücken hinunter, aber ich erwiderte nichts mehr.
Der Prinz verließ das Gasthaus und ich verschwand mit dem neuen Schwert nach oben.
Wie es aussah war ich dem Leben am Hof doch nicht entkommen.
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