26
Am nächsten Morgen traf ich in vollausgestatteter Montur auf Kommandantin Belore und die von ihr ausgewählten Königswächter.
Als ich zu ihnen kam, unterhielten sie sich alle noch. Visha bemerkte mich jedoch sofort und wandte sich mir zu. Ihre Augenbrauen wanderten nach oben.
„Keine Uniform?"
Kopfschüttelnd legte ich die Hände auf meinen Messergurt quer über der Brust. „Hier passen mehr Waffen rein."
Tatsächlich trug ich nicht mein ganzes Arsenal.
Um meine Hüfte war das Schwert aus Schwarzstahl gegürtet. Daneben steckten drei Dolche. In meinen beiden Stiefeln waren kleine Messer versteckt. An meinen Unterarmen ebenfalls, die ich mit einer Bewegung meines Handgelenkes aufschnappen lassen konnte. Sie waren nämlich in den Stoff der Montur eingearbeitet, sodass man sie äußerlich nicht sehen konnte.
Mit der Montur, die ich auch bei meiner Ankunft getragen hatte, war ich ganz in schwarz gekleidet. Mein Haar wie üblich zu einem Zopf geflochten, der mir über den Rücken fiel. Auf meine Handschuhe hatte ich natürlich auch nicht verzichtet.
Jedenfalls schienen die vielen Waffen die Königwächter nervös zu machen. Sie traten auf der Stelle rum und vermieden Blickkontakt.
„Denkt Ihr, Ihr werdet so viele Waffen brauchen?", fragte Visha. Sie klang fast schon belustigt.
Ihr amüsierter Tonfall ärgerte mich, auch wenn ich es nicht zeigte. Wenn sie schonmal gegen einen oder mehrere Infizierte gekämpft hätte, wäre sie genauso vorsichtig.
„Ich will dem Infizierten nicht zu nahe kommen. Da sind Wurfmesser praktisch.", erklärte ich ohne eine Spur Verunsicherung, „Gut möglich, dass eines allein ihn nicht tötet."
Das würden sie so oder so nicht. Infizierten starben nur, wenn man ihnen den Kopf abschlug. Man konnte sie zwar verletzen, ja, aber es hielt sie nicht lange auf.
Visha und auch die anderen Wächter und Wächterinnen sahen mich eine Weile an. Ich erwiderte ihre Blicke kühl.
„Nun da wir jetzt alle vollzählig sind, können wir ja los. Lasst uns die Pferde holen."
Die Kommandantin ging voraus, wir folgten. Auf den Weg zu den Stallungen zählte ich durch. Insgesamt waren wir acht.
Neben mich gesellte sich ein schwarzhaariges Mädchen mit Bob und Pony.
„Hey. Lady Nemesis, richtig?"
„Nur Nemesis", ich wandte ihr das Gesicht zu. Ihre Augen waren ebenso dunkel, wie ihr Haar, ihre Haut gebräunt und sommersprossig.
Offen lächelnd reichte sie mir ihre Hand.
„Ich bin Yvaine"
Während ich ihre Hand schüttelte, musterte ich sie prüfend. Wie immer wurde ich sofort misstrauisch, wenn sich jemand auf Anhieb freundlich verhielt.
„Wisst Ihr, Ihr seid ziemlich einschüchternd", sie deutete mit der Hand an mir hoch und runter, „Diese ganzen Waffen machen einem Angst."
„Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme."
Sie nickte verstehend. Dann legte sie grinsend den Kopf schief.
„Wie ist es so, Leibwächterin des Prinzen zu sein?"
Ich war noch immer auf der Hut und analysierte jedes Wort. Das tat ich bei jedem ganz automatisch.
Trotzdem überlegte ich, was ich antworten sollte.
„Vorteilhaft", sagte ich knapp. Schließlich war ich hinter den Mauern und in der Nähe der königlichen Familie vor ihm am sichersten. Vor allem nachdem die Zwillinge mich aufgelauert hatten.
Yvaine lachte auf. „Ja, das ist es wohl."
Wir kamen bei den Stallungen an, wo sich jeder ein Pferd holte. Ich bekam eine weiße, schlanke Stute mit grauem Haar.
Die Kommandantin und einige geübte Fährtenleser ritten voraus, um die Spur aufzunehmen. Der Rest reihte sich in Paaren dahinter ein.
Yvaine ritt neben mir auf einem braunen Hengst mit einem weißen Fleck auf der Stirn.
„Wie habt Ihr es geschafft, den Posten zu bekommen?", wollte sie jetzt neugierig wissen.
Ich unterdrückte ein Seufzen. Eigentlich hatte ich gehofft, den Ritt in Ruhe zu verbringen.
„Er hat mich darum gebeten."
Meine knappe Antwort und mein kalter Ton hielten sie nicht davon ab, noch mehr zu fragen.
„Einfach so?"
Ich schüttelte kurz den Kopf. „Nein. Ich habe bei dem königlichen Turnier vor ein paar Wochen einen Pfeil für den Prinzen abgefangen. Deswegen wollte er mich einstellen."
Jetzt weiteten sich ihre Augen. „Ihr seid die mysteriöse Frau, die zur Loge des Königs geschwebt ist?!"
„Glaub nicht alles, was Gerüchte hergeben", riet ich ihr, „Ich bin weder geflogen, noch bin ich von den Göttern auserwählt."
Ich wusste, was die Leute sich erzählt hatten und konnte dabei nur die Augen verdrehen.
Verlegen richtete Yvaine ihre braunen Augen nach vorne. Wir ritten im Trab durch den Wald. In der Nacht musste es geregnet haben, denn die Erde war noch feucht. Das war ärgerlich, der Regen hatte bestimmt Spuren verwischt.
Trotzdem schienen die Fährtensucher etwas zu haben. Wir bewegten uns mehrere Stunden Richtung Norden, bis wir irgendwann nach Osten umschwenkten. Auf dem Weg sprach Yvaine mich immer wieder an, aber nachdem ich nur karge Antworten gab und auf nichts näher einging, verstummte auch sie.
Wir legten mittags eine Rast ein und verdrückten Äpfel, Wasser und etwas Trockenfleisch.
Neben Yvaine saß ich auf einem Baumstumpf und musterte die Gruppe. In der einen Hand warf ich einen roten Apfel hoch und fing ihn dann wieder. Die Wachsoldaten hatten sich über Boden und Baumstämme verteilt und redeten ausgelassen miteinander.
Visha ging von Gruppe zu Gruppe und tauschte Worte mit jedem aus. Es wurde schnell deutlich, dass sie sich mit jedem zu verstehen schien. Auch wenn sie ihre Kommandantin war, behandelten sie eher wie eine Kollegin.
„Ich finde es toll, dass Visha Kommandantin geworden ist", Yvaine biss von ihrem Apfel ab, „Wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen."
Abwesend nickte ich.
Die Patrouillen hier liefen ganz anders ab, als die, die ich mitgemacht hatte. Wir waren durchmarschiert oder geritten. Keine Pausen. Weder für uns noch für die Pferde. Wir haben das Ziel ausgemacht, unseren Job erledigt und sind wieder zurück in die Burg.
„Nehmt Ihr öfter an Patrouillen teil? Läuft das immer so ab?"
Das war das erste Mal, dass ich von mir aus ein Wort an sie richtete. Sie verschluckte sich sogar an ihrem Wasser. Hustend klopfte sie sich gegen die Brust.
Als es nicht aufhörte, schlug ich ihr einmal kräftig auf den Rücken.
„Nicht verrecken", sagte ich leise und nahm meine Hand wieder weg.
Sie bekam wieder Luft, sodass sie mich lächelnd ansah.
„Hatte ich nicht vor. Und ja, es läuft immer so ab."
Schulterzuckend richtete sie ihren Blick auf Visha, die jetzt zu uns rüber kam.
„Nur das wir zum ersten Mal einen Infizierte jagen. Ich weiß gar nicht, wie ich ihn mir vorstellen soll."
Die Kommandantin hatte Yvaines letzten Satz noch mitbekommen, weswegen sie sich an mich wandte.
„Ihr seid die einzige, die schonmal mit einem Infizierten gekämpft hat."
„Ja, als ich mit den Kronprinzen im Wald unterwegs war", stimmte ich zu.
„Dann erklärt uns bitte, was uns zu erwarten hat", sie nickte über die Schulter zu den restlichen Königwächtern, „Die letzten Spuren, die wir gefunden haben sind noch ganz frisch. Bald werden wir den Inifzierten finden."
Ich nahm noch einen letzten Schluck Wasser, ehe ich aufstand. „Natürlich."
Visha trat zu Seite, also redete ich einfach los. Wie immer kam ich direkt zum Punkt.
„Sie sind schneller und stärker", sagte ich laut, sodass alle Köpfe sich in meine Richtung umwandten.
„Ihr müsst vorsichtig sein. Ihre Krallen und Zähne sind sehr scharf. Erwartet keine Zurückhaltung oder Gnade. Sie töten, wo sie können."
Ehe ich zu viel sagen konnte, verstummte ich. Bilder drängten sich auf, aber ich ignorierte sie.
„Es ist zwar nur einer, aber er ist trotzdem sehr gefährlich."
Ernst sah ich in die Runde und einige schluckten.
Gut. Sie durften die Infizierten nicht unterschätzen.
Es war alles gesagt, also setzte ich mich wieder auf den Baumstumpf. Visha nickte mir zu, bevor sie uns laut aufforderte aufzustehen. Wir ritten weiter.
Nach einer weiteren Stunde, gab die Kommandantin das Zeichen abzusteigen. Der Infizierte musste in der Nähe sein.
Ohne unsere Pferde schlichen wir jetzt weiter durch den Wald. Meine Ohren waren gespitzt, meine Augen suchten den Wald ab.
Trotz der Blätter auf dem Boden, waren wir alle beinahe lautlos. Die Kommandantin an der Spitze, Yvaine und ich eher mittig.
Ein Knacken hinter uns. Sofort fuhren wir herum, ich hatte das Schwert schon in der Hand, da brach ein Infizierter brüllend aus dem Gebüsch hervor. Hastig sprang ich zu Seite und zog Yvaine mit mir mit. Das Monster schoss an uns vorbei, drehte sich aber knurrend zu unserer Gruppe um, kaum dass es zum stehen kam.
Es war ein Mann gewesen, doch jetzt war seine Haut fast komplett schwarz, die Glieder seltsam zu lang für den Körper. Die Augen wie immer schwarz, doch als er knurrte, entblößte er spitze Zähne. Die Haare klebten fettig am Kopf, an einigen Stellen trocknete schwarzes Blut. Nicht mehr lange und er würde enden, wie die erste Frau, die die Jäger im Wald gefunden hatten.
Gerade brachten wir uns in Formationen, um das Ding anzugreifen, da erklangen ein mehrstimmiges Brüllen hinter uns.
Mein Magen zog sich zusammen, als ich über die Schulter sah. Drei weitere von ihnen rannten auf uns zu. Ein Junge und zwei Frauen.
Fluchend formierten sich die Königswächter neu.
„Wieso ist hier mehr als einer!", wollte Visha wütend wissen.
Die Fährtenleser waren blass, doch einer antwortete: „Sie kommen aus der entgegen gesetzten Richtung. Unseren Boden haben sie noch gar nicht betreten."
Die drei kamen schnell näher, aber als ich zu dem ersten sah, hatte er sich nicht bewegt. Zwar ging er langsam hin und her, allerdings griff er nicht an.
Er wartete.
Ein drittes Mal wurde ein Brüllen laut.
Wieder schossen wir herum. Noch zwei waren hinter den Bäume aufgetaucht.
Wachsam packte ich mein Schwert fester. Es waren insgesamt sechs Infizierte, gegen acht Männer und Frauen. Bedachte man ihre Schnelligkeit und, dass ein Kratzer ausreichte, um uns zu infizieren, standen die Chancen schlecht, dass wir überlebten.
„Zielt auf den Kopf!", rief ich den anderen zu, „Das ist das einzige, was sie tötet. Möglicherweise reicht ein Schnitt schon aus, um euch anzustecken."
Yvaine sah mich mit vor Angst geweiteten Augen an.
„Es sind zu viele... Das schaffen wir nicht."
Ihre Hände zitterten. So würde sie kein Schwert führen können.
Ohne Mitleid verpasste ich ihr eine Ohrfeige.
„Hör auf zu flennen und kämpf."
Geschockt sah sie mich an und hielt sich die Wange. Gnadenlos sah ich zurück.
„Das einzige, das dich retten wird, ist das Schwert da in deinen zitternden Händen. Wenn du vor Angst erzitterst, weil du denkst, dass wir es nicht schaffen, ist der Kampf schon verloren, bevor er angefangen hat."
Ohne auf eine Erwiderung zu warten konzentrierte ich mich auf die zwei Infizierten hinter unserer Gruppe und drehte mich zu ihnen. Ich stand am Rand, war praktisch die erste Linie, auf die sie treffen würden. Zwar standen sie lauernd drei Meter von uns entfernt, aber ich wusste, wie schnell sie die Entfernung überbrücken konnten.
Innerlich rief ich mich zu Ruhe. Gelassenheit strömte durch meine Glieder, sodass ich nicht angespannt war, als ich mit erhobener Waffe in Kampfhaltung ging.
Ich war Situationen mit niedrigen Überlebenschancen gewöhnt. Das war in der Burg regelmäßig vorgekommen. Seien es Bestrafungen, Schlachten oder Patrouillen. Ich habe das Leben in seinen schlechtesten und den Tod in seinen besten Momenten erlebt.
Das hier wird mich nicht töten.
Um mich herum griffen alle nach ihren Waffen. Schwertkämpfer allesamt. Ich konnte die Angst in der Luft spüren, aber ebenso die eisige Entschlossenheit.
Von außen ausdruckslos lockerte ich meine Schulter.
Hoffentlich würde diese Entschlossenheit sie durchbringen.
Sie griffen ruckartig, aber einheitlich an. In einem Moment sah ich zu den zwei Infizierten vor mir, im nächsten war einer schon vor mir. Zur selben Zeit starteten auch die restlichen fünf ihren Angriff, sodass unsere Formation augenblicklich zerbrach.
Nur knapp entkam ich dem ersten Hieb von schwarzen Krallen. Sobald ich einen sicheren Stand gefunden hatte, schoss ich vor. Mein Schwert die Verlängerung meines Armes, als ich auf den Kopf zielte.
Doch das Vieh war schneller und drehte sich hinter mich.
Also nutze ich den Schwung, den ich in meinem Hieb gelegt hatte, um mich über meine Schulter abzurollen. Nah an meinem Ohr hörte ich Zähne zuschnappen, aber sie verfehlten meinen Hals.
Einige Meter entfernt kam ich wieder auf die Beine und wirbelte sofort zum Infizierten herum. Fauchend bleckte er die Zähne. Seine schwarzen Augen funkelten kalt, jedoch voller Mordlust. Hinter ihnen war nichts menschliches mehr übrig.
Ich atmete aus, fand meine Mitte und rannte auf das Ungeheuer zu. Flink wich ich jeden Hieb aus oder parierte ihn mit meinem Schwert. Zwar schnitt ich dem Infizierten so ins Fleisch, aber diese Wunde heilte schnell wieder und kümmerte ihn nicht.
Einmal kam er mir durch einen Hieb ziemlich nah, sodass für ein paar Sekunden lang in sein verzerrtes Antlitz sah. Ich sah meine Chance, zog ein Messer aus meinem Gürtel und stieß es ihm ins Auge.
Brüllend zuckte er zurück, zog es aber sofort wieder raus. Trotzdem war das lange genug für mich, um unter seinen Arm durchzutauchen und ihm von hinten den Kopf abzuschlagen.
Der restliche Körper schlug plump auf dem Boden auf. Das Geräusch wurde von dem weichen, nassen Boden gedämpft.
Ohne die Leiche eines zweiten Blickes zu würdigen, wandte ich mich zum Kampfgetümmel um.
Die Wachsoldaten kämpften verbittert gegen die restlichen fünf. Fauchend sprangen sie uns an, aber wurden von Stahl abgewehrt. Manchmal waren es sogar zwei, die zusammen gegen einen Infizierten kämpften.
Düster musste ich feststellen, dass zwei von uns bereits am Boden lagen. Einem hatte man den Bauch von oben bis unten aufgeschlitzt, sodass die Eingedweide hervorquollen. Dem anderen hatte man den Kopf abgebissen.
Schnell erfasste ich die Lage und rannte geduckt auf eine infizierte Frau zu, mit der Visha gerade zu kämpfen hatte. Sie schlug sich tapfer, aber sie wurde von den vielen Hieben immer weiter zurück gedrängt.
Jetzt schlug die Infizierte Visha das Schwert aus der Hand, anschließend holte sie zum Todestoß aus. Visha würde keine Zeit haben, um auszuweichen.
Gerade als die Inifzierte die Bewegung ausführen wollte, trennte ich ihr mit meinem Schwert den Arm ab. Das Schwarzstahl traf auf keinerlei Widerstand, als es das Gewebe durchschnitt.
Noch in der gleichen Bewegung drehte ich mich, um meine Klinge neu auszurichten und trennte den Kopf der Infizierten vom Körper. Blut spritzte mir ins Gesicht, aber ich war schon bei Visha noch ehe der Körper auf dem Boden aufschlug.
Wortlos sammelte ich ihr Schwert auf, bevor ich es ihr in die Hand drückte.
Dankend nickte sie mir zu, aber ich hatte keine Zeit es zu erwidern.
Nochmal überprüfte ich meine Umgebung. Einen weiteren Infizierten hatten zwei Gardisten getötet. Zwei von uns jedoch lagen in ihrem eigenen Blut und hauchten ihr Leben aus.
Das hieß vier von uns, drei von ihnen.
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