2. Kapitel
Trotz der Mahmutsgröße bewegt sich der Kahlköpfige lautlos. Ein wahrer Profi. Skyla sieht immer mehr Parallelen zu Justin. Ein direkter Blick bedrohlich wie eine geschärfte Klinge, die bereits an ihrer Kehle liegt und bei einer falschen Bewegung umgehend handelt. Konzentriert und fokussiert, um jede noch so kleine Bewegung einzufangen. Sowie eine stramme Haltung und eine kontrollierte Atmung, womit ihr Gegenüber sich unmöglich lesen lässt. Skylas Kehle ist wie ausgetrocknet und der Kopf leer, sodass die ersten Worte ihm gehören.
„Hallo, Skyla."
Der Körper schaudert bei der Betonung. Der Fremde zieht ihren Namen in die Länge und blickt, als müsste sie verstehen, was hier abgeht. Doch sie kann nur wild spekulieren und hat gelernt, vorsichtig zu sein. Unbedacht reden ist nicht, daher nimmt sie sich die Zeit, die sie braucht, um dieses sonderbare Treffen zu verdauen.
„Kennen wir uns?"
„Nein."
Seine Antwort ist kühl und nichts sagend. Skyla hofft auf mehr Input, aber ihr Gegenüber schweigt wie ein Grab.
„Sollte ich dich kennen?"
„Nein."
Sie seufzt laut. Ihre Nerven flattern noch immer und das Herz schlägt ihr bis zum Hals. Der Kerl macht ihr Angst, das zeigt ihr jede Faser ihres Körpers. Skyla zittert wie Espenlaub im Schatten der dunklen Festung. Freund oder Feind, das ist hier die Frage.
Skyla entscheidet sich für eine Runde Roulette. Daher wirft sie eine gefährliche Frage in den Raum: „Und du bist wer?"
„Mason."
Wie schön, der Riese hat einen Namen. Aber das hilft ihr nicht viel.
„Hey, Mason." Sie winkt ihm mit einem unsicheren Lächeln zu. „Wie kann ich helfen?"
„Wir ähneln uns mehr als du glaubst. Ich hörte, du hättest gewisse Fähigkeiten und du bist in Begleitung eines Dämons."
Ein Kloß bildet sich im Hals. Bei seiner grimmigen Miene und der angespannten Körperhaltung ahnt sie nichts Gutes. Auch wenn er von Ähnlichkeiten spricht, ist Vorsicht geboten. Handelt es sich um ein Mitglied des Ritterordens, könnte er sie prüfen. Eine mögliche List für ein Geständnis.
„Bist du mir freundlich gesinnt?", erkundigt sich Skyla vorsichtig.
Masons Mundwinkel zucken. Die Hände legt er überkreuzt auf den Rücken, während er sich die Zeit nimmt, um sie eingehend zu betrachten. Es mögen nur wenige Sekunden sein, aber für Skyla fühlt es sich wie eine halbe Ewigkeit an, wo sie bangen darf.
„Du hast vor mir nichts zu befürchten", verspricht er ihr in aller Ruhe, „auch ich bin ein Gejagter des Ordens."
Schwer zu glauben, dass sich der Orden mit so einem Monster anlegt.
„Bist du ein Medium?"
„Nein. Ein Mondfluchträger."
Verwirrt hebt sie die Augenbraue. „Ein was?"
„Oh", tönt es von Kai, „denen begegnet man selten."
„Ein Mondfluchträger", wiederholt sich Mason, auch wenn sein misstrauischer Blick nun auf Kai ruht.
Skyla überlegt kurz, ob sie ihr Notizbuch herausholen soll. Denn von einem Verfluchten erwähnten die beiden Geisterjäger kein Sterbenswörtchen.
„Was kann ich mir darunter vorstellen?"
Mason seufzt und antwortet mit dem Blick zum Himmel: „Wenn der Zorn einer mächtigen Hexe einer Schwangeren gilt, besteht eine winzige Chancen, dass das Ungeborene auf ewig verflucht wird."
„Was?", platzt es aus Skyla.
Aber Mason schüttelt den Kopf, als wolle er die Sache gar nicht erst vertiefen. „Ich denke, du hast mich gut verstanden."
Ein unangenehmes Frösteln fällt über Skyla her. Milan hat viele Herzen gebrochen. Die Mehrheit der Damen sind Hexen. Sollte es eine Zukunft mit Milan geben und sie wird schwanger, könnte ihr Ungeborenes verflucht werden, wenn sie das richtig verstanden hat. Das sind beunruhigende Nachrichten.
„Welcher Fluch plagt dich, Mason?"
Kaum ist die Frage über Skylas Lippen gegangen, holt er seine behandschuhten Hände hervor.
„Alles, was ich anfasse wird zu Eis."
Skyla blinzelt überrascht und sucht Spuren eines Scherzes, aber Mason macht nicht den Anschein, als erlaube er sich einen Spaß mit ihr. Zuerst klingt der Fluch praktisch im Kampf gegen den Orden, aber der Alltag scheint sicherlich eine große Hürde zu sein.
„Und die Handschuhe verhindern das Ganze?"
„Nein." Er seufzt und schüttelt entkräftet den Kopf, als habe er aufgegeben, nach Lösungen zu suchen. „Sie verstecken jedoch dank der Magie einer Hexe den Kältenebel. Welch eine Ironie oder?"
Skyla fühlt seinen Schmerz und könnte sich für ihr Jammern ohrfeigen, denn Mason muss es deutlich schwieriger im Leben haben.
„Wir sind auf die Nachricht deines Dämons gestoßen", informiert Mason sie.
„Wir?"
Misstrauisch hält Skyla nach einer weiteren Person Ausschau.
„Mein Schutzgeist begleitet mich und hat dich ausfindig gemacht."
Mason erinnert sie zu stark an Justin, sodass sie eine Vermutung ausspricht: „Etwa ein Drache?"
Er schüttelt den Kopf und voller Neugier hebt sie die Lauscher.
„Mich begleitet eine Fee. Ihr Name ist Soraya."
Die Enttäuschung trifft sie wie ein Blitzeinschlag. Skyla ist unfähig, sich zu rühren, zu denken und zu fühlen. Sie ist wie paralysiert. Erst, als Kai mit der Bärenpfote vor ihrer Nase wedelt, kehrt ihr Geist heim und die Information sickert ganz langsam in ihr Unterbewusstsein.
„Eine Fee ja?", wiederholt Skyla leise wie eine Maus.
Die Vorstellung: auf ein weiteres ungenießbares Insekt zu treffen, das die Nase ganz oben hält und alles und jenes bejammert, trübt ihre Laune mit einem Schlag. Mit dem Feenvolk verbindet sie vor allem Eitelkeit.
Angeödet atmet Skyla aus.
„Ich sehe, du hast keine guten Erfahrungen mit Feen."
Dieses Gespräch dauert bereits zu lange an und Skyla vergaß die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu ihrem Schutz, daher wendet sie sich an ihren Bären: „Kai, das mag etwas spät kommen. Aber werden wir beobachtet?"
„Das werden wir, aber sie können uns nicht hören", versichert Mason ihr, „meine Fee schirmt unser Gespräch ab."
„Praktisch."
Und doch steht er auf der Fahndungsliste des Ordens und präsentiert sich mit ihr in der Öffentlichkeit. Damit sollte ihr Feind mehr Angriffsfläche haben.
Staub wirbelt auf, als Mason einen Rucksack vor ihr zu Boden schmeißt und sich erschöpft neben sie setzt. Darauf bedacht, nichts mit seinen Händen anzufassen. Ein Blick auf den Rucksack und Skyla erkennt die dünnen Eisschichten auf den Gurten. Sicherlich ist Mason geübt darin, Dinge nie, länger als nötig, zu berühren.
„Ich habe eine weite Reise hinter mir gelegt. Gibt es einen Ort, wo du mich unterbringen könntest?"
Skyla lächelt bitter. Das Schicksal meint es nicht gut mit ihr. Sie wollte allein eine Freundin aufsuchen. Nun aber scheint sie mit einer Begleitung zu kommen. Mason darum zu bitten, ein Hotel aufzusuchen, scheint auf Dauer zu teuer zu sein. Schließlich geht es hier sicherlich um ein Bündnis. Vielleicht wären die Geisterjäger die beste Möglichkeit, aber Skyla will ihre Ausbildung als Köchin zu Ende bringen, daher hat sie eine Alternative im Kopf.
„Lustig. Ich habe gerade mein Elternhaus verlassen, aber ich habe einen Plan. Lass mich bitte nur kurz telefonieren."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro