Kapitel 18
Der Puls steigt und der Schock sitzt tief, als Skyla in den Armen von Milan liegt. Es sind seine Augen, die sie noch immer fesseln. Spiegel aus flüssigem Silber. Sein sanfter Blick verfliegt mit den Sekunden und seine Augenbraue zuckt verdächtig. Er atmet hörbar laut. Die Schlange im Hintergrund kehrt um und zieht einschüchternd Kreise um die beiden. Aber Milan stört sich nicht daran. Erst als heißer Dampf aus dem Maul des Tieres dringt und ein Knurren die Kehle verlässt.
„Ich weiß! Ich weiß! Es war dumm!", brummt der Geisterjäger schlechtgelaunt.
Skylas Augen weiten sich, als die riesige Schlange seinen Kopf auf Milans Schulter legt, als wolle sie sich ankuscheln. Neben den kleinen spitzen Ohren sind es auch die Hörner aus scheinbar purem Gold, die nicht zu dem Bild einer Schlange passen. Sie macht kleine Kiemen aus, die sich farblich mit den glänzenden Schuppen tarnen. Milans Augenfarbe ist bereits ein Blickfang, aber sein Haustier kann mit seinen ebenfalls konkurrieren. Würden die Hörner schmelzen und mit einer Prise Feenstaub von Mia verschmelzen, dann wäre das Ergebnis die Augenfarbe des seltsamen Geschöpfs. Die mystische Wesen fixiert Milan erwartungsvoll an, aber da er nicht reagiert, stupst ihn das riesige Tier mit der Schnauze an.
„Gleich, Boro! Ich bin wütend auf unseren Fang! Auf eine Frau, die meine Anrufe ignoriert und mir aus dem Weg geht! Mir! Einem unwiderstehlichen Kerl, den sie nicht zu schätzen weiß!"
Boro? Das ist sein Drache?
Skyla hält erschrocken Ausschau nach etwas, dass mehr an einen Drachen erinnert. Dabei fallen ihr die Muster auf dem Panzer auf. Ringe und geschwungene Linien, die farblich zu den Hörnern und Augen passen. Tatsächlich macht sie Flügel aus. Schwingen, die sich eingeklappt halb hinter dem Geisterjäger verstecken.
Boro jault und Milan nickt zustimmend. „Ganz Recht! Ich bin ein guter Fang!"
Nun starren die goldenen Augen hinab zu Skyla, die erschreckt. Das magische Geschöpf schnuppert an ihr und schüttelt sich.
„Selbst das Erbsenhirn erkennt die Gefahr, die von ihr ausgeht!", mischt sich das kleine Insekt ein, das sich irgendwo bei Milan versteckt.
Der Drache hebt den Kopf und beginnt zu Maulen.
„Mia! Boro ist empfindlich! Es macht ihn traurig, wie du über ihn redest!"
„Ist doch so! Noch immer verstehe ich den Reiz an einem Drachen nicht. Sie sind nicht gerade intelligent!"
Das Mauzen aus der oberen Etage lassen alle Anwesenden aufblicken. Die Katzen strecken ihren Kopf aus dem offenen Fenster und in der goldenen Mitte steckt Kai, der mit einem Satz hinausspringt.
„Ich komme und rette dich!", ruft er lautstark.
„Nicht essen!", warnt Milan seinen Drachen.
Boro macht ein beleidigtes Gesicht, während Kai plötzlich gegen die Wand donnert und Teil des Mauerwerks wird. Grund dafür ist ein Kick seitens Mia. Die Fee kichert böse und betrachtet ihr Werk freudig. Erst jetzt fällt Skyla der Nebel auf, indem sie feststecken. Es ist unglaublich heiß an diesem Ort. Dabei hat sie das Sommerparadies hinter sich gelassen. Einzelne Flocken fallen vom Himmel und schmelzen zu Regen.
Wütend kneift Milan dem Medium in die Wange und beschwert sich: „Für dich habe ich meine Seele verkauft!"
„Was redest du da?"
Skylas Ton klingt biestiger, als beabsichtig.
„Ich habe dich nicht gefunden, daher handelte ich einen Ortungszauber von Naomi aus. Dieses Miststück weiß, dass ich niemals genug Geld dafür hätte und jetzt bin ich ihr einen Gefallen schuldig. Verstehst du? Ich habe meine Seele an eine böse Hexe verkauft? Alles nur, weil du nicht an dein Handy gehst, mich ignorierst und ich krank vor Sorge war! Boro hat dich aus der Geisterwelt gezogen! Was hast du dort gesucht?"
Der Drache jault weiter, als erstattet er Bericht. Milans Blick verdunkelt sich, sodass Skyla reflexartig ihren Schutzgeist ruft. „Kai! Hilfe!"
„Bin auf den Weg", keucht der Dämon und hievt sich aus dem gebrochenen Mauerstück.
Aber Mia pustet ihm eine Prise Feenstaub ins Gesicht, woraufhin der Bär bewusstlos hinabfällt und im Nebel verschwindet.
Erschrocken hält Skyla Ausschau nach ihm. „Kai?"
„Der wird schon wieder! Mach dir lieber Sorgen um dich selbst, meine Zicke?"
Milans Art klingt bedrohlich. Sein Kiefer ist angespannt.
„Es ist Einiges vorgefallen", gesteht sie ihm, „ich habe gerade keine Zeit für dich, denn es geht um Emilie!"
Mit einem Schrei fällt sie hinab zu Boden. Milan hat sie wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen und blickt beleidigt hinab.
„Du hast keine Zeit für mich?", wiederholt er sie pampig.
Der Nebel verhüllt kurz darauf seine Gestalt. Skyla weiß, er ist nah und doch erkennt sie ihn vom Boden aus nicht. Umgekehrt wird es sicherlich ähnlich sein. Daher greift Skyla auf ihre Kraft zurück und wünscht sich Kai herbei. Der bewusstlose Bär kommt von rechts geflogen und Skyla fängt ihn gekonnt. Krabbelnd will sie sich davon schleichen, als plötzlich Boros Kopf hervorkommt. Der Drache blickt ihr direkt in die Augen und entblößt seine spitzen Zähne, da er freudig lächelt. Skyla bemerkt, wie sich sein schlangenartiger Körper im Nebel bewegt und durch die Luft peitscht. Ein Griff und Milan zerrt Skyla hinauf die Beine, um sie kurz darauf an der Wand festzunageln. Sein Blick ist stechend und unangenehm.
„Du wolltest verschwinden oder? Erneut! Weil ich dir egal bin!"
„Nein!", widerspricht sie ihm kopfschüttelnd.
„Nein? Das klang aber gerade anders! Denn ich verschwende ja deine Zeit!"
Diese kindische Denkweise! Skyla atmet genervt aus und nun ist sie es, die sich ärgert.
„Es geht hier um Leben und Tod! Emilie ist in Gefahr! Sie ist fort und ich muss sie schnell finden! Denn ich vermute, der Orden steckt dahinter!"
Genervt wendet Milan den Blick von ihr ab und er wird plötzlich verdächtig still. Skyla nutzt die Chance und blickt umher. Sie befinden sich zwischen seinen Armen, die er gegen die Hauswand stemmt. Der Abstand zu Milan ist gering. Ohne ihn fortzustoßen, kommt sie nicht weg. Sorge bereitet ihr der Drache, den sie die ganze Zeit sehen wollte und es nun bereut. Das magische Geschöpf beobachtet das Geschehen neugierig und pustet verspielt Rauchringe aus seinem Maul, als langweile er sich gerade.
„Ist ihr Verschwinden länger als vierundzwanzig Stunden her, dann sind ihre Überlebenschancen gering", unterbricht Milan die Stille.
Seine Botschaft sickert nur ganz langsam in ihr Bewusstsein. Zuerst betrachtet sie ihn fassungslos, bevor ihr Körper vor Zorn bebt und ihr Tränen der Hoffnungslosigkeit in die Augen steigen.
„WIE KANNST DU NUR SO ETWAS FÜRCHTERLICHES SAGEN?"
Dass sie ihn anschreit, scheint ihn nicht zu stören. Sein Blick wird nun trübe und er lässt den Kopf hängen.
„Erinnere dich an das Gespräch, als ich über unsere Feinde zum aller ersten Mal sprach. Unser Gegenspieler ist gnadenlos und weiß, wie er uns gebrochen bekommt. Hat der Orden sie, dann rechne mit Folter und hoffe, dass der Tod sie erlöste. Sie werden Emilie ausweiden und ihre Organe aus dem Schwarzmarkt verkaufen."
Das geht zu weit! Dieser Schwarzmaler!
Aus Frust stößt Skyla ihn von sich. Milan fliegt nur deshalb nicht hin, weil Boros Schlangenkörper ihn auffängt und Halt gibt. Der Drache rückt dem Medium verdächtig auf die Pelle, als wolle er sie einschüchtern, doch Skyla blickt trotzig auf. In dieser Verfassung legt sie sich auch mit der geflügelten Riesenboa an.
„Emilie lebt und ich rette sie!"
An diesem Gedanken klammert sich Skyla. Zornig stampft sie an dem Drachen vorbei und will den Nebel hinter sich lassen, aber Milan befindet sich wieder auf den Beinen und schnappt zu. Seine Arme legen sich von hinten um sie.
„Verzeih mir, Skyla, aber besser du stellst dich auf das Schlimmste ein."
„Nimm deine dreckigen Finger von mir! Im Gegensatz zu dir, habe ich Emilie nicht aufgegeben!", knurrt sie ihn an.
„Du kannst Emilie nicht helfen!", behauptet er felsenfest.
Seine Stimme zittert.
„Ich wünschte, es wäre anders", fügt er leise hinzu.
Der Kloß sitzt schwer im Hals. Die Enttäuschung sitzt tief. Die Last auf Skylas Schultern wird schwerer, da sie nicht auf ihn zählen kann. Seine Nähe ist in diesem Moment unerträglich. Ihr wird übel bei dem Gedanken, Emilie aufzugeben und davon auszugehen, dass sie nicht mehr unter den Lebenden verweilt. Wütend reißt sich Skyla los und stürmt davon. Sie lässt den Nebel hinter sich und findet sich in einer vertrauten Gasse wieder. Milan ist ihr noch nicht gefolgt und bevor sie sich das ändert, setzt sie eilig den Weg mit dem bewusstlosen Kai fort. Das Tor zum Innenhof ist schnell gefunden. Aber Birgits Pforte öffnet sich nicht. Der Innenhof ist verlassen und verwahrlost, wie sie ihn vorgefunden haben, bevor es hinab zur Geisterwelt ging. Daher wählt Skyla die Nummer ihres besten Freundes. Lukas klingt erleichtert, als er den Anruf entgegennimmt. Schnell ist ein Treffpunkt vereinbart. Sina hat sich mit ihm auf die Suche gemacht. Die beiden befinden sich ganz in der Nähe. Kaum erreicht Skyla die beiden, endet der Zorn und die Tränen fließen ungehindert über die Wangen. Damit Sina ihren schwachen Moment nicht sieht, eilt sie zu Lukas, um ihr Gesicht in seiner Jacke zu verstecken. Ihr bester Freund schließt sie fest in die Arme und streichelt ihr sanft über das Haar. Skyla hört, wie er sich von der Reporterin verabschiedet. Sina will sich zu einem anderen Zeitpunkt mit ihnen treffen und entfernt sich, weil Lukas ihr versichert, dass die beiden Freunde allein klarkommen. Er bestellt schließlich ein Taxi und sie begeben sich zur Straße.
Angekommen im Schutz von Thomas Haus stellen die beiden Freunde fest, wie leer die vier Wände sind. Niemand befindet sich vor Ort und dafür ist Skyla dankbar. Sie mag in einem Moment der Schwäche so nicht gesehen werden. In Lukas Zimmer legt das Medium Kai nieder und sucht bewusst die Nähe zu Lukas. In seinen Armen beruhigt sie sich und findet die Kraft, über das zu reden, was vorgefallen ist. Anders als Milan hat Lukas Emilie nicht aufgegeben und er versichert ihr, dass sie alles Mögliche in die Tat umsetzen, um die verschollene Freundin zu finden. Auf ihren besten Freund ist wenigstens Verlass! Kai ist bis zum Abend ausgeknockt. Mias Feenstaub hat ihn ordentlich umgehauen. Der Dämon erwacht verkatert und kann sich nicht mal mehr an die Begegnung mit dem Geisterjäger erinnern. Der Ausgang schmerzt fürchterlich. Skylas Herz schreit Milans Namen und doch enttäuscht sie seine Einstellung. Fürs Erste mag sie Milan nicht mehr sehen. Nicht bevor Emilie gefunden ist.
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