Kapitel 10
Wie ein saftiges Stück Fleisch in einem Löwenkäfig– so fühlt sich Skyla. Es ist eine unangenehme Situation. Viel schlimmer ist jedoch die Tatsache, dass auch Lukas zu starren beginnt. Vielleicht war es ein Fehler, sich genau neben ihm zu setzen. Aber der Platz gegenüber wäre auch nicht besser. Ganz langsam dreht Skyla ihren Kopf zu ihrem Kindheitsfreund. Einmahnender Blick zeigt Wirkung. Er schluckt auffällig. Das Atmen fällt ihm hörbar schwer. Sein Körper ist aufs Äußerste angespannt. Provokativ rückt Skyla ihm auf die Pelle und wird Zeuge, wie er von ihr wegrutscht. Bis zur Wand, wo er in der Falle sitzt. Ein Verhalten, dass sie von Lukas nicht kennt.
„Sag mir, Lukas, gibt es ein Problem?"
Statt zu Antworten greift Lukas zur Seite, wo er sich sein Jackett schnappt, dass er ihr umgehend umlegt.
„Du bist verboten schön, Skyla." Er ringt verzweifelt nach Luft. „Machst du das mit Absicht? Ich blamiere mich wegen dir. Prüfst du mich?"
Fragend hebt sie die Augenbraue, bis Milan auf der anderen Seite zu Kichern beginnt.
„Nicht hilfreich, Milan!", folgt ihre Beschwerde.
Aber der Besitzer der frechen Fee amüsiert sich köstlich. Nur Justin teilt Skylas Laune.
„Also", beginnt der Brillenträger genervt.
Aber ein normales Gespräch ist mit Milans Lachflash nicht möglich, woraufhin Justin einmal tief- und ausatmet. Bevor er ein Machtwort sprechen kann, donnert Skylas Faust hinab auf die Tischplatte. Daraufhin wischt sich Milan eine Lachträne aus dem Gesicht und hebt entschuldigend die Hand. Sein Körper bebt noch vor Erheiterung. Bewusst drückt sie in von sich fern. Seine Kuscheleinheiten sind in einem ernsten Moment wie diesen alles andere als angebracht, deshalb fixiert sie beabsichtig Justin an.
„Was könnt ihr dagegen machen, Justin? Betrachtest du mich nun als Bedrohung?"
Überrascht sieht Milans Mitbewohner zu ihr auf.
„Bedrohung?", wiederholt er verwundert.
Sie nickt, woraufhin er die Brille abnimmt und zu säubern beginnt.
„Würden wir dich als Bedrohung ansehen, hätten wir dich dann gerettet?"
„Ihr habt mich gerettet, ohne zu wissen, dass ich Monster erschaffen kann. Das ist ein Unterschied!"
„Und nun betrachtest du dich selbst als eine Gefahr."
Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung, die sie mit einem erneuten Nicken bestätigt.
„Bist du so tief gefallen, um dies einfach zu akzeptieren? Ist dein Feuer erloschen?"
Hoffnung keimt in ihr. „Kann ich etwas dagegen tun?"
„Du kannst."
Milan klingt ebenfalls verwundert. „Sie kann?"
Justin seufzt erschöpft und gesteht sich ein. „Für diesen speziellen Fall brauchen wir Unterstützung von einer Hexe."
Damit nimmt sein Mitbewohner Milan schlagartig die gute Laune weg.
„Oh yeah!" Er schnaubt wütend. „Noch mehr Zeit mit Naomi! Mit einer so liebenswürdigen Hexe, die man nur hassen kann."
Justins Augen verengen sich. „Hast du eine bessere Idee? Oder kennst du eine andere Hexe, die uns helfen würde?"
„Stella, Luna oder Tina", posaunt Milan freudig.
Sein Kamerad lächelt bitter und beugt sich mit einem bedrohlichen Blick vor. „Einverstanden. Rufe sie an und sag mir, wie sie geantwortet haben."
„Das werde ich!", beginnt sein Gegenüber enthusiastisch. Aber kaum hält er sein Handy in der Hand, schwindet die Begeisterung. „Oh verdammt!"
Skyla hebt fragend die Augenbraue. „Was denn?"
„Er hat ihnen allen das Herz gebrochen", antwortet Justin für seinen Partner, da Milan keinen Ton von sich gibt. „Alle drei sind ihm verfallen und hielten die gemeinsame Zeit mit ihm für etwas Besonderes. Stella ist die Nachtragendste. Dreimal hat sie es geschafft, Milan zu verfluchen. Und wer hat ihn immer wieder aufs Neue gerettet?"
„Naomi." Milan rollt mit den Augen. „Aber das tat sie niemals aus Herzensgüte. An uns verdient sie sich einfach eine goldene Nase!"
Der Geschmack von Galle macht sich in Skylas Mund breit. Erneut zeigt sich, dass Lukas wie sie tickt, denn auch er wirkt angewidert.
„Ist ja widerlich. Ich wusste gar nicht, dass du auf diese Art von Männern stehst, Skyla."
Punkt für ihn.
„Es sind Momente wie diese, wo ich mich frage, was ich mir da aufgehalst habe", gesteht sie ihm.
„Hey", beschwert sich Milan. „Ich weiß, du hast mich gern."
„Bist du stolz auf dich? Rückblickend der Herzen, die du gebrochen hast?", konfrontiert das Medium ihn bissig.
Es wäre nicht Milan, wenn er nicht ehrlich zu ihr wäre: „Ich bereue nichts dergleichen. All die Mädchen waren traurig und einsam. Sie haben ein wenig Liebe verdient und leider zu viel hineininterpretiert."
Missmutig rutscht Skyla fern von ihm und damit in Lukas' Arme. Ihr bester Freund betrachtet Milan mit eisiger Miene.
„Brichst du ihr das Herz, dann wünscht du dir, nicht geboren zu sein!"
Erneut wird Lukas zur Lachnummer für Milan. Der Geisterjäger kugelt sich vor Lachen, während Skyla erschöpft aufseufzt. Verübeln darf sie es ihrem besten Freund nicht, denn würde man Lukas das Herz brechen, dann würde sie ähnlich reagieren. Die beiden Freunde passen seit Beginn her aufeinander auf und das wird sich einfach nicht ändern.
„Er hat dich nicht verdient", brummt der Zorn aus Lukas.
Skyla ist ebenfalls genervt und reißt sich im nächsten Augenblick aus den Armen ihres Freundes, um Milan wütend zu packen und an sich zu reißen. Ihre Augen glühen, während sie auf ihn herabsieht.
„Ich rate dir, spotte nicht über Lukas! Reiß dich mal zusammen! Das ist kein Kindergarten hier! Wir haben weitaus schlimmere Probleme!"
„Entschuldige", bringt der Geisterjäger luftschnappend hervor. Er scheint sich schon lange nicht mehr so amüsiert zu haben. „Aber diese halbe Portion droht mir."
„Unterschätze Lukas nicht! Er ist der klügste Kopf, den ich kenne! Und er ist meine bessere Hälfte."
„Und Jungfrau", wirft Milan ein, um kurz darauf wieder loszulachen.
Skyla stimmt gespielt mit ein, um kurz darauf noch finsterer zu blicken. „Und du gleich Single!"
Damit nimmt sie dem gutaussehenden Kerl ruckartig die gute Laune.
„Was? Wieso?"
„Wieso?", wiederholt sie ungläubig und blinzelt. „Denkst du, ich sehe nur zu, wie du mit meinem besten Freund umspringst? Anders als du hat Lukas Anstand und lässt eine Frau wissen, wo sie steht."
„Das ist nicht wahr! Er ist zu feige, um dir zu sagen, was er für dich empfindet!"
„Ich wollte nichts zerstören! Mir ist die Freundschaft zu Skyla zu wichtig, um diese für eine Beziehung zu opfern, die scheitern könnte!", verteidigt sich Lukas bissig.
Wieder prustet Milan los. „Sei doch ehrlich, wenn du die Chance hättest, dann wärst du mit Skyla zusammen."
„Genug ihr beiden!" Skyla platzt er Kragen. Schließlich greift sie einmal quer über den Tisch, um Justin daran zu hindern, aufzustehen. „Naomi scheint mich nicht zu mögen. Glaubst du, sie wäre bereit, mir zu helfen?"
Justin nickt zögernd. „Das wird sie. Versprochen."
„Milan spricht schlecht von ihr, aber bevor ich mich in Unkosten stürze, muss ich wissen, was mich ihre Hilfe kosten wird."
„Über den Preis musst du dir keine Gedanken machen."
Justins Antwort verwirrt das Medium umso mehr. Meist ist er es, der ihr alles in Rechnung stellt und plötzlich kommt er ihr so entgegen. Skyla hat kein gutes Gefühl dabei.
„Das verstehe ich nicht. Sie wird mir doch niemals freiwillig helfen."
„Nein, das wird sie nicht. Aber mir schuldet sie noch einen Gefallen, den ich einfordern werde."
„Schön zu wissen, Justin! Diese Information hätte uns manchmal den Hintern retten können!", reagiert Milan mit Zorn.
Skyla empfindet Dankbarkeit, aber auch Misstrauen, denn das klingt nicht nach Justin. „Geht das auch wirklich klar?"
„Du bist mir dann ebenfalls einen Gefallen schuldig. Das ist doch selbstverständlich oder?"
Justins Brille reflektiert das Licht bedrohlich und Skyla schnalzt genervt mit der Zunge.
„Das klingt wieder nach dir. Ich dachte schon, dass ich mir Sorgen machen muss!"
Damit zaubert sie ihm ein Lächeln auf die Lippen.
„Ah, die Zwergin." Milan lächelt eine kleine Frau an, die gerade mal die Tischkante überragt. „Na, wie geht's?"
Die Kellnerin scheint Milan bewusst zu ignorieren und lächelt freundlich in die Runde. Auf Skyla macht sie einen knuffigen Eindruck. Das Haar der jungen Dame ist seidig glatt, die Augen groß und herzlich. Durch ihren südlichen Teint dringen nur wenige Sommersprossen hindurch.
„Ich möchte ungern stören, aber Naomi würde es sicherlich begrüßen, dass ihr euch einen anderen Ort zum Plaudern sucht. Es sei denn ihr wollt etwas bestellen."
Die Dame blickt verlegen und tritt nervös von dem einen Bein auf das andere. Ihre Schüchternheit ist so niedlich, dass Skyla nicht anders kann, als herzlich zu lächeln.
„Naomi will mich zwar loswerden, aber ich habe trotzdem Lust, einen Blick in die Karte zu werfen", gesteht sich Skyla laut ein.
Lukas reicht ihr die Karte und gibt seine Bestellung raus: „Einen Cappuccino und die hausgemachten Waffeln Strawbeery vs. Choclate."
„Sehr gern."
Die Frau nickt freundlich und schenkt erst jetzt Milan ihre Aufmerksamkeit. Ihr Blick ist plötzlich so eisig, worauf sein Grinsen breiter wird. Der Geisterjäger trommelt mit den Fingern auf der Tischplatte, bevor er die Kellnerin betrachtet.
„Besser nichts. Du würdest mich ja doch nur vergiften."
Skyla blickt genervt auf. „Sag mir bitte nicht, dass du auch hier deinen Charme spielen lassen hast."
„Esmeralda? Die rechte Hand des Teufels?" Milan schüttelt sich bei dem Gedanken. „Ne, so tief würde ich nicht sinken!"
Skyla schüttelt enttäuscht den Kopf. „Du bist unverschämt, Milan! Entschuldige dich bei ihr! So spricht man nicht über eine Frau!"
„Ich kenn ihn nicht anders", berichtet Esmeralda, während sie Justins Partner giftig betrachtet.
„Hör nicht hin. Du bist süß und knuffig. Einfach perfekt." Verwirrt betrachtet die Servicekraft sie. „Ich nehme einen Vanilleshake und Schokowaffeln."
„Süß und knuffig", äfft Milan sie nach. „Sie ist die rechte Hand vom Teufel! Fall nicht drauf rein, Skyla. Ich sage nur, stille Wasser sind tief!"
„Lass mich raten. Naomi ist der Teufel?"
Milan nickt zur Bestätigung. „Oh ja."
Skyla atmet genervt aus und blickt Justin an. „Wie hältst du es mit ihm aus?"
„Ich glaube, ich bin im falschen Film!", ärgert sich Milan. „Seit wann seid ihr so dicke? Ich erinnere mich noch an Zeiten, wo man euch nicht aus den Augen lassen konnte, weil ihr euch sonst immer an den Kragen gegangen seid."
Esmeralda kichert erheitert, womit sie Milan völlig aus der Fassung bringt.
„Ich mag sie", gesteht die Kellnerin und läuft mit einem zufriedenen Lächeln fort.
Milan schnauft, während sich Skyla bei einem schadenfrohen Grinsen erwischt.
Justin handelt und reißt ihn von der Bank. „Komm, wir machen uns nützlich und kümmern uns um den Geist."
„Seid vorsichtig! Und verwendet Gasmasken!", ruft Skyla ihnen hinterher.
„Glaubst du, die schaffen das?", spricht Lukas sie an.
„Justin auf jeden Fall."
Kaum ist es ausgesprochen, fragt sie sich, woher das Vertrauen gegenüber Justin kommt. Milan hat einen interessanten Punkt angesprochen, denn das Verhältnis zu seinem Mitbewohner ist tatsächlich harmonischer geworden.
Lukas holt sie aus ihren Gedanken, als er gesteht: „Ich bin einfach nur froh, dass du wohl auf bist, Skyla. Ich habe mir schreckliche Sorgen gemacht."
Das Medium seufzt, denn die Mission ist schiefgelaufen. Nur dank ihm konnte das Schlimmste verhindert werden.
„Danke dir, Lukas. Für alles." Ihre Worte kommen von Herzen. „Du hast mich aus einer schrecklichen Lage geholt."
Er betrachtet sie volle Sorge. „Dir ist schon klar, dass dein Versuch gescheitert ist, mich zu beruhigen. Deine Siegeschancen im Kampf gegen das Übernatürliche sind in meinen Augen nicht gerade hoch."
Sie nickt. „Es ist etwas eskaliert."
Lukas schnaubt und schüttelt verständnislos den Kopf. „Eine maßlose Untertreibung, Skyla. Hätte ich auf dich gehört und du wärst allein in den Tunnel gegangen, dann hätte ich dich nie wieder gesehen."
„Für gewöhnlich läuft es anders."
Damit überzeugt sie ihn nicht, aber die Unterhaltung wird unterbrochen.
Mit einem entschuldigenden Blick holt Lukas sein Handy hervor und nimmt einen Anruf entgegen. „Kacie, was kann ich für dich tun?"
Voller Neugier hebt Skyla den Kopf und versucht, aus dem Pokerface ihres besten Freundes schlau zu werden. Keine Chance. Er verzieht keine Miene.
„Ich verstehe. Wir machen uns sofort auf den Weg." Lukas sieht an Skyla vorbei zu Esmeralda, die mit der Bestellung zu ihnen kommt. Kurz verdeckt er den Lautsprecher. „Entschuldigen Sie bitte, aber könnten sie uns das einpacken. Es kommt uns etwas dazwischen."
Esmeralda lächelt freundlich. „Aber sicherlich doch."
„Kacie? Unsere Reise hat uns ein paar Städte weitergebracht. Ich bestell uns ein Taxi okay?"
Skyla platzt fast vor Neugier. Sie versteht nicht, worum es hier geht. Außerdem macht es sie etwas zornig, dass Lukas ihr keinen Input gibt.
Ungeduldig trommelt Skyla mit den Fingern auf der Tischplatte, bis ihr die Servietten ins Auge springen. Eine schnappt sie sich, um kurz darauf schwungvoll aufzustehen. Nicht allein die Schuhe erschweren ihr den Aufstieg, auch der Schwindel fällt über sie her. Skyla bricht fast weg und kann den Sturz nur verhindern, indem sie sich an den Tisch klammert. Erschrocken erhebt sich Lukas, aber Esmeralda kommt ihm zu vor. Die kleine Frau ist stärker, als sie aussieht.
„Du musst dich ausruhen", rät die Kellnerin ihr streng. „Klare Anweisung von Naomi."
„Das ist mir so unangenehm. Eigentlich wollte ich doch nur nach einem Stift fragen, damit ich Milan eine Nachricht zurücklassen kann." Sie lässt sich auf die Bank helfen. „Danke dir."
Esmeralda lächelt ihr aufmunternd zu und hebt Lukas' Jackett auf. Kaum liegt dieses über ihren Schultern, verspricht sie: „Ich bringe dir den Stift."
Skyla nickt und beobachtet, wie sie davon schreitet.
Ein Blick zur Seite und sie sucht vergebens nach Lukas. Ihr bester Freund steht nun neben ihr und macht keine Anstalten, sich zu setzen. Das Telefonat ist beendet und das Handy verschwindet in seiner Hosentasche.
„Wir müssen schnell heim, Skyla."
„Warum?"
„Weil die Polizei nach dir verlangt."
Skylas Augen weiten sich vor Schreck. „Die Polizei?"
Er nickt nachdenklich. „Es sei sehr wichtig. Deshalb fahren wir direkt aufs Revier."
„Aber..."
Sie setzt zum Protest an, um kurz darauf den Mund zu schließen.
Er streicht ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und beschließt: „Ich gehe und zahle die Rechnung. Dann kümmere ich mich um das Taxi und packe deine Sachen zusammen."
„Nein!" Ihr Ton ist bestimmend. „Du zahlst nicht für mich und ich hole meine Sachen selbst."
Da er auffällig grinst, hebt sie mahnend eine Augenbraue. „Was ist so lustig, Lukas?"
„Dass du glaubst, du hättest eine Wahl. Aber ich kann genauso stur sein. Schreibe deine Nachricht und dann verschwinden wir."
Noch ehe sie protestieren kann, nimmt Thomas' Sohn den Kugelschreiber von Esmeralda entgegen, um diesen an sie weiterzureichen. Schließlich verschwindet er einfach. Mit aufgeblasenen Wangen blickt Skyla nun hinab auf die Serviette. Ihr Kopf platzt vor Gedanken, aber eine Nachricht muss her. Milan soll wissen, dass sie nicht ohne Grund verschwinden werden.
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