4. Kapitel
„Vergiss nicht, ich bin nur eine Küchenhilfe."
Worte, die in Skylas Ohren schmerzen und ausnahmsweise von Lukas kommen. Eine Einstellung, die ihr zum Halse raushängt. Seine Reaktion klingt mehr wie eine billige Ausrede.
Skyla wirft ihm daraufhin vor den Kopf: „Deine Nervosität ist anscheinend unbegründet. Denn es fehlt dir an Ehrgeiz."
Ihre Mutter nennt sie mahnend beim Namen, um ihn direkt darauf in Schutz zu nehmen. „Lukas meint es nur gut. Sei doch etwas netter zu ihm."
Nicht in dieser Branche. Lukas sollte bereits durch ihre Erzählungen wissen, was ihn auf ihrem Arbeitsplatz erwartet und doch hat er sich freiwillig gemeldet. David wird ihn nicht mit Samthänden anpacken.
Ihre bessere Hälfte scheint sich dessen bewusst zu sein, denn er winkt lächelnd ab. „Schon gut. Anders kenne ich Skyla nicht. Sie wird sicher Karriere in ihrem Job machen. Und vielleicht darf ich von ihrem Wissen profitieren und sie zeigt mir den einen oder anderen Trick."
Am Ende zwinkert er in Skylas Richtung, woraufhin sie böse lächelt.
„Lerne erst mal die Grundlagen und dann reden wir weiter."
„Unsere Tochter ist ein Sadist, Finn", flüstert Mutter Kacie erschüttert.
Skyla sieht ihren Vater im Augenwinkel zustimmend nicken, woraufhin sie die beiden böse anfunkelt.
„Ob Lukas ein Masochist ist?", teilt er seine Vermutung leise mit.
Kacie errötet und schlägt sprachlos die Hände vor dem offenen Mund.
„Ihr seid widerlich", kaum spricht es Skyla aus, zucken ihre Eltern ertappt zusammen.
Ihre Mutter lächelt verdächtig. „Du musst zugeben, dass da schon etwas Wahres dran ist."
Lukas hat genug gehört und räuspert sich verdächtig. Er klopft schließlich auf den Stuhl neben sich, woraufhin Skyla provokativ zu ihren Vater geht und die Schüssel dort abstellt.
„Papa, würdest du bitte etwas rutschen. Ich möchte Lukas gegenübersitzen, sodass er meinen Zorn besser abbekommt."
Ihr Vater senkt beleidigt sein Käseblatt. „Skyla, ich lese gerade Zeitung! Du kannst mich doch nicht verjagen! Wir müssen doch gleich eh ins Büro. Also hebe dir deine Albernheit für gleich auf."
Als würde Skyla das aufhalten, sie schiebt ihren Vater mit dem Stuhl einfach zur Seite. Kaum dreht sie sich um, vermiest Lukas ihr auch noch die Sache mit dem einzig freien Stuhl. Wie ein Gentleman hat er ihr diesen rüber getragen und fordert sie freundlich mit der Handgeste auf, sich zu setzen.
Ihr Vater hebt die Zeitung ein Stück höher und nähert sich seiner Mutter mit der leisen Frage: „Haben wir damals auch so ein Unsinn gemacht?"
Seine Frau kichert vergnügt. „Aber ja, mein Liebster. Was sich liebt, das neckt sich."
Sofort ernten die beiden einen eisigen Blick von ihrer Tochter, was ihre Eltern auch noch gekonnt ignorieren.
Ihr Vater spricht seine Gedanken laut aus: „Wünscht dir manchmal, dass ich noch so mit dir rumalbere? Glaubst du, dass würde doof rüberkommen, wenn wir uns in unserem Alter wie Teenager verhalten?"
Skylas Mutter öffnet begeistert den Mund. Ihre Augen glänzen verdächtig. „Wollen wir es heute im Büro austesten und mal sehen, wie unsere Kollegen reinblicken?"
Ihr Vater räuspert sich kurz, schließlich faltet er die Zeitung ordentlich zusammen. Nun dreht er sich zu seiner Frau und stützt seinen Kopf mit seinen Armen, dabei blickt er seine Frau verliebt an.
„Na, meine Süße. Habe ich dir schon mal gesagt, was für ein heißer Feger du bist?", flirtet er mit ihr.
„Würdet ihr bitte damit aufhören?", beschwert sich seine Tochter.
Vergebens, die beiden sind bereits in ihrem Element. Nichts und niemand wird es ihnen vermiesen. Aber Skyla will sich dieses alberne Verhalten nicht mehr länger ansehen.
Erschöpft setzt sich Skyla hin, wobei sie Lukas ganz vergessen hat. Ihr Kindheitsfreund hat nur darauf gewartet und rückt den Stuhl mit ihr zum Tisch. Nun besitzt er auch noch die Unverschämtheit, ihr auf die Stirn zu küssen, bevor er sich ihr gegenübersitzt. Eine flüchtige Berührung, die wie sie ahnte, nichts in ihr auslöst. Anders als bei Milan.
Skylas tödliche Blicke scheinen Lukas den Tag zu versüßen. Wenigstens überzeugt der Obstsalat mit einem frischen Geschmack. Jedoch ist keine Frucht der Welt so süß, um diesen bitteren Geschmack auf ihrer Zunge zu übertönen, der von ihrer Galle stammt. Grund dafür ist die Tatsache, dass Milan fort ist. Er wird sie heute nicht zur Arbeit begleiten. Auch morgen und übermorgen nicht. Nie wieder. Ihre Tränen perlen wie warmer Regen über ihr Gesicht, während sich ihre Kehle zuschnürt. Die süße Pampe in ihrem Mund lässt sich kaum herunterschlucken. So legt sie die Schüssel nieder und ignoriert die Fragen von allen Anwesenden. Ihre Worte verstummen, während das Sonnenlicht in ihrer Welt von dunklen Wolken vertrieben wird. Ihre Trauer bricht aus Skyla heraus, lässt sie zuerst laut schluchzen und schließlich kläglich weinen. Der Gedanke, sie hätte besser mit den zwei Geisterjägern mitgehen sollen, schiebt sich erneut in den Vordergrund.
Es ist Lukas, der ihrer Mutter zuvorkommt und sich an sie schmiegt. Es ist sein Herz, das sie schlagen hört und nicht Milans. Einen langen Moment beschäftigt sich Skyla im Stummen mit der hitzigen Diskussion zwischen ihrem Herzen und ihrem Verstand. Ihr Motor des Lebens klingt fast wie Justin, aber nur fast. Den anders als er ist ihr Herz nicht gefühlskalt und erinnert Skyla immer brutal daran, wie sehr ihr der Geisterjäger fehlt. Ihr Verstand hingegen listet auf, was es bedeutet, ein Zuhause zu haben. Sofern es sich vermeiden lässt, möchte das Medium kein Leben auf der Flucht führen. Es mag grausam klingen, aber über Milan wird sie irgendwann hinweg kommen. So düster ihre Welt auch zeitlich sein mag, wird die Sonne irgendwann wieder scheinen.
Die Tränen versiegen allmählich und Skyla könnte vor Scham im Boden versinken. Ihre Augen sind gerötet und ihre Eltern in Sorge.
„Mir geht es gut."
Worte, die niemand ihr glaubt. Sie selbst hört die Lüge heraus und doch duldet Skyla keine Fragen mehr.
Lukas' Blick fixiert die Schale Obstsalat und lockert die Stimmung mit etwas Humor: „Alles klar, wenn es um die Verarbeitung von Lebensmitteln geht, überlasse ich das dir. Ich hätte nicht gedacht, dass dich mein Obstsalat zum Weinen bringt. Liegt es an der gruselig unförmigen Form oder am Geschmack?"
Sein Lächeln steckt sie an. Manchmal ist er so ein Idiot. Einen Freund, den sie nicht missen will. Selbst nach der Sache nicht.
Nachdem die Tränen fortgewischt sind, plant Skyla ihre Arbeitstasche zu holen. Ein plötzlicher Schwindel macht ihr einen Strich durch die Rechnung und bringt sie zum Taumeln. Skylas Finger ertasten die Tischkante. Etwas, das ihr Halt geben soll. Die Küche verschwimmt vor ihrem Auge. Kreisend wie bei einer wilden Karussellfahrt. Brutal schnappt die Dunkelheit zu und löscht jeden klaren Gedanken. Der Kopf ist leer und der Körper bricht zur Seite weg. Diesmal ist es ihr Vater, der aufgestanden ist und den Sturz verhindert.
„Kacie! Ruf einen Krankenwagen!"
So schnell der Schwindel kam, so schnell verschwindet dieser. Wie bei einem Neustart erwacht Skylas Geist und die Sicht wird klar. Der Körper richtet sich auf und fasst einen festen Stand.
„Nein!", folgt ihr Ruf gerade rechtzeitig, denn ihre Mutter hat ihr Handy bereits aus der Handtasche gekramt. „Mir geht es gut. Es ist alles gut."
Ihr Vater lässt nicht zu, dass sie sich von ihm entfernt und hält sie am Arm zurück.
„Nimm das nicht auf die leichte Schulter, Skyla. Du solltest dir frei nehmen. Melde dich krank und komme zur Ruhe."
„Er hat Recht, Skyla", pflichtet Lukas dem bei.
Es ist Kacies Sturheit, die sie nicht zur Ruhe lassen kann. Allein der Gedanke, den ganzen Tag im Zimmer zu versauern, widerstrebt ihr. Also setzt sie ihr süßestes Lächeln auf. „Danke für eure Sorge. Aber mir geht es gut. Ist sicher nur der Schlafmangel."
„So stur wie deine Mutter!", schimpft ihr Vater und erntet daraufhin einen warnenden Blick von seiner Frau Kacie. „Ist doch wahr! Sag doch was dazu, Kacie. Unsere Tochter ist fast gestürzt!"
„Sie allein wird schon wissen, was sie tut. Außerdem vertraue ich auf Lukas' Urteilsvermögen. Passiert dies erneut, wird Thomas' Sohn schon Maßnahmen ergreifen. Du sagtest ja, sie kommt von mir. Dann lässt sie sich von einem Schwächeanfall nicht so leicht unterbuttern."
Ihre Antwort scheint ihren Mann Finn zu überraschen und doch gibt der arme Kerl nach. So verlässt Skylas Vater wortlos die Küche, während Lukas entschlossen in Kacies Richtung nickt.
Skyla atmet erleichtert auf und freut sich über die Unterstützung eines Elternteils. „Danke, Mama."
Ihre Mutter nickt und tritt heran. Ihre Neugier meldet sich: „Du wirkst seit einigen Wochen schwach auf den Beinen, Skyla? Plagen dich Alpträume oder kam das schon öfter vor?"
Ihre Tochter will ihr antworten, als sie plötzlich feststellt, wie ihre Mutter sie kritisch begutachtet. „Stimmt etwas nicht, Mama?"
Ertappt blickt Kacie auf. Der Schrecken ist ihr ins Gesicht geschrieben. Sichtlich verwirrt nimmt ihre Mutter Abstand, woraufhin Lukas ebenfalls misstrauisch die Stirn runzelt.
„Du hattest meine Fragen nicht beantwortet, Skyla." Der plötzlich kalte Ton in Kacies Stimme sorgt bei ihrer Tochter für Verwirrung. Da nichts von ihr kommt, atmet Kacie genervt aus und erklärt sich. „Deine verstorbene Oma verhielt sich ähnlich wie du vor ihrem Tod. Ich will nur sicher gehen und diesen Alptraum nicht erneut durchleben. Ich möchte mit diesem Kapitel abschließen und hoffe für uns alle, dass ich mich irre."
„Wie ist sie denn gestorben?", wird Skyla neugierig. Bislang hat ihre Mutter kein Sterbenswörtchen über ihre eigene Mutter verloren. Immer wenn das Thema angesprochen wird, hat sie diesen grimmigen Blick drauf.
„Herzstillstand", antwortet Kacie kurz und knapp.
Sie schnauft wütend. Ein Zeichen, das Thema besser zu wechseln. Als ertrage ihre Mutter die Blicke der beiden Freunde nicht mehr, ergreift sie ebenfalls die Flucht. So blicken sich Lukas und Skyla in die Augen.
„Das war schräg", spricht Skyla ihren Gedanken laut aus.
Lukas nickt zustimmend und blickt etwas panisch, als sie sich entfernen will. „Du solltest besser auf deinen Vater hören und Zuhause bleiben."
„Kannst du so etwas von knicken! Mir geht es gut!"
Ihr bester Freund seufzt laut und blickt rüber zu den Pfannen. Etwas, was Skyla nicht entgeht.
„Denk nicht mal dran! Vorher haue ich dir eine Pfanne um die Ohren!"
„Könnte ich auch nicht", stammelt er und seine nächsten Worte werden leise, „obwohl es sicher der einzige Weg wäre, dich zur Ruhe zu betten."
„Das habe ich gehört!"
„Du musst aber auch zugeben, dass du eine schlechte Lügnerin bist und nicht immer die Starke spielen musst. Ich wüsste auch, wie du zur Ruhe kommst. Ich habe Lesestoff dabei."
„Vergiss es!"
Lukas verzweifelt an ihr. „Weißt du, deine Mutter verlangt das Unmögliche von mir."
Skyla zuckt gleichgültig mit den Schultern. „Hättest du ihr doch sagen können."
„Unmöglich. Hast du ihren Blick gesehen? Das war fast wie eine Drohung. Ich muss dich unter jeden Umständen bremsen. Komme, was wolle oder sie reißt mir den Kopf ab."
Es klingt zu lächerlich.
„Lukas, meine Eltern betrachten dich wie einen Sohn. So etwas würden sie nie denken."
Er brummt unschlüssig. „Wenn du meinst."
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