23. Kapitel
Die Tür schlägt mit Ach und Krach auf. Schnaufend tritt Skyla in ihr Reich. Pampig, da die Unterhaltungen mit ihrem neuen Schutzgeist mehr Nerven kosten als mit Kai.
„Weil ich es einfach nicht mag!"
Wie der Hammer eines Richters hallen ihre Worte durch die Räumlichkeit. In der Hoffnung, Agnar gibt sich endlich geschlagen. Leider ein unerhörter Wunsch.
„Aber Kai sitzt ebenfalls auf deiner Schulter! Für eine Spinne ist es wirklich anstrengend, dir zu folgen."
Zuerst lässt Skyla ihren Kopf hängen, denn sie ist diese Situation satt. Bis Agnars Worte zu ihrem Bewusstsein durchsickern. Sie hält schockiert inne und findet ihren anderen Schutzgeist tatsächlich auf ihrer Schulter. Es ist ihr ein Rätsel, wie sie solch einen Ekel nicht bemerken konnte. Böse funkelt sie ihren Dämonenbär an, der ihr ein selbstgefälliges Lächeln schenkt. Daraufhin bleckt Skyla die Zähne, bevor sie ihn mit ihren Klauen einfängt. Gnadenlos wird dieser widerliche Schleimer Richtung Bett gepfeffert. Die Beschimpfungen für den Wattehaufen sind bereits zusammengereimt, aber geraten sofort in Vergessenheit. Denn ihre einwandfreie Wurftechnik trifft einen unangekündigten Gast. Mit angehaltenem Atem beobachtet sie wie der dämonische Bär einen jungen Mann umhaut. Ein Treffer mitten ins Gesicht, als habe der Kerl nicht damit gerechnet. Sie kann hören, wie ihrem Besuch die Luft aus den Lungen entweicht.
„Oh, entschuldige."
Es ist mehr ein leiser Laut, der Skylas Lippen verlässt. Eigentlich ging sie davon aus, in ihrem Zimmer ungestört zu sein. Kurz verflucht sie ihr Temperament, bis sie realisiert, wer ihr einen Besuch beschert. Ungläubig scannt sie den Geisterjäger ab. Scheu wie ein Reh nähert sie sich dem Mann, der ihr Blut in Wallung bringt. Nur ganz langsam sickert diese Information zu ihr durch, schließlich hat sich ihr Herz darauf eingestellt, ihn nie wieder zu sehen. Damit schlägt der Motor ihres Lebens ganz wild und macht Purzelbäume.
Es darf kein Traum sein!
Es beginnt mit einer Träne, dann folgt die Nächste. Diese unzumutbare Prüfung ihres Lebens muss sie hoffentlich nicht mehr allein durchstehen.
Agnar hat sofort Augen für Mia, die beleidigt zu Skyla fliegt. „Hmmmm, ein Schmetterling."
„Was fällt dir eigentlich ein?", schimpft die Fee mit Skyla.
Die geflügelte Zicke wird gekonnt ignoriert, denn Skylas Beine tragen sie eilig zu Milan, nachdem ihre Zimmertür in die Angel fällt. Voller Sehnsucht hält sie Blickkontakt. Auch wenn die Distanz zwischen ihnen noch nicht lange bestand, hatte sie den Geisterjäger unglaublich vermisst. Skyla sorgte sich ununterbrochen, um ihn und hoffte, dass ihn diese schrecklichen Leute nie finden.
Milan setzt sich gerade auf, da funkt Skyla dazwischen. Denn sie schmeißt sich auf ihn und fällt mit dem süßen Geisterjäger aufs Bett. Dabei ignoriert sie Kai, der verzweifelt gegen ihre Seite klopft, weil er um Luft ringt. Es ist Milans Duft, den sie gierig einatmet. Ein Gefühl von Geborgenheit macht sich in ihr breit, als sie in seinen Armen liegt und die beiden sich in die Augen sehen. Ihre Begrüßung scheint Milan zu rühren, schließlich betrachtet er sie mit einem verträumten Blick, während ihm die Röte in die Wangen steigt.
„Hey, mein Süße."
Oh, er ist es wirklich.
Wie dankbar Skyla doch ist und einfach den Moment genießt. All der Stress der vergangenen Tage ist wie fortgeblasen.
Es ist jedoch Mias Schrei, der diesen wunderschönen Moment unterbricht. Also setzt sich die Dämonenbesitzerin augenrollend auf. Eigentlich wollte Skyla mit Mia schimpfen, aber dafür gibt es keinen Grund. Denn Agnar versucht, die Fee mit seinen Spinnennetzen einzufangen. Er betrachtet Milans Begleiter als Leckerbissen und bringt die Fee zum Schwitzen.
„Agnar! Diese Fee ist äußerst nützlich! Du darfst sie nicht fressen!"
Der neue Schutzgeist stoppt beleidigt und erinnert sie daran: „Du sagtest, ich darf keine Menschen essen, aber von Insekten hast du kein Wort gesagt."
„Ich bin eine Fee! Kein Insekt!"
„Du siehst aus wie eine Motte", findet Agnar.
Würde es hier nicht um Milans Schutzgeist gehen, hätte Skyla losgeprustet. Dieser Spinnendämon wird ihr mit einem Schlag sympathischer.
„Motte? Wohl eher Schmetterling!", reagiert Mia beleidigt.
„Skyla, bitte mach eine Ausnahme. Die Dämonenjagd hat mich ganz schön erschöpft", erhofft sich Agnar, dass sie ihre Meinung ändert.
Skyla ist empört. „Du hast ja wohl relativ wenig dazu beigetragen!"
Es folgt ein missmutiges Brummen aus Agnars Richtung. „Wenn ich diese Motte nicht essen darf, dann mache ich mich auf die Suche nach etwas anderem."
„Ist gut, aber denke an die Regeln! Ich will dich nicht in meinem Bett wiederfinden! Gebe mir Freiraum!"
Skyla schüttelt sich angeekelt, da sie gestern schreien wach wurde. Es sind bereits fünf Tage seit dem neuen Vertragsschluss vergangen und die Jagd nach dem Paranormalen verläuft in der Tat einfacher mit dem neuen Schutzgeist. Agnar betrachtet sie leider noch immer als Kletterparadies. Das war nicht nur Stress für sie, sondern auch für die Spinne. Ihr Geschrei war ihm zu laut und Skyla hatte fast einen Herzinfarkt. Als wäre dies schon nicht schlimm genug, machten sich ihre Eltern einen Spaß, und zogen sie den ganzen Tag mit Spinnenwitzen auf.
„Ist gut."
Sein Tonfall zeigt, wie sehr ihn diese Regeln nerven.
Ein Atemzug streift Skylas Wange.
„Süße, wir sollten uns mal dringend unterhalten!", wird ihr nun zugeflüstert.
Milan legt bestimmend seinen Arm um Skyla und zieht sie enger an sich. Sein Grinsen ist auffällig in die Länge gezogen, als überspiele er andere Emotionen.
„Wirklich, ich bin so froh, dich zu sehen", gesteht sie ihm besorgt, „aber weiß Justin hiervon? Bringt dich der Besuch nicht in Schwierigkeiten?"
Milan drückt ihr einen Kuss auf die Wange und wird nun etwas albern. „Mir war bewusst, dass du ohne mich durchdrehen würdest. Also habe ich mich bei Justin durchgesetzt, damit du nicht an einem gebrochenen Herzen stirbst."
Haha! Als würdest du dich bei Justin durchsetzen!
Sie rollt die Augen.
„Meine Eltern dürfen nicht davon erfahren, dass du hier bist. Danke Lukas dafür."
Kaum ist es ausgesprochen, rüttelt der Zorn an ihren Ketten. Ihn einzukerkern war nicht leicht, denn der Verrat sitzt noch immer tief. Aber ihr bester Freund hat eine zweite Chance verdient. Zu viel haben die beiden durchgestanden und zu gern hat sie ihn und seinen Vater.
Von Milan kommt ein spöttischer Laut, als hätte er so etwas befürchtet. Dennoch schluckt er seine Meinung hinunter.
„Ich habe Justin dazu überredet bekommen, deine Ausbildung fortzusetzen. Dafür verlassen wir uns auf Mias Fähigkeiten und trainieren dich außerhalb der Stadt. Bist du damit einverstanden?"
Dankbar für den Themawechsel blickt Skyla auf.
„Ehrlich, nichts wäre mir lieber."
Milan betrachtet sie misstrauisch und fragt nun vorsichtig nach: „Ist dir irgendetwas Ungewöhnliches passiert seitdem Vorfall? Oder wie erklärst du mir deinen zweiten Dämon?"
„Ich habe Bekanntschaft mit diesen Jägern gemacht. Sie haben übrigens nach dir gefragt."
Die Farbe weicht ihm aus dem Gesicht. Voller Sorge gleitet sein Blick über sie.
„Haben sie dir etwas getan? Wie zum Beispiel das mit deiner Hand?"
Ihre Augen fixieren Kais Verband, den er ihr täglich wechselt. Eine Berührung mit einem Feuerdämon heilt trotz seiner Wundersalbe nicht so schnell und so kommt es, dass der Bär seit einigen Tagen Arzt spielen darf. Sofern sie mit der verbrannten Oberfläche nichts berührt, ist Skyla dank seiner Medizin von jeglichen Schmerzen verschont.
„Nein, das war ein Feuerdämon."
Kaum ist es ausgesprochen, bemerkt sie Milans entsetzten Blick. Ein Lächeln huscht ihr über die Lippen, denn jetzt, wo das große Abenteuer überstanden ist, kann sie besser mit dem Thema umgehen.
Bevor Milan seine Stimme wieder findet, folgt eine Lagebesprechung. „Einen Schrecken haben mir eure Verfolger eingejagt. Lukas wurde zusammengeschlagen und ich fürchte, Emilie ist in deren Gewalt. Nur ist ihr dies noch nicht ganz bewusst."
„Wie darf ich das bitte verstehen?"
Skyla rutscht näher an ihn, um ihren schweren Kopf an seine Schulter zu lehnen. Schließlich beginnt sie ihm von all den wichtigen Geschehnissen zu erzählen. Sie sieht Milan sofort an, was er darüber denkt. Er teilt ihre Sorge und sucht nach schnellen Lösungen. Ihre missliche Lage scheint er nicht zu befürworten.
Am Ende ihrer Erzählung steht der Geisterjäger auf und beschließt: „So, ich habe genug gehört. Ich entführe dich einfach, damit du mit diesen schrecklichen Leuten gar nichts mehr zu tun hast!"
„Das geht nicht, ich habe mir hier etwas aufgebaut und wer weiß, vielleicht komme ich aus der Sache ja noch heil raus. Ich würde ungern einen Krieg gegen diese Leute anfangen und doch werde ich nicht einfach alles mit mir machen lassen."
Allein der Gedanke an die vermummten Gestalten jagt ihr noch immer einen Schauer über den Rücken. Ihr Auftreten war geprägt von einer gefährlichen Mischung aus Professionalität und Boshaftigkeit. Die Macheten in ihren Händen wirkten scharf und durstig. Die Haltung hatte etwas von einem Krieger. All jene Leute waren fokussiert und abgestumpft. Ein jeder bereit für ihre Überzeugung zu handeln.
Milan seufzt verzweifelt. „Ich würde ja so gerne daran glauben, dass es für dich gut ausgehen würde. Nur ahnst du nicht, wie gefährlich diese Leute wirklich sind. Ich bewundere deinen Mut, aber ich bezweifle, dass du etwas ausrichten kannst."
Skyla bewirft ihn mit einem Kissen, das er auch noch gekonnt fängt. „Danke, für diese hoffnungslosen Worte."
Ihm jedoch zu widersprechen zeigt ihr launisches Kind. Ihre dumme Naivität, dabei muss sie ständig an jenen Abend zurückdenken. Sie war ihnen im Nachteil. Selbst mit einem Dämon im Gepäck und ihrer untrainierten Macht. Sie ist noch immer dankbar darüber, dass Milans und Justins Feinde die Lüge geschluckt haben, und so eine Konfrontation vermieden werden konnte. Es blieb bei einer Warnung, aber ihr Gefühl sagt ihr, dass dies noch nicht das Ende des Liedes sein wird. Auch dass Milan nicht frech kontert oder herumalbert, zeigt ihr, wie ernst die Lage ist.
Die Gedanken werden von Milans Schnaufen unterbrochen. Er weicht ihren Blick aus und seine Wangen röten sich verdächtig, während er ihr kleinlaut gesteht: „Ich bin schon eine ganze Weile in deinem Zimmer und ich habe wirklich gedacht, dass ich dich an ihnen schon verloren hätte."
So etwas, wie Taktgefühl scheint Mia nicht zu besitzen, denn sie reißt ebenfalls ihr Maul auf, um sich zu beschweren. „Er hat geweint wie ein Baby!"
Verraten fixieren die silbernen Augen seine Fee und funkeln böse. Die Röte in seinem Gesicht wird kräftiger und auch Skylas Mundwinkel beginnen zu zucken. Ein Anflug von Freude macht sich in ihr breit. Denn sein Verhalten lässt Hoffnung in ihr keimen, dass er es wahrlich ernst mit ihr meint. Neugierig beugt sie sich ganz nah vor, um ihren Gegenüber zu necken. „Wirklich? Du hast geweint?"
Nun ruhen seine grauen, geheimnisvollen Augen auf ihr. „Erkennst du denn nicht, dass du mir wichtig bist?"
Seine Worte lassen ihr Herz höher schlagen. Milan bringt Skyla in Verlegenheit und das ist ihr wirklich unangenehm. Noch nie hat sie für jemanden so empfunden und jetzt gehört ihr Herz einem frechen Geisterjäger, der gerne durch die Welt reist.
„Hör auf damit! Du machst es schon wieder!", schimpft Skyla mit ihm.
Milan betrachtet sie verwundert. „Was denn?"
Sie setzt sich auf seinen Schoß und überrascht ihn mit einem Kuss, der ihr Herz wärmt. Seine Nähe hat eine viel zu große Wirkung auf sie und es macht sie unendlich glücklich, dass er Interesse an ihr zeigt. Kaum löst sich Skyla von ihm, genießt sie seinen vernarrten Blick. Da sie zögert, berühren seine Lippen ihre, bevor seine Zunge fordernd in ihren Mund gleitet. Noch immer hallt die Erinnerung des Feuerdämons nach und so versetzt Skyla in einen berauschenden Zustand. Ein Verlangen überwältigt sie, wie ein gewaltiges Inferno. Nicht bereit gelöscht zu werden. Verschlingend und fordernd.
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