12. Kapitel
Erwartungsvoll blickt Skyla auf die Beschilderung eines Katzencafés. Es ist kürzlich neu eröffnet worden. Sehnsüchtig stehen die beiden Freunde auf dem Gehweg, denn einer ihrer Träume ist zum Greifen nah. Ihre Eltern waren für ein Haustier nie offen. Es macht Dreck, es kostet Zeit und Geld. Lukas und Skyla haben lange versucht, ihre Eltern zu überreden. Erfolglos. Dabei haben sich beide nach einer Katze gesehnt. Und nun entführt ihr bester Freund sie in ein Café voller Samtpfoten. Es ist wie ein wahrgewordener Traum.
Bevor sich Skyla in den Laden stürzen kann, wird sie gebremst. Denn sie muss Lukas versprechen, keine Katze am Ende heimlich einzustecken. Für seinen albernen Scherz boxt sie ihn spaßig gegen die Schulter. Etwas, was ihn noch frecher lächeln lässt. Nervös treten die beiden Freunde ein. Zuerst durch eine Schleuse, wo die Hände desinfiziert werden, damit keine Krankheitserreger ins Innere gelangen. Zur Sicherheit der Tiere. Das Ambiente wirkt klein, aber gemütlich. Die dunklen Holzmöbel passen gut zu den sonnengelben Wänden. Die sündhaften Backwaren werden akkurat und feinsäuberlich hintereinander in dem Glaskasten zur Schau gestellt. Ob auf dem Gebäck oder bei Dekoration dreht sich alles um das Thema Katzen. Pfoten und Katzenköpfe finden sich in vielerlei Varianten in dem Laden. Ob als Form des Gebäcks, per Schokotropfen oder Kissen auf den gemütlichen Eckbänken. Der erste Vierbeiner ist schnell entdeckt und schon könnte Skyla ihrem besten Freund erneut um den Hals vor Freude fallen. Etwas, worauf sie bewusst verzichtet. Lukas falsche Hoffnung zu machen wäre einfach nicht gerecht.
Im ganzen Laden stehen Kratzbäume und es bieten sich viele Rückzugsmöglichkeiten und Kletterebenen für die Katzen an. An den Wänden befinden sich niedliche Bilder von den Tieren und viele interessante Informationen. Die Vierbeiner kommen aus dem Tierheim und suchen von ganz allein Kontakt zu den Besuchern. Die Polsterung auf den Sitzbänken ist weich und gemütlich. Selbst der Kaffeeschaum bei Lukas oder die Sahne auf Skylas Kakao wurde als Katze geformt. Die Tiere haben dabei eine beruhigende Art auf Skyla. Hier vergisst sie all ihre schlechte Laune. Mit Katzenspielzeug findet Skyla tatsächlich zwei, die mit ihr Spielen. Ein grauer Tiger hat es ihr besonders angetan. Das süße Fellknäuel sucht immer wieder den Kontakt zu ihr und lässt mit sich schmusen.
Die plötzlich ansteigende Nervosität bei Lukas entgeht ihr jedoch nicht. Ihr bester Freund zittert leicht und meidet den Augenkontakt. Beunruhigende Signale für Skyla. Als er dann seine Hand auf ihre legt, blickt er entschlossen auf.
„Findest du nicht, dass es langsam Zeit wird, über etwas zu reden."
Die fruchtige Zitronenschnitte mit dem fluffigen Boden schmeckt augenblicklich nicht mehr annähernd so süß wie vor wenigen Sekunden. Es ist die Sorge, die Skyla quält. Sie hofft, er behauptet nicht erneut, dass sie Drogen nimmt.
„Was genau meinst du?"
Für seine nächsten Worte fasst sich Lukas ans Herz. „Meine Kindheit wäre ohne dich trostlos verlaufen. Grau und ohne jede Farbe. Wie du weißt, war ich nie besonders beliebt. Ich war anderen gegenüber immer zu ruhig. Einfach anders..."
Er pausiert und zweifelt mal wieder an sich selbst. Das tut Lukas oft. Er sucht die Fehler bei sich. Zeit, erneut einzugreifen und ihm zu widersprechen. Aber er hat Recht. Nur den Menschen, denen er vertraut, öffnet er sich. Lukas ist ein vorsichtiger Junge und anderen gegenüber oft sehr distanziert. Mehr der stille Beobachter. So hat es sich Skyla immer zur Angewohnheit gemacht, bei jeder Gelegenheit aus ihm heraus zu kitzeln, wie er über alles denkt. Seine Perspektive ist ihr vom unschätzbaren Wert, denn Lukas betrachtet die Dinge schon immer etwas anders. Sie hat das Gefühl, er studiert die Leute.
„Lege keinen Wert auf die Meinung anderer. Sie sehen einfach nicht, was ich in dir sehe. Du bist wundervoll, Lukas. Jeder ist auf seine Art einzigartig und das ist auch gut so. Du hast doch keinen Ärger oder? Du weißt ja, wenn dir irgendwer blöd kommt, dann komme ich und überzeuge sie vom Gegenteil."
Er lächelt dankbar, obwohl er sich zu dem Thema ebenfalls Gedanken gemacht hat: „Aber was wäre ich für ein Mann, der sich von einer Frau beschützen lässt?"
Sie rollt mit den Augen. „Komm mir jetzt nicht damit. Du weißt doch, wir halten zusammen. Außerdem warst du es doch, der mir gerade eben mit Tanja geholfen hast. Dafür bin ich dir einfach nur dankbar."
„Jederzeit wieder, Skyla. Wie du bereits sagtest, wir halten zusammen."
„Gut. Sag mir, wie hast du hiervon erfahren?", will Skyla bewusst das Thema wechseln.
Aber nicht mit ihm. Lukas ist noch nicht fertig. Sie spürt sein verstärktes Zittern auf ihrer Hand.
„Was ich dir eigentlich versuche zu sagen, ist, dass ich schon so lange romantische Gefühle für dich empfinde. Ich habe lange auf den Moment hin gefiebert, wann endlich Klartext gesprochen wird. Dabei gab es so viele vergangene Versuche, die du immer wieder missverstanden hast. Nur aufgrund meiner Feigheit konnte ich die Dinge nie gerade stellen. Daher wollte ich warten, bis ich die Ausbildung hinter mir habe. Ein verdammter Fehler. Dabei habe ich mich immer wieder gefragt, wie dieser Moment aussehen könnte, wenn du endlich meine wahren Gefühle für dich begreifst. Aber um ehrlich zu sein, lief es ganz anders als in meinen Vorstellungen. Etwas, chaotisch und nicht mal annähernd so romantisch wie in meinen Träumen."
Keine Geheimnisse! – Das war ein Versprechen der beiden Freunde, woran beide gescheitert sind. Auch wenn Lukas es versucht hat und Skyla der Meinung ist, dass es besser so wahr, dieses Geständnis aufzuschieben, denn die Erkenntnis bringt die Freundschaft gefährlich ins Schwanken. Skyla fühlt sich einerseits geehrt und wirklich gerührt. Anderseits ist dieser Moment die reinste Katastrophe. Von diesem Thema wollte Skyla einfach nichts hören. Und doch hätte sie es ahnen müssen, dass sie dem nicht entkommen kann. Lukas schweigt nicht, er spricht über alles, was ihn beschäftigt. Eine Eigenschaft für die Skyla eigentlich dankbar ist – nur nicht heute.
Es spielt keine Rolle, was Skyla antworten wird, denn am Ende trifft es ihren besten Freund bitter. Und doch sitzt sie da und verzweifelt. Etwas, das Lukas nicht entgeht.
„Hey", spricht er sanft zu ihr ein, „du brauchst keine Panik zu haben. Ich weiß, dass meine Gefühle unerwidert bleiben. Das ist mir bewusst und doch tut es gut, die Wahrheit ausgesprochen zu haben. Ich will, dass du weißt, dass sich trotz allem nichts an unserer Freundschaft ändern wird. Du wirst mich zu deinem Bedauern nicht los, dafür habe ich dich zu gern, Skyla. Wir werden gemeinsam alt, wenn auch nur als Freunde."
Er lächelt, dabei ahnt Skyla, wie er sich wirklich fühlen muss. Eigentlich kann sie aufatmen, aber ihr Bauchgefühl sagt, da droht noch eine Menge Ärger. Sie kennt Lukas. Zu gut. Es wird ihn belasten. Mehr, als er zugeben mag und das bereitet ihr große Sorge.
„Was aber nicht bedeuten soll, dass ich es nicht weiter versuche", unterbricht Lukas ihre Gedanken, „vielleicht erobere ich irgendwann dein Herz."
Flehend nennt Skyla ihn beim Namen. Aber das Feuer in ihm ist entfacht und nichts und niemand wird es unter Kontrolle bringen können. Seine Entscheidung steht wie die Mauer einer Festung.
„Ich habe Angst, dass dich dieser Kampf verändert, Lukas. Ich bin die Falsche. Du findest etwas Besseres als mich."
Sein vernarrter Blick ist kein gutes Zeichen.
Mit einem Lächeln auf den Lippen äußert er sich glücklich dazu: „Du bist alles, was ich mir je wünsche. Dich und keine andere."
„Aber du bist mir zu wichtig, Lukas. Ich kann es nicht riskieren, dich durch eine Beziehung zu verlieren!"
„Und Milan ist dir nicht so wichtig?"
Wie ein verletztes Tier blickt Skyla auf. Noch leckt sie ihre Wunden und selbst ihm gegenüber wird sie die Zähne blecken.
„Vorsicht, Lukas! Du läufst auf dünnem Eis!"
Sein Blick fällt hinab, auf die Halskette, die Lukas nachdenklich mustert. Erschrocken ergreift Skyla diese und versteckt das Schmuckstück unter ihrem Pullover.
„Milan ist sicher viel um die Welt gereist. Auch nach Thailand?"
Mal wieder verflucht sie seine Beobachtungsgabe.
„Thailand ist ein Reiseziel, das er gerne aufsucht."
„Das erklärt die Kette und warum du diese ununterbrochen trägst."
Nicht ganz, Lukas. Aber deine Version macht uns weniger Probleme.
„Es stellt eine Tempelblume dar."
Am Ende zwingt sich Skyla zu einem Lächeln. In der Hoffnung, er stellt keine Fragen mehr darüber.
Ganz spontan schlägt Lukas vor: „Was hältst du davon, wenn wir gemeinsam nach Thailand reisen?"
Überwältigt von dem Angebot blinzelt sie ihn an.
„Bitte was?", bringt sie leise über ihre Lippen.
„Planen wir doch gemeinsam für nächstes Jahr einen Strandurlaub. Was hältst du von der Idee?"
Thailand – ein Ort, wo sich mehr Geister tummeln als sonst wo. Das wird in einer Katastrophe enden.
„Weißt du, das hört sich toll an. Wirklich. Aber..."
Das winzige Wörtchen bereitet ihrer besseren Hälfte sichtlich Magenschmerzen. Das gutgespielte Lächeln fällt und ein lautes Seufzen entweicht ihm, als verzweifle er langsam.
„Aber?"
Wie soll ich ihm das erklären?
Nervös fährt sich das Medium mit den Händen durchs Haar.
„Okay, pass auf. Ich denke darüber nach. Thailand klingt verlockend, aber vielleicht finden wir ein besseres Reiseziel."
Lukas nickt zögernd, aber zustimmend, und hat bereits eine Idee. „Japan?"
Ein schöner Einfall, den Skyla sicherlich nicht so schnell getoppt bekommt. Das Land der aufgehenden Sonne. Eine kulinarische Weltreise, die Skyla schon immer einmal kennen lernen wollte. Es sind die Tempel- und Parkanlagen, die sie an einer Reise nach Japan reizen. Etwas, was ihrem besten Freund nicht entgeht und er sie an einige Orte erinnert wie zum Beispiel der Fushimi-Inari-Taisha-Schrein in Kyoto. Ein Ort, wo sich ganz viele rote Schreintore aneinanderreihen und einen Durchgang bilden. Oder der Ashikaga Flowers Park, wo die beliebte Pflanze Wisteria über ein Rankengitter atemberaubende Tunnel formt. Die Blütezeit befindet sich im April bis Mai. Etwas, was die beiden schon sehr lange recherchiert haben, weil die Fotos sie überzeugten. Skyla wollte sogar einmal ihre Oma überreden, solch einen Tunnel in ihrem Garten zu erschaffen. Aber Oma Ulrike war strikt dagegen. Der Blauregen ist giftig. Keine Pflanze für Haustiere und Kinder. Außerdem haben die Ranken ordentlich Kraft und können einen gewaltigen Schaden anrichten, wenn sie nicht kontrolliert wachsen. Die Anspannung fällt von Skyla, als sich die beiden Freunde gemeinsam Gedanken über eine mögliche Reise machen. Die Idee findet immer mehr Gefallen bei Skyla, je mehr die beiden in Erinnerungen schwelgen und sich über vergangene Träume und Wünsche unterhalten.
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