9. Es kann jeden treffen
Man könnte wohl meinen, dass ich schlafen würde oder in Trance wäre. Kein Wunder bei dem Bild was man gerade von mir hatte. Stumm saß ich auf dem Boden, hatte meine Beine aufgestellt und meine Arme auf meinen Knien abgelegt. Mit dem Gesicht blickte ich auf den Boden und nur meine Schultern hoben und senkten sich im Rhythmus meiner Atemzüge. Es war etwas ermüdend meine Augen offen zu halten, deshalb hatte ich sie auch kurzzeitig immer wieder geschlossen.
Wie lange saß ich schon hier? Minuten? Stunden? Nein. Stunden war etwas weit hergeholt. Auch wenn ich gerade kein gutes Zeitgefühl hatte, waren es definitiv keine 60 Minuten gewesen, die ich auf dem kühlen Untergrund verbracht hatte. Vielleicht sollte ich etwas schlafen? Dafür hatte ich jetzt aber keine Zeit. Es gab wichtigere Dinge zu tun. Schließlich wurde die Hauptstadt angegriffen, da konnte ich mich doch nicht einfach hinlegen und ausruhen?
Seufzend rappelte ich mich auf. Leise musste ich immer wieder auf keuchen. Mir tat alles weh. Ich fühlte mich wie eine alte Frau. Was war denn los? Hatte ich doch so viel magische Kraft verbraucht? Oder hatte mich einer dieser Fluchkugeln getroffen? Aber dann hätte ich wohl andere Symptome.
Egal was es war. Momentan konnte ich es nicht gebrauchen. Kurz flog mein Blick zu meinem Ordenskamerad. Den Windmagier hatte es deutlich aus den Socken gehauen. Dieser schlummerte friedlich auf einer großen Stück Watte, welche von der anderen Magierin erschaffen wurde. Eigentlich wollte ich nur kurz nach dem Jüngeren sehen, aber ich blieb vor ihm stehen.
Die Flüche hatten es wohl in sich gehabt. Sonst wirkte er immer so unantastbar, sogar schon etwas arrogant. Er hätte mich nicht um Hilfe gebeten, wäre es nicht zu 100% nötig gewesen, da war ich mir sicher. Der Gedanke brachte mich etwas zum Grinsen. Yuno sah nun aus wie der Jugendliche, der er auch noch war. Er war noch ein Kind. Ich mussteste ihn retten. Wie hätte ich ein Kind sterben lassen können? Freunde werden wir trotzdem nicht. Er hatte einfach etwas an sich, was ich nicht ausstehen konnte.
„Hey... Warschte mal", mampfend kam die Wattemagierin auf mich zu. Fragend legte ich meinen Kopf etwas schräg. In ihrer rechten Hand hatte sie eine Kleinigkeit zu essen. „Hier. Esch das", mit vollem Mund, noch kauend, hielt sie mir eine Schüssel entgegen. Nachdem sie heruntergeschluckt hatte, deutete sie auf die Schafe hinter sich. „Dann wird es dir wieder besser gehen" erklärte sie grob und drehte sich um, um wieder zu den Schafen mit Kochmützen zu gehen. Okay? Das war seltsam.
Etwas argwöhnisch lugte ich in das Gefäß. War das Pudding? Schokoladenpudding, wenn mich nicht alles täuschte.
Jetzt musste ich tatsächlich mit mir kämpfen. Wie könnte ich Süßkram denn widerstehen? Aber ich hatte doch eigentlich keine Zeit dafür. „Warum sollte es mir überhaupt schlecht gehen?" erwiderte ich, mehr oder weniger eingebildet. Meinen eigenen Unterton hatte ich schnell realisiert, woraufhin ich nur seufzen musste. Warum beschwerte ich mich eigentlich über Yunos Arroganz? Ich war doch selbst kein Deut besser.
Schweigend drehte ich der Ritterin den Rücken zu. Es war mir unangenehm. Sie wusste, dass mir der Kampf einiges an Kraft gekostet hatte. Ich musste mehr trainieren. So etwas sollte mich nicht so mitnehmen. Ohne es zu bemerken hatte ich schon den ersten Löffel voller Pudding in meinen Mund verschwinden lassen. Hm. Köstlich.
Sie hatte nicht gelogen. Ich fühlte mich besser, was mich aber nur wieder zum Seufzen brachte. „Danke" lächelte ich leicht, ehe ich ihr die Schüssel zurückgab. „Keine Ursache" grinste sie mit vollem Mund. Die Wattemagierin aß viel, es war amüsierend. „Ich geh dann mal", mit einem kurzen Winken verließ ich den Turm.
Also. Wohin? Ich schwebte in den Lüften, hatte meine eine Hand auf die Tasche gelegt, in der mein Grimoire verstaut war. Hoffentlich musste ich dieses heute nicht mehr benutzen, auf noch einen Kampf konnte ich gut und gerne verzichten. Sollte mein Gegner noch so schwach sein. Ich hatte mir, nachdem noch einmal einen Rundflug gemacht hatte, eine großzügige Pause verdient. Auch wenn das Essen mir wieder etwas Energie verschafft hatte, war meine Müdigkeit nicht gänzlich verflogen. Theoretisch könnte ich mich jetzt hinlegen und schlafen, aber das wäre unpraktisch, schließlich hatte ich noch etwas zu erledigen.
Eilig machte ich mich auf den Weg. Umso schneller ich war, umso schneller konnte ich in mein Bett. Daraus würde wohl jedoch erstmal nichts werden. Ich konnte einige Manapräsenzen ausfindig machen, die sich an einem Punkt sammelten. Die meisten kamen mir auch bekannt vor, nur waren dort auch welche dabei, die mir fremd waren. Könnten das noch mehr Feinde sein?
Aus der Ferne versuchte ich das Mana Leuten zuzuordnen, aber das hatte noch nie zu meinen Stärken gezählt. Ich konnte immer nur mutmaßen. Eine wirkte sehr vertraut. Hm. Nachdenklich zog ich meine Augenbrauen zusammen. Könnte es...?
Makani! Das musste Makani sein!
Aufgeregt verschnellerte ich mein Tempo. Was passierte da nur? Da der Treffpunkt der ganzen Magier nicht weit von mir entfernt war, hatte ich das Spektakel auch zügig erreicht. Dennoch kam ich zu spät, um eingreifen zu können. Die anderen schienen auch nicht bei der Sache zu sein, da niemand etwas dagegen tat, das Asta einfach verschleppt wurde.
Bevor ich aber etwas dazu sagen konnte, fing Noelle schon an zu sprechen. Es war verständlich, dass sie ihren Ordenskameraden retten wollte. Eigentlich hätte ich gedacht, dass Makani ebenfalls etwas dazu sagen würde, aber dieser blickte nur auf die Stelle, an der der Anti-Magier gerade nach war. Doch lange hielt sich sein Blick auch nicht dort auf, denn er schwenkte zur anderen Seite, wo gerade Mimosa ihre Heilmagie anwandte. Wer war verletzt worden? Das Mana war mir bekannt, aber nicht vertraut genug, um es mit 100% Sicherheit jemanden zuordnen zu können.
Meine Aufmerksamkeit schenkte ich jedoch wieder der Wassermagierin. „Wir müssen Asta retten" stimmte ich der Jüngere nickend zu. Asta war doch genauso ein Kind wie Yuno. Wie könnte ich den Windmagier also retten und den Weißhaarigen seinem Schicksal überlassen? Das ging doch nicht!
„Das geht nicht!" widersprach mir Nozel Silva jedoch, während er seinen Kopf langsam in meine Richtung schwenken ließ. „Aber..." wollte ich schon ansetzten, wurde jedoch unterbrochen. „Wir müssen uns zuerst darum kümmern, dass die Verteidigung der Stadt steht" meinte der Ordensführer des Silbernen Adlers.
Bevor ich wieder für Widerworte ansetzten konnte, legte jemand eine Hand auf meine Schulter. Kurz darauf wurde ich fest in den Arm genommen. Der Duft des älteren Windmagiers war mir jetzt schon, nach der kurzen Zeit, die wir uns kannten, gut bekannt. „Makani" murmelte ich überrascht, ehe ich meine Arme zögerlich um den Größeren legte. Das sorgte nur dafür, dass dieser seinen Druck etwas verstärkte. „Ich bin froh, dass es dir gut geht", konnte ich ihn leise sagen hören.
Der Windmagier wirkte etwas neben der Spur. Was ging ihm durch den Kopf? Die Frage stellte ich jedoch nicht, sondern lächelte fröhlich. „Ich bin auch froh, dass dir nichts passiert ist" erwiderte ich mit demselben Lächeln auf den Lippen, welches ich immer draufhatte, wenn ich mich freute. Als wir uns lösten erkannte ich jedoch etwas in den Augen des Älteren. War das Schock? Erkenntnis?
Das Lächeln verschwand vorerst aus meinem Gesicht. Erst jetzt wandte ich mich Mimosa zu, besser gesagt dem Anblick welcher mir sich bei ihr bot. Waren das Leopold und Fuegoleon? Ich war erschütternd, lief einen Schritt nach hinten. Hatte man mir den Boden unter den Füßen weggerissen? Etwas Trauer mischte sich in meinen Gefühlscocktail. Leopold war zwar manchmal nervig, dennoch mochte ich ihn. Genauso wie den Ordensführer. Viel mit ihm zutun hatte ich noch nie, was aber nicht hieß, dass es mir egal wäre, sollte er schwer verletzt werden oder gar sterben.
Makani erging es aber nicht anders. Das war wohl der Auslöser für sein Verhalten. Hatte er den Feuermagier nicht gehasst? Vielleicht sogar respektiert, obwohl Fuegoleon zum Adel gehörte, zum Hochadel sogar. Aber er war nicht so wie die Silvas, der ältere Feuermagier war anders, in positiver Hinsicht.
Nur im Hintergrund nahm ich die Stimme meiner Ordenskameradin wahr. Ihre Magie reichte wohl nicht aus, die beiden mussten zum Heilerturm. Dann mussten wir uns beeilen.
Während sich der Großteil unserer Gruppe auf den Weg zum Turm machte, waren manche daran sich um die magische Barriere zu kümmern. Sie wollten sie verstärken, glaube ich jedenfalls herausgehört zu haben.
Weshalb machten wir uns eigene auf den Weg zum Heilerturm? Könnten manche nicht Asta retten gehen? Der ältere Windmagier schien meine Gedanken gelesen zu haben, denn er meinte nur, dass keiner ermitteln konnte, wohin sich die Angreifer teleportiert haben. Das war nicht unbedingt das, was ich hören wollte.
Zu ändern war es trotzdem nicht. Ich musste es wohl akzeptieren. Arrg. Wir konnten den Anti-Magier aber nicht bei diesen Leuten lassen! Man musste doch irgendwas tun können?
Am Ziel angekommen blieben die meisten draußen. Es schien wohl jeder in seinen Gedanken festzuhängen. Genauso wie ich. In meinen Kopf machte sich jedoch nur eine Frage breit.
Wo war eigentlich mein Vater?
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