3. Man trifft sich immer zweimal im Leben
Mein nächstes Ziel war das Hauptquartier der Goldenen Morgendämmerung, der Stützpunkt meines Ordens, zu dem ich seit knapp drei Jahre gehören. Kurz nachdem ich damals mein Grimoire erhalten hatte, konnte ich auch schon einem der Ritterorden beitreten. Ohne Aufnahmeprüfung oder mich irgendwie beweisen zu müssen. Für mich kamen aber von vornherein nur zwei der neun Orden in Frage. Yamis Orden, der Schwarze Stier, und Williams Orden, die Goldene Morgendämmerung. Da ich mich aber nicht entscheiden konnte, war ein Münzwurf dafür verantwortlich in welchen der beiden ich nun landen würde. Man kann sich wohl denken, wie die Münze entschieden hatte. Auch wenn der Dunkelmagier es sich nicht anmerken wollte, war er schon etwas enttäuscht gewesen, dass ich nicht zu ihm gekommen bin.
Es dauerte nicht mehr lange bis ich die Basis erblickte. Ein pyramidenartiges Gebäude, auf einem Berg, umringt von einigen Bäumen und Wiesen. Mein Zuhause. Elegant landete ich vor dem Eingang, in dem ich auch wenig später schon verschwand. Vorher hatte ich einmal die frische Luft eingeatmet. Die Natur hier war einfach atemberaubend. Fast jeden Abend mache ich einen kleinen Spaziergang, setzte mich auf einen der hohen Bäume und blicke in den schwarzgetränkten Himmel. Er sah dann immer aus wie eine riesige Leinwand und die funkelnden Sterne, wie kleine, leuchtende Farbtupfer. Nur war es nicht bunt, sondern eintönig, aber das war mir ziemlich egal.
Zügig huschte ich durch die Gänge, auf den direkten Weg zu Williams Büro. Auch er wollte immer eine kurze Zusammenfassung unserer Missionen. Während ich mich weiter in die Richtung der oberen Etagen machte, kamen mir ein paar meiner Ordenskameraden entgegen. Eigentlich konnte ich alle von ihnen gut leiden, mit den meisten hatte ich sowieso nicht viel zutun, bis auf einen. Der Neuzugang, Yuno. Dieser Frischling hatte etwas an sich, das ich einfach nicht leiden konnte. Selbstverständlich hasse ich ihn nicht aber eine Freundschaft, wollte ich auch nicht unbedingt mit ihm aufbauen. Das wir im selben Orden waren reichte schon. Von der Tatsache, dass er ebenfalls ein vierblättriges Grimoire besaß ganz zu schweigen. Mehr Gemeinsamkeiten brauchten wir nicht.
Besagter kam mir jedoch entgegen. Zusammen mit Klaus und Mimosa, die ganz ok waren. Meines Wissens nach hatten sie vor ein paar Tagen ebenfalls einen Dungeon erobert. Dieser war sogar ganz in der Nähe dem anderen gewesen, nur hatte ihrer direkt auf der Grenze zu Diamond gelegen. Solche Gebäude erschienen eigentlich öfter als man denkt. Manchmal lagen Monate zwischen ihrem Erscheinen, manchmal aber auch nur wenige Tage. Wirklich seltsam diese Dinger.
Kurz schüttelte ich den Kopf, als ich vor der Bürotür stand. Nachdem ich angeklopft hatte, trat ich auch schon ein. Mein Ordensführer hatte gerade seine Maske abgenommen, vermutlich als er meine Stimme erkannt hatte. Wenn wir allein waren tat er das immer, so konnte man sich einfach viel besser unterhalten. Anderen war das Gesicht des Älteren unbekannt. Es war ihm peinlich, er schämte sich dafür, obwohl ihm diese Fluchnarbe nicht zu einem anderen Menschen machte, aber da rede ich schon seit Jahren gegen eine Wand, oder Baum, wenn man seine Magie betrachtete. Die war nämlich wirklich schön. Weltbaummagie.
Einmal musste ich leise seufzen, was William nur dazu brachte mich schmunzelt anzusehen. In meinen Gedanken versinken. Ja. Das tat ich in letzter Zeit öfter. Flüchtig teilte ich ihm das Ergebnis meiner Mission an. Kleinigkeiten ließ ich weg und ich ging auch nicht zu sehr ins Detail weshalb meine Erzählung auch schon nach wenigen Minuten vorbei war. Nickend hatte er es zur Kenntnis genommen und ich konnte wieder gehen. Somit hatte ich erstmal Freizeit. Was mache ich denn jetzt nur? Zuallererst schlenderte ich in mein Zimmer. Es war geräumig aber gleichzeitig auch gemütlich. Ein großes Bücherregal durfte nicht fehlen, ich laß einfach viel zu gerne. Vielleicht konnte ich etwa lesen?
Hm. Stirnrunzelnd stand ich also vor dem Regal. Immer wieder zog ich eines der Bücher heraus, nur um es dann wieder wegzustellen. Wie lästig. Ich hatte sie fast alle schon gelesen, einige sogar mehrfach. Und eigentlich hatte ich nun auch keine Lust mehr darauf. Das zeigte eigentlich nur, dass ich doch zu viel Zeit hier drin verbrachte. Ich sollte also raus gehen. Nur wohin?
Die Frage war schnell beantwortet, viel zu schnell. In eine Bar, etwa trinken. Eine fabelhafte Idee wie ich fand. Nur sollte ich das Ganze in inkognito über die Bühne bringen. Meine Uniform war also tabu, genauso wie zu edle Kleidungsstücke. Kikka würde die Stadt sein, in die ich gehen würde. Ein Ort im Mittelbezirk, ganz in der Nähe des Innenbezirks, des Schlosses. Sie war groß, aber das gefiel mir.
Eilig durchstöberte ich meinen Kleiderschrank. Ganz einfache, schlichte Sachen. Die Hälfte meines Schrankinhaltes landete auf dem Boden. Vornehm und edel. So sah ich gerne aus, wenn ich nicht die Uniform meines Ordens trug aber selbst dort drin, sah ich adlig aus. Schließlich war ich das auch. Ich gehörte zum Adel, zwar nicht zum Hochadel aber dadurch, dass mein Vater der König der Magier war, hatte ich ja trotzdem irgendwie einen anderen Stand als die anderen normalen Adligen.
Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck hatte ich schließlich endlich etwas gefunden. Eine schlichte, dunkle Hose und eine Bluse, die mir seltsamerweise zu groß war. Also hatte ich sie in die Hose gesteckt und sah mich nun im Spiegel an. Meine Haare ließ ich offen, kämmte sie aber noch einmal durch.
Lächelnd verließ ich mein Zimmer, um so schnell wie möglich aus dem Hauptquartier zu verschwinden. Ich hatte keine Lust jemanden zu begegnen, der mich dann noch ausfragt oder schlimmstenfalls noch mitkommen will. Obwohl das letztere wohl eher sehr unwahrscheinlich war. Adlige hielten sich nicht gerne in Bars der Mittelschicht auf. Sie hatte ihre eigenen kleinen Partys.
Glücklicherweise konnte ich mich unentdeckt aus dem Staub machen. Mein Grimoire war in meiner Tasche verstaut, die am Hosenbund befestigt war. Es war Nachmittag, der Abend würde aber wohl bald anbrechen und somit die Dunkelheit. Ich flog langsam, genoss viel lieber die schöne Aussicht, die sich mir bot. Hügel und Felder. Berge und Wälder. Dieses Königreich ist mein Leben. Für nichts auf dieser Welt würde ich es eintauschen.
Durch mein gemächliches Tempo dauerte es auch entsprechen, bis ich die Stadt endlich erreicht hatte. Meine Kleidung ließ mich perfekt in die Masse eintauchen. Für diesen Moment gehörte ich hier her, zur Mittelschicht. Ein normales Mädchen, das vielleicht in einem kleinen Haus mit ihrer Familie wohnte. In einem Restaurant kellnerte und sich später mit ihren Freundinnen den Tag versüßte. Aber das war ich nicht. Ich war nicht normal und werde es auch nie sein, das wird mir nur immer wieder bewusst. Es reichte schon, dass ich mich einfach nur umsah. Und man konnte es spüren, wenn man ein gutes Managespür hatte, meine magische Kraft war deutlich stärker als die der anderen Leute, die hier rumliefen.
Nein! Daran wollte ich nicht denken. Hier! Jetzt war ich eine einfache, junge Frau, die in eine Bar gehen würde. Genau das tat ich auch. Eine Weile war ich noch herumgelaufen, bis ich schließlich eine der Kneipen betrat. Einmal war ich schon hier gewesen, das war aber schon ein paar Monate her.
Schon als ich die Tür geöffnet hatte kam mir eine Wolke voller verschiedener Düfte entgegen. Zigaretten, Gewürze, Schweiß, Alkohol. Alles war vertreten. Es war beinahe unangenehm, aber irgendwie erheiterte es mich auch. Nach wenigen weiteren Atemzügen hatte ich mich auch schon daran gewöhnt und lief weiter hinein. Es war voll. Überall standen oder saßen Leute. Meistens waren es Männer. Jung und Alt. Frauen waren hier nicht viele, zumindest die die keine Bedienungen waren.
Ein wenig verloren blickte ich mich weiter um. Die Augen mancher schäbigen Gestalten lagen auf mir. Hungrig sahen sie mich an, als wäre ich ein Stück Fleisch. Widerlich. Gut, dass nicht alle so waren. Manche lächelten mich warmherzig an und boten mir sogar an, dass ich mich zu ihnen setzten konnte. Die Angebote lehnte ich aber erstmal ab und setzte mich stattdessen eilig an einen Tisch, der gerade frei geworden war. Der Mann, der vorher hier saß, wurde trotz lautstarkem Protestieren aus dem Laden geschmissen, dass hatte grölendes Gelächter zur Folge. Zu viel getrunken hatte er.
"Ich mach das schnell sauber", eine junge Frau näherte sich mir. Mit einem Lappen bewaffnet wischte sie den Tisch grob ab und wollte dann auch schon wissen, was ich trinken wollte. Ich bestellte mir ein Bier. Eigentlich trank ich Wein, wenn ich etwas Alkoholisches zu mir nahm aber den Wein, den ich mochte, gab es hier nicht. Kein Wunder. Er war recht teuer, aber störte mich nicht. Das Bier schmeckte auch gut.
Auch wenn die Angestellten alle Hand voll zu tun hatten, stand mein Krug schon kurze Zeit vor mir. mit einer mündlichen Warnung, dass ich ja vorsichtig sein sollte. Das brachte mich zum Schmunzeln. Wirklich nett. Genüsslich trank ich einen Schluck meines Getränks und schweifte in meine Gedankenwelt ab. Bald würde wieder die jährliche Ordensverleihung stattfinden. Würde ich einen rang aufsteigen? Das wusste ich gar nicht genau. Falls ja würde ich spätestens morgen eine Einladung erhalten.
Eine bekannte magische Kraft, die sich mir näherte, erhaschte dann jedoch meine Aufmerksamkeit. Das war doch Makani. Der Windmagier war vor mir zum Stehen gekommen. Seinen Krug hielt er in den Händen und blickte auf mich herab. Wenig später ließ er sich aber auch schon auf den Stuhl gegenüber von mir fallen, dass er trotzdem noch auf mich herabsehen konnte, ignorieren wir einfach mal. Schließlich war er um einiges größer als ich. "Was macht denn eine solch feine Dame an so einem Ort?", deutlich konnte man seinen ironischen Unterton heraushören. Es passte ihm wohl nicht, dass ich hier war. Ich hätte ja nicht ahnen können, dass er ebenfalls hier war. "Wünschen Sie sich etwa unter das gemeine Volk zu mischen?", dass er mich sitze zeigte nur seine Abneigung mir gegenüber. Er machte sich lustig, ganz klar.
Dennoch zeichnete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ab. Sein Unterton war nicht gerade voller Freundlichkeit, aber das war er ja noch nie, wenn er mit mir sprach. "Auch wenn du es mir wohl kaum glauben magst, ich bin gerne einfach ein ganz normales Mädchen. Weder ein Magischer Ritter noch ein Adliger zu sein, ist für mich manchmal sehr angenehm" antworte ich schmunzelnd und trank einen Schluck meines Biers. Mein Krug war noch halb gefüllt während der Ältere fast schon wieder Nachschub brauchte.
Von einem tisch ganz in der Nähe wurde Makani gerufen. Er solle doch wieder zu ihnen kommen. Waren sie seine Freunde? Oder nur eine spontane Saufgemeinschaft? Eigentlich ging es mich nichts an, weshalb ich auch nicht fragte. Das viele Gelache brachte mich aber zum Schmunzeln. Es war schön mit anzusehen. Die Adligen gifteten sich meistens nur an. Natürlich gab es auch viele Ausnahmen, Freundschaften werden überall geschlossen aber so etwas belebtes sah man nicht häufig beim Adel. "Du kannst auch gerne gehen, wenn dich meine Anwesenheit so stört" lächelte ich und deutete auf den Tisch. Der Angesprochenen schüttelte aber den Kopf. "Die Anwesenheit einer schönen Dame stört mich nie", grinste er kokett und seine Wangen färbten sich dabei rot.
Verwundert legte ich meinen Kopf etwas schräg. Was war denn das? Unwillkürlich musste ich leise Lachen. Gerade wirkte er wie ein anderer Mensch. Wie viel hatte er denn getrunken? Aber diese Seite des Windmagiers gefiel mir schon viel besser. Nicht so feindlich, sondern eher... freundlich. Vermutlich war es ihm gar nicht bewusst, was er gerade von sich gab, aber das brachte mich nur noch mehr zum Lächeln.
"Möchte M'Lady vielleicht mit in unsere Runde kommen? Etwas Karten spielen? Die Älteren haben ein paar gute Geschichten auf Lager" bot mir Makani schließlich an, was mich stutzig machte. Er war tatsächlich wie ausgewechselt. das Angebot würde ich aber definitiv nicht ablehnen. Die alten Männer hatten sicherlich viele Storys über ihre Magie zu berichten. "Gerne" erwidere ich also nur, was nun dem Größeren einen überraschten Gesichtsausdruck bescherte. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Er nickte aber dann eilig und zusammen liefen wir zum Tisch, von dem der Windmagier schon gerufen wurde. Das wird sicherlich ein lustiger Abend.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro