Die ganze Wahrheit
Mein Geburtstag liegt auf einem Samstag, das heißt, meine Eltern müssen nicht arbeiten und sind den ganzen Tag daheim.
Perfekte Gelegenheit also, ihnen von den jüngsten Ereignissen zu erzählen.
Nay und ich haben zusammen geduscht und als wir dann endlich wieder angezogen sind und ich das Gefühl habe, dass mir meine Eltern nicht mehr alle Erlebnisse von vergangener Nacht bis gerade eben ansehen, nehme ich Nays Hand und ziehe ihn mit mir die Treppe nach unten ins Wohnzimmer.
Meine Eltern wirken nicht sehr erstaunt, als sie Nay hinter mir die Treppe herunterkommen sehen, und begrüßen ihn mit einem freundlichen "Guten Morgen."
Ich gehe zu ihnen und sie gratulieren mir, während sie mich in eine feste Umarmung ziehen.
Mein Vater kann sich ein Grinsen in Nays Richtung nicht verkneifen und ich kann daraufhin nichts dagegen tun, dass ich rot werde.
Nay wirft mir einen belustigten, aber gleichzeitig anzüglichen Blick zu, woraufhin sich das Rot nur noch um einige Nuancen verdunkelt.
Schnell gehe ich in die Küche, um mich nicht weiter bloßzustellen.
Ich merke, dass Nay mir folgt, und als ich mich auf dem Küchentresen abstütze, umarmt er mich von hinten.
"Wann wollen wir es ihnen sagen?", fragt er leise, während er mit den Lippen an meinem Ohr entlang streift.
"Lass uns vorher noch was essen, okay?"
Ich öffne den Kühlschrank neben mir und hole Butter und Marmelade heraus. Dann drehe ich mich um und mustere Nay, woraufhin ich auch nach der Wurst und dem Schinken greife und ebenfalls auf den Tresen lege. Nay grinst.
"Gut mitgedacht, Liebling."
Dieses Wort klingt so... unpassend für mich in meinen Ohren, und gleichzeitig so unglaublich süß, dass ich nicht anders kann als ihn kurz zu küssen.
Als ich wieder von ihm ablasse, drücke ich ihm die Lebensmittel in die Hand und schicke ihn zum Tisch richten.
Als ich Nay gerade mit hochgezogenen Augenbrauen dabei zusehe, wie er sich sein viertes Wurstbrötchen schmiert, merke ich, dass meine Eltern in ihren Jacken vor unserer Haustür stehen und gerade dabei sind, ihre Schuhe zu binden.
"Hey, Dad, wo wollt ihr denn hin?"
"Ben hat im Nachbarort ein Fußballspiel, wir dachten, wir schauen mal vorbei."
Ich sehe ihn verwirrt an.
Ben ist der Sohn von Dads bestem Freund. Mit diesem zusammen hat sich Dad vor einigen Jahren selbstständig gemacht und die beiden leiten nun gemeinsam einen kleinen Handwerksbetrieb. Doch das ist es nicht, was mich irritiert.
Normalerweise sehen sie sich nicht mal ein Fußballspiel an, wenn Pete - Bens Vater - selbst spielt.
Mama kann Fußball nicht wirklich was abgewinnen, und Dad akzeptiert das.
Er findet eigentlich so ziemlich alle Sportarten interessant - solange er sie nicht betreiben muss - und beschränkt sich so eben auf die anderen.
"Hab ich irgendwas verpasst?"
Ich sehe, wie meine Mutter ein bisschen rot wird.
"Wir dachten, wir lassen euch besser mal ein wenig alleine.
Wir stören doch nur."
Ich schaue sie an und bin gerührt. Wie süß, dass sie so weit denken und das für mich tun.
Nur leider wollten Nay und ich nach dem Essen eigentlich mit ihnen reden - und dafür ist ihre Anwesenheit nun mal erforderlich.
"Ähm... Eigentlich wollten wir nach dem Frühstück mal mit euch reden", wendet sich Nay an meine Eltern.
Er hat sein Brötchen fertig gegessen und scheint nun endlich satt zu sein.
"Ihr... wollt mit uns reden?"
In der Stimme meiner Mutter liegt zweifelhaftes Misstrauen.
"Ja. Setzt ihr euch bitte wieder aufs Sofa?", bitte ich sie und grinse schief, während es mir innerlich Angst und Bange wird.
Mama will noch etwas sagen, doch ich sehe, wie Dad ihr zu verstehen gibt, dass sie abwarten soll.
"Natürlich."
Sie ziehen also ihre Schuhe und Jacken wieder aus, während Nay und ich den Tisch abräumen.
Mit jedem Blick, den meine Eltern dabei untereinander austauschen, werde ich nervöser.
Schließlich ist der Tisch leer und Nay und mir bleibt nichts anderes übrig, als zu meinen Eltern zu gehen.
Unsere Couch steht in einer Ecke des Wohnzimmers, sie hat also quasi einen Knick in der Mitte.
So können Nay und ich uns hinsetzen und können trotzdem zu meinen Eltern sehen, die auf dem anderen Teil des Sofas sitzen.
"Wir... Ich muss euch etwas sagen."
Ich sehe erst meinem Vater, dann meiner Mutter in die Augen, mit einem flehenden Blick, in der Hoffnung, dass sie Verständnis haben werden.
"Ich bin schwanger", sage ich dann und schließe kurz die Augen, ehe ich wieder zu meinen Eltern sehe.
Ich kann regelrecht mitverfolgen, wie die Gesichtszüge meiner Mutter entgleisen und als mein Vater mich erschrocken und mit einer Spur Enttäuschung ansieht, treten erste Tränen in meine Augen.
"Ma, Dad...", ich sehe sie hilflos an und weiß nicht, was ich sagen soll, als meine Mutter das Wort ergreift.
Es kommt mir ein wenig so vor, als würde ein Vulkan hochgehen.
"Was habt ihr euch dabei gedacht?
Du wirst heute gerade mal achtzehn!
Wir dachten, ihr wärt wenigstens so verantwortungsbewusst, Kondome zu benutzen!", schelt sie Nay und mich.
Ihre Worte treffen mich, und auch wenn ich ihre Reaktion verstehe - sie kennt die Hintergründe der ganzen Geschichte ja nicht - trifft mich ihre Reaktion doch so, dass ich in Tränen ausbreche.
Nay zieht mich sofort bestürzt in seine Arme und ich vergrabe mein Gesicht an seiner Brust.
"Bitte. Wir wollen euch die Sache erklären", wendet sich Nay mit ruhiger Stimme an meine Eltern.
Ich höre ein Schnauben von meinem Vater und ein gemurmeltes "Na, da bin ich ja mal gespannt" von meiner Mutter.
"Es war eigentlich nicht so geplant", beginnt Nay vorsichtig.
"Und wir waren auch nicht so dumm, dass wir die Kondome vergessen haben. Es war nur -"
Nay stockt kurz und ich höre ihm an, dass es ihm peinlich ist, darüber vor meinen Eltern zu sprechen.
"Das Kondom ist beim ersten Mal bei der Ejakulation gerissen. Wir haben danach andere... dickere Kondome benutzt, aber das eine Mal hat anscheinend gereicht."
Irgendwie finde ich es süß, wie er so sachlich davon spricht.
Ich löse mein Gesicht von seiner Brust und drücke seine Hand bevor ich zu meinen Eltern blicke.
Sie sehen ein wenig verwirrt aus.
"Wie habt ihr das denn hinbekommen, dass... ach, nein, vergesst es, ich will es gar nicht wissen."
Sowohl meine Eltern, als auch Nay und ich verziehen verlegen unsere Gesichter.
Daraufhin breitet sich peinliche Stille aus.
Schließlich atmet meine Mutter tief durch, dann sieht sie mich konzentriert an.
"Wie lange bist du schon schwanger?"
"Seit zweieinhalb Wochen.
Ich habe den Test aber erst heute Nacht gemacht", füge ich hinzu.
"Okay. Wir sollten einen Termin beim Frauenarzt ausmachen und..."
Meine Mutter kann ihren Satz nicht zu Ende führen, weil Nay ihr dazwischenkommt.
"Nein!
Wir können nicht zum Ultraschall!"
Ich sehe in seinen silbernen Augen leichte Panik aufflackern und lege ihm beruhigend die Hand auf den Arm.
"Er hat recht", wende ich mich meinen Eltern zu, die mich nur verständnislos und ärgerlich ansehen.
Gerade, als meine Mutter wieder zu etwas ansetzen will, meldet sich Nay wieder zu Wort.
"Ich... Ich muss euch noch etwas sagen. Zeigen."
Seine Stimme klingt entschlossen und auf meinen besorgten Blick hin schenkt er mir ein kleines beruhigendes Lächeln.
Dann steht er auf und greift nach dem Saum seines T-Shirts, um es sich über den Kopf zu streifen.
Er steht mir zugedreht da und es wäre fast wie eine persönliche Striptease, die er für mich hinlegt, wäre da nicht die Tatsache, dass meine Eltern hinter ihm sitzen.
Sie sehen uns an, als wären wir verrückt geworden.
"Was soll das denn jetzt werden?", bricht es ärgerlich aus meinem Vater heraus, als Nay seine schwarzen Jeans auszieht und nun nur noch in Unterhose da steht.
Er schenkt mir noch einen ernsten Blick, dann schließt er die Augen und dreht sich zur Seite, ehe er sich vor den Augen meiner Eltern in einen Wolf verwandelt.
Dad keucht erschrocken auf und meiner Mutter entweicht ein leiser Schrei.
Sie springt auf und auch Dad erhebt sich langsam vom Sofa, immer darauf bedacht, Nay nicht aus dem Blick zu lassen.
Mit vorsichtigen Schritten geht er rückwärts, während er Ma hinter seinen Rücken und damit weg von Nay schiebt.
Ich sehe die Furcht in ihren Augen aufblitzen.
Nay setzt sich hin, darauf bedacht, keine schnellen Bewegungen zu machen, die meine Eltern noch mehr erschrecken könnten.
Dann sieht die beiden mit ruhigem Ausdruck an.
"Ma, Dad...", sage ich und räuspere mich, weil meine Stimme total kratzig klingt.
"Bitte, ihr könnt euch wieder setzen. Nay tut euch nichts. Er ist immer noch der Selbe, nur jetzt im Körper eines Wolfes.
Setzt euch bitte wieder, dann werde ich euch alles erklären."
Die Blicke meiner Eltern huschen zwischen Nay und mir hin und her, an Furcht haben sie jedoch nicht verloren.
Naja, ich kann sie verstehen. Immerhin hat man nicht jeden Tag einen ausgewachsenen Wolf im Wohnzimmer sitzen. Der nebenbei bemerkt der Freund der Tochter ist. Die von ihm schwanger ist.
Das mag schon alles ein bisschen viel auf einmal sein.
Ich atme tief durch.
"Okay. Dann bleibt dort stehen, wenn ihr lieber erst mal ein wenig Abstand zu ihm halten wollt.
Aber ich erzähle euch seine Geschichte, in Ordnung?"
Da niemand etwas einwendet und die misstrauischen Blicke meiner Eltern weiter auf Nay gerichtet sind, seufze ich und fange einfach an, zu erzählen.
"Nay ist zur Hälfte ein Wolf, wie ihr seht.
Er... Sein Vater war ein Mensch und seine Mutter eine Wölfin.
Sein Vater war ein Tierschänder, er hat sich an seiner Mutter vergangen, und sie ist davon irgendwie schwanger geworden.
Sie starb bei der Geburt von ihm und seine vier Geschwister ebenfalls. Seitdem hat er sich im Wald alleine durchgeschlagen."
Ich suche den Blick meiner Eltern, die mich mit offenen Mündern anstarren.
Immerhin haben sie über ihr Erstaunen ihre Vorsicht Nay gegenüber kurz vergessen.
Würden sie Nay nicht mit eigenen Augen als Wolf sehen, würden sie sicherlich annehmen, ich hätte den Verstand verloren.
Schnell rede ich weiter.
"Ich habe ihn mit 12 als Wolf kennengelernt und mich jeden Tag mit ihm im Wald getroffen, aber ich wusste nicht, dass er in Wirklichkeit kein richtiger... nicht nur ein Wolf ist. Erst vor einigen Wochen hat er mir gezeigt, wer er wirklich ist.
Wir haben nicht darüber nachgedacht, dass der Sex zwischen uns irgendwie anders sein könnte, aber aus irgendeinem Grund ist dabei das Kondom gerissen und jetzt bin ich schwanger.
Unsere Kinder werden das", ich zeige auf Nay in seiner Wolfsgestalt, "wahrscheinlich auch können."
Ich sehe zu Nay.
Die Liebe, die ich in seinen Augen sehe, spiegelt sich in meinen wieder.
"Eure Kinder?" Dad lenkt meine Aufmerksamkeit zurück zum Thema.
Er scheint sich wieder etwas gefasst zu haben, denn er setzt sich vorsichtig auf die Sofakante zurück. Mama setzt sich etwas zögerlich neben ihn.
"Ja. Es wird wohl mindestens ein Zwilling werden.
Wölfe bekommen für gewöhnlich vier bis sechs Welpen, und er ist nun mal zur Hälfte einer."
Meine Mutter vergräbt ihr Gesicht in den Händen und stöhnt.
Sie klingt nicht unbedingt wütend oder traurig, eher total überfordert.
"Paul, sag mir, dass ich gerade nur träume."
Ich sehe, wie ein kleines Lächeln über das Gesicht meines Vaters huscht und schöpfe Hoffnung.
"Ich vermute, da muss ich dich enttäuschen, Schatz."
Nay steht unterdessen auf und kommt zu mir.
Er stupst mit der Schnauze an mein Bein und wendet den Kopf dann zu seinen Klamotten.
Schmunzelnd stehe ich auf.
"Wir lassen euch mal kurz allein, okay? Nay sollte sich wieder was anziehen."
Mein Wolf lässt zur Bestätigung eine Art Bellen ertönen, woraufhin meine Mutter ein kleines bisschen zusammenzuckt und dann aufstöhnt.
Danach beobachte ich erstaunt, wie sich ihre Mundwinkel immer weiter nach oben ziehen bevor sie anfängt zu lachen.
"Oh Mann, Jara.
Jetzt geh schon, und zieh deinem Wolfsmenschen mal wieder was an."
Sie schüttelt den Kopf.
"Ich brauche erst mal ein wenig, um das alles zu verdauen. Ich glaube, es wird einfacher für uns sein, wenn er wenigstens vorerst mal wieder in seiner menschlichen Gestalt ist. Ehrlich gesagt macht er mir so immer noch irgendwie Angst.
Also geht ruhig.
Dann sollten wir besprechen, wie es weitergeht."
Ich sehe sie erleichtert und dankbar an.
Ich hatte gehofft, dass sie das Ganze verstehen würden und Nay und mir zur Seite stehen würden.
Jetzt kann ich mir dessen auf jeden Fall sicherer sein.
Sie scheinen einzusehen, dass die Sache ziemlich besonders ist und darüber nachdenken zu können.
Ich weiß, dass sie Nay und mich holen werden, wenn sie alleine darüber gesprochen und es einigermaßen verarbeitet haben.
Und als mein Vater mir noch ein leichtes Lächeln schenkt, bevor Nay und ich aus dem Wohnzimmer verschwinden, wird mir klar, dass ich während der Schwangerschaft nicht allein sein werde.
Ich kann auf Ma und Dad zählen, weil ich ihre Tochter bin.
Weil sie mich lieben und wohl bei so ziemlich allem unterstützen würden, was mich glücklich macht.
Mila wird zusammen mit der restlichen Clique abrufbereit sein, falls ich irgendetwas brauche.
Und wenn es nur ihre Gesellschaft ist.
Und Nay.
Als ich dem schwanzwedelndem Wolf die Treppe hoch in mein Zimmer folge, überkommt mich solch eine starke Liebe zu ihm, dass ich die schlabbernden Küsse, mit denen er mich überfällt, einfach über mich ergehen lasse und ihn ganz fest halte.
Ich weiß, dass er mir die Kraft geben wird, die ich brauche, um diese Schwangerschaft durchzustehen.
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Heey
Ja, ich meld mich auch mal wieder😉
So.
Mit den nächsten Kapiteln muss ich mal schauen.
So langsam neigen wir uns dem Ende zu.
Habt ihr irgendwelche Vorschläge, was ich aus den nächsten Kapiteln machen könnte?
Was würdet ihr über die Schwangerschaft noch gerne erfahren?
Hier nochmal das komplette Bild von oben, wo es leider nur in einem Ausschnitt hingepasst hat.
Nay & Jara nach der Vorstellung von WolfoneWolfi😊
Danke!!❤💕😍
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