Kapitel 27
Fred, Nao und Zola können gar nicht länger über die Ursache für ihre Atemnot reden, da wird die Tür des Krankenzimmers aufgestossen. Zwei kleine Wirbelwinde klettern nicht mal eine Sekunde nach ihrem reinrennen auf Naomis Bett, um sich auf sie zu schmeissen. Sie umarmt beide, scheint dann aber keine Luft mehr zu bekommen und schiebt sie auf je eine ihrer Seiten. Die Zwillinge grinsen, höchst zufrieden dort zu liegen.
Naos Eltern und Jan kommen nun ebenfalls durch die Tür getreten. Sie sehen besorgt um Naomi aus, doch scheint ihr Anblick – trotz ihrer blassen Wangen - sie zu beruhigen.
«Was ist passiert? Das Krankenhaus stinkt!», fragt Klaus, Casper gleich darauf: «Warum isst du immer so böse Nüsse Mimi?!»
Fred kann nicht anders als zu schmunzeln, obschon er sich gerade schrecklich schuldig fühlt und das Bedürfnis unterdrückt, Bianca zusammenzustauchen. Er ist sich im Nachhinein sicher: sie hat von Naos Allergie gewusst und trotzdem behauptet, im Kuchen gäbe es keine Nüsse.
«Im Kuchen hatte es unsichtbare Monsternüsse», erklärt die Braunhaarige ihren Brüdern. Ihre Stimme ist furchtbar kratzig, Fred kann ihr ansehen, dass ihr Hals trotz Schmerzmittel brennt.
«Wie konnte das denn passieren und warum hattest du dein Notfallset nicht dabei?», fragt Naomis Mutter mit sorgenvoll gerunzelter Stirn.
«Du weisst, ich bin in letzter Zeit ständig verpeilt, da habe ich es schlichtweg vergessen. Unfälle passieren.» Innerlich schnaubt Fred, Unfälle. Er wünscht sich es wäre einer gewesen. Ihren Eltern dies mitzuteilen, wäre allerdings unklug.
Als der Arzt reinkommt, entscheidet sich Zola dazu mit den Kleinen und Jan etwas Süsses aus der Cafeteria zu holen. Sie würden sich nur langweilen sowie stören. «Naomis Freunde haben schnell und effizient gehandelt, wie ich erfahren habe», wendet der Mann im weissen Kittel sich an ihre Eltern. Er behandelt Nao immer, wenn es um ihre Allergie geht, weshalb er sich ein gutes Bild machen kann.
Eingehend erklärt er, was sie hätten besser machen können und was gut war, falls es nochmal passieren sollte, dann redet er über Naos Zustand. Sie sollte ihre Stimmbänder schonen, wird noch einige Tage Schmerzen sowie eine verzerrte Stimme haben und sollte erstmal nichts grosses schlucken.
Fred erzählt Naomis Eltern was genau passiert ist, da es sie schmerzt zu reden. Dabei lässt er seine ehemalige Beziehung zu Bianca aus, ebenfalls, dass sie (wahrscheinlich) von Naos Allergie wusste. Letzterem scheint Nao zuzustimmen, bei ersterem hingegen zieht sie irritiert die Augenbrauen zusammen.
Mit zwei Elefanten und Ballonen im Gepäck, die nach irgendeinem Clown schreien, kommen Zola und Jan nach einer Weile zurück ins Zimmer. Als die zwei Nao entdecken brabbeln sie sofort gleichzeitig auf sie ein. «Klaus und Casper», unterbricht ihre Mutter sie, «eure Schwester versteht so nichts, lasst doch Jan erzählen.» Sie starren beleidigt ihre Mutter an, doch sind ruhig.
Jan lacht. «Endlich Ruhe. Wir haben auf dem Rückweg von der Cafeteria einen Clown getroffen, der uns Ballone gegeben hat. Ausserdem hat er Zola und mir gesagt, dass er weiss wie anstrengend aber auch lustig es mit ADHS Kindern sein kann. Und, dass sie sich schon noch beruhigen.»
Alle, die über sechs Jahre alt sind lachen. Die Zwillinge haben keine solche Diagnose, das weiss Fred. An manchen Tagen allerdings benehmen sie sich hyperaktiv.
Eine halbe Stunde später, entscheidet Naomis Mutter, dass es für sie und ihre Söhne Zeit ist zu gehen.
Naos Vater nimmt sie später mit nach Hause, zuerst muss er ein paar Papiere für die Krankenversicherung unterschreiben. «Das reicht jetzt aber mal mit Krankenhausausflügen, für die nächsten Jahre, Naomi und Casper!», sagt er vorher noch.
Naos Familie verabschiedet sich kurz von ihr, zum Glück muss sie nicht über Nacht bleiben. «Tut mir leid Naomi, ich muss auch los», meldet sich Zola zu Wort, nach einem Blick auf ihr Handy. «Mein Vater hat sich ausgeschlossen.» Das bringt die drei Jugendlichen zum Lachen. Fred hat von Zola schon einige Dinge über ihren Vater gehört. Er ist ein wahrheitsliebender Aktivist, aber auch ein unglaublicher Tollpatsch.
«Kein Problem, schreiben wir noch?»
«Klar», antwortet Zola, sie umarmen sich, dann ist Fred mit Nao allein im Zimmer.
Sie schweigen eine Weile, dann entscheidet sich Fred dazu, einfach irgendwas zu sagen, damit es nicht peinlich wird. Er könnte sich auch auf den Weg nach Hause machen. Dadurch würde er jedoch eine einmalige Gelegenheit verpassen mit Nao zu reden, die ihn im Moment nicht zu ignorieren scheint. Der Braungelockte überlegt sich eine Entschuldigung für seine harten Worte Wochen zuvor, verwirft sie dann allerdings. Es würde nur lächerlich rüberkommen, weshalb sie ihn erneut ignorieren könnte.
«Warum hast du dich eigentlich gewehrt, als ich dich, während deiner Atemnot auf die Bahre gehoben habe, Nao?»
Nachdenklich schiebt Naomi sich die brustlangen Haare aus dem Gesicht und sieht aus dem Fenster, so als habe sie Schwierigkeiten sich zu erinnern. «Es hat sich angefühlt, als würde etwas meine Lunge zusammendrücken, ich bekam Panik, dadurch Adrenalin und habe versucht mich zu befreien. Denke ich. Es ist alles ziemlich verschwommen.»
«Tut mir leid, das wollte ich nicht.»
«Schon gut. Irgendwie musste ich ja in den Krankenwagen kommen.» Kurz ist Nao still, dann erwidert sie Freds Blick. «Ich fühl die Panik immer noch. Es ist als hätte sie sich in meinen Knochen festgesetzt. Wahrscheinlich wäre ich schnell ohnmächtig geworden vor Luftmangel, nur die Panik hat mich wachgehalten.»
Fred legt Nao seine Hand auf den Arm. «Das muss schrecklich gewesen sein. Wir schätzen Luft viel zu wenig im Alltag.»
Sie lässt sich mit einem angestrengten Ausatmen gegen das Kopfende fallen, welches hochgestellt ist. «Es ist ein Reflex einzuatmen und wenn man es dann nicht kann... Ich sage mir jedes Mal, seit Jahren nach einem solchen Krankenhausbesuch, nie wieder. Und doch passiert es immer wieder.»
«Es tut mir wahnsinnig leid Nao», sagt Fred, dessen Gewissen und Wut unaufhörlich an ihm nagen. «Ich hätte besser-»
Naomi unterbricht ihn. «Du hast Bianca gefragt: Punkt Schluss. Es bringt nichts paranoid zu sein, ich muss mein Notfallset dabeihaben, dann eskaliert nichts. Ausserdem sollte ich den Rest unserer Freunde vielleicht noch informieren, was mir in so einer Situation hilft.» Ein Lächeln taucht auf Naos roten Lippen auf. «Ich bin dir und Zola echt dankbar, Fred»
In diesem Moment muss Fred an seine Erleichterung und das kribbelnde Gefühl denken, als Nao ihre wunderschönen bernsteinfarbenen Augen aufschlug. Vielleicht wendet sich jetzt alles zum Besseren und Fred traut sich endlich seine Frage zu stellen.
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