Wer bist du? - Kapitel 4
Die Träume plagten sie immer weiter, sodass sie immer weniger Schlaf bekam und immer müder zu der Arbeit ging, wenigstens lenkte diese sie etwas ab. Doch ihre ungesunde Hautfarbe und die dunklen Ringe unter ihren Augen blieben natürlich nicht ungesehen. Eines Tages kam ihr Chef auf sie zu und beurlaubte sie, damit sie mal wieder Fit werden konnte. Auch nach Hollie's Protest ließ er sich nicht umstimmen, was ziemlich kontraproduktiv für sie war, denn jetzt konnte Fegniss sie wieder pausenlos schikanieren.
Egal wie lange sie Urlaub bekommen würde, es würde ihr dadurch nie besser gehen, eher im Gegenteil. Müde kam sie in das verlassene Haus und wollte sich umziehen, doch als sie ihren Schrank öffnete, sah sie an der inneren Tür Kratzspuren und erschrak, denn da standen die Worte: "Deine Schuld". Schnell schlug sie ihre Schranktür wieder zu und taumelte kurz nach hinten. Zu ihrem Glück oder Pech, wie man es sehen will, waren ihre Eltern nicht da, die den Radau so nicht hörten.
Während der Therapie hatte Hollie zwar ihren geliebten Eltern versprochen, ihnen zu erzählen, wenn Fegniss wieder zurück kommen würde. Doch die stille Drohung von ihm ließ sie wieder einknicken, sodass sie wieder alles in sich hinein fraß. Immer, kurz bevor sie es ihren Eltern erzählen wollte, stellte Fegniss sich hinter die beiden und legte seine Krallen um ihre Hälse. Einmal schlitzte er ihre Haut auf, sodass Blut austrat, Hollie sah in ihren Gesichtern den Schmerz und die Qualen die er ihnen bereitete. Ein anderes Mal schnellte seine Hand durch den Rücken ihrer Mutter, sodass das Mädchen all die Eingeweide sah, während Fegniss bei ihrem Vater seine Krallen durch seinen Kopf jagte.
In diesem Moment war Hollie viel zu erstarrt, um einen Anfall zu bekommen, weshalb ihre Eltern auch nichts mitbekamen, sie dachten, dass Hollie wieder ein gesunder Mensch war. Noch etwas unsicher und verklemmt, aber gesund. Jedes mal verstrich der Moment nach wenigen Wimpernschlägen und die Schwarzhaarige kam wieder zu sich. Es war nie wirklich etwas geschehen, aber seine detaillierten Bilder waren zu angsterfüllend und viel zu realistisch, sodass sie dachte, dass er ihnen wirklich was tun konnte. Zwar hatten sämtliche Therapeuten gesagt, dass es nur ein Hirngespinst war, aber da war sie sich nicht mehr sicher. Hollie begann wieder die düsteren Waldzeichnungen zu malen, sie waren detaillierter als damals, da sie diese Szene jede Nacht erlebte.
Fegniss blieb nur ein vager Umriss mit den weißen Punkten als Augen. Von Bild zu Bild ging sie immer tiefer in den Wald, bis sie an dem See ankam, den sie schon als Kind malte. Das kleine Mädchen, dass im Wasser ertränkt wurde, zeichnete sie mit hellen und bunten Farben, die von Bild zu Bild immer mehr verblassten, so wie das Leben der Kleinen. Hollie's schwarzer Bundstift wurde immer kleiner, denn sie drückte immer doller auf um ihren imaginären Freund oder eher bösen Geist zu zeichnen. Immer größer zeichnete sie seine Gestalt, die genau so wie ihre Angst vor ihm wuchs. Und Fegniss, der sie beim malen beobachtete, wuchs auch immer weiter. Langsam kroch er auf sie zu und seine kalten, langen Finger umschlossen ihren Arm, den Hollie sofort verkrampfte.
Plötzlich riss er sie vom Stuhl und verschwand im Boden, dabei wollte Fegniss sie mit verschlucken, doch das ging ja nicht so leicht. Unter Tränen schrie sie und zappelte wie Wild, was ihm natürlich überhaupt nicht gefiel. Da riss auf einmal Claudia die Zimmertür auf und hockte sich sofort zu ihrer Tochter. Ihre Mutter nahm sie in den Arm und streichelte sie, da sie annahm, dass sie einen weiteren Anfall hatte. In Hollie's Augen verschwand Fegniss vorerst alleine im Boden und ließ sie erstmal durchatmen. Während ihre Mutter sie beruhigte, versuchte Hollie sich zu überlegen, wie sie ihre Bilder verstecken könnte, Claudia sollte sich ja nicht wieder Sorgen machen oder sie ausfragen. Dass würde Fegniss nicht zulassen.
"Machst du mir einen Tee? Bitte...." Fragte die schwarz-Haarige mit gebrochener Stimme.
Sie lächelte beruhigend. "Natürlich, kommst du gleich runter, dann machen wir es uns gemütlich."
Claudia verließ ihr Zimmer und bemerkte, zu Hollie's Glück, die Zeichnungen nicht, schnell stand sie auch auf und verstaute die Bilder in ihrer verschließbaren Schublade.
*Das war knapp.... fast hätte ich dich gehabt...* Fegniss klang mehr amüsiert als verärgert.
Die Angst ließ sich trotzdem nicht nehmen und Hollie zitterte wie Espenlaub, während sie nach unten ins Wohnzimmer ging. Als sie sich auf das Sofa setzte und auf die geschlossene Tür schaute, bekam sie einen Flashback zu dem Tag, als Fegniss sie richtig gehend verfolgt hatte. Dieses Erlebnis hatte ihr geholfen, aus dieser Schikane zu entkommen, doch jetzt war alles sogar viel schlimmer. Das wollte Hollie nicht noch einmal riskieren, weshalb sie sich schwor zu schweigen. Ihre Mutter versuchte, es ihr bestmöglich bequem zu machen, sie merkte ja nicht, wie angespannt ihre Tochter war, denn Fegniss stand groß hinter dem Fernseher, auf dem Claudia einen Film eingeschaltet hatte.
Durchgehend starrte er sie an, was das schwarzhaarige Mädchen natürlich nicht entspannen ließ. Unter dem Vorwand schlafen zu wollen, entließ Claudia sie und Hollie ging hoch auf ihr Zimmer. Doch natürlich ging sie nicht schlafen, stattdessen kramte sie ein liniertes Papier aus dem Schreibtisch und schrieb, sie schrieb alles auf was sie beschäftigte. Die ganzen Situationen, in denen Fegniss sie versuchte aus der Realität zu zerren, die Waldszene, die in ihrem Kopf herum spukte und auch, dass sie wieder anfing sich selbst zu verletzten. Ihre Eltern waren es inzwischen gewohnt, dass Hollie nur noch lange und weite Sachen trug, wegen ihren Narben von damals. Deswegen fielen die Verbände an ihren Unterarmen auch nicht auf, genau so wenig, wie die an ihren Oberschenkeln. Das Cuttermesser, dass sie dafür verwendete, hatte sie mal aus dem Werkzeugkasten ihres Vaters genommen und da er ihn kaum benutzte, war es ihm noch nicht aufgefallen.
Ihre Eltern waren oft lange außer Haus, sodass sie viel zu viel Zeit alleine mit Fegniss verbringen musste, in der er ihr die ganze Zeit nur Vorwürfe machte, sie verletzen wollte oder sie dazu brachte zum Cuttermesser zu greifen. Oft stand er auch einfach nur in der Ecke und beobachtete sie, ohne etwas zu sagen. Diese Momente waren die angenehmsten, auch wenn sie Fegniss dauerhaft atmen hörte, was so laut war, da es genau in ihrem Kopf dröhnte. Niemals durfte sie Musik an machen, da es ihn aggressiv machte, was sie definitiv nicht wollte, sein lautes Kreischen, das so ohrenbetäubend war, dass sie Kopfschmerzen bekam oder sogar einen Anfall. Fegniss passte immer die Zeit ab, wenn Hollie alleine war, damit niemand ihr helfen konnte und er ungestört auf ihr rumhacken konnte.
Mit der Zeit begann sie ihm wieder zu glauben und auch alles an sich selbst zu kritisieren. In mancher Stunde brauchte Fegniss sie nur anzusehen und Hollie begann zu zittern und zu zucken, da sie die Schuldgefühle auffraßen. Ihre Alpträume wurden immer schlimmer, nicht nur dass sie von der Nacht im Wald träumte, sondern auch jedes Mal die blubbernden Schreie von dem Kind hörte. Hollie machte sich selbst Vorwürfe, dass sie das Mädchen hätte retten können oder wenigstens den Täter fassen. Und jedes Mal stimmte Fegniss ihr zu, machte sie regelrecht für den Tod verantwortlich und das Fegniss ihre Strafe dafür war.
*Wieso musste sie sterben? Du hättest genau so als Opfer her halten können, schließlich waren wir oft im Wald.* Krächzte seine Stimme.
Hollie hielt sich die Ohren zu und versuchte ausnahmsweise mit Musik seine Stimme zu überdecken, doch um so lauter die Melodie war, desto lauter schrie Fegniss. Kopfschmerzen breiteten sich wieder aus und sie schaltete die Musik schnell ab, doch nicht Mal dann wurde er wieder leiser, nein, er schrie in ihrem Kopf herum, sodass sie nicht entkommen konnte. Ihr Blick wanderte zu ihrem Kosmetikspiegel und sie sah sich selbst, zusammengekauert und auf dem Bett hocken. Ihre verheulten Augen waren rot, als hätte sie irgendwelche Substanzen zu sich genommen, doch das war noch nicht alles. Ihre Haare waren zerzaust und verknotet, Hollie sah im Großen und Ganzen ziemlich schrecklich aus.
Lächelnd setzte Fegniss sich zu ihr aufs Bett und legte seine dünnen Hände auf ihre Schulter um sie etwas fester zu packen. Sein Atem strich durch ihre Haare und sie schauderte, Hollie sah ihn durch den Spiegel an und zitterte. Langsam löste sich ihre Haut von den Muskeln und Blut lief ihren Körper entlang, Fegniss' Grinsen wurde immer breiter und sie sah seine scharfen, spitzen Reißzähne, die außerdem länger wurden. Panisch starrte sie auf die Spiegelung und konnte ihren Augen nicht trauen, die in ihrer Sicht immer milchiger wurden. Die Haut, die an ihrem Körper hängen blieb, verfaulte in einer rasanten Geschwindigkeit und auch einige Knochen kamen zum Vorschein.
*Siehst du, wie hässlich du doch bist, deine Art, wie du geworden bist? Das ist dein wahres Ich!* Fegniss wurde immer lauter und er krallte sich in ihre Schultern.
Hollie hielt das alles nicht mehr aus. Seine grausamen Bilder, die ständigen Kommentare, die ihr normales Leben beeinflussten, die ständige Beobachtung. Keine ruhige Minute war ihr gegönnt und ihre Kraft verschwand über die Zeit vollständig. Gerade waren ihre Eltern nicht im Haus und Fegniss redete wieder pausenlos auf sie ein. Langsam trottete sie in die Garage und nahm sich da einen großen Kabelbinder aus dem Schrank, das böse Wesen verfolgte wie gewohnt und Hollie hörte ihn leise kichern. Damit ging sie in ihr Zimmer zurück und schloss die Tür ab. Ein letzter Blick zu Fegniss genügte ihr, um sich den Kabelbinder um dem Hals zu legen und zu zuziehen. Als sie sich dann zum Türknauf bückte, legte sie die geschlossene Schlaufe um den Griff.
*Ja.... Tu es....* Ermutigte er sie.
Mit einem Lächeln ließ sie sich fallen und das Band nahm ihr den Atem.
Fegniss hockte sich langsam vor ihren erschlaffen Körper und streichelte lächelnd ihre Wange. *Endlich bist du mein.....*
Ende.
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