Wer bist du? - Kapitel 2
Claudia wollte gerade an die Tür ihrer Tochter klopfen, da sie ihr einen Snack zubereitet hatte. Doch einige Zentimeter, bevor ihre Knöchel das Holz trafen, vernahm sie Hollie's Stimme von innen. Claudia lächelte, da sie daran annahm, dass ihre kleine Tochter endlich wieder normal spielte. Leise betrat sie das Zimmer und sah Hollie vor der leeren Ecke ihres Zimmers sitzen.
Sie redete, als wäre sie in einem Gespräch. "Nein, das will ich nicht."
Claudia ging auf sie zu und wollte schauen, ob sie mit ihren Puppen spielte, doch sie hielt nichts in der Hand. Stattdessen starrte sie nur an die kahle Wand und zitterte leicht. Als ihre Mutter sie berührte, zuckte Hollie heftig und starrte ihr in die Augen. Augenblicklich sammelten sich Tränen in ihnen und die kleine fing bitterlich an zu weinen. Sofort bildeten sich bei Claudia auch Tränen, was schon wie eine Art Mutter-Reflex war. Sie schloss ihre Tochter in die Arme und streichelte durch ihr pechschwarzes Haar.
"Shhhht..." Versuchte sie Hollie und sich selbst zu beruhigen.
Sie klammerte sich an die Frau, als hinge ihr Leben davon ab. "Ich habe Angst..."
Claudia setzte sich richtig hin und nahm ihren Liebling auf den Schoß, wo sie sich wieder fest an sie drückte. "Wovor denn?"
"Fegniss..." Sagte sie unter Tränen.
Leichte Panik stieg in der rot-Haarigen hoch. "Wer ist Fegniss?"
Hollie deutete still in die Ecke und weitere plötzlich ihre Augen. Sie sprang von dem Schoß ihrer Mutter auf und rannte zur Wand.
Die Arme schützend vor sich haltend, ging sie in die Knie und schrie. "Lass mich! Hör auf mir weh zutun! Fegniss!"
Zappelnd und heulend kauerte Hollie am Boden und Claudia wusste nicht, was sie tun sollte, alles wirkte so surreal für sie. Sie stand auf, nahm ihre Tochter auf den Arm und rannte aus dem Zimmer, auf der Treppe kam sie ins straucheln, doch fing sich am Geländer ab. Hollie klammerte sich wie ein kleines Äffchen an ihre Mutter und weinte noch immer. Im Wohnzimmer knallte sie die Tür zu und atmete erst einmal den Schock aus. Inzwischen hatte sie die sechsjährige runter gelassen, die sich an Claudia's Hand festhielt.
Mit dem Smartphone rief sie sofort ihren Mann an. "Schatz?! Irgendwas stimmt hier nicht, Hollie sieht etwas, was sie angreift. Doch ich sehe es nicht und weiß nicht, was ich machen soll! Bitte hilf mir!"
Ein stocken hörte sie auf der anderen Seite der Leitung. "Okay, ganz ruhig, wenn man es nicht sehen kann, dann kann es einem auch nichts tun..."
"Aber Hollie sieht es!" Rief seine Ehefrau verzweifelt.
Nun kam ein Seufzen von ihm. "Gib sie mir Mal..."
Claudia fühlte sich nicht ernst genommen von ihrem Mann, natürlich wusste sie, wie verrückt sich das anhörte, aber er hatte es auch nicht erlebt. Zögernd machte sie den Lautsprecher an.
"Spätzchen?" Wandte er sich an Hollie.
Sie weinte bitterlich. "Ja?"
"Was genau siehst du?" Claudia hörte in seiner Stimme, dass er nicht den nötigen ernst an den Tag legte.
"Fegniss..." Antwortete sie nur, völlig überfordert mit der Situation.
Ein Seufzen von Michael. "Und wie sieht dieser Fegniss aus?"
"Schwarz... So wie auf meinen Bildern.... Weiße Punkte, die seine Augen sind..." Erklärte sie.
"Und was für eine..." Plötzlich unterbrach Hollie ihn mit einem Ohrenbetäubenen Schrei.
Claudia's Tochter zeigte panisch auf die geschlossene Wohnzimmertür und versteckte sich hinter ihrer Mutter. "Ich will nicht mehr spielen!"
Intuitiv warf Claudia ein Couchkissen auf die Tür, um ihrer Tochter zu zeigen, dass sie nicht alleine ist.
Doch Hollie hielt ihre Hände runter, damit sie aufhörte. "Nicht Mami! Mach Fegniss nicht wütend!"
*Komm Hollie, ich will doch nur in den Wald zurück und mit dir spielen....* Die verzerrte Stimme dröhnte durch ihren Kopf.
Plötzlich vernahm Claudia wieder die Stimme ihres Mannes und hörte zu. "Schatz?! Was ist denn da los? Hallo?"
"Bitte hilf mir..." Flehte sie überfordert.
Dann hörte sie nur noch leise die Stimme von Michael, der wohl mit jemand anderem redete, doch Claudia versuchte sich einfach wieder um ihre arme Tochter zu kümmern.
"Babe, gleich ist jemand da, geht in den Garten und wartet da, ich fahre auch sofort los." Sagte er nun auch besorgt.
Nachdem er auflegte, nahm sie Hollie wieder auf den Arm, obwohl Claudia langsam echt Probleme hatte, ihre Tochter zu tragen. Zur Hintertür stolperte sie hinaus in den Garten und lief dann schnell um das Haus herum. Sie hätten auch den kurzen Weg durch den Flur nehmen können, aber da war das Wesen, welches sie nicht sehen konnte. Am Rand ihres Anwesens warteten sie auf die Hilfe, die Michael ihnen versprochen hatte. Hollie hielt sich die Ohren zu und kauerte sich auf den Steinweg.
"Was hast du?" Fragte Claudia.
"Er kratzt an die Scheiben.... Das ist..Ahh.. so laut!" Schrie sie, da sie sich selbst nicht hören konnte.
*Hollie...* Es kratzte mit den langen Krallen an der Scheibe. *Ich will doch nur dein Freund sein....*
Das schwarzhaarige Mädchen konnte oder besser wollte ihn nicht hören. Sie heulte immer lauter, doch dröhnte nun noch ein anders Geräusch in ihren Ohren. Claudia sah einen Krankenwagen, der mit Blaulicht, genau auf sie zu steuerte. Erleichtert sackte ihre Mutter zusammen und drückte Hollie an sich. Zwei Sanitäter sprangen aus dem Wagen und knieten sich zu den beiden.
"Frau Owen?" Fragte er vorsichtig.
Sie nickte.
"Ihr Mann hat uns gerufen und ihre Lage geschildert. Hollie heißt sie oder?"
Wieder nickte Claudia nur.
Vorsichtig wandte er sich an ihre Tochter. "Hollie, ich bin Sebastian und das ist mein Partner Tom. Wir sind hier, um dir und deiner Mom zu helfen."
Das schwarzhaarige Mädchen schaute die Sanitäter unsicher an, nahm aber die Hände langsam bin den Ohren.
"Beschreibst du mir diesen Fegniss? Dann kann ich dir helfen." Seine Stimme war ruhig und beruhigend.
Währenddessen kümmerte Tom sich um ihre Mutter und redete ebenfalls auf sie ein. "Keine Sorge, Sebastian ist extra für Panikattacken ausgebildet, wir kriegen das schon hin."
Ihre Atmung beruhigte sich langsam wieder und schaute ihre Tochter an. Auch diese atmete wieder normaler und starrte den Sanitäter schon fast an, der sie ausreichend ablenkte, um das Wesen zu vergessen. Währenddessen verschwand Tom kurz im Wagen und gab Sebastian ein Pulsmessgerät.
"Kennst du das, Hollie?" Er hielt das Geräte hoch, das auch ein Spielzeug sein könnte.
"Ja, dass machen die beim Arzt manchmal." Sagte ihre Tochter mit noch leicht zitternder Stimme.
Sebastian lächelte. "Na dann streck Mal deinen Arm aus."
Brav tat Hollie das, was sie tun sollte und wartete ruhig, während der Sanitäter ihr eine Geschichte erzählte. Claudia war beruhigt, dass ihre Tochter wieder normal war. Doch dann zuckte sie heftig zusammen, aber drehte sich weder um, noch bewegte sich anders. Sebastian schaute beunruhigt und sah auf das Pulsmessgerät, das immer weiter anstieg. Claudia nahm ihre Hand, doch Hollie reagierte nicht Mal mit Augenkontakt, stattdessen zuckte und zitterte sie wie bei einem Epileptischen Anfall.
Sebastian griff ihre Schultern und fixierte sie kurz, sodass Tom seine Jacke ausziehen konnte und als Kissen auf dem Boden platzierte. Hollie wurde hingelegt, doch sie zappelte unkontrolliert weiter. Claudia starrte perplex auf ihre Tochter und verstand nicht, was hier passierte. Dieser Anfall dauerte mehrere Minuten und ihre Mutter wurde immer ungeduldiger.
Da sprach Sebastian mit fester Stimme. "Benzodiazepine! Sofort!"
Tom sprang in den Rettungswagen und kam mit einer Spritze zurück, die er sofort in die Vene initiierte. Langsam hörte sie auf zu zittern und ihre Augen schlossen sich.
Claudia bekam riesige Panik und wollte zu ihrem Kind stürzen, doch Tom hielt sie auf. "Ganz ruhig, ihr geht es gut, sie ist nur müde. Am besten bringen wir euch ins Krankenhaus."
"Aber mein Mann. Er wollte her kommen..." Sagte die Mutter immer noch unter Schock.
Gerade als der Sanitäter antworten wollte, fuhr auch schon das Auto von Michael in die Einfahrt und er stürmte raus, ohne richtig zu parken. Vorsichtig trugen Sebastian und Tom das kleine Mädchen in den Rettungswagen und die Eltern stiegen ebenfalls ein. Gemeinsam fuhren sie zum nächsten Krankenhaus, währenddessen Sebastian die kleine Tochter versorgte und darauf achtete, dass sie weiter bei Bewusstsein blieb. Wach war sie, aber ansprechbar nicht. Nun war auch Michael panisch und schaute auf seine geliebte Tochter.
Im schnellen Tempo rasten sie durch die Straßen und hielten in der Einfahrt für die Notaufnahme, sofort eilten einige Ärzte und Schwestern zum wagen. Die Türen öffneten sich und Claudia erschreckte sich, ihre Tochter lag immer noch benommen auf der trage. Vorsichtig wurde sie aus dem Auto gezogen und die Eltern stiegen mit aus. Sebastian erklärte die Situation und die Sanitäter blieben am Wagen zurück. Eilig liegen Michael und Claudia den Ärzten hinterher, die sie in einen Raum brachten, der weder Intensivstation war, noch ein Op-Saal.
Sie waren etwas beruhigt und eine Schwester erklärte die Lage. "Soweit geht es ihrer Tochter gut, die Sanitäter haben gute Arbeit geleistet. Wir werden sie dennoch an einige Geräte anschließen, um ihren Zustand zu checken. Es sind keine lebenserhaltende Geräte, bitte machen sie sich nicht zu viele Sorgen."
Michael nickte langsam und beruhigte seine Frau, die mit den Nerven völlig am Ende war. Sie schauten zu, wie Hollie an einige EKG's angeschlossen wurde und eine Schwester brachte ihnen Tee. Langsam kam Claudia von ihrem Schock runter und setzte sich auf die Bank im Flur. Erschöpft lehnte sie sich an ihren Ehemann, der den Becher fest in einer Hand hielt, mit der anderen streichelte er ihr den Rücken.
Immer wieder wuselten Ärzte in das Zimmer und kamen, mit einem vollgekritzelten Klemmbrett, wieder raus. Kaum jemand redete mit den Eltern, die natürlich voller sorgen waren. Doch dann, nach Stunden meldete sich eine Krankenschwester, die die beiden in Hollie's Zimmer bat. Sofort sprang die Mutter auf und lief ins Zimmer. Ihre Tochter lag im Bett und schaffte es kaum die Augen offen zu halten.
"Mama?" Hörte man ihre leise Stimme krächtzen.
Sofort schnellte sie an ihr Bett und ergriff die kleine, schwache Hand.
"Also Mrs. und Mrs. Owen, ihre Tochter hat nichts bedrohliches, doch wir haben entdeckt, dass sich bei ihr eine Art Epilepsie entwickelt hat. Es ist keine richtige Epilepsie, da sie vermutlich durch Stress oder ein Traumata entstanden ist, es ähnelt den epileptischen Anfällen nur sehr. Es kann aber verschwinden, wie empfehlen deswegen eine Therapie, um den Ursprung zu finden." Erklärte die Dame.
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