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Nadja

»Wie langweilig ist dir bitte?«

»Was hast du für Probleme?«

»Tut das nicht weh?«

»Warum tust du dir das an?«

Schmerzen. Unglaubliche Schmerzen.

***

»Ist hier noch frei?«, fragt eine Stimme hinter mir vorsichtig. Trotzdem erschrecke ich mich fast zu Tode und falle beinahe in den Abgrund unter mir, was sehr ironisch gewesen wäre, da ich ja genau deswegen hier her gekommen bin - zum Sterben.

Ich drehe mich um und mein Blick wandert über rote Sneakers, zu einer gelben Jeans und einer türkisen schulterfreien Bluse. Sie ist eine Ampel, schießt es mir durch den Kopf und ich muss ein Kichern unterdrücken. Ihre blondierten Haare stehen nach allen Seiten ab und stellen einen krassen Kontrast zu ihrer Haut da. Mir gefällt es. Sie ist mutig; es interessiert sie nicht, was andere von ihr denken könnten.

Fragend zieht sie die Augenbrauen hinter ihrer gold umrandeten Brille hoch. »Ja klar«, antworte ich auf ihre Frage, »ist ja sonst niemand hier, um mir Gesellschaft zu leisten. Such dir einen Platz aus.« Ich lache humorlos auf, während ich ihr mit einer ausladenden Bewegung all die freien Plätze zeige, die perfekt für lebensmüde und suizidale Menschen geeignet sind.

Sie setzt sich neben mich und lässt ihre Beine entspannt baumeln. Vielleicht sogar noch entspannter als ich es tue. Sie muss echt mutig sein, sich neben eine Suizidgefährdete in den 15. Stock zu setzen - oder einfach nur sehr, sehr dumm. Aber da ich sie attraktiv finde, tippe ich auf Ersteres.

»Ich bin Nadja«, stellt sie sich vor und streckt mir ihre Hand entgegen. Ihre Nägel sind gepflegt und alle in einer anderen Farbe bemalt. Meine Nägel sind kurz gekaut und der schwarze Lack ist fast vollkommen abgeblättert. Ihr Handdruck ist warm, fest und weich. Mein Handdruck ist kalt, schwitzig und leblos. Wie ein toter Fisch, hallt die Stimme meines Bruders in meinem Kopf. Trotzdem hält sie meine Hand angemessen lange und tut so als würde es sie nicht stören. »Nora«, antworte ich kurz.

  »Freut mich, dich kennenzulernen, Nora.« Sie lächelt als würde sie sowas jeden Tag tun. Falls das tatsächlich der Fall ist, hoffe ich, dass diese Menschen einen stärkeren Überlebenswillen als ich haben. Auf Dauer Menschen beim Selbstmord zuzusehen, ist wahrscheinlich nicht allzu gesund.

  »Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich das nicht erwidern kann«, sage ich trocken, woraufhin sie in Lachen ausbricht. Dieses Geräusch ist an diesem Ort so falsch wie ein Regenwurm in der Wüste und trotzdem nicht befremdlich.

  »Und es nervt dich bestimmt ebenfalls nicht, wenn ich eine rauche?« In Filmen tun die das immer, bevor sie sich selber den Garaus machen, und ich will ja möglichst episch abtreten. Wenn schon denn schon. Und jetzt habe ich sogar jemanden, der der Nachwelt davon berichten kann.

  »Nein, kein Problem. Solange«, stellt sie ihre Bedingung auf, »ich eine abbekomme.«

Das kam unerwartet. Ich hätte sie nicht so eingeschätzt. Aber vielleicht hat sie genauso viele schlechte Filme wie ich gesehen. Der Retter raucht zuerst mit seinem Gegenüber eine, bevor er eine ausschweifende und emotionale Rede schwingt, um die andere Person von ihrem Unternehmen abzuhalten á la "Deine Probleme lösen sich nicht auf, sie werden nur an deine Hinterbliebenen überschrieben.
/ Nach jedem Regen kommt auch Sonnenschein./ Mir ging es auch mal schlecht und sieh nur, was aus mir geworden ist." A) Ist da niemand mehr, der meine Probleme erben könnte. B) Steck dir deine Sprichwörter sonst wo hin. C) Tja, nur leider geht es hier um mich. Das Ding ist nämlich, dass Nadja nicht meine Retterin sein wird, sondern meine Zeugin.

Nachdem ich mir eine Kippe genommen und entzündet habe, reiche ich die Schachtel samt Feuerzeug nach rechts weiter. Es herrscht Stille, aber sie ist nicht wirklich unangenehm. Während Nadja gedankenversunken in den Himmel starrt und Rauchringe in die Luft bläst, betrachte ich sie von der Seite. Sie ist wirklich sehr hübsch. Würde ich nicht gleich als Hackfleisch auf dem Borstein liegen, würde ich sie vielleicht nach ihrer Nummer fragen.

»Willst du wissen, warum ich hier oben sitze?«, durchbreche ich schließlich unser Schweigen.

»Warum sitzt du hier oben, Nora?«

»Weil Gott - oder wer auch immer unser Leben bestimmt - ein verfickter Hurensohn ist.«

Ich schnippe meinen Zigarettenstummel in die Tiefe. Normalerweise würde ich sowas nicht tun, sondern mir brav einen Aschenbecher suchen, aber "normalerweise" existiert nicht mehr und dieser kleine Stummel macht den Kohl im punkto Umwelt- und Klimaschutz auch nicht mehr fett. Um Kummers "Der letzte Song" zu zitieren ›die Menschen sind schlecht und die Welt ist am Arsch‹, aber leider wird nicht alles wieder gut. Zumindest nicht für mich.

»Weißt du«, erläutere ich weiter, während ich mir eine neue Zigarette anstecke, »mein Dad war ein echter Scheißkerl - fast so ein großer Hurensohn wie Gott - hat meine Mum sofort verlassen als sie meinte, dass sie schwanger sei. Also hat sie mich und meinen Bruder allein großgezogen. Mein Bruder war zwei Jahre älter, weißt du? Eigentlich sind wir nur Halbgeschwister, aber sein Vater war genauso ein Wichser wie meiner. Meine Mutter hatte nie Glück mit Männern.«

Die ganze Zeit lang habe ich meinen zerlatschten Converse meine Lebensgeschichte erzählt, doch nun wage ich einen Blick auf Nadja. Sie schaut mich aufmerksam mit ihren dunklen Augen an. Sie wirken fast schwarz und vermitteln den Eindruck als würde sie direkt in mein Herz oder wahlweise meine Seele starren. Sie spricht mir nicht dazwischen, sondern hört einfach nur zu. Das tut gut.

»Meine Mum hat solange ich denken kann immer nur gearbeitet. Oft hatte sie sogar mehrere Jobs gleichzeitig, aber keins von diesen kapitalistischen Schweinen wollte sie auf Dauer einstellen. Deswegen mussten Parker und ich schon früh selbstständig werden. Schulbrote selber schmieren, die Wohnung sauber halten, so'n Zeug. Manchmal kam sie erst am Morgen zurück. Irgendwann habe ich erfahren, dass sie sich an diese Bastarde verkauft hat. Sie ist für uns eine Hure geworden.« Ich schlucke. »Sie hat sich für uns zerstört.«

Eine Träne läuft mir über die Wange und ich wische sie schnell weg. Ich möchte jetzt nicht weinen. Das habe ich im letzten Jahr schon oft genug getan, da muss ich es nicht noch in meinen letzten Minuten auf diesem Planeten tun.

»Aber Mum hat es nie gezeigt - dass es ihr schlecht geht. Sie hat in unserer Gegenwart immer gelacht. Aber manchmal habe ich sie in der Nacht weinen gehört. Sie war eine tolle Mum. Wir haben immer zusammen gehalten. Mum, Parker und ich...« Ich atme zittrig ein. »Und nun... Bin nur noch ich da.« Nun fange ich doch noch an zu heulen, obwohl ich versuche die Tränen zurückzuhalten, aber ich weiß, dass es dafür zu spät ist.

Nadja greift nach meiner Hand und drückt sie leicht. Sie wirft mir ein trauriges Lächeln zu. »Was ist passiert?« Sie klingt nicht neugierig. Sie weiß, dass ich es erzählen will - muss - aber ohne ihren Schubs würde ich es nicht tun.

»Sie sind gestorben. Vor einem Jahr hat Parker die Diagnose Krebs im Endstadium bekommen. Sechs Wochen später konnten wir ihn begraben. Letztendlich war er auch nicht viel besser als sein Dad. Hat sich einfach aus dem Staub gemacht und unserer Mutter das Herz gebrochen.« Ich meine das nicht so und man hört es auch an meinem Lachen, was mehr hysterischen Schluchzern gleicht. Aber über Parker zu sprechen tut immer noch zu sehr weh und womit überspielt man Schmerzen? Jawohl, mit Scherzen und einem unechten Lächeln.

»Fuck cancer«, sagt Nadja.

»Das kannst du laut sagen...«, murmel ich leise.

»FUCK CANCER!«, schreit sie und entlockt mir damit ein schwaches Kichern.

Nadja schaut mich erwartungsvoll an, weshalb ich weitererzähle: »Meine Mutter hat das nicht verkraftet. Sie hat vor Parkers Tod Drogen nicht einmal angeguckt - vor drei Monaten ist sie an einer Überdosis gestorben. Diese Wichser haben sie gefickt, abhängig gemacht und letztendlich waren sie sogar für ihren Tod verantwortlich. Aber ich denke, das war letztendlich eine Erlösung für sie. Sie war zu gut für diese Welt.«

Die meisten Menschen würden mir jetzt ihr Mitleid aussprechen, sich für mein Schicksal entschuldigen, obwohl sie nichts dafür können, und im gleichen Atemzug Sätze wie "Aber deine Familie hätte sicherlich nicht gewollt, dass du dich umbringst" gebracht. Nadja ist aber nicht wie die meisten Menschen und das gefällt mir.

»Das ist so beschissen... Männer sind Schweine. Wäre ich an deiner Stelle, würde ich mich wahrscheinlich auch umbringen.«

Ich lache auf. Das erste Mal seit Monaten und das ist befreiend. »Wieso bist du hier, Nadja?«, frage ich, nachdem ich mich wieder beruhigt habe. »Du bist nicht hier, um mich vom Springen abzuhalten, oder?« Die Worte kommen einfach so aus meinem Mund und ich weiß, dass sie stimmen. Sie will nicht die heldenhafte Retterin spielen.

»Aus den selben Gründen wie du. Naja, nicht ganz. Meine Gründe, zu springen, sind im Vergleich zu deinen ziemlich lächerlich.«

Diese Aussage kommt so unerwartet, dass es sich anfühlt als wäre ein Güterzug frontal in mich reingerast. Man sieht es ihr nicht an. Nadja sieht aus wie einer der letzten Menschen, die sich selber das Leben nehmen würden. »Aber... Was? Warum?«, stottere ich herum. Nadja grinst, aber nun sieht es gar nicht mehr unbeschwert und fröhlich aus, sondern gequält und gezwungen.

»Ich habe niemanden. Aber... Ich habe niemanden verloren. Ich bin in einem Kinderheim aufgewachsen«, erklärt sie. »Natürlich war es keine echte Familie, aber ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass es schrecklich war und ich es dort nicht mochte. Mit achtzehn wurden wir allerdings mehr oder weniger gezwungen auszuziehen und auf einmal... War da niemand mehr. Ich habe keine Familie, keine Freunde, nichts wofür es sich zu leben lohnt. Ich bin nicht traurig oder depressiv. Ich sehe nur keinen Grund, warum ich weiterleben sollte. Ich habe kein Ziel«, fasst sie zusammen.

Mir treten wieder Tränen in die Augen. Ich will sterben, weil ich mir vom Tod mehr erhoffe als vom Leben. Nadja will sterben, weil sie schlichtweg keinen Sinn dahinter sieht, zu sein. Ihr ist es gleich, ob tot oder lebendig. Für sie hat beides das gleiche Gewicht.

»Das... Ich...«, ich räuspere mich, »darauf muss ich erstmal eine rauchen.« Ich biete ihr ebenfalls die Schachtel an und sie nimmt sich eine. Wenn wir so weiter machen, werden wir auf den letzten Metern unseres Lebensweges noch Kettenraucher.

»Dramatischer als deine Geschichte ist es nicht«, sagt Nadja und sieht mich entschuldigend an.

»Das kommt auf die Sichtweise an. Ich finde deine Geschichte deutlich erschreckender.«

»Also steht es Wort gegen Wort. Wir können uns ja auf Unentschieden einigen.«

Wir lachen und müssen wohl ein ziemlich verwirrendes Bild darstellen. Zwei rauchende Selbstmörderinnen in Spe sitzen auf einem Hochhaus... Es hört sich an wie ein Witz. Als ich ihr davon erzähle, müssen wir noch mehr lachen.

»Nora?«

»Mhm?«

»Willst du es immer noch tun?« Ihre dunklen Augen, die fast schon schwarz wirken, bohren sich in meine blauen. Die Pupille ist von der Iris kaum zu unterscheiden und ich habe immer noch das Gefühl als würde sie in mein Innerstes starren. Ihr Blick ist so durchdringend, dass ich erschaudere. Der Moment der Wahrheit ist gekommen.

»Ich - ich denke schon.« Meine Stimme klingt unsicher, aber tief in mir weiß ich, dass ich es komplett ernst meine.

Nadja drückt ihre Zigarette aus und schmeißt sie in die Tiefe, bevor sie antwortet. »Ich auch.«

Der Moment rückt immer näher. Vor wenigen Sekunden hat er sich noch so weit weg angefühlt, doch nun steht er direkt vor uns. Der Tod ist zum Greifen nahe.

»Aber eine Sache möchte ich noch machen, bevor diese Welt mich los ist.« Behutsam nimmt sie mein Gesicht in ihre Hände. Unsere Lippen treffen aufeinander. Ihre sind weich und warm. Ich seufze leicht auf. Ihre Hand wandert an meine Hüfte, meine in ihre wilden Haare. Ich spüre ihren Atem auf meiner Haut. In wenigen Augenblicken wird dieser für immer stocken. Unsere Herzschläge sind gezählt. Bevor sich der Kuss weiter festigen kann, lösen wir uns voneinander.

Ich bin leicht außer Atem und sicherlich zieren rote Flecken meine blassen Wangen, aber das macht nichts. Nadja lächelt mich an und es ist das erste echte Lächeln, was ich von ihr sehe - und gleichzeitig das letzte.

Sie beugt sich erneut zu mir vor, aber diesmal, um mir etwas ins Ohr zu flüstern: »Wer als erste unten ist...«


A/N: Ihr könnt nicht genug von Nadja und Nora bekommen? Ich auch nicht! Ein AU mit den beiden ist nun auf meinem Profil unter "Nora" zu finden.

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