Hilfe
Erleichtert atmeten wir aus, als wir ein bekanntes und vertrautes Gesicht erblickten. Aabid, der Freund von meinem Vater war uns zur Hilfe gekommen. Wir waren doch nicht in Gefahr. Er ist da. Alles wird gut werden. Wir werden nicht sterben. Ich spürte wie sich die Anspannung von meinem Körper verabschiedete und ein Hauch Hoffnung in mein Herz zurückkehrte.
Vor sechs Jahren, bevor er in die Türkei gezogen ist, war er unser Nachbar, der Kinder über alles liebte und hatte uns das Versprechen gegeben, dass er uns immer helfen wird, wenn etwas passiert. Dies hatte er gerade erfüllt.
Er sieht nun wie 30 aus und ist immer noch wie ein Onkel für mich. In dieser bizarren Situation musste ich leicht schmunzeln, als ich an unsere spaßige Zeit dachte. Es ist so schön ihn wiederzusehen, aber unter anderen Umständen wäre es viel besser. Ich rannte auf ihn zu und umarmte ihn. Er schien noch glücklicher als ich zu sein, denn er drückte mich so fest, dass ich keine Luft bekam.
Nach der festen Umarmung lösten wir uns und er hob meinen Bruder hoch und umarmte ihn. Mein Bruder kannte ihn leider nicht, aber Aabid war bei seiner Geburt noch dabei.
Nachdem er sich meinen Bruder vorgestellt, meinen Vater umarmt und gesagt hatte, dass er froh ist, uns unversehrt und gesund wiederzusehen, führte er uns zu seinem Schiff.
Von außen war es riesig, aber von innen schien es noch größer zu sein. Es gab viele bequeme Sitze und ein paar Liegen. Aabid holte einen Erste-Hilfe-Kasten und fragte, ob wir verletzt waren. Ich zeigte ihm mein Knie und er verarztete es.
Wir saßen auf einem Vierer-Platz und schon wieder dachte ich an meine Mutter. Eigentlich sollte sie auf dem freien Platz sitzen. Sie sollte mit uns fliehen. Eine laute Stille umhüllte uns, in der jeder seinen Gedanken nachging.
Kurz darauf kam er mit Brötchen, Wasser und Riegeln wieder. Danach ging er ans Steuer und das Schiff fing an sich zu bewegen. In meinem Bauch machte sich ein Kribbeln breit und mein mittlerweile normaler Herzschlag erhöhte sich wieder. Trotz meiner großen Aufregung verspürte ich meine geringe Angst klar und deutlich, denn es war mein erstes Mal auf einem Schiff.
Als mein Magen knurrte, bemerkte ich wie hungrig ich war. Nach allem, was passiert war, zwang ich mich trotz meines nicht vorhandenen Appetit, etwas zu essen. Mein Bruder aß unaufgefordert und mein Vater aß auch ein bisschen. Mein Körper fühlte sich gestärkt, aber war müde, weshalb nach dem Essen meine Augenlider bleischwer wurden und ich binnen Sekunden einschlief.
Ich hörte einen ohrenbetäubenden Schuss, der mein gesamtes Leben schlagartig verändert hatte und wie ein Echo in meinen Ohren hallte.
Der Mörder meiner Mutter, der Mann, der den Schuss abgefeuert hatte, sah mich grinsend und mit unbeschreiblichem Hass an.
Sein Gesicht wird niemals aus meinem Gedächtnis verschwinden, aber als es aus meinem Sichtfeld verschwand, füllte sich mein Sichtfeld mit dunkelrotem Blut.
Schreiend und schweißgebadet wachte ich auf. Mein Atem raste und mein Herz drohte mir aus der Brust zu springen. Ein glitzerndes Meer gelang in mein Sichtfeld und es war kein Tropfen Blut mehr zu sehen, trotzdem fühlte es sich an, als würde ich gleich umkippen, weshalb ich mich auf das Deck begab.
Das Rauschen des Meeres umhüllte mich sofort. Mein Atem und Puls beruhigten sich langsam und die Anspannung löste sich von meinem Körper, während ich Kraft gewann.
Diese sofortige beruhigende Wirkung hatte das Rauschen des Meeres schon immer auf mich. Als kleines Kind habe ich mir vorgenommen ein Haus am Meer zu kaufen. Damals, als mein Leben perfekt noch war.
Das gestrige Ereignis spielte sich aufgrund von meinem Traum immer wieder vor meinen inneren Augen ab.
Schreiend und schweißgebadet wachte ich auf. Mein Atem raste und mein Herz drohte mir aus der Brust zu springen. Ein glitzerndes Meer gelang in mein Sichtfeld und es war kein Tropfen Blut mehr zu sehen, trotzdem fühlte es sich an, als würde ich gleich umkippen, weshalb ich mich auf das Deck begab.
Das Rauschen des Meeres umhüllte mich sofort. Mein Atem und Puls beruhigten sich langsam und die Anspannung löste sich von meinem Körper, während ich Kraft gewann.
Diese sofortige beruhigende Wirkung hatte das Meeresrauschen schon immer auf mich. Als kleines Kind hatte ich mir vorgenommen ein Haus am Meer zu kaufen. Damals, als mein Leben perfekt noch war.
Das gestrige Ereignis spielte sich aufgrund meines Traumes als Dauerschleife vor meinen inneren Augen ab.
Mein Vater war auf der Arbeit gewesen und mein Bruder, meine Mutter und ich hatten friedlich am Esstisch gegessen, wie jeden Sonntag.
Auf einmal hatten wir Schüsse und Explosionen gehört, die uns das Blut in den Adern gefrieren lassen hatten und uns jeglichen Appetit verjagt hatten.
Blanke Panik war in ihren Augen geschrieben, als sie versucht hatte uns aus der Hintertür zum Schutzbunker zu bringen. Hektisch hatte sie sich umgeguckt, um sicherzustellen, dass keine Feinde uns gesehen hatten.
Die Häuser der Nachbarn waren so sehr zerschmettert, dass sie einer Müllhalde geglichen hatten. Auf der Flucht hatten wir einige Leichen auf dem Boden gesehen, die mich in pure Angst versetzt hatten.
Plötzlich hatten wir Männer mit Waffen gesehen und hatten uns verängstigt hinter einem zerschmetterten Haufen versteckt. Wir hatten gehofft nicht entdeckt zu werden und zu unserem Glück waren sie weiter gezogen. Vorsichtiger waren wir weitergelaufen. Wie aus dem Nichts hatten wir einen Schuss in der Nähe gehört. Als ich mich umgedreht hatte, hatte ich einen Mann mit einer Waffe gesehen. Daraufhin hatte ich mich panisch umgesehen und festgestellt, dass der Schuss niemanden getroffen hatte. Eine Welle der Erleichterung hatte meinen Körper durchzogen, aber ehe ich mich wieder entspannen konnte, hatte er blitzschnell wieder abgedrückt und hatte meine Mutter in der Nähe ihres Herzens getroffen.
Daraufhin war sie zusammengebrochen und Blut war aus ihrer Wunde geströmt. Ein stummer Schrei hatte meine Lippen verlassen und ich war wie gelähmt. Es war, als würde die Zeit still stehen geblieben sein, während ich meinen Atem angehalten hatte. Ich hatte mein Herzrasen gehört, obwohl ich mich tot gefühlt hatte. Als wäre ich mit ihr gestorben.
Der Mann hatte schadenfroh und mit unendlichem Hass in seinen Augen gegrinst. Nachdem er meine Mutter angeschossen hatte, war er weggelaufen. Er wollte die Menschen nicht töten, sondern leiden sehen. Er war kein wahlloser, armer Mann, der Befehlen gehorchen musste, um sein Leben nicht zu verlieren. Er hatte diesen Weg freiwillig gewählt. Wie konnte man jemanden besser verletzten, als wenn man seine Mutter tötet?
Was sollte ich tun? Ich hatte nach Hilfe gerufen, aber alle hatten versucht zu fliehen. Meine Panik und Verzweiflung waren am Höhepunkt. Während ich geweint und geschrien hatte, war ich auf meine Mutter zugerannt und hatte mich zu ihr gekniet. Tränenüberströmt hatte ich ihn ihr blasses Gesicht geblickt und hatte gesehen, wie sie verblutend ihren letzten Atemzug genommen hatte, während ich nichts tun konnte. Nichts. Ich wollte an ihrer Stelle sterben.
Sie hatte sich mehr oder weniger hingesetzt und hatte stammelnd „Ich liebe euch"herausgebracht, bevor sie endgültig in meinen Schoß zusammengesackt war. Ich hatte schmerzerfüllte und friedliche Augen gesehen, deren Augenlider für immer zuklappten.
Beim Denken, an die Erinnerungen, spürte ich haargenau denselben Schmerz wie in Syrien, als meine Mutter starb, weshalb mich Tränen überrollten. Ein Teich hatte sich auf dem Boden gebildet. Ich fragte mich, wie ein Mensch nur so viel weinen kann.
Ich schloss meine Augen um Ruhe zu finden, aber weitere, wichtigere Fragen überhäuften mich. Wie würde jetzt alles ablaufen? Wie soll ich ohne sie leben? Wie? Verzweifelt grübelte ich darüber nach, mit meinem Blick auf das klare Wasser gerichtet und der Versuchung meine weiteren aufkommenden Tränen zu unterdrücken.
Ehe ich Antworten darauf finden konnte, überrollte mich die Unterdrückung meiner Gefühle und Gedanken, sowie Müdigkeit, weshalb ich in einen Schlaf voller Gedanken fiel.
Ich nahm eine sanfte Stimme an meinem Ohr und ein leichtes Rütteln wahr. Langsam öffnete ich meine Augen und blickte in das Gesicht meiner Mutter. „Ich bin stolz auf dich", sagte sie. Blitzschnell schlug ich meine Augen auf.
Sie war weg. Gerade war sie noch da. Ich schaute mich hektisch um, aber sie war weg. Ich realisierte, dass ich geträumt hatte, dass mich meine Mutter aufgeweckt hat. Wie soll ich auch nicht von ihr träumen? Ich vermisse sie zu sehr. Schon wieder wollten sich Tränen einen Weg durch mein Gesicht bahnen, doch es ertönte eine Ansage „Wir kommen in zehn Minuten an."
Ich ging sofort zu meinem Vater und Bruder und fragte: „In welches Land sind wir geflüchtet?" „Gerade sind wir in Griechenland", entgegnete mein Vater.
Das Schiff hielt an und das Schaukeln hörte auf. Mit aller Ruhe erhoben wir uns und verließen mithilfe meines Onkels das Schiff.
Vor uns erstreckte sich eine wunderschöne Landschaft mit Bergen und Wasserfällen, die von kleinen roten Häusern umgeben waren. Dieser Anblick war so zauberhaft, dass ich vergaß zu atmen. Der kühle Wind wehte meine Sorgen weg und das Rauschen des Wassers versetzte mich in eine Art Trance.
Ich wollte für immer in der idyllischen Umgebung bleiben und meine Sorgen und Probleme vergessen. Doch die Realität holte mich ein, als ich meinem Vater und Bruder folgen musste, die durch Aabid zu einem Auto geführt wurden, in dem eine Frau im Alter von Aabid saß.
Ich mochte die junge und nette Frau auf Anhieb. Sie heißt Karitsa, genauso wie der Stadtteil, in den wir fuhren. Später stellte sich heraus, dass sie die Ex-Ehefrau von Aabid ist, die zu unserer Verwunderung syrisch sprach.
Im Laufe der Fahrt erfuhren wir, dass sie mit ihren Eltern von Syrien nach Griechenland geflüchtet war und ich erkannte unbeschreibliche Trauer und eine verborgene Geschichte in ihren Augen, die nicht in Worten gefasst werden konnte.
Diese Gefühle wechselten zu ambivalenter Nostalgie, als sie davon sprach, dass Aabid und sie sich im Urlaub kennengelernt hatten. Es versetzte mir einen Stich ins Herz, dass ich nicht auf ihre Hochzeit kommen konnte und dass sie jetzt geschieden waren, denn die beiden verdienten jedes Glück der Welt.
Ich würde gerne ihren Grund für die Scheidung wissen, denn ich hatte das Gefühl, dass sie sich immer noch sehr gut verstanden, aber ich traute mich nicht zu fragen.
Wir fuhren zu Häusern, die nah aneinander gebaut waren und ein Gefühl der Gemeinschaft vermittelten.
Die friedliche Gemeinschaft und unversehrten Häuser weckten in mir Eifersucht, während die Frage, warum Menschen in anderen Ländern in Frieden und Glück leben können, während Syrien leidet und niemand etwas unternimmt, mich quälte.
In Karitsas Haus angekommen, nahm ich einen Geruch der Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft wahr. Sie nahm uns sehr herzlich auf, kümmerte sich um uns und bot uns alles an. Ein üppiges Büfett syrischer Speisen und Desserts erstreckte sich vor unserer Nase und durch den köstlichen Geruch knurrte mein Magen. Wir aßen so viel wie die Raupe Nimmersatt, auch die Sachen, die wir nicht mögen.
Nach dem Essen spielten wir Spiele im Schlafzimmer. Mein Bruder schlief, aber meine Müdigkeit war wie weggeblasen. Die gemeinsame Zeit bereitete mir große Freude. Obwohl Aabid und Karitsa versuchten mich mit Witzen und Spielen abzulenken, schweiften meine Gedanken zu meiner Mutter ab. Sie würde Karitsa zweifellos lieben, denn viele Gemeinsamkeiten verbanden sie, darunter ihre Gastfreundschaft und ihr Humor.
Nach einigen Stunden der Erholung, des Kennenlernens und des Spielens, mit neu geschöpfter Kraft, fuhren sie uns zum nahegelegenen Flughafen.
Sie gaben uns unsere Pässe, die wir doppelt machen lassen hatten, damit wir bei einer Flucht in ein anderes Land reisen können. Unser Leben in Syrien war im Gegensatz zu den anderen Menschen sehr gut. Wir waren wohlhabend und lebten in einem sicheren Gebiet und mussten nie in Angst und Schrecken leben.
Auf dem Weg hatte ich die Möglichkeit Griechenlands malerischen Landschaften zu bewundern und meine Gedanken abzuschalten.
Nach einer zweistündigen Fahrt, die sich sehr kurz anfühlte, kamen wir an einem sauberen und modernen Flughafen an und mein Bruder wachte auf. Darüber war ich froh, denn so sehr ich Griechenland auch mochte, sehnte ich mich nach Deutschland.
Mein Vater, Karitsa und Aabid klärten etwas mit Unbekannten und telefonierten, während mein verschlafener Bruder und ich uns auf eine Bank setzten.
Nach einer Weile kamen sie zurück mit drei Tickets. Ich wusste nicht, was sie gemacht und gesagt hatten, denn normalerweise gibt es viele Komplikationen und man muss tausende Stunden warten.
Wahrscheinlich haben wir die Tickets bekommen, weil sie ihnen Geld gegeben haben und mein Vater Halbdeutscher und Halbsyrier ist, was ich unfair fand. Jedoch war ein Teil von mir auch dankbar, dass wir nicht noch länger warten mussten, um nach Deutschland, in meine Heimat, fliegen zu können.
Der schwere Teil war der Abschied von Aabid und Karitsa, denn wir mussten schnellstmöglich zu unserem Terminal. Ich würde die beiden sehr vermissen.
Wir sagten beruhigende und schöne Worte zum Abschied und umarmten uns so fest, dass niemand Luft bekam, trotzdem wollte niemand loslassen.
Erst als eine Ansage zu unserem Terminal gesprochen wurde, in der unsere Namen erwähnt wurden, lösten wir uns und fingen an in die Richtung des Terminals zu rennen.
Dabei winkten wir einander zu und riefen nochmal „Tschüss", bis sie nur noch als ein kleiner Fleck in der Ferne zu erkennen waren.
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