• VIERZEHN •
Das Frühstück, welches Auden für uns beide auf meinem kleinen Küchentisch angerichtet hat, sieht so gut aus, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.
Er stellt einen Teller vor mir auf den Tisch, bevor er sich selbst hinsetzt. Zuerst beachte ich gar nicht, was da vor mir liegt, und widme mich einer Schale Erdbeeren in der Mitte. Doch dann bleiben meine Augen etwas länger auf meinem rosa Teller liegen und ich stutze.
Rührei, Omelett und Spiegelei. Er hat tatsächlich alles gemacht.
Auden bemerkt meinen Blick und hebt fast ein wenig verlegen die Schultern. »Du konntest dich nicht entscheiden«, murmelt er.
»Das ist... danke, Auden.«
Er winkt ab, als würde er keine große Sache draus machen wollen. Wieder ganz der Alte schenkt er mir dann ein breites Grinsen. Mein Herz macht daraufhin einen reichlich hohen Sprung, sodass ich prompt wegsehe. Während ich mein Ei esse, flammen immer wieder Bilder der letzten Nacht vor meinem inneren Auge auf. Audens Lippen auf meinen, seine Zunge, die mit meiner spielt, diese Hände...
»... Callah? Geht es dir gut?«
Mit heißen Wangen schrecke ich hoch und starre ihn aus weit aufgerissenen Augen an. »Was?«, stammele ich. Er runzelt die Stirn und kann sich das Lachen offensichtlich nur ganz knapp verkneifen. »Ich habe dich gerade gefragt, ob alles klar ist zwischen uns?«
Für einige Sekunden starre ich ihn weiterhin reichlich belämmert an. Dann reiße ich mich zusammen und nicke hastig. »Klar, alles bestens!« Meine Stimme klingt selbst in meinen eigenen Ohren zu schrill. Wieso kann ich nicht einfach locker bleiben?
Mit klammen Fingern greife ich nach einem Glas und schenke mir O-Saft ein. Während ich trinke, stelle ich erfreut fest, dass er Fruchtfleisch enthält. Auden muss also einkaufen gewesen sein.
»Ich finde, wir sollten das von letzter Nacht wiederholen.«
Prompt verschlucke ich mich an meinem Saft und kann mich gerade noch vom Tisch wegdrehen, bevor ich die orangene Flüssigkeit auf die Fliesen huste.
»Wie, jetzt gleich?«, krächze ich, während ich mir die Tränen aus den Augen wische. Da wirft er den Kopf in den Nacken und lacht schallend los. Er lacht und lacht und lacht. Mit verschränkten Armen brumme ich missmutig: »Haha, sehr witzig.«
Als Auden sich wieder einigermaßen beruhigt hat, sagt er: »Klar können wir's auch jetzt tun, aber ich denke, wir sind beide noch zu hungrig und würden dieses Frühstück – mit dem ich mir sehr, sehr, sehr viel Mühe gegeben habe – ungern liegen lassen.«
»Du bist so ein Knallkopf«, nuschele ich und esse den Rest meiner Eier-Portion auf. Auden zuckt die Schultern. »Knallkopf ist das Netteste, was ich seit langer Zeit zu hören gekriegt habe, also bin ich zufrieden.«
Er macht zwar nur Spaß, doch ich kann seiner Stimme einen ernsten Unterton entnehmen. Unwillkürlich frage ich mich, ob das irgendwas mit der Band zu tun hat, in der er noch vor nicht so langer Zeit Gitarrist war.
Das hat dich nicht zu interessieren, Callah. Er ist nur dein Nachbar und One-Night-Stand – kein Date.
»Also... um noch mal auf diese Sache zurückzukommen«, setzt er an. Fragend schaue ich ihn an. »Diese Sache?«
»Genau, diese Sache.«
»Welche Sache?«
»Diese Sex-Sache. Falls du dich erinnerst. Hat ziemlich Spaß gemacht.«
Ich verdrehe die Augen, dann lege ich mir demonstrativ nachdenklich einen Finger ans Kinn. »Ja, da war doch irgendwas...«
Jetzt deutet er mit seiner Gabel auf mich. »Du bist fies.« Kokett lächelnd lege ich den Kopf schief.
Er räuspert sich. »Aber ernsthaft jetzt: Mir ist klar, dass du keine Beziehung suchst, oder sowas, nach der Scheiße mit deinem Arschloch-Ehemann –«
»Ex-Mann, sobald er die Papiere unterschreibt«, unterbreche ich ihn. Er nickt.
»Arschloch-Ex-Mann, meinte ich. Weder du noch ich suchen nach irgendwas Festem, aber das heißt nicht, dass wir keinen Spaß miteinander haben können, oder?« Mit geschürzten Lippen denke ich nach.
Auden hat definitiv nicht unrecht mit dem, was er da sagt: Er will keine Beziehung, ich will zurzeit ganz sicher keine Beziehung und wir beide sind gestern offensichtlich auf unsere Kosten gekommen – warum also nicht? Die Ablenkung könnte ich zurzeit, weiß Gott, gut gebrauchen.
»Klingt eigentlich nicht schlecht«, überlege ich laut. »Wäre das dann so ein exklusives Ding?«, frage ich noch. »Du meinst, ob wir nebenbei noch was mit anderen Leuten haben können?« Ich nicke.
»Was denkst du?«, will er wissen. Schulterzuckend antworte ich: »Ehrlich gesagt: Keine Ahnung. Vielleicht können wir das auf uns zukommen lassen?«
»Gebongt.« Damit hält er mir seine Faust entgegen. Prustend lasse ich meine dagegen stoßen. »Faust-Check? Ernsthaft?«
»Klar, der kommt nie aus der Mode.«
Eine Weile essen wir schweigend weiter. Doch mir brennt schon seit gestern eine Frage unter den Nägeln, die ich nicht länger zurückhalten kann. »Warum hast du eigentlich deine Meinung geändert?«
Verwundert blickt er auf. »Was meinst du?«
Kurz knabbere ich nervös auf meiner Lippe herum, dann präzisiere ich: »Du sagtest, dass du nie was mit einer Nachbarin anfangen würdest und hast es jetzt doch getan. Woher der Sinneswandel?«
Ich weiß nicht, womit ich gerechnet habe – dass er den Kopf schüttelt und »Ich habe Bullshit erzählt« sagt, ist es gewiss nicht.
»Äh, was?«, stammele ich. Er schnaubt und hebt in einer flüssigen Bewegung eine Schulter, was verrückterweise wirklich... heiß aussieht. Aber vielleicht finde ich ja seit gestern auch alles heiß, was Auden Rivers tut.
Okay, wem will ich hier etwas vormachen? Das ist schon seit dem Moment unserer ersten Begegnung der Fall.
»Das war nur so dahingesagt. Wahrscheinlich habe ich irgendwie versucht, mich selbst zu belügen, was weiß ich? Also... ja. Ich fand dich im Flugzeug schon verdammt scharf.«
Mir klappt die Kinnlade herunter. Ein Stück Tomate, an welchem ich bis zuvor noch geknabbert habe, fällt mir dabei aus dem Mund und ich sammele es hastig von meinem Schoß auf.
»Du... was?! Das glaube ich jetzt nicht. Da sah ich doch richtig erledigt und scheiße aus! Außerdem warst du echt unfreundlich...«
Auden lacht leise. »Du hast wirklich scheiße ausgesehen, aber irgendwie war das egal.«
»Na, herzlichen Dank auch!« Er übergeht meinen Einwand und spricht weiter.
»Ich hatte einen ziemlich nervenaufreibenden Tag hinter mir und wollte einfach nur nach Hause. Gut, das ist eine Untertreibung, es war ein absolut grauenvoller Tag. Dann habe ich dich im Flugzeug am Fenster sitzen sehen, wie du tief geschlafen hast und... keine Ahnung. Ich dachte mir nur, dass dieser Frau irgendwas richtig Übles passiert sein muss, wenn sie so komplett... entkräftet daliegt. Im Ernst, man konnte dir die Qual richtig vom Gesicht ablesen, selbst im Schlaf.«
Auden fährt sich übers Gesicht. »Okay, ich schwafele«, murmelt er, doch ich schüttle den Kopf und bitte ihn, weiterzuerzählen.
»Ich habe mich neben dich gesetzt und... naja, dir sind Tränen übers Gesicht gelaufen. Die ganze Zeit.«
Mein Herz setzt für eine Sekunde aus, nur um mir dann wie ein kaputter Fahrstuhl rasend schnell in die Hose zu rutschen. »D-das... ist nicht wahr«, hauche ich. Etwas verwundert runzelt Auden die Stirn. »Doch, es stimmt.«
Die ganze Zeit habe ich geglaubt, nicht über Erics Betrug weinen zu können. Ich habe mich gefragt, wieso zur Hölle ich nicht dazu fähig bin, Tränen aus meinen Augen zu pressen, wenn mein eigener Ehemann mich betrügt.
Die Wahrheit ist, dass ich bereits um ihn geweint habe – im Schlaf. Und wenn man Audens Worten Glauben schenken mag, sogar sehr viel.
Und plötzlich spüre ich, wie mir eine schwere Last von den Schultern rutscht. Eine Last, von der ich nicht einmal wusste, dass sie da war. Endlich gibt es eine Erklärung.
»Callah?«
Ich blicke auf und schenke ihm ein trauriges Lächeln. »Mir ist nur gerade etwas klar geworden... erzähl bitte weiter.« Auden tut mir den Gefallen.
»Du hast so unglaublich gequält gewirkt, dass ich darüber fast meinen eigenen Mist vergessen habe. Und irgendwie konnte ich nicht wegsehen, die ganze Zeit. Ich habe immer gehofft, dass du die Augen aufmachst, damit ich sehen kann, was für eine Farbe sie haben... ich weiß, dass das verrückt ist. Aber irgendwie habe ich mich sofort zu dir hingezogen gefühlt. Schätze, das war es, was mich so geärgert hat. Sorry fürs Anschnauzen damals.«
Ich würde ja abwinken, doch Audens Worte haben mich tatsächlich so gefesselt, dass ich mich nicht rühren kann. Er fühlt es also auch... diese Anziehung.
Beschwichtigend hebt er die Hände. »Also, nicht falsch verstehen, ich will dich nicht daten, keine Sorge. Aber ich mag dich und bin echt gern in deiner Nähe. Mit dir fühlt sich alles weniger schwer an. Ergibt das Sinn?«
Ich lächle. »Ergibt Sinn.«
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