• SIEBEN •
Ich kenne ihn... Das ist der unfreundliche Typ, der mich im Flugzeug geweckt hat! Auch in seinen dunklen Augen leuchtet Erkennen auf.
In einer fließenden Bewegung legt er seine Gitarre ab und schreitet auf mich zu. »Kann ich dir helfen?«, schnarrt er gelangweilt und in einem Tonfall, der ziemlich deutlich zeigt, was er von meiner Unterbrechung seiner Session hält. Dass er mich duzt, wundert mich. Im Flugzeug hat er das nicht getan.
Nicht verunsichern lassen, Callah! Ich räuspere mich und sage mit fester Stimme: »Ja, da gibt es tatsächlich was. Wäre es möglich, die Musik leiser zu machen?«
Er steht etwa einen Meter vor mir, die Arme verschränkt und legt jetzt den Kopf schief. Seinen Gesichtsausdruck kann ich überhaupt nicht einordnen, was mich ein wenig irritiert. Findet er das hier lustig? Oder ist er genervt? Ich weiß es nicht.
»Nein.«
Verwirrt blinzelnd stammele ich: »Äh, was?«
Er kommt einen kleinen Schritt näher, sodass ich jetzt den Kopf in den Nacken legen muss, um ihm weiter in die Augen schauen zu können. Ich kann die goldenen Sprenkel in seiner dunkelbraunen Iris sehen. Ein feiner Nebel von Sommersprossen zieht sich quer über den Rücken seiner geraden Nase und lässt das kantige Gesicht etwas weicher wirken.
Verdammt nochmal, er ist heiß... wirklich heiß. Nicht die Sorte ›Sieht ganz gut aus‹-heiß, sondern ›Ein Kuss von dir und ich falle auf die Knie, wenn du mich nicht festhältst‹-heiß.
Als er sich ein wenig zu mir herunter beugt, umweht mich ein frischer Geruch, der an eine Meeresbrise erinnert. Seine dunklen Augen sind fest auf meine gerichtet und ich kann den Blick nicht abwenden. »Du hast gefragt...«, beginnt er gedehnt, »... ob es möglich ist, die Musik leiser zu drehen. Und meine Antwort darauf war ›Nein‹.«
Seine tiefe, raue Stimme geht runter wie Öl – nur das, was er sagt, leider nicht.
Hitze schießt mir ins Gesicht – ob vor Verlegenheit, Wut oder Erregung kann ich nicht genau festmachen – und ich schnauze: »Warum nicht?«
Ein süffisantes Lächeln zupft an seinen geschwungenen Lippen. Er antwortet ruhig: »Weil der Regler sich nicht mehr verstellen lässt.« Irgendwas sagt mir, dass er lügt – und dass es ihm verflucht viel Spaß macht, mich langsam, aber sehr sicher, zur Weißglut zu treiben.
»Dann kauf dir eben einen neuen Verstärker«, zische ich.
»Das letzte Mal, dass mir jemand Geld hinterher geschmissen hat, ist schon eine Weile her«, entgegnet er ungerührt. Ich spüre, wie sich meine Fingernägel in das weiche Fleisch meiner Hand graben, als ich sie zur Faust balle.
»Du findest das Ganze echt witzig, kann das sein?«, maule ich.
Er hebt eine muskulöse Schulter und murmelt »Möglich«, wobei er mich immer noch nicht aus den Augen lässt. Warum – warum, um Himmels Willen – ist gerade er es, der mich etwas fühlen lässt?! Und sei es auch nur Aggression.
Gut, das ist gelogen. Wenn ich ehrlich zu mir bin, ist das nicht alles. Seine Präsenz, in Kombination mit diesem viel zu guten Aussehen, lässt mich auch nicht ganz kalt... Noch so eine Lüge. Es ist nicht so, dass es mich nicht ganz kalt lässt – es macht mich schier wahnsinnig.
Und als sein Blick einmal über mein Gesicht gleitet, dabei kurz an meinem Mund hängen bleibt, und wieder zurück zu meinen Augen geht, muss ich ein leises Stöhnen unterdrücken. Wenn sich dieser Blick allein schon so auf meiner Haut anfühlt... wie wäre es dann erst mit seinen Händen?!
»Du hast da Schaum in den Haaren.«
Ich zucke zusammen und murmle vollkommen entrückt: »Hä?« Heute ist wahrlich nicht meine Sternstunde in Sachen Eloquenz.
Seine starken, dennoch feingliedrigen Finger greifen sanft in die dunkelbraunen Wellen, die vom Baden noch feucht an meinem Kopf kleben, dabei streift sein Daumen leicht über meine Schläfe. Als er seine Hand wieder zurückzieht, kann ich mir ein bedauerndes Seufzen gerade noch verkneifen.
»Siehst du?« Zum Beweis hält er mir einen nicht gerade kleinen Berg aus funkelndem Schaum unter die Nase. Verlegen errötend will ich mich schon verabschieden, doch da hält er sich die leichte Masse vors Gesicht und bläst sie in die Luft. Das Licht der umstehenden Laternen bricht sich schillernd in den kleinen Wölkchen, die vom Wind davongetragen werden.
Nachdem er sich die Hand an seiner breiten Brust abgewischt hat, richtet er seinen Blick wieder auf mich. »Wo waren wir stehen geblieben?« Ich verdrehe die Augen. »Dabei, dass ich mich nicht entspannen kann, wenn du hier so einen Krach machst!«
»Krach?! Na hör mal, das ist Musik!«, ruft er gespielt entrüstet. Für Späße dieser Art bin ich in diesem Moment wirklich nicht zu haben. Mit in die Seiten gestemmten Armen murre ich: »Die letzten Tage waren, gelinde ausgedrückt, einfach nur anstregend und scheiße! Ich will mich für eine halbe Stunde in meiner neuen Badewanne entspannen können, ist das wirklich zu viel verlangt?!«
»Bist du neu eingezogen?«, ignoriert er das Gesagte von eben. Seufzend antworte ich ihm: »Ja, da wo Jordie Bennson gewohnt hat.« Seine geraden dunkelblonden Brauen schießen in die Höhe. »Sieh einer an, das ist direkt neben mir.«
»Wie schön!«, zische ich sarkastisch. Bei meinem Glück spielt er auch noch in seiner Wohnung und nicht nur hier auf dem Dach.
Er streckt mir die Hand hin. »Auden Rivers.« Kurz zögere ich, dann ergreife ich seine mir dargebotene Hand und schüttle sie. »Callah John«, sage ich, so fest ich kann. An den Stellen, an denen sich unsere Haut berührt, kribbelt es. Hastig ziehe ich meinen Arm wieder zurück.
Mit gerunzelter Stirn merkt er an: »Ungewöhnlicher Name. Gefällt mir.«
»Danke. Ich mag nur die eine Hälfte davon.«
»Die da wäre?«
»Callah. John ist von meinem... nicht von mir. Ich lasse mich scheiden und bin den Namen bald wieder los. Dann heiße ich wieder Tate.«
Ich kann die unausgesprochene Frage in seinem Gesicht sehen und gebe seufzend nach: »Jung und dumm geheiratet. Er hat mich betrogen.« Freudlos lache ich auf. »Wer kann schon von sich behaupten, mit vierundzwanzig geschieden zu sein?«
Er schiebt die Hände in seine hinteren Hosentaschen und zuckt die Schultern. »Wer kann schon von sich behaupten, mit zweiundzwanzig noch nie in einer Beziehung gewesen zu sein, die länger als sechs Wochen gedauert hat? Deshalb bin ich noch lange kein Loser. Und du genauso wenig.«
Merkwürdigerweise schafft er es mit seinen Worten tatsächlich, mich irgendwie... zu trösten. Verrückt.
»Beziehungen sind wohl nicht so dein Ding?«, frage ich. Er wackelt süffisant mit den Brauen und schnurrt: »Na, da ist aber jemand neugierig.« Ich lache und schüttle den Kopf. Wie vorhin, als ich zusammen mit Jordie gelacht habe, fühlt es sich ungewohnt an. Ungewohnt, aber richtig gut.
»Im Flugzeug wäre ich dir an die Kehle gegangen, wenn mir nicht alles egal gewesen wäre«, wechsle ich das Thema. Auden schenkt mir ein träges Lächeln, welches ich nicht anders als ›höllisch sexy‹ bezeichnen kann. »Schade, dass du's nicht gemacht hast. Wäre sicherlich... interessant geworden.«
»Naja, bei deinem angepissten Tonfall ganz bestimmt.«
»Nicht nur du hattest 'ne harte Zeit. Es tut mir leid, dass ich das an dir ausgelassen habe.« Sein Tonfall ist zwar unbeschwert, aber ich sehe in seinen Augen, dass ihn – was auch immer ihm diese harte Zeit beschert hat – noch immer belastet. Aus Rücksicht hake ich nicht weiter nach und nicke lediglich.
»Ich glaube, ich verabschiede mich mal, sonst wird mein Badewasser noch endgültig kalt.«
Er nickt mir zu und tippt sich an die imaginäre Hutkrempe. »Man sieht sich.« Als er sich umdreht und zurück zu seiner Gitarre geht, kann ich nicht anders, als das Spiel seiner Rückenmuskeln zu betrachten, welche sich gut unter dem dünnen Stoff seines Shirts abzeichnen. Kopfschüttelnd wende ich mich ab und reibe mir dabei über die Arme. Während unserer Unterhaltung habe ich die kühle Nachtluft kaum registriert, doch jetzt spüre ich sie umso deutlicher.
Kurze Zeit später befinde ich mich wieder im Bad. Was das Badewasser anbelangt, lag ich mit meinen Befürchtungen richtig: Es ist tatsächlich nur noch lauwarm und die Schaumberge sind ebenfalls eingefallen. Trotzdem gleite ich wieder hinein und lasse noch etwas heißes Wasser dazu laufen. Nicht besonders sparsam, das ist mir bewusst.
Während ich mich zurücklehne und die Augen schließe, erwarte ich fast schon, dass Auden seine Session fortführt. Doch es bleibt still.
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