• NEUN •
Die folgenden Nächte gestalten sich im Übrigen kein Stück anders, was den Lärmpegel betrifft. Entweder es ist Musik oben, oder weiblicher Besuch nebenan – manchmal sogar beides hintereinander.
Es ist zum Verrücktwerden. Mittlerweile bin ich an einem Punkt angelangt an dem ich schon mit dem Gedanken spiele, mir eine Dartscheibe mit Audens Gesicht drauf zuzulegen.
Das einzig Gute an dieser Woche ist, dass das Umzugsunternehmen endlich meinen ganzen Kram vorbeigebracht hat. Während ich also dabei bin alles einzuräumen, stelle ich meine Bluetooth-Box auf ein Regal im Wohnzimmer und mache Musik an – sehr laute Musik.
Mit schief gelegtem Kopf lausche ich ›Venus‹ von Bananarama und entscheide, es noch lauter zu machen. Als ich mir sicher bin, dass man es bis nach unten ins Erdgeschoss hören muss, nicke ich zufrieden.
Mit einem diabolischen Grinsen mache ich mich daran, die Kartons zu öffnen. Immer wieder schiele ich zur Eingangstür und lausche auf ein heftiges Klopfen – nicht dass ich es hören würde, wenn ich nicht speziell darauf achte. Und selbst dann ist es nur Glücksache.
Während ich meine sauber gefalteten Küchentücher aus einem der Kartons hole, passiert es schließlich: es klopft, und das sehr energisch. Ich kann es mir gerade noch verkneifen, böse grinsend die Hände zu reiben, als ich zur Tür tapse.
Ich gucke durch den Spion und sehe einen mir nur allzu bekannten Mann mit wirren blonden Locken und einem nicht sehr erfreuten Gesicht. Breit grinsend öffne ich schwungvoll die Tür.
Okay, darauf war ich nicht vorbeireitet.
Wenn ich ihn schon letztens sehr anziehen fand – auch wenn es mir nicht gefällt, das zuzugeben – so strömt Auden in diesem Moment Sex-Appeal aus, wie die Sonne UV-Strahlen. Woran genau das liegt, kann ich nicht einmal festmachen. Ich denke, es ist die Tatsache, dass er mich so intensiv anschaut und wirkt, als würde er mir jeden Moment an die Kehle springen.
Warum ich ausgerechnet das heiß finde, weiß nur der Herrgott allein.
»Callah!«, knurrt er jetzt auch noch und sieht mich mit diesen dunkelbraunen Augen an. Sofort schießt mein Puls in die Höhe und ich spüre brennende Hitze an Stellen meines Körpers, an denen ich definitiv keine spüren will. Verdammt, so war das nicht geplant.
»Hör auf, meinen Namen so zu sagen!«, maule ich. Er wirft die Arme in die Luft und ruft: »Ein Wunder, dass du das bei diesem Lärm überhaupt gehört hast!«
Dieser Typ treibt mich noch zur Weißglut!
»Dein scheiß Ernst?!«, kreische ich. Wenn ich mich in diesem Moment selbst sehen könnte, würde ich mich vermutlich nicht wieder erkennen. Ich war noch nie die leidenschaftlichste Person, Schreien ist bei mir also normalerweise nicht drinnen.
Er breitet die Arme aus. »Hey, wenigstens mache ich Musik und nichts, was einem das Trommelfell zum Bluten bringt!«
Den Refrain, den ich normalerweise laut mit gröle, nehme ich in diesem Moment kaum wahr. Ich bin viel zu wütend. Nein, das stimmt nicht, ich bin rasend vor Wut. Ob auf ihn oder auf mich ist schwer zu sagen.
Schnaubend überbrücke ich die Distanz zwischen uns und steche meinen Zeigefinger in seine Brust. »Meine Ohren bluten ganz bestimmt, wenn ich dir noch ein verdammtes Mal beim Sex zuhören muss, du Wüstling!«
Amüsiert kräuselt er die Lippen. »Hast du mich gerade Wüstling genannt?«
»Ja! Du bist ein Wüstling!«
»Nein, ich habe einfach nur gern Sex.«
»Urgh, erspar's mir! Ich will gar nicht wissen, was für ein blühendes Bouquet an Geschlechtskrankheiten du mit dir rumschleppst.«
»Ich bin kerngesund und halte mich brav an die Regeln für sicheren Sex, danke!«
Als mir klar wird, was hier gerade passiert, halte ich inne. »Oh, mein Gott, reden wir eigentlich ernsthaft über Sex?«
»Du hast doch damit angefangen!«, ruft Auden jetzt. Ich verdrehe die Augen und lege frustriert stöhnend den Kopf in den Nacken. Es stimmt gewissermaßen, aber... trotzdem! Hat nicht er eigentlich dadurch angefangen, dass er jede Nacht irgendeine Frau abschleppt und es ihr lautstark besorgt?!
Als ich den Kopf wieder aufrichte, begegnen sich unsere Blicke. Dieser Blick schon wieder. Warnend hebe ich den Finger. »Auden Rivers, schau mich nicht mit diesem Blick an!«
»Was für ein –?! Okay, ich geb's zu, das war einfach heiß.«
Seine Worte und die Nonchalance, mit der er sie sagt, treiben mir feurige Röte in die Wangen. Trotzdem reiße ich mich zusammen und zische: »Was war an meiner Verzweiflung bitte heiß?!«
»Dieses Stöhnen und deine Augen waren so... ach, vergiss es. Das wird langsam richtig komisch. Ich gehe jetzt wieder.«
»Mach das mal«, brumme ich und umklammere die Türkante, bereit, sie hinter ihm zuzuschlagen. Er fand mich gerade heiß. Hilfe.
Nachdem ich mir eine mentale Ohrfeige verpasst habe, kann ich wieder einigermaßen klar denken. Auden wedelt unbestimmt in Richtung der Musikbox. »Mach das einfach leiser und alles ist cool.« Dann dreht er sich grummelnd um und ich schlage die Tür hinter ihm zu – einen Tick lauter, als nötig.
•••
Als es draußen dunkel ist kann ich stolz auf mein vollbrachtes Werk blicken: Alles hat seinen Platz und es sieht endlich nach meinem Zuhause aus. Dass es durch die Möbel immer noch einen Touch Jordie behält, gefällt mir sehr gut.
Völlig geschafft lasse ich mich auf die Couch fallen und breite alle Gliedmaßen so aus, dass ich gerade vermutlich wie ein toter Frosch aussehe. Wenn Auden mich jetzt sehen könnte, würde er mich sicher alles andere als sexy finden.
Meine Bluetooth-Box ist etwas in die Jahre gekommen, sodass sie leider schon vor einigen Stunden den Geist aufgegeben hat und am Ladekabel hängt. Der Akku hält leider nur einen Wimpernschlag.
Dass es durch den Lärm der Stadt allerdings nicht komplett ruhig ist, tröstet mich seltsamerweise. Auch wenn ich es nicht unbedingt gewohnt bin.
Das Klingeln meines Handys durchbricht die Nicht-Stille und lässt mich aus meinen Gedanken schrecken. Meine Muskeln schmerzen, als ich mich zu dem leuchtenden Rechteck auf der anderen Seite der Couch strecke.
Doch sobald ich einen Blick auf das Display erhasche, lasse ich das Handy fallen wie eine heiße Kartoffel.
Oh, Gott. Es ist Eric.
Mit zusammengekniffenen Augen warte ich darauf, dass das Klingeln aufhört, doch es dudelt einfach immer weiter. Als es dann doch aufhört fühle ich mich, als wäre ich zwischenzeitlich um ganze hundert Jahre gealtert. Innerlich zumindest.
Doch meine Erleichterung soll nur von kurzer Dauer sein, denn es fängt von vorne an. Okay, ich kann das nicht.
Kurzerhand stehe ich auf, schnappe mir meine Schlüssel und stürme nach draußen. Als ich die Tür energisch hinter mir zuziehe, höre ich das Klingeln auf dem Flur trotzdem. Verdammt, die Wände hier sind wirklich dünn.
Ich fühle mich wie ein Pulverfass, das jeden Moment hochgehen könnte. Die Tatsache, dass ich nach wie vor noch keine Träne für Eric vergossen habe, macht mir langsam wirklich Angst.
Gestresst boxe ich gegen die Wand vor mir, was ich noch im selben Moment bereue. »Autsch, verdammte Scheiße, verfluchter Mist!«, schimpfe ich. Ich kann mich nicht an das letze Mal erinnern, so ausgiebig geflucht zu haben. Und das in nur einem Satz!
»Drehen wir gerade bisschen durch?«
Ertappt fahre ich herum. Auden lehnt in seinem Türrahmen und sieht mich mit einer Mischung aus Besorgnis und Belustigung in den dunkelbraunen Augen an. Ich kann es ihm wirklich nicht verdenken, da ich gerade vermutlich wie eine Wahnsinnige der Extraklasse aussehen muss.
Mein welliges dunkles Haar habe ich zu einem wirren Dutt frisiert, der nach diesem Tag voller Dinge-Schleppen und Aufräumen sehr viel schlimmer aussehen muss, als noch um acht Uhr Morgens. Die Jogging-Shorts und das ausgeleierte T-Shirt haben definitiv bessere Tage gesehen und meine Beine könnte ich auch mal wieder rasieren... aber das nur am Rande.
Schwer atmend hebe ich meine schmerzende Faust und krächze: »Ich glaube, ich brauche was zum Kühlen. Und vielleicht ein Glas Tequila. Oder zehn.«
Auden hebt beschwichtigend die Hände, als wäre ich ein Reh, das er nicht verscheuchen will. »Okay, ich hab 'ne Packung Erbsen. Über den Tequila reden wir noch.«
»Ich will nicht reden. Ich will nur weg von Allem.«
Er seufzt schwer, sodass sich seine breite Brust hebt und senkt. Dann nickt er mir dem Kopf in Richtung seines Apartments. »Komm erst mal rein, dann sehen wir weiter.«
Auch wenn ich genau weiß, dass ich auf der Stelle umdrehen und in meiner eigenen Wohnung verschwinden sollte, folge ich ihm.
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