7. Kapitel
»Pass zu mir!«, rief Greg über die Rasenfläche hinweg und nahm im selben Moment den Ball an, ehe er ihn mit voller Wucht ins Tor schmetterte. Volltreffer! Grinsend ließ er sich auf das pieksende Grün fallen und fächerte sie mich dem gelben Leibchen, das er über seinen Sportsachen trug, Luft zu - er fühlte sich großartig, leicht und ausgelassen, so wie schon seit Tagen nicht mehr. Wer hätte gedacht, dass Sportunterricht sein Leben mal verbessern würde.
»Du siehst aus als hättest du Spaß an diesen ... Aktivitäten.«
Sherlock - der sich mit Kopfschmerzen hatte rausreden können und statt Sportsachen seine normale Uniform trug - reichte Greg mit spitzen Fingern eine Plastikwasserflasche, die das Logo der Schule trug. Währenddessen pfiff Mister Cole, ihr Sportlehrer, das Spiel ab und alle begannen langsam, Kegel und Bälle wegzuräumen.
»Ich war in meiner alten Schule im Fußballteam und bin offensichtlich noch in Form.«
Hastig trank Greg an paar Schlucke und stand dann ebenfalls auf, um sich in die Umkleide zu verziehen. Er war froh, sich heute besser zu fühlen, nachdem er gestern noch einen Tag blau gemacht hatte - jedoch ohne, dass er und Mycroft darüber geredet hatten. Oder über überhaupt irgendwas, denn der Schulsprecher hatte sich an jenem Abend nicht mehr blicken lassen. Genauso wenig wie Jim, der erst am nächsten Morgen laut und extrem wütend ins Zimmer gestapft war, allerdings seitdem auch nicht mehr mit Greg geredet hatte. Unglaublich, dass ihn Gregs kleine Lügerei so sauer gemacht hatte, aber Jim war eben eine Drama-Queen und würde sich hoffentlich bald wieder einkriegen. Ansonsten bedeutete das weiterhin peinliches Schweigen an seinem Stammtisch, weil ohne den aufgeweckten Jüngsten in der Runde niemand wirklich sozial war und was sagte. Und das mit Mycroft ... Vielleicht war es ja inzwischen endlich soweit und ihre Wege würden sich in Zukunft nicht mehr so aktiv kreuzen. Auch wenn Greg nicht wusste, ob er bei diesem Gedanken jauchzen oder traurig sein sollte - obwohl er mit dem rothaarigen Schulsprecher ganz offensichtlich nicht klar kam, hatte jener doch einiges für ihn getan und schien etwas angenehmer unter der rauen, kühlen Fassade zu sein. Schon allein, wenn Greg sich auch nur kurz daran erinnerte, wie Mycroft den Arm um seine Taillie geschlungen hatte, um ihn in sein Zimmer zu bringen, wallte Hitze in ihm auf und zierte rot und schambefleckt seine Wangen. Freunde würden er und Mycroft definitiv nicht mehr werden, dennoch glaubte er - hoffte er - dass der Schulsprecher eigentlich ein feiner Kerl war und ihn den Rest seiner Schullaufbahn in Ruhe lassen würde, jetzt wo augenscheinlich alles geklärt war. Das unheilvolle »Wir reden später« war schließlich nicht eingetreten, auch wenn es noch wie ein Damoklesschwert über dem Brünetten schwebte. Er versuchte, den Gedanken wieder wegzuschieben - ganz weit, am besten unter Jims zugemülltes Bett - während er sich mit den anderen Jungs aus seinem Sportkurs umzog. Seine Kratzer und blaue Flecken hatten inzwischen wie auch sein Geist begonnen zu heilen und er fühlte, wie es ihm jeden Tag besser hier gefiel, auch wenn sein Mitbewohner gerade eine dramatische Pubertätsphase durchlebte, deren Ursache ihm viel zu kryptisch war. Die Hallen des Internats fühlten sich langsam echt wie ein Zuhause an - deswegen zuversichtlich stopfte er seine verschwitzten Sportsachen in seine Tasche und verließ entspannt die Umkleide. Jetzt hatte er erstmal Freistunde und dann Mittagspause, was ihm genug Zeit geben würde, zu duschen und sich auf sein Zimmer zu verziehen. Lust auf Mittagessen hatte er eher nicht, denn allein mit Sherlock, John und Sebastian an einem Tisch zu sitzen war schon eine Qual, obwohl er selbst das im Zuge seiner Liebe zu der Schule manchmal bereits romantisierte. So ganz ohne den quirliegen Vierzehnjährigen hatten sie sich einfach nichts zu sagen, auch wenn Greg offensichtlich der Einzige war, den das störte. Sherlock war mit Johns Essen beschäftigt und jener damit, sich über Sherlocks Klauzwang aufzuregen, während Sebby nur apathisch in seine Teetasse starrte - ob das einer Herbstdepression oder dem normalen Stress der Oberstufe herrührte, vermochte Gregory aber nicht sagen. Doch es sollte ihm egal sein, immerhin redete ja verdammt nochmal keiner mit ihm. Nun doch leicht missmutig stapfte er also durch den großen Schulflur, der zwischen den Klassenzimmern und dem Wohntrakt lag, wo Mycroft und er sich am Tag seiner Ankunft gestritten hatten. So kurz vor halb zwölf war hier alles voll mit halbwüchsigen Jungen, die zu ihrer nächsten Klasse oder dem Speisesaal wuselten. Besonders ein Junge stach ihm beim Durchqueren aber ins Auge; es war niemand geringeres als sein Mitbewohner. Und jener wirkte noch schlimmer drauf als beim letzten Mal als Greg ihn gesehen hatte. Seine Haaren lagen leicht matt und glanzlos an seinem plötzlich noch hagereren Gesicht und er schlurfte mehr als dass er lief. Jim sah verdammt traurig aus. Schuldbewusst wie Gregory also war, da er offensichtlich nicht begriffen hatte, wie schlecht es seinem Mitbewohner wirklich ging, näherte er sich also, natürlich mit angemessener Vorsicht - bei Jim konnte man sich nämlich nie sicher sein, ob man nicht doch schnell erstochen wurde, nur weil Montag war.
»Hey, alles okay bei dir? Du siehst ehrlich gesagt etwas mitgenommen aus. Wenn du schwänzen willst, ich hab frei, also könnten wir auf unser Zimmer gehen und ... reden.«
Auch wenn er sich nicht sicher war, ob man mit seinem Mitbewohner sowas wie ein normales Gespräch über Gefühle führen konnte. Der Jüngere war laut Gerüchten schließlich schonmal ausgerastet und hatte um sich geschlagen, nur weil jemand im Englischunterricht ihn nach einem Bleistift gefragt hatte. Dem entsprechend überrascht war Greg als Jim sich nahezu wiederstandslos, aber üblich theatralisch in seine Arme fallen ließ - wobei ihm klar wurde, dass er eine Weile schon wohl nicht mehr geduscht hatte. Eine Erkenntnis, auf die er gern verzichtet hätte. Genauso wie darauf, dass sein Mitbewohner nicht die Intention hegte, ihn zeitnah wieder loszulassen, was ihnen interessierte Blicke von der Seite einbrachte - klar, auf so einer Jungenschule kam schnell mal das Gerücht auf, man wäre vom anderen Ufer, nur weil man einen Freund umarmte. Das war schließlich das einzige Thema, dass man hier als Vorwand konnte, um mal über Liebe und andere Teenager-Gelüste zu sprechen. Und auch wenn Greg darauf definitiv keine Lust hatte, war dies ein kleiner Preis dafür, dass er sich jetzt endlich wieder an seinen Stammtisch im Speisesaal trauen konnte, ohne desinteressiert angeschwiegen zu werden.
»Oh Süßer«, flötete Jim da auch schon in vertrautem Tonfall.
»Du bist wirklich zu gut, um wahr zu sein.«
»Ist ja gut.«
Beschwichtigend strich Greg ihm über den Rücken und fragte sich, in welche schlimme Krise der Vierzehnjährige bitte geraten sein konnte, dass er jetzt so fertig aussah. Aber dabei machte er leider den Fehler, seinen Blick schweifen zu lassen; welcher abgesehen von ein paar aufgeweckt drein sehenden Schülern, die über sie tuschelten, auf einen kalten und unnachgiebigen Blick traf. Neben der Treppe zum Wohntrakt stand kein anderer als Mycroft Holmes und der Schulsprecher starrte ihn an als wäre Greg gerade der Einzige im Raum und würde etwas total verwerfliches tun. Augenblicklich schoss leichte Röte in seine Wangen, auch wenn er eigentlich nicht das Gefühl haben wollte, sich vor Mycroft hierfür rechtfertigen zu müssen - man durfte ja wohl noch seinen Mitbewohner umarmen, besonders wenn dieser gerade in einem totalen Mental Breakdown steckte. Also wandte er sich demonstrativ vom Älteren ab, obgleich er nicht umhin kam, sich zu fragen, was jener wohl über diesen Moment dachte. Der Holmes hatte an sich keinen Grund sauer zu sein und die einzige Kritik, die in seinem Kopf herum schwirren konnte, war, dass diese Situation wohl etwas albern und unpassend aussah. Aber er sah nunmal ganz und gar nicht missbilligend aus. Eher … enttäuscht? Überrascht? Nun bemerkte Greg auch Sebastian, der ebenfalls neben der Treppe stand und seine Hand so sehr ins Geländer krallte, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Verdammt, was war denn jetzt sein Problem? Die Befindlichkeiten dieser reichen Internatsschüler überforderten langsam wirklich Gregs Verständnis. Doch er wurde abgelenkt als Jim sich langsam etwas von ihm löste - was seine durch den akuten Klammergriff des Jungen angespannte Muskeln lockerte - und ihn mit seinen großen Kulleraugen ansah, die dieselbe Farbe hatten wie seine geliebten Schokoriegel. Und in ihnen blitzte etwas auf, was Greg leider schon viel zu oft in seiner kurzen Zeit hier gesehen hatte - Tatendrang. Was bedeutete, dass Jim gerade einen Einfall gehabt hatte; und diese gingen buchstäblich nie gut aus für alle anderen Umstehenden. Aber bevor er die Beine in die Hand nehmen und weglaufen konnte, war es dafür leider schon zu spät. Einem kurzen Ruck gleichend beugte der Jüngere sich vor und küsste ihn energisch auf den Mund.
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Nach gefühlt mehreren Jahren melde ich mich mal wieder mit einem neuen Kapitel aus der Versenkung. Gestern habe ich angefangen, ein Buch mit Internats-Setting zu lesen, was meine Liebe für diese FF anscheinend wieder entfacht hat - denn anstatt das Buch, habe ich schließlich alle Kapitel dieser Story nochmal gelesen und endlich das neue zuende geschrieben, sowie an den nächsten geplottet. Sprich wird auch diese Geschichte jetzt endlich mal beendet werden. Auch wenn ich fragen muss: Liest überhaupt noch wer diese FF? xD
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