XI
Der Tag des Balls. Schon morgens kribbelte mein Bauch vor lauter Aufregung. Heute würde Harry sich für eine der Prinzessinnen entscheiden müssen. Und ich würde stumm daneben stehen, mit einem steinernen Lächeln, und Blickkontakt vermeiden.
Auch heute ließ Harry mich zu sich rufen, doch ich konnte nicht zu ihm. Alle Diener waren in den Vorbereitungen der Küche und des Ballsaals und konnten keine anderen Pflichten wahrnehmen. So kam es, dass ich heute nicht mal das Essen servieren durfte, sondern diesen Job dem sonstigen Küchenpersonal überlassen musste. Ob Taylor und ihre Familie wohl noch anwesend waren? Ich hoffte es nicht. Die gingen mir auf die Nerven.
Ich war mit Liam im Ballsaal beschäftigt, als er mich antippte. "Louis, wie machen du und Sir Harry das heute Abend?" Alarmiert sah ich mich um und suchte nach der Madame oder einem anderen Diener, doch keiner schien anwesend zu sein. Wir waren allein. Genervt patschte ich meine triefend nasse Bürste auf den prachtvollen Mamorboden und begann aufs Neue zu schrubben. Es war eine mühsame und anstrengende Arbeit, aber ich kannte es nicht anders. "Ich weiß es nicht... Er wird wohl wählen müssen." Liam hörte mit seiner Arbeit auf und hielt mich an der Schulter fest, sodass auch ich inne hielt. "Meinst du das ernst?" Ich seufzte und richtete mich auf. "Liam, was sollen wir denn sonst machen? Soll ich mich in die Mitte des Raumes stellen und rufen 'Ich liebe Harry Edward Styles!'? Das wäre mein Tod! Und seiner auch." Liam verdrehte die Augen. "Natürlich nicht. Aber ich dachte, ihr hättet irgendeinen Plan. Ich dachte nicht, dass ihr es einfach so auf euch sitzen lasst..."
Seine Worte kursierten mir die ganze Zeit über im Kopf, während ich den Fußballfeld-großen Ballsaal putzte und danach schön herrichtete. Es gab keine Ausweg...
... oder? Was, wenn wir irgendwas übersahen, was, wenn wir eine Chance ausließen?
~Der Abend des Balles~
Es blieb eine lange Zeit ruhig. Das Einzige, was den Raum erfüllte, waren Gespräche der vielen adlige Gäste und Mitgliedern des höheren Standes. Um als Diener so hervorragend wie möglich auszusehen, trugen wir schwarz- rote, schlichte, aber trotzdem edle Gewänder, die aus einer Hose, einem Hemd und einer Jacke bestanden, die die Diener innerhalb des Saales allerdings abzulegen hatten. Wenn man sich die Festgesellschaft so ansah, dann fielen einem zuerst die pompösen Kleider auf, eines schöner als das andere. Viele Adelsleute reisten per Kutsche an und hatten einen Leibdiener dabei, der an einem langen Stab das Wappen der Familie trug.
Bevor die Gäste eintrafen, steckten wir uns alle ein Stofftaschentuch in die Brusttasche, weil es die Sitte so verlangte. Ich besaß ein eigenes, das vor vielen Jahren einmal mein einziger Besitz gewesen war: Als mich die Hausmutter gefunden hatte, hatte ich mit einem Stofftaschentuch kuschelnd in einer Ecke des Palastes geschlafen, etwa im Alter von einem Jahr. Das Taschentuch besaß lediglich einen kleinen blauen Punkt, der in eine Ecke gestickt wurde und glich keinem der Wappen der vielen Gäste des Balles, die nach und nach den Raum füllten.
Es kamen auch viele Prinzessinnen und adlige Mädchen in Harrys Alter. Doch Harry würdigte sie keines Blickes. Er schien ernst und begrüßte jeden höflich, doch immer wieder schwankte sein Blick hilfesuchend zu mir. Dann lächelte ich ihn an und widmete mich wieder meiner Arbeit. Wie zu erwarten wurde viel gegessen und getrunken, und irgendjemand musste ja bedienen. Ich eilte von der Küche zu den Tischen und wieder zurück, war dauernd auf Achse, bis die Gäste sich entschlossen zu tanzen.
Schließlich stellte ich mich neben Liam an eine Säule am äußeren Rand des Saales und beobachtete die Festgesellschaft, die zu Livemusik tanzte. Mir gefiel die Melodie und ich summte leise mit. Liam beobachtete sehnsüchtig die ganzen Prinzessinnen und seufzte: "An so eine kommen solche wie wir sowieso nie ran..." Ich drehte mich grinsend zu ihm und er verdrehte gespielt genervt die Augen. "Ich verbessere mich: Solche wie ich kommt nie an so eine ran." Ich lachte leicht und suchte die Menge nach Harry ab. Ich fand den schönen Lockenkopf am anderen Ende des Saals. Mit seinem Vater. In einem hitzigen Gespräch. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Es wurde ernst, Harry würde wählen müssen. Ich schlug Liam gegen den Oberarm, sodass er meinem Blick zu Harry folgte. "Heißt das...?", begann er, und ich nickte sofort. Ab jetzt war die wundervolle Zeit, die Harry und ich gehabt hatten, vorbei.
Mit einem Mal stoppte die Musik und der König trat ein paar Stufen hinauf. Er verkündete, dass allen Festgästen nun die Ehre zu Teil würde, an der Wahl der Gattin seines Sohnes anwesend zu sein. Harrys Blick traf auf meinen. Ihm standen Tränen in den Augen. Es brach mir mein Herz. Man musste doch etwas tun können, ich konnte doch nicht... Er war meine große Liebe. Ich konnte es nicht zulassen. "Was machst du da? Hey, Louis! Was hast du vor?", fragte Liam alarmiert und hielt mich am Arm fest, als ich mich langsam von der Säule löste. Ich sah ihn nur an.
Eine Gruppe junger Frauen versammelte sich vor Harry. Eine jede wurde mit ihrem Namen vorgestellt und verbeugte sich dann, mit hoffnungsvollem Blick auf Harry, der gequält wie nie aussah und irgendwie versuchte, unter den vielen Frauen das kleinste Übel zu finden. Aber es waren Frauen, und sie waren nicht ich. Er spielte mit den Knöpfen seines Gewandes und unterdrückte die Tränen. Mein Herz zerbrach mit jeder Frau, die vorgestellt wurde, mehr. Ich wusste, er würde mich ansehen, um mich zu fragen, mit welcher ich das wenigste Problem hätte. Doch diesen Blick hätte ich nicht ertragen. Ich drehte mich um und steuerte auf den Ausgang zu.
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