67.
Sorry, falls hier 'ne Menge Fehler drinnen sind, ich bin hundemüde :D
Annemarie
Ich sah zu Annel, die auf einem Hocker in der Ecke des großen Sanitätszeltes saß. Liam schaute sich mit einem der anderen Sanitäter meine alte Schusswunde an der Hüfte an. Annel hatte eine Decke um die Schultern liegen, ihr Blick war schon seit mehreren Minuten leer auf den Boden gerichtet.
„Annel", sagte ich deswegen, derweil ein leichter Schmerz aufkam, weil der Sanitäter meine Verletzung zunähte. „Du siehst so traurig aus."
Meine kleine Schwester sah mich mit ermatteten Augen an. „Ich kann nicht schlafen."
„Wieso? Du hättest dich schon vor zwei Stunden schlafen legen können."
Wieder wanderte ihr Blick zu Boden. Annels komplette Erscheinung machte mir Angst. Ich hatte sie noch nie so dermaßen entkräftet gesehen. Es war nicht nur das Fieber, das sie plagte. „Ich schaffe es einfach nicht."
Ich seufzte tief. Was ein grauenvolles Gefühl, ihr nicht helfen zu können.
Keith betrat das Zelt, noch bevor sich die drückende Stimmung weiter ausbreiten konnte. Er wirkte, genauso wie die vielen anderen Soldaten des neuen Platoons, munter und gut gelaunt. Irgendwie war es eine angenehme Abwechslung.
„Ich konnte die kleinste Größe ergattern", sagte er und hielt mir zusammengefaltete Kleidung entgegen. „Es sollte dir eigentlich gut passen. Und ich bin mir sicher, dir steht diese Uniform."
Ich setzte mich auf und nahm sie ihm ab. „Das ist wirklich sehr nett."
„Wir können uns wirklich glücklich schätzen, nun ein Teil eures Trupps zu sein", sagte Liam, der sich neben Annel setzte. Auch seine Augen waren mehr als müde. „Wir haben diese Hilfe dringend benötigt."
„Das ist eine absolute Selbstverständlichkeit", meinte Keith und setzte sich neben mich auf das Feldbett. „Amerikanische Soldaten sollten zusammenhalten."
Charles, der Sanitäter des neuen Platoons, fügte lachend hinzu: „Auch wenn wir es natürlich nicht befürworten können, dass ihr zwei deutsche Mädchen festhaltet."
Liam schürzte die Lippen. „Wenn ich darüber zu bestimmen hätte, würde es anders laufen. Aber das habe ich nicht."
„Dann rede mit deinem Sergeant", sagte Charles. „Das ist unter aller Würde. Sieh dir die Kleine an."
Jetzt schaute Liam zu Keith und Charles, und schien über ihre Worte nachzudenken. Aber nicht in einer positiven Art. Er schien, als könne er ihre Aussage absolut nicht nachvollziehen. Doch dieser Ausdruck verschwand wieder schnell aus seinem Gesicht und er sagte: „Wisst ihr, es ist vieles nicht mehr so einfach."
„Wie meinst du das?", fragte Keith.
„Ich bete für dich, dass du es niemals verstehen wirst."
Die Sonne schwand komplett am Horizont und eine aushaltbare Kälte blieb zurück. Die Soldaten wurden ruhiger. Mehrere Feuer wurden entfacht, viele saßen zusammen und lachten, als wäre dies hier ein riesiges Picknick.
Irgendwie erschreckend, wie gegensätzlich die Atmosphäre in diesem Platoon zu unserem war. Bei uns herrschte Hass, Furcht, Wut und Trauer. Hier mochte jeder jeden, nur selten spürte man, dass es zu Konflikten zwischen den Soldaten kommen könnte.
Vor allem gefiel es mir, dass Sergeant Pattons entschieden hatte, sich so einige Stunden auszuruhen. Man hörte ihn laut mit Sergeant Joseph streiten, aber dafür interessierte sich nicht einmal Walt. Denn dieser saß nur bei den vielen Soldaten und trank und aß. Pete ebenso. Sie machten wieder ihre versauten Witze, aber kamen Annel und mir nicht zu nahe. Das war gut so.
„Und bitte versprich mir, dass du schlafen wirst", flüsterte ich Annel zu, als ich sie in ein leeres Zelt brachte, das mir von Charles angeboten wurde. Ich streichelte ihr liebevoll über die geschwitzte und gleichzeitig kalte Stirn. „Die Nacht wird ruhig und ich werde später zu dir kommen, damit du nicht alleine bist. Ja?"
Ihre Augen waren bereits geschlossen, als sie leise sagte: „Irgendjemand von ihnen wird mir wehtun ..."
„Oh, Annel, nein", sagte ich sofort und es brach mir das Herz, sie das sagen zu hören. „Niemand hier wird dir wehtun. Sie sind anders als Sergeant Pattons und die anderen Idioten. Du bist beschützt, jeder hier gibt auf dich Acht. Liam, ich, Harry, Keith, Sergeant Joseph, so viele sind für dich da."
Kurz schwieg sie und ich dachte, sie würde etwas erwidern, aber sie tat es nicht. Stattdessen drehte sie sich von mir weg und zog sich die Decke weiter über die Schultern.
Ich ließ die Schultern hängen und nahm meine Hand von ihr. Mir war nach weinen zumute. Ich wollte so gerne in ihren Kopf blicken, so gerne ihre Gedanken und alle ihre Ängste kennenlernen. Es war unmöglich für mich, ihr Beistand zu leisten, wenn sie nicht sprach. Das hier war nicht mehr die Anne, die sie noch vor ein paar Monaten war.
„Es tut mir leid, was mit uns passiert ist", sprach ich ihr deswegen niedergeschlagen zu. „Aber es wird irgendwann ein Ende haben und dann werden wir daraus wachsen und stark werden. Ich möchte, dass du weißt, dass du mir wichtiger als alles andere hier bist."
Annel sagte nichts. Ich gab es auf, deswegen stand ich deprimiert auf, um zu gehen. Ein letztes Mal schaute ich über meine Schulter zu ihr, wie sie mir stumm den Rücken zeigte.
Oh, Annel ...
Ich verließ das Zelt und lief zu dem Platz, von dem ich wusste, dort waren Harry, Liam und Louis. Sergeant Joseph hatte sich genauso wie Sergeant Pattons schlafen gelegt, deswegen hatten wir alle unsere Ruhe. Wenn man es so nennen konnte. Immerhin waren Walt und Pete irgendwo in der Menge verschwunden.
Als ich dem Feuer näher kam, erspähte ich schon Harry, der mich bereits ansah. Ihm fiel sofort meine neue Kleidung auf. Es war wohl das erste Mal, dass er mich in Hosen und Jacke sah. Unübersehbar, wie neu dieser Anblick für ihn war. Auch für mich war es merkwürdig.
Er grinste, als ich grinste.
Aber dann rief Keith klatschend, der wohl auch an dem Feuer saß: „Zehn Punkte für die Soldaten-Annemarie!"
Gelächter begann, als ich mich auf einen freien Klappstuhl setzte. Direkt mir gegenüber Harry, der der Einzige war, der nicht lachte.
„Verwirrend wie anders du auf einen wirkst, wenn du Hosen trägst", sagte Louis. „Aber es steht dir wirklich gut."
„Sehr gut", fügte Keith hinzu und grinste. „Dann kann die Reise ja direkt morgen Mittag weitergehen."
„Morgen Mittag?", klinkte sich Harry mit zusammengeschobenen Brauen ein. „Wohl eher bei Tagesanbruch."
„Wir haben den ganzen morgigen Tag", meinte Keith locker. „Denkst du nicht, wenn wir den kompletten Tag unterwegs sind, wir wenigstens acht Stunden schlafen sollten?"
Harry sah ihn an, als würde er mit einem Idioten sprechen.
„Was ist?", fragte Keith nach, weil ihn auch Louis, Liam und Kevin verdutzt anblickten. „Wir alle sind der Meinung, Schlaf ist wichtig, vor allem hier. Es fördert die Konzentration und außerdem kämpfe ich lieber mit offenen Augen gegen Deutsche, anstatt währenddessen einzupennen."
Stille. Harry warf ihm einen vielsagenden Blick zu und dann änderte ich das Thema.
„Ich glaube, ich hole mir noch eine Decke aus dem Zelt. Es ist doch ziemlich frisch", meinte ich und war dabei aufzustehen.
Keith jedoch war sofort zur Stille und reichte mir über einen Meter seine eigene Jacke, wodurch er nur noch seinen Pullover trug. „Hier, bitte schön. Ich friere sowieso selten."
Dankbar nahm ich ihm das Kleidungsstück ab. „Besitzt du eine eingebaute Heizung?"
„Oh, wenn du wüsstest, Anne", scherzte Keith. „All meine Ex-Freundinnen haben immer über meine warme Haut geschwärmt."
Harry murmelte, bevor einen Schluck aus einer Metallflasche nahm: „Muss wohl an dem vielen Schlaf liegen."
Louis sah Harry mit gerunzelter Stirn an. Scheinbar war ich nicht die Einzige, die ihm die schlechte Laune anmerkte. Allerdings wusste nur ich, dass es daran lag, dass Harry Keith nicht mochte. Warum, das musste für Harry tausend Gründe gehabt haben.
„Von wo kamst du?", fragte Liam Keith. „Und wie kam es, dass du erst so spät stationiert wurdest?"
„Ich komme aus New York", erklärte Keith nüchtern. „Und ... Nun. Ich war nicht gezwungen in den Krieg zu ziehen, deswegen tat ich es nicht. Meine Mutter wäre sonst alleine bleiben müssen. Aber vor einer Weile kam mein Bruder schwer verletzt aus Frankreich zurück, deswegen dachte ich mir: Jetzt bin ich an der Reihe. Irgendwann muss es ein Ende geben."
Liam nickte verständlich. „Das ist sehr selbstlos von dir. Ich denke, wir alle haben unsere persönlichen Gründe."
„Auch wenn ich natürlich viel lieber in einem New Yorker Theater sitzen würde, anstatt an einem einsamen Feuer mitten in Deutschland. Aber zum Glück hat man auch hier gute Begleitung." Keith schmunzelte mir zu.
„Mehr oder weniger", meinte ich. „Es gab schon schlimmere Abende."
„Ach, darüber sollte man nicht nachdenken. Es könnte immer schlimmer kommen."
Harry lachte auf.
Liam sagte: „Schön zu wissen, dass ich nicht mehr der Einzige bin, der optimistisch bleibt. Du glaubst nicht, wie deprimierend es sein kann, stets von Pessimisten umgeben zu sein."
„Ich stimme zu", lachte Louis.
Dann wand sich Keith wieder an mich und deutet auf seinen Hinterkopf. „Das ist übrigens ein cooles Haarband. Meine Mutter hatte mal so ein Ähnliches."
„Tatsächlich?", fragte ich nach und fasste mein rotes Tuch an. Ich musste lächeln. „Es ist einer meiner größten Schätze."
„Es hat eine Bedeutung?"
„Kann man so sagen."
„Welche?"
Ich wollte gerade etwas dazu erzählen, als sich wiederum Harry erneut einmischte.
Er stützte seine Ellenbogen auf seine Knie und blickte zu Keith. „Sag mal, Keith, habe ich richtig gesehen, dass eine Sten in deinem Zelt stand?"
Keith blinzelte. „Eine was?"
„Die Sten MP, die gegen dein Bett lehnte. Ich dachte, nur Briten kämpfen mit ihnen."
„Du meinst meine Waffe", verstand Keith schließlich.
Harry hob eine Braue.
„Ich habe sie aufgegabelt, als wir an einem Schlachtfeld vorbeikamen. Sie war irgendwie bequemer."
„Ich verstehe", sagte Harry. „Sie ist kleiner, handlicher, nicht wahr? Und durch den niedrigen Rückstoß einfacher zu halten."
„Ja ... Denke schon."
„Schade, dass sie nur 32-Schuss-Magazine hat. Du musst sie wohl echt oft nachladen müssen."
„Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht."
„Du weißt es nicht?"
Keith schüttelte den Kopf. „Ich habe noch nicht mit ihr geschossen."
„Ach." Harry richtete sich auf. „Aber dann bestimmt mit deiner Thompson M1, die schließlich viele amerikanische Truppe zur Verfügung gestellt bekommen haben, oder?"
„Ich glaube, ich habe keine Thompson M1."
„Du glaubst? Eine Springfield wirst du aber haben. Schließlich ist ihre Geschoßgeschwindigkeit der Wahnsinn."
Keith presste seine Handflächen zusammen und alle sahen Harry an, als sei er verrückt. Was tat er denn hier?
Aber scheinbar war er noch nicht fertig, deswegen lehnte er sich wieder auf seine Knie und sagte: „Ich war eigentlich wirklich von der M1 überzeugt, aber die M19 war schließlich besser konstruiert. Das nach hinten gesetzte Visier kann ziemlich hilfreich sein, wenn man mitten im Gefecht ist. Immerhin muss man seine Gegner auch sehen, richtig?"
„Ich ..." Keith suchte nach Worten. „Denke schon."
„Mit welcher Waffe schießt du am liebsten?", fragte Harry. „Die Sten hat es dir angetan, stimmt's? Oder nein, die Typ, die sollte genau auf dich abgestimmt sein! Also sag schon."
Irgendwann seufzte Keith. „Hey, man, ich habe noch nicht einmal mit einer Waffe geschossen. Ich habe keine Ahnung davon."
Harry blieb neutral.
„Außerdem bin ich mir sicher, muss man nicht unbedingt mit Waffen umherschießen", sprach Keith weiter. „Es zu vermeiden, schadet niemandem."
„Was tust du, wenn ihr angegriffen werdet?", fragte ihn Harry.
„Keine Ahnung, ich ... Wir wurden noch nie angegriffen. Ich habe mir die Sten einfach nur genommen, weil mir meine alte Waffe zu schwer wurde."
Es herrschte komplette Stille am Feuer. Alle blickten zu Harry und warteten auf eine Antwort.
Aber das Einzige, was er tat, war seine Metallflasche zu nehmen und aufzustehen. „Gut. Ich bin fertig."
Und dann ging er.
Er ließ uns mit einer schrecklichen Stimmung zurück. Alles, was er gerade tat, war unnötig. Keith war nun mal ein unerfahrener Soldat.
Ich sah Harry hinterher, der irgendwann verschwand und atmete tief durch. Wie gerne wäre ich ihm gefolgt.
„Nimm es ihm nicht übel", unterbrach Liam die Stimmung.
Louis sah Harry genauso skeptisch hinterher.
„Was sollte das?", fragte Keith, sichtlich verärgert. „Wollte er beweisen, dass er den Längeren hat?"
„Nein, so ist es nicht", antwortet Liam sachlich, irgendwo auch geknickt. „Er ist ... Wir sind einfach nur anderes gewohnt, weißt du? Diese ausgelassenen Abende, all diese gute Laune. Es fällt einem schwer, all dies nachzuvollziehen, wenn man das gesehen hat, was wir gesehen haben."
„Ich habe dafür Verständnis", meinte Keith. „Aber er sollte sich besser anpassen, wenn er ein Teil dieses Platoons sein will. Seine Launen sollte er woanders auslassen."
Ich konnte nicht schlafen, als ich im Zelt lag. Ich überlegte mir die ganze Zeit, nach Harry zu suchen, vielleicht war er auch noch wach. Zwar mussten Liam und Kevin heute Nacht Wache halten, aber Harry schlief sowieso eher mäßig.
Auch dachte ich über sein fragliches Verhalten nach. Ich würde ihn darauf ansprechen, wenn wir alleine waren.
Als ich kurz davor war, aufzustehen und nach ihm zu sehen, betrat jemand leise unser Zelt.
Ich schreckte sofort hoch.
Aber grinste unmittelbar danach breit, als Harry vor mir kniete.
„Ich wollte gerade zu dir kommen", flüsterte ich ihm zu.
Durch die Dunkelheit sah ich gerade so seine gehobenen Mundwinkel. „Dann solltest du definitiv mit mir kommen."
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