50.
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Harry
„Vater unser im Himmel", sprach Liam und hielt mit geschlossenen Augen seine Kreuzkette fest in seiner Hand. „Bitte lass uns diesen Kampf überleben, bitte lass nicht zu, dass unschuldige Seelen sterben und bitte gewähre uns den Sieg, oh, Herr. Wir erbitten dies im Geiste der Liebe von Dem, der die Quelle der Liebe und die getreue Zuflucht all jener ist, die leidgeprüft sind und Seinen Beistand mit demütigen und zerknirschten Herzen suchen. Bitte, bitte, oh, Herr, lass uns morgen die Sonne aufgehen sehen."
„Amen", sagten Niall und Liam synchron.
Dann sahen wir uns an und atmeten tief durch. Liam ließ seine Kette zurück unter seinen Pullover fallen und ich ergriff meine Thompson, die mir um die Schulter hing, genauso wie Niall sein Scharfschützengewehr vor seine Brust hielt. Wir wussten, in wenigen Minuten würde ein deutscher Trupp unseren Weg kreuzen und unser Zog war bereit dafür.
„Harry", sagte Liam, als er sich seinen schweren Rucksack mit dem großen roten Kreuz darauf umschnallte. „Ich habe eine Bitte an dich."
Ich ging sicher, dass meine Schnellfeuerwaffe geladen war und war schon nicht mehr im Hier und Jetzt. Alles, woran ich dachte, war diesen Nazis den Kopf wegzuschießen. Ich würde heute nicht sterben und ich würde morgen nicht sterben. Ich war mir verdammt sicher.
Ich hob den Kopf an, als Liam mir einen zusammengefalteten Zettel an die Brust drückte. „Nimm ihn. Ich ..."
Ich runzelte die Stirn. „Was soll das? Noch ein scheiß Abschiedsbrief?"
„Abschiedsbriefe sind Harrys Schwäche", kommentierte Niall, der aber genauso wie wir alle, nicht mehr ganz bei der Sache war. Man merkte ihm die Angst an, auch wenn er tatkräftig erscheinen wollte.
Doch Liam schob mir den Brief in die Brusttasche und schürzte die Lippen. „Du nimmst ihn, verstanden? Ich möchte mich auf dich verlassen und ich weiß, ich kann es. Wenn ich ihn weiterhin bei mir tragen würde, würde er verloren gehen, wenn ich ..." Er verstummte.
Ich kniff die Augen zusammen und hielt mir die Waffe schließlich vor die Brust, als Sergeant Pattons zum Vormarsch ausrief. „Schätz dich glücklich, dass du das jetzt nicht ausgesprochen hast. Kommt schon, es geht los."
Die Panzer fuhren vor, während die Läufer sich hinten hielten. Wir stampften durch eine Wiese mit hohen Gräsern, man konnte sich also genügend Ducken, um nicht sofort gesehen zu werden. Hätten wir Zeit gehabt, hätten wir Graben ausgehoben, aber die Deutschen kamen zu plötzlich. Sowieso konnten wir von Glück reden, dass ein Kumpane sie frühzeitig entdeckte. Welche Ausmaße ein Hinterhalt genommen hätte, wollte ich mir nicht ausmalen.
Annel saß in einem der Panzer, während Annemarie umringt von vielen Männern gezwungen war, mit uns zu laufen. Für sie war kein Platz in den Maschinen. Das gefiel mir ganz und gar nicht, aber ich konnte es nicht ändern.
Die Panzer stoppten, man hörte, wie von innen Granaten nachgeladen wurden. Ich kniete mich hin, genauso wie der Rest. Wir alle blickten auf den wald vor uns, aus dem jeden Moment die Feinde kamen.
Und dann schloss ich die Augen, als komplette Stille eintrat. Der kühle Wind wehte durch das Gras. Die Sekunden, bevor man wusste, in den nächsten Minuten könnte man sein Leben lassen, einen geliebten Menschen verlieren oder mindestens ein Dutzend davon beenden, waren beängstigend.
Jeder hier fühlte sich genauso wie ich, ich wusste es. Manche wollten es niemals zugeben, aber eigentlich hatten wir alle Angst. Angst und Panik und die Furcht, nie wieder nach Hause zu kommen.
Das letzte Mal atmete ich tief ein. Ich roch das verbrannte Benzin der Panzer. Und wieder aus.
Ich öffnete die Augen wieder und sah schon die ersten zwei deutschen Panzer aus dem Wald fahren.
Und dann begann ich jemand zu werden, der ich gelernt hatte, hier zu sein.
„Granaten!", lautete mein deutlicher Befehl und mein Platoon, auch Niall neben mir, griff sich eine Granate, biss den Ring vom Zünder und warf so weit wie sie konnten.
Ich wartete nicht ab, bis die Bomben ankamen, sondern setzte direkt meine Thompson an, als ich die ersten Soldaten sah. Ich visierte einen Mann nach dem anderen an, der aus dem Wald gekrochen kam.
Sie dachten, wir würden sie nicht sehen, doch wir taten es. Oh, wie wir es taten.
2, zählte ich in meinem Kopf, als ich den zweiten Mann erlegte. 3, 4, ... 5? Ja, 5.
Eine laute Explosion unterbrach meine Schüsse. Ich schwang meinen Kopf sofort nach links und stellte fest, dass ein deutscher Panzer einen von unseren getroffen hatte. Er brannte und die Luke öffnete sich. Ich wusste, es war Edward der brennend und schreiend aus dem Gefährt sprang und sich auf dem Boden rollte.
Blitzschnell nahm ich meinen Blick von ihm und schrie: „Vorrücken! Los, los, los!" Während ich in der Hocke langsam und aufmerksam nach vorne ging, füllte ich meine Thompson mit Munition. „Niall! Was ist los? Treff den verdammten Panzerführer!"
„Schnauze!", schrie Niall zurück und ich sah aus dem Augenwinkel, dass er bereits stehengeblieben war und mit seinem Scharfschützengewehr die richtige Richtung anvisierte. „Sieh zu, dass ihr die Bodentruppen ausschaltet, wir ..."
Wir schmissen uns augenblicklich auf den Boden, als nun die Nazis begannen zu schießen. Mein Atem ging schnell, als ich sicherging, dass Niall noch lebte. Es ging ihm gut, er hielt sich den Helm fest auf dem Kopf.
Schnell vollendete ich das Nachladen meiner Waffe und als ich kurz Luft zum Schießen hatte, kniete ich mich wieder hin und visierte den Mann an, der am nächsten war. 6, 7, ...
Ich machte mich schnell wieder klein, als die Schüsse erneut begannen. Eine Kugel streifte meinen Helm, weswegen mein Puls noch schneller ging.
„Scheiße", fluchte ich leise, als ich begriff, wie verdammt knapp das gerade war. „Niall! Den Panzerführer!"
Es herrschte das reinste Chaos. Schüsse erklangen, Männer schrien, Panzer rollten und explodierten. Es war das Grauen, genauso wie man sich es vorstellte. Es war das vergießen von Blut und das Hoffen, aus dieser Scheiße wieder herauszukommen.
„Wo ist Liam?", hörte ich Niall brüllen. „Rob wurde angeschossen! Gott, verdammt, jemand muss sich um Rob kümmern!"
Und dann tat ich etwas, das ich unterlassen wollte. Ich hielt nach Annemarie Ausschau.
Der deutsche Trupp kam immer näher, wir hatten bereits zwei Panzer von ihnen ausgeschaltet und ich war bei 8 angelangt. Meine Munition für die Thompson war aufgebraucht, weswegen ich meine Pistole hervorzog, als ich mich von rechts nach links drehte.
Dann sah ich sie. Sie stand eingekauert in sich selbst hinter einem unserer Panzer, es waren noch genügend Soldaten um sie herum stationiert. Ich war beruhigter, allerdings nicht beruhigt genug.
Ohne dass ich es frühzeitig bemerken konnte, ging neben mir eine Granate hoch. Rauch stieg auf, als ich zu Boden flog. Mir entglitt die Pistole und ich spürte ein Ziehen an meiner rechten Hand.
Verdammt, wäre mein Körper nicht so derartig mit Adrenalin vollgepumpt, würde diese Verbrennung mir wahrscheinlich Höllenschmerzen bereiten. Aber ich konnte mich konzentrieren, ich kroch zu meiner Handfeuerwaffe.
Meine Augen brannten durch den Rauch, den die Granate verursachte. Es fiel mir schwer zu sehen. Alles wurde lauter, es war klar, dass die Nazis immer näher kamen. Ich hörte plötzlich Stimmen, dessen Sprache ich nicht verstand.
Ich vernahm schnelle Schritte von hinten und begriff sofort, dass sie zu schnell waren. Ich reagierte ruckartig, schnappte mir die Pistole, drehte mich auf den Rücken und schoss dem Deutschen, der genauso hinter mir stand, wie ich es mir ausmalte, mitten ins Gesicht.
Er fiel unmittelbar auf den Boden und ich stand auf. Der Nebel um mich herum, erschwerte mir die Sicht erheblich. Von allen Seiten könnten Schüsse kommen, Niall sah ich auch nicht mehr.
Irgendwo erkannte ich Kevin und Walt. Sie schossen beide gleichzeitig in eine Richtung. In Walts Gesicht erkannte man, welche Genugtuung ihm solche Kämpfe schenkten.
Ich erblickte eine fremde Uniform ungefähr drei Meter von mir entfernt und dachte nicht viel nach, als ich nach ihm schoss.
11.
Es passierte alles so schnell. Noch bevor ich überhaupt verstand, dass wir eigentlich umzingelt von Deutschen waren, vernahm ich eine tiefe Stimme hinter mir und drehte mich sofort um.
Ein Mann, er war sichtlich einer von den Wichsern, die all diese Scheiße verursachten, holte aus, um mir ein Messer in den Bauch zu rammen.
Aber nein, scheiße, nicht noch einmal. Ich konnte ihn von mir treten, woraufhin er zu Boden flog. Als wäre ich eine Maschine, stampfte ich einen Schritt auf ihn zu, lud nach, vergaß sein wutverzerrtes Gesicht und schoss ihm ins Herz.
„Getroffen, dieser gottverdammte Wichser!", hörte ich Niall schreien und war mir sicher, er hatte endlich den Panzerführer erschießen können. Ich war erleichtert, dass er noch schreite. Also lebte er noch.
„Stuart!", schrie ich, als ich den etwas kleineren Mann sah, den ich schon seit einigen Monaten kannte. Er lud gerade seine Waffe nach und ich kam auf ihn zu. „Wo ist Liam? Sag mir, wo Liam ist!"
Stuart drehte gerade seinen Kopf zu mir, hatte schon die Lippen zum Sprechen geöffnet, doch dann spritzte mir das Blut seines Schädels entgegen.
Es dauerte keine weitere Sekunde, dann sah ich den Täter, der gerade mich anvisierte. Ich lud nach und schoss. Gleich dreimal.
Ich spürte, wie ich zorniger wurde.
Zorn half mir, radikaler und am Leben zu bleiben. Es hatte gute Seiten, Hass zu entwickeln, wenn man hier war, wo wir uns befanden. Rücksicht und Nächstenliebe waren Fremdwörter.
„Liam!", schrie ich so laut ich konnte, nachdem sieben Meter weiter wieder eine Granate einschlug und ich mir den Arm vor das Gesicht halten musste. „Gott, verdammt, Liam, wo bist du?"
Es war nicht so, als schwebte Liam oftmals in Lebensgefahr, wenn wir kämpften, er hielt sich meistens im Hintergrund, damit er die Verletzten behandeln konnte, aber ich sorgte mich zu schnell um ihn. Er war eine große Konstante für mich.
Ich beruhigte mich für einen Moment, als ich ihn weiter weg erkannte, wie er mit einem anderen Sanitäter Michael behandelte, dem offensichtlich in die Schulter geschossen wurde und wild umherschrie.
Aber dann hörte ich sie schreien. Wie vom Blitz getroffen suchte ich nach ihr, drehte mich um meine eigene Achse und lud meine Waffe nach. Ich sah sie nicht, vielmehr war ich wieder gezwungen, den dreizehnten Nazi zu erschießen, der in mein Blickfeld stieß.
Und schließlich erspähte ich Annemarie.
Ich schiss auf die Tatsache, dass ich mich ihr nicht mehr nähern sollte und ging mit schnellen Schritten auf sie zu, während ein Deutscher sie an den Haaren zog und versuchte, sie mit sich zu schleifen. Sie wehrte sich und schreite, aber war zu schwach.
Als ich sah, dass ein mächtig großer Blutfleck an ihrer Seite zu erkennen war, zog ich mein Messer hervor. Er hatte es nicht verdient, schnell und ohne Schmerzen zu sterben.
Ohne zu zögern, riss ich den Kerl, der genauso groß war wie ich, von ihr, griff ihn mit der linken Hand am Kragen und dann stach ich zu. Ich wusste, er würde verbluten, niemand konnte ihm helfen, denn die deutschen Sanitäter erlagen beide schon ihrem Tod.
Er keuchte mir erschrocken ins Gesicht und ich sah ihm genau in die Augen, als er seine aufriss.
Ich drehte das Messer um neunzig Grad. Und dann noch einmal um neunzig Grad, bevor ich es aus seinem Körper zog und ihn vor meine Füße fallen ließ. Er litt, hielt sich die Hände verkrampft über die stark blutende Wunde, aber das interessierte mich nicht.
Ich kniete mich zu Annemarie, die sich nicht einmal auf mich konzentrieren konnte, als auch sie versuchte ihre Verletzung mit ihrer Hand zuzuhalten.
„Fuck", fluchte ich, als ich feststellte, dass sie zu viel Blut verlor. Scheiße, viel zu viel Blut. Ich hatte gehofft, sie wurde nur von einem Messer seitlich getroffen, aber ihr steckte eine Kugel in der Hüfte.
Ich tat, was ich für richtig hielt.
Ich hörte sie leise „Harry" wimmern, als ich sie auf meine Arme hob und durch das Chaos rannte. Meine Beine führten uns in den Wald hinein, ich lief weit, weit hinein, bis sie begann die Augen zu schließen.
„Augen auf!", befahl ich ihr. „Nicht müde werden, Annemarie."
Aber als sie ihren Kopf geschwächt an meine Schulter lehnte, war ich gezwungen stehen zu bleiben. Ich legte sie vorsichtig – an einen Baum gelehnt – auf den Boden, wo genug Moos wuchs. Ich nahm ihren Kopf in meine Hände. „Du darfst nicht schwach werden", redete ich auf sie ein. „Sieh mich an."
Es dauerte einen Moment, doch dann öffnete sie blinzelnd ihre blauen Augen.
Ich atmete tief durch. „Ich werde etwas tun müssen", sagte ich. „Versprich mir, dass du hier bei mir bleibst."
Sie nickte und ich handelte unverzüglich. Ich ließ ihren Kopf los, zog mein Messer und meinen Flachmann hervor, bevor ich sie etwas zurecht rückte.
„Das hier wird wehtun", ließ ich sie wissen, derweil ich ein Loch in die Seite ihres Kleides schnitt, das dort bereits vollgesogen mit Unmengen an Blut war.
Und es dauerte nicht lange, dann verstand sie, was ich vorhatte. „Was?", hauchte sie und sah benommen zu, wie ich ihre Schusswunde freilegte. Dann wurde sie nervöser und wollte fortrücken. „Harry, nein, ich ..."
Aber ich hatte bereits ein Stück des Saumes von ihrem Kleid abgeschnitten, zu einem Kneul geformt und stopfte es ihr in den Mund. „Versuch so wenig zu schreien, wie nur möglich", sagte ich und drückte sie zurück an den Baum. „Krall dich an mir fest."
In ihren Augen sah ihr, dass sie all dies nicht wollte, aber ich musste es tun. Liam würde sich erst in ein paar Stunden um sie kümmern können und umso früher die Kugel entfernt und ihre Blutung einigermaßen gestoppt war, umso besser. Und, verdammt, ich würde nicht zulassen, dass sie starb.
Auch wenn ich ihr dafür die wahrscheinlich größten Schmerzen ihres Lebens bereiten musste.
„Okay", hörte ich sie durch den Stoff nuscheln, auch wenn sie es widerwillig aussprach. Sie vergriff sich fest in meiner Schulter und kniff die Augen zu. „Okay."
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