35.
Tut mir leid, dass so lange nichts kam, aber ich hatte ständig Kopfschmerzen ... Leider müsst ihr aber wieder eine ganze Woche auf ein Kapitel warten, denn ich werde heute Nacht nach Ägypten fliegen und Urlaub machen. Und der Laptop bleibt Zuhause (Erholung muss sein!) Wünsche euch trotzdem viel Spaß :) Und oben ist ein megageiles Fancover von @articulateme :))
Annemarie
Schon oft hatte ich mir vorgestellt in Harrys Armen zu liegen, aber nie war das Gefühl so intensiv wie das, was er gerade in mir hervorrief. Es gefiel mir, wie meine Körpertemperatur anstieg und wie fest er mich hielt. Seit langem fühlte ich mich wieder sicher.
„Wieso jetzt?", musste ich ihn dennoch leise fragen.
„Weil ich weiß, wie schwer es sein kann, alleine mit all diesen Dingen klarkommen zu müssen", sagte er. Seine tiefe Stimme beruhigte mich enorm, sie klang wie eine Melodie in meinen Ohren. „Und ich weiß, was es mit einem anstellt."
„Was stellt es mit einem an?"
Harry strich mir fast unmerklich mit seiner Hand über den Oberarm, der mit der Decke bedeckt war. „Sieh dich um. Entweder du wirst zu einem sentimentalen Wrack wie Liam oder du hörst irgendwann ganz auf, zu weinen, ... oder vielleicht lässt du dich auch eine Klippe runterfallen."
Seine letzten Worte verwirrten mich. „Was?"
„Es gibt immer eine Erklärung für einen Selbstmord, auch für Zayns", sagte Harry. „David war sein Onkel. Es wussten nicht viele, aber Zayn hatte mir vor längerer Zeit erzählt, dass er hoffen würde, seinen Onkel hier in Deutschland wiederzutreffen. Sein Vater ist im ersten Weltkrieg gestorben, also war David alles, was er noch hatte."
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich begann zu verstehen. „Er hatte nichts mehr zu verlieren, nachdem David ..."
„Ob David nun sein Leben für ihn riskierte oder nicht", redete Harry leise weiter, „Zayn wusste, er hätte es kein weiteres Mal geschafft, alleine damit klarzukommen."
Meine Stimmung sank und sank, auch wenn ich in Harrys Armen lag. All diese traurigen Geschichten über diese Männer, deprimierten mich. Es hieß immer, dass all die Leute schlecht waren, die Deutschland schaden wollten und dazu gehörten auch Harry, Liam und Zayn. Doch wie konnten sie so schlecht sein, während ihnen doch so viel Schlechtes wiederfuhr? Immer und immer wieder.
Mich überkam das Bedürfnis mich noch näher an Harry zu pressen, doch ich ließ es nicht zu. Stattdessen sagte ich vorsichtig: „Und du hast aufgehört zu weinen." Weil Harry nichts erwiderte, fügte ich hinzu: „Das ist, was mit dir passiert ist. Du hast aufgehört zu weinen. Stimmt's?"
Ich spürte, wie seine Brust sich stärker hob und wieder sank. „Ich trauere, Annemarie", sprach er verhalten und seine Stimme verriet mir, dass er ehrlich war. „Zayn war ein guter Kumpane und ein guter Mensch, er hat es verdient, dass man um ihn trauert. Aber ich habe schon vor langer Zeit gelernt, dass es mich nicht zerreißen darf und das tut es nicht mehr. Du stirbst, wenn du all diese Sachen, die hier draußen geschehen, an dich heranlässt. Etliche, ... und schmerzhafte Male."
Nun wurde das Bedürfnis, seine Hand zu halten, zu stark und ich schob stumm meine Hand aus der Decke hervor und legte sie auf Harrys, dessen auf meinem linken Unterarm lag, um mich zu wärmen. Er zuckte erst zurück, doch ließ schließlich zu, dass ich meine Finger zwischen seine legen konnte, während ich die Kälte seiner Rückhand in meiner Innenfläche spürte.
Ich hörte mein Herz pochen und ich schwor, der Rhythmus seines Herzens, das gegen meinen Rücken schlug, synchronisierte sich mit meinem.
„Ist es verrückt, was wir hier tun?", fragte ich ihn, nachdem einen Moment Ruhe herrschte und man nur noch unsere gleichmäßigen Atemzüge hören konnte.
Harrys Finger verengten den Griff um meine und er drückte mich etwas fester zu sich. „Es ist erst verrückt, wenn wir dafür sterben."
„Aber es ist falsch", flüsterte ich, beobachtete seinen Daumen, der über meinen strich und ein angenehmes Prickeln hinterließ. „Du solltest nicht hier sein, aber du bist es dennoch."
Die Wärme seines Atems verteilte sich intensiver an meinem Ohr, als er seinen Kopf etwas an meinen lehnte. „Vielleicht sollten wir nicht darüber nachdenken. Ich war schon lange nicht mehr in Situationen, in denen ich nicht darüber nachdenken musste, was richtig und was falsch ist. Ich würde das gerade gerne genießen."
Ich nickte leicht und schwieg wieder für einen Augenblick. Mir gefiel die Art, mit der er mit mir sprach. Seine Worte empfand ich, als wären sie von Grund auf ehrlich und außerdem ließen sie mich weniger irre fühlen. Mir war durchaus bewusst, dass ich nicht mehr die Einzige war, die Harrys Nähe genoss und sie mich vergessen ließ, in welcher Welt wir lebten.
„Wie ist das passiert?", fragte ich Harry und strich mit meinem Zeigefinger über eine längliche Narbe, die zwischen Daumen und Zeigefinger begann und sich bis in seine Handfläche zog.
Harry drehte seine Hand bedacht um, ohne dass sich meine von seiner Haut entfernte. Nun erkannte man, dass die Narbe quer über seine Innenfläche ging und kurz über seinem Puls endete. Es sah grauenvoll aus, zumal sie noch nicht ganz abgeheilt war.
Ich musste mich anstrengen, mir nicht anmerken zu lassen, wie beunruhigend ich diesen Anblick fand.
„Ein paar Tage bevor Pattons den Befehl erteilt hat, euch zu überfallen, geriet unser altes Platoon in einen Hinterhalt", erzählte Harry, als wäre es eine Gute-Nacht-Geschichte. Eine schaurige Gute-Nacht-Geschichte. „Ein Nazi erwischte mich mit dem Messer in meiner Hüfte und wollte wieder zustechen, aber ich konnte es in meiner Hand festhalten." Er schloss seine Hand und öffnete sie dann wieder, als müsste er sich selbst demonstrieren, wie schmerzhaft es gewesen war. „Es waren ziemliche Schmerzen, aber hat mir das Leben gerettet, denke ich."
Liebevoll ergriff ich seine Hand nun auch mit meiner zweiten, strich über die Narbe und spürte das verkrustete Blut. Harry ließ es einfach zu, was mich beruhigte. „Das war der Tag, an dem euer Sergeant umgebracht wurde", traute ich mich zu sagen. „Sergeant Pepper, so hieß er."
Es war unmerklich, dass dieses Thema heikel für Harry war, aber alles, was wir erlebten, war heikel. Wieso also nicht darüber sprechen?
„Ja ...", antwortete Harry monoton. „Das war der Tag an dem Sergeant Pepper erschossen wurde."
„Tut es weh?"
„Was? Dass Pepper tot ist oder die Narbe?"
Ich verzog traurig den Mund. Es gab zu viele Dinge, die wehtun konnten, das musste man sich immer wieder bewusst werden. „Ich meinte die Narbe ..."
Harry schloss seine Hand wieder und führte sachte wieder seine Finger zwischen meine, legte sie somit auf meinen Unterarm. „Es werden immer schmerzhafte Rückstände bleiben", erwiderte er. „Ob ich es noch spüre oder nicht."
Natürlich nahm ich seine Antwort auf metaphorische Art und Weise auf. Sergeant Pepper war wohl ein guter Mann, denn ich hörte schon viele Soldaten über ihn reden, nicht nur Harry. Und ich überhörte auch nicht, dass Sergeant Pepper immer einen Sohn ihn ihm sah. Jemanden, dem er vertraute und dem Harry vertraute.
Harry würde nun immer quälende Erinnerungen an ihn haben, denn so war es, wenn man jemanden verlor, der einem wichtig war. Ob er noch an ihn dachte oder nicht. Harry konnte ihn nie vergessen. Auch wenn er es nie aussprach.
„Harry", sagte ich im Flüsterton, nachdem es wieder eine Weile still war.
„Ja?"
Ich zog seine Hand näher zu mir, am liebsten würde ich sie küssen, aber ich tat es nicht. Er hielt mich zwar, aber ich selbst war noch nicht so weit, solche Dinge zu tun. „Wirst du mich öfter so halten?", fragte ich, wusste allerdings schon die Antwort.
Er dachte für einen Augenblick nach, strich immer wieder mit seinem Daumen über meine Rückhand. Man hörte Grillen zirpen, leise Stimmen, sie waren aber weit weg. Im Moment waren nur noch Harry und ich hier, niemand sonst, war erwähnenswert.
„Ich muss es sagen." Tatsächlich hörte ich heraus, dass Harry schmunzelte. „Nachdem du deine Kleidung fallen lassen hast, bin ich waghalsiger geworden."
Oh nein, schoss es mir sofort in den Kopf, genauso wie das Blut, das meine Körpertemperatur im Sekundentakt steigen ließ. Wie hätte ich auch denken können, dass diese Szenerie nicht zu einem Gesprächsthema werden würde? Natürlich sprach er es an.
Harry schien zu bemerken, dass ich mich unendlich schämte, deswegen feixte er leise und die Intensität, mit der er mich hielt, wurde stärker. Ich spürte seine Nasenspitze auf meiner Schulter und für einen Augenblick dachte ich, er wollte mich dort küssen, aber schon kurz danach hob er wieder seinen Kopf an. „Ich entschuldige mich", meinte er amüsiert. „Ich weiß, dass dir zu viele Dinge unangenehm werden. Ab sofort reden wir nur darüber, wenn du es ansprichst."
Mit meiner freien Hand, bedeckte ich meine Augen, denn ich wurde immer röter. „Das klingt akzeptabel, wird aber nie passieren. Nie, nie, nie."
Harrys sanftes Lachen war so schön, ich wollte es ewig hören. „Aber ..."
„Nein, ich hole ihn jetzt, vollkommen egal, was Liam da erzählt!", unterbrach, wie aus dem Nichts, eine männliche Stimme unsere verspielte Stimmung und sofort wurden wir hellhörig.
Harry richtete sich so schnell auf, dass ich mit seinen hektischen Bewegungen nicht mithalten konnte, als er mich plötzlich unsanft auf den Rücken schmiss und mich am Oberarm nach unten drückte.
Ich wollte mich, einfach aus Instinkt, wehren und mich aufsetzen, aber er war stärker. „Harry, was soll ..."
Nun hielt er mir den Mund zu und presste meinen Kopf nach unten. Sein Blick war alles andere als belustigt, wie es noch vor zehn Sekunden war.
Seine freie Hand fuhr so schnell zu dem Ende meines Kleides, dass ich vom Glauben abkam, als er es nach oben schob und seine Finger in meinen entblößten Schenkel griff.
Ich fluchte gegen seine Hand, zappelte mit meinen Beinen, aber es schien zwecklos.
Was tat er hier?
„Styles!", rief die Stimme wieder streng und schon wurde das Zelt geöffnet und ein Mann, ich hatte nie mit ihm gesprochen, streckte seinen Kopf hinein.
Harry drehte seinen Kopf zu ihm, ließ mich aber noch immer nicht los, während der Blick des Mannes erst auf ihn und dann auf mich fiel, wie ich hilflos am Boden lag und man meine Unterwäsche sah.
„Was ist?", keifte Harry ihn böse an und ließ mein Bein los, sodass ich Kratzer spürte. „Sagte ich nicht, ich will nicht gestört werden?"
Der Mann grinste schelmisch und ich verstand gar nichts mehr. „Ah, schon verstanden. Deswegen wolltest du deine Ruhe." Er zwinkerte. „Sei schön grob, so macht es am meisten Spaß." Und schon war das Zelt wieder geschlossen, aber wir hörten den Mann noch sagen: „Walt sucht dich schon die ganze Zeit, vielleicht solltest du dich beeilen, bevor er rausbekommt, dass du die Kleine nagelst, die er unbedingt haben will."
Harry seufzte und ließ Kopf samt Schultern hängen. „Fünf Minuten!"
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