129.
Für die, die es nicht mitbekommen haben: Ich hatte Probleme mit meinem Laptop, deswegen konnte ich leider Gottes nicht schreiben, aber heute habe ich mir ENDLICH einen neuen zugelegt und jetzt macht das Schreiben vieeeel mehr Spaß als vorher, weil sich die Tasten einfach anfühlen, als würde ich mit Wolken schreiben und absolut NICHTS hängt und alles funktioniert und kacke, ey, heute kommt noch ein Kapitel!!!!!
Annemarie Dorner
Ich betrachtete mich im Spiegel und betete. Oh Gott, lass es ein guter Abend werden. Lass uns Spaß haben, lass alles so werden wie es einmal war. Und wage es dich, ihn mich anlügen zu lassen, wenn er sagt, dass er denkt, das Kleid seiner Mutter würde mir stehen.
Johanna hatte mir ein Kleid mit den Worten „hätte ich die Figur dazu, würde ich es noch tragen" herausgelegt. Es hatte den perfekten Weißton, lag eng um meine Hüften und hielt trotz kurzer Ärmel meine Schultern komplett frei. Ich hatte die Befürchtung, keines ihrer Kleider würde meinen Geschmack treffen, aber es stellte sich heraus, dass Johanna einen außerordentlich guten Geschmack für Mode hatte. Sie meinte, es sei ihr geheimes Hobby.
„Es ist viel zu freizügig", sagte ich unwohl und zupfte an den Ärmeln herum, die einfach nicht auf meine Schultern wollten. Dazu waren sie nun einmal nicht gemacht. „Findest du etwa nicht?"
„Keineswegs", meinte Johanna und lächelte mich durch den großen Spiegel in ihrem Schlafzimmer an. Sie saß auf dem Bett und legte den Rest ihrer Kleider, die ich anprobierte, zusammen. „Du siehst toll aus. Er wird es lieben."
Ich seufzte und ließ schließlich zu, dass meine Schultern nicht von Stoff bedeckt wurden. Es fiel mir schwer an diesem Abend zufrieden mit meinem Aussehen zu sein. Meine Haare lagen zwar so schön und offen wie schon seit einer Woche nicht mehr, mein Make-Up kaschierte meine Augenringe, doch trotzdem war da immer noch ein Gedanke in meinem Kopf: Das war nicht gut genug für Harry.
„Meinst du wirklich?", musste ich noch einmal nachfragen, al sich mich zu Johanna umdrehte. „Ich glaube, ich verliere jeden Moment die Nerven."
„Aber warum nur?" Sie erhob sich, stellte sich vor mich, lächelte mich an und strich mir mütterlich eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Du hast gelesen, was er in dem Brief über die geschrieben hat. Er ist gerade wahrscheinlich noch aufgeregter als du."
Da Harrys Mutter und ich eine ganze Stunde alleine zusammen verbracht haben, hatten wir auch viel Zeit, um uns mal ausgiebig zu unterhalten. Ich erzählte ihr, dass ich ihren Brief vor zwei Wochen in Deutschland empfangen habe und unter welchen Umständen er durch die Welt geschickt wurde.
Als ich ihr den vielmals beschrifteten Umschlag zeigte, stiegen ihr heimlich Tränen in die Augen. Sie konnte nicht fassen, wie viel Glück wir hatten, dass so viele Menschen geholfen haben, diesen Brief an „Anne, ihr Sohns Wunder" zu schicken. Die Wahrscheinlichkeit, sagte Johanna, dass mich dieser Umschlag wirklich erreichen würde, war für sie so gering, dass sie ihn schon am nächsten Tag, nachdem sie ihn abschickte, vergaß. Sie hatte niemals damit gerechnet, dass ich irgendwann vor ihrer Haustür stehen könnte.
Und sie erzählte mir, dass sie Harrys Brief zerrissen und zerknüllt in der Sofaspalte fand.
„Das war zu einer Zeit, in der ich dachte, er würde sich aufgeben", sagte sie traurig. „Ich hatte jeden Morgen aufs Neue Angst, ihn erschossen in unserem Wohnzimmer aufzufinden. Mir blieb nichts Anderes übrig, außer diesen Brief loszuschicken."
Tatsächlich hatte sie diese Angst viele, viele Jahre. Sie meinte, er hätte sich in dem letzten dreiviertel Jahr gebessert, aber sie wusste, dass er nicht mehr viel über das sprach, was ihn belastete. Das tat er mal, aber zu dieser Zeit nicht mehr. Er sei nie ein Mann gewesen, der viel von seinen Gefühlen preisgab, aber dieses Verhalten hatte sich verschlimmert, seitdem er aus dem Krieg zurückgekehrt war. Die Wandlung, die er dadurch durchmachte, sei für Johanna ein großer Schock gewesen.
„Aber sieh dich an", sprach Harrys Mutter weiterhin liebevolle auf mich ein, weil ich nicht aufhören konnte, an mir zu zweifeln. „Du bist so eine schöne Frau. Sogar George hat sich in dich verguckt. Und er ist eigentlich in ein ganz anderes Mädchen verliebt."
Das brachte mich zum Lachen. Zwar beruhigte ich mich nicht, aber ich wagte es immerhin, das Schlafzimmer zu verlassen, um Harry an der Haustür zu treffen. Er hatte schon nach uns gerufen, weil es bereits nach sechs Uhr war.
Ich schnappte mir Johannas kleine Abendtasche, die farblich zu meinem Kleid passte und schlüpfte in ihre schwarzen Pumps. Sie hatten zwei dünne Schnallen, die überkreuz über mein Gelenk und meinen Fuß gingen, somit hatte ich guten Halt darin. Nur, falls Harry und ich spontan entscheiden würden, einen kilometerlangen Spaziergang zu machen.
Als ich – mit unmenschlich schnell pochendem Herzen – zur Treppe lief, dachte ich, meine Knie würden einknicken, so aufgeregt war ich, Harry zu sehen. Wir hatten zwar den ganzen Tag miteinander verbracht, aber ich hatte ihn ganze vier Jahre vermisst. Es schien ein akuter Zustand zu sein.
Und als ich meine Hand auf das Treppengeländer legte, stand er dort. Er hatte sich, ungeduldig mit dem Finger auf dem Oberarm tippend, Arme verschränkt, an die Wand neben der Haustür gelehnt, die Augen geschlossen.
Es war eine Untertreibung, wenn ich behauptete, mir entwich jegliche Luft aus den Lungen, weil es mich so schockierte, wie attraktiv er in einem Anzug aussah. Ich hatte ihn nie in schicker Kleidung gesehen und ihn so betrachten zu können, sorgte beinahe für einen Infarkt meinerseits.
Sein Anzug hatte einen dunkelgrauen Ton, saß viel zu perfekt auf seinen breiten Schultern und schmiegte sich ordentlich an seine schmale Hüfte. Unter seinem Sakko trug er eine Herrenweste, die über seinem weißen Hemd zugeknöpft war. Seine Hose schmiegte sich locker an seine langen Beine und seine dunkelbraunen Schuhe glänzten bis zu mir. Ich konnte sogar die Sticknaht darin erkennen, sie mussten jede Menge Geld gekostet haben.
Und das aller erste Mal konnte ich Harry mit gestylten Haaren sehen. Er hatte seine mittlerweile leichte Lockenpracht etwas nach hinten gekämmt, sein Scheitel lag locker über seiner Stirn und reichte fast bis zu seinen Brauen.
Als hätte er gespürt, dass ich ihn anstarrte wie ein sabbernder Köter, öffnete er die Augen, stieß sich von der Wand ab und ließ die Arme sinken.
Oh je, du lieber Gott, du hast mir nicht zu viel versprochen. Denn als er mich sah, entspannten sich seine angespannten Schultern und er machte einen kleinen Schritt zurück, und oh je, du lieber Gott, ich liebte es.
Seine Augen wanderten meinen ganzen Körper auf und ab, während ich die Treppen herunterstieg. Es sah aus, als lagen ihm tausend Worte auf der Zunge, doch keines davon, konnte er aussprechen.
Doch das war in Ordnung. Denn mir ging es genauso. Harry war ein wunderschöner Mann. Sogar mit der kleinen Lücke in seiner rechten Braue, der Narbe an seinem Hals und den kleinen Malen in seinem Gesicht. Nichts konnte ihn entstellen.
Ich kam direkt vor ihm zum Stehen, als ich die letzte Stufe verließ. Trotz meiner hohen Schuhe, musste ich meinen Kopf leicht in den Nacken legen, um ihm in die Augen sehen zu können. Von nahem, vor allem dann, wenn man seine vielen bereits verheilten Verletzungen sah, war er noch anziehender.
Und er roch gut. Himmlisch gut.
Was war es nur für ein Wunder, dass ich hier stehen und ihn so ansehen durfte. Nach allem, was wir erlebt haben. Und nach allem, was gegen uns sprach.
„Ich glaube, er will dir sagen, dass du hübsch bist", unterbrach plötzlich eine mir nur allzu bekannte Stimme den ergreifenden Moment zwischen Harry und mir. Unsere Köpfe schwangen zu Lisbeth, die mit einer dicken Decke um die Schultern, auf der Couch saß. „Aber irgendwie hat er einen Frosch verschluckt.
George saß ihr gegenüber, sie spielten gerade Schach. Er sah mich nur mit riesigen Augen an.
Lisbeth schüttelte den Kopf, weil keiner der zwei Jungs etwas zu sagen hatte. „Ich kann nicht fassen, mit was für zwei Hohlköpfen ich in einem Haus lebe."
„Hey", beschwerte sich George sofort und warf ihr einen bösen Blick zu.
Ich schmunzelte, erheitert von diesen zwei tollen Kindern und blickte wieder zu Harry, der bereits die Tür öffnete. Er deutete mir, vor ihm zu gehen, was ich tat.
Für einen Augenblick blieb er noch im Türrahmen stehen und sagte zu Lisbeth und George: „George, wage es dich, Lisbeth gewinnen zu lassen." Dann schloss er sie hinter sich und trat zu mir hinaus.
Die Sonne ging bereits unter, der Himmel war in einem schönen orangenen Ton getränkt. Zu meinem Glück war es nicht kühl, denn das würde meinen nackten Schultern nicht zugutekommen. Erst jetzt fiel mir ein, dass ich vielleicht eine Jacke hätte mitnehmen sollen.
„Es ist ungewohnt, dich so zu sehen", sprach ich die ersten Worte, währenddessen schloss er die Tür ab. „Ich kenne dich nur in deiner Uniform."
Er drehte sich zu mir, steckte seinen Schlüssel in die Innentasche seines Sakkos. Seine Lippen schmückte ein sanftes Lächeln. „Leider wäre das heute Abend nicht die richtige Wahl gewesen." Zunächst hielt er mir den Arm hin, unter den ich mich direkt einharkte. Als wir die Treppen heruntergingen, fügte er hinzu: „Aber glaube mir, es wird lange dauern, bis ich mich an deinen Anblick gewöhnt habe."
Ich fragte mich, indessen mein Körper begann zu kribbeln, weil ich ihm so nahe war, ob ich dies als Kompliment verstehen durfte. Ich redete es mir zumindest so ein.
Als er die Zauntür öffnete und wir auf dem Bürgersteig standen, sah er zu mir hinab. „Bis in die Stadt ist es eine Weile zu laufen. Ist dir Autofahren lieber?"
„Ist dir Autofahren lieber?"
„Wir haben noch ein bisschen Zeit, bis unsere Reservierung aufgehoben wird, also stört mich laufen nicht."
Deswegen nickte ich. „Lass uns laufen."
Also gingen wir gemeinsam in die Stadt. Ich kämpfte dauerhaft damit, meinen Kopf nicht an seinen Arm zu lehnen, weil ich ihm nicht nahe genug sein konnte. Sowieso fühlte sich sein Körper toll an. Es gab keinen Mann auf der Welt, bei dem ich mich so sicher und beschützt fühlte wie bei ihm. Er umgab mich mit diesem wohligen Gefühl von Geborgenheit, das ich seit Jahren nicht mehr verspürte.
Und schon ab dem ersten Moment, in dem wir das große Restaurant betraten, bemerkte ich, dass ich nicht die Einzige Frau auf dem Planeten war, die Harry durchaus attraktiv fand. Die Köpfe der weiblichen Gäste drehten sich im Sekundentakt zu uns herum. Sogar von denen, die ganz offensichtlich selbst eine Verabredung hatte.
Doch ich nahm es ihnen nicht übel. Keiner dieser Männer hier, strahlte das aus, was Harry ausstrahlte. Charme, Stärke und Autorität.
Er lief hinter mir, als wir zu unserem Tisch geführt wurden. Ich erinnerte mich, dass er damals auch immer darauf bestand, hinter statt vor mir zu gehen.
Dann saßen wir dort. An einem kleinen viereckigen Tisch, der bedeckt war mit silbernem Besteckt und hellgrünen Servietten. Eine kleine Kerze, die mit einer roten Rose geschmückt war, stand zwischen uns. Es roch quasi nach Romantik.
Trotzdem konnte ich nicht beschreiben, wie gut das Licht der Kerze Harrys Gesicht beleuchtete. Seine Konturen stachen heraus, man sah alles an ihm, was so schön war. Es fiel mir schwer, ihn nicht die ganze Zeit über die Speisekarte anzusehen.
„Wir sollten Alkohol trinken", sagte Harry zu meiner Überraschung, als der Kellner uns nach dem Getränkewunsch fragte. „Am besten starken Alkohol."
Ich verstand sofort, warum er das sagte. Die Anspannung zwischen uns schien einfach nicht verfliegen zu wollen. Ich war froh, dass ich nicht die Einzige war, die es spürte.
„Wie wäre es mit einem lieblichen Château", schlug der Kellner lächelnd vor. „Zum Einstieg in einen netten Abend ist er grandios."
Harry überreichte ihm unsere Getränkekarten. „Sehr gut. Wir nehmen eine ganze Flasche."
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