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107.

        Leute. Es tut mir leid.

Annemarie Dorner, 4 Jahre später

Ich starrte auf einen Mann, der mir trostlos in die Augen sah. Ich kannte diese Augen, kannte diesen leeren Blick darin. Wenn der Mensch, der das Bild dieses Mannes hier in diesem bunten Raum aufhängte, diesen Ausdruck genauso gekannt hätte, hätte er es nie an die Wand genagelt.

Es war das Bild eines überlebenden deutschen Soldaten. Der Inhaber dieser Schneiderei muss mächtig stolz auf seinen Sohn gewesen sein, wenn er seine toten Augen seinen Kunden präsentieren wollte.

Er hatte ja keine Ahnung, wie krank und erschöpft Augen wie diese doch wirklich wirken konnten.

„Was sagen Sie zu dieser Farbe?"

Blinzelt fand ich wieder in das Hier und Jetzt und blickte auf das hellgrüne Kleid, das mir Frau Koch, die Schneiderin entgegenhielt. Sie betrachtete mich fragwürdig, als wüsste sie, dass sie mich gerade aus tiefen Gedanken gejagt hätte.

Ich richtete mich gerade auf und setzte ein sanftes Lächeln auf. „Das ist eine tolle Wahl. Ich denke, es wird ihr gefallen."

Frau Koch atmete erleichtert aus. „Sehr schön. Ich werde es Ihnen noch hübsch einpacken, wenn es Ihnen recht ist."

Ich nickte und erhob mich von dem weißen Sessel, auf dem ich eine Stunde verbrachte, um Annel das perfekte Kleid für ihren sechzehnten Geburtstag zu kaufen. Sie hatte mir schon vor Wochen gesagt, wie gerne sie ein Kleid hätte, das nicht so aussieht wie der anderen jungen Mädchen, wenn sie demnächst ihren Schulabschluss feiern würde.

Als ich der Schneiderin hundertfünzig Deutsche Mark überreichte, fiel mein Blick noch ein letztes Mal auf das Bild des Soldaten. Mit den Jahren wurden immer mehr Bilder von Männern wie ihm in Läden aufgehängt. Eltern, Geschwister, Großeltern oder Tanten und Onkeln waren stolz auf ihre starken Kämpfer. Sie wollten jedem zeigen, dass ihr Sohn stark genug war, um im Krieg zu überleben.

Bilder von gefallenen Soldaten hingen nie dort. Diese waren verschlossen in Schubladen. Eine Schande. Die, die es nicht geschafft haben, haben es verdient, gesehen und gefeiert zu werden. Erst recht diese.

„Ich wünsche Ihnen noch einen schönen 8. Mai, Frau Dorner", lächelte mir Frau Koch entgegen, als ich meine Geldbörse wieder einpackte und mir das Geschenk nahm.

Ich öffnete die Tür des Ladens und hob ebenso meine Mundwinkel, egal wie schwer es mir fiel. „Wünsche ich Ihnen auch." Dann machte ich mich auf den Weg nach Hause.

Mich traf es jedes Jahr wie ein Schlag, wenn der 8. Mai war. Mir erschien es schon immer falsch, einen Tag zu preisen, an dem zwar dieser Krieg endete, aber trotzdem noch tausende Menschen ihr Leben lassen mussten.

Allein wegen der Tatsache, dass Harry diesen Tag nicht einmal miterleben durfte, sondern drei Tage vorher verstarb, ließ mich diesen Tag hassen.

In der Stadt war viel los. Erwachsene Frauen und Männer liefen durch die Läden und kauften Geschenke für ihre Liebsten. An diesem Tag schenkten sie sich meistens Blumen und Schokolade. Ab und zu spielte sogar ein kleines Orchester vor dem Musikgeschäft. Eigentlich schienen die Menschen auf irgendeine Art und Weise glücklicher an diesem Tag zu sein. Sie vergaßen total, dass das Ende des Krieges noch lange nicht das Ende war.

Denn noch immer liefen Soldaten durch die Straßen, noch immer gab es Deutsche, die versuchten so zu sein wie Hitler es wollte. Es gab viele Tumulte, noch immer wurde auf Menschen geschossen und am 8. Mai waren noch lange nicht letzten Bomben geflogen.

Doch es wurden auch viele Menschen gerettet. Amerikanische Truppen hatten die Konzentrationslager in Deutschland und Polen entdeckt und zerstört. Jahre des Hasses kamen auf uns zu. Politiker wurden ermordet oder ermordeten sich selbst. Geheimnisse, von denen dieses Land keine Ahnung hatte, wurden aufgedeckt. Noch heute, vier Jahre später, wussten wir nicht, ob wir wirklich endlich alles wussten.

Meine Augen waren auf ein Pärchen gerichtet, das gerade kichernd auf einer Parkbank saß und sich verliebt anschmachtete. Sie genossen die Sonne, wie all die anderen Leute um sie herum.

Ich tat es auch, bis das Brummen eines ganz bestimmten Autos neben mir auftauchte und mir schon jetzt der perfekt geputzte Lack des schwarzen Cabriolets entgegenblitzte.

„Kaum zu glauben!", rief der Mann hinter dem Steuer mir entgegen, als ich nicht einmal versucht war, anzuhalten, sondern weiterlief. „Was ein Glück muss ich haben, einem blonden Engel auf der Straße zu begegnen!"

Ich versuchte, meine Augen nicht zu verdrehen, aber es gelang mir nicht. Ich setzte ein falsches Lächeln auf und grüßte Samuel, der mit einer Sonnenbrille und dem Arm lässig über der Autolehne, hinter dem Steuer saß. „Hallo Samuel", grüßte ich ihn. „Dir scheinen nie die schmeichelnden Sprüche auszugehen."

Er warf den Kopf in den Nacken und lachte sein typisches Samuel-Lachen. „Bei einer hübschen Frau wie dir, könnte ich ein ganzes Buch damit füllen!"

Beschämt darüber, dass er sich absolut nicht schämte, wenn er so mit mir in aller Öffentlichkeit sprach, lachte ich peinlich berührt auf. Mich starrten bereits viele Passanten an, wenn die Blicke der Frauen eher neidisch wirkten. Samuel war nämlich ein attraktiver Mann. Und das nicht nur, weil man ihm auf den ersten Blick ansah, dass er jede Menge Geld hatte, womit er sich erst dieses glänzende Auto leisten konnte, das so langsam neben mir herfuhr.

„Ich bin auf dem Weg zu deiner Schwester!", rief er mir wieder zu. „Dein Vater hat mich eingeladen! Spring rein, ich nehme dich mit!"

Natürlich hatte mein Vater ihn eingeladen. Er war keine Ausnahme, wenn es darum ging, Samuel zu vergöttern. Mein Vater arbeitete mit Samuels Vater zusammen und schon als dieser schwarzhaarige, gut gebaute, reiche junge Mann ihm unter die Augen trat, stand für ihn fest, dass Samuel mich unbedingt kennenlernen sollte. Und damit kämpfte ich nun bereits drei Monate.

„Ich wollte noch Blumen für Tante Elisa kaufen!", versuchte ich mich herauszureden. „Fahr doch schon mal vor, ich werde sofort nachkommen!"

Doch Samuel wäre nicht Samuel, wenn er keine passende Antwort parat hätte. Er hielt zeigte mir einen riesigen Blumenstrauß, der nur aus roten Rosen bestand und deutete dann auf den Beifahrersitz. „Ich habe bereits für alles gesorgt! Also komm schon, lass uns fahren!"

Mir fiel keine weitere Ausrede ein, deswegen war ich gezwungen, einzusteigen. In Samuels Auto roch es immer nach Zimt und Minze. Zimt, weil er immer eines dieser penetrant riechenden Duftbäumchen an seinem Rückspiegel hingen hatte und Minze, weil er den ganzen Tag Kaugummi kaute. Er müsse immer gut aus dem Mund riechen, sagte er dazu. Man wollte sich doch mit niemandem unterhalten, der unangenehm roch.

„Hm, du duftest wundervoll", ummantelt er mich mit Komplimenten, als ich die Autotür schließe und Annels Geschenk auf meinen Schoß lege. „Noch schöner als die Rosen."

Ich wand mein Gesicht von ihm ab und betrachtete stattdessen die Häuser, die an uns vorbeizogen, als er losfuhr. „Du könntest tatsächlich ein ganzes Buch damit füllen."

„Meine Anne!" Wieder lachte er lauthals und legte seine Hand auf mein Knie, das zum Glück noch mit meinem Kleid bedeckt war. „Ich liebe deinen unvergleichbaren Humor."

Mit der Zeit hatte ich mich daran gewöhnt, dass er sich nicht scheute, wenn es um Körperkontakt ging. Aß er mit unserer Familie gemeinsam zu Abend, lag seine Hand unter dem Tisch auf meinem Bein. Lud er mich ins Kino ein, legte er seinen Arm um meine Schultern und gab er mir ein Eis aus, hielt er meine Hand.

Ich wusste nie, was er und ich eigentlich waren. Eigentlich konnte ich ihn nicht ausstehen. Sein Grinsen war zu breit, seine Augen zu dunkel und seine Haare immer zu perfekt zur Seit gekämmt und mit Haarschaum fixiert. Sein Bart war stets rasiert und sein Kleidung immer geschmückt mit einer Bügelfalte. Sogar seine vielen Herrenschuhe glänzten jeden Tag, man könnte meinen, er putzte sie stündlich.

Samuel legte seinen Arm um meine Hüfte, als wir die Treppen zu unserem Haus hinaufliefen. Er klingelte für uns und ich machte unauffällig einen halben Schritt von ihm fort, damit er mich losließ. Aber er war schnell genug und konnte mich festhalten, indem er mir in die Seite piekte.

„Na, wo willst du denn hin?" Er zog mich an sich heran und hob seinen rechten Mundwinkel. „Du willst mir doch nicht etwa deinen angenehmen Duft vorenthalten, oder?"

„Wie könnte ich?", entgegnete ich ihm und zerquetschte beinahe Annels Geschenk in meiner Hand.

Er betrachtete mich von der Seite und strich mir dann mit seiner Hand eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Ich habe heute übrigens noch eine Überraschung für dich."

„Eine Überraschung?", stieß ich heraus, obwohl ich eigentlich „Himmel, bitte nicht" sagen wollte.

Noch bevor er weiter darauf eingehen konnte, wurde die Tür von Tante Elisa geöffnet, die noch immer die gleiche Kochschürze um die Hüfte gebunden hatte, wie heute Morgen, als ich das Haus verließ. Als sie Samuel sah, setzte sie das breiteste Grinsen aller Zeiten auf. „Oh, was ein Glück!" Sie umarmte ihn fest und zog ihn hinein. „Ich wusste, du würdest kommen!"

Samuel nahm die Situation gelassen – wie immer – entgegen und war der Gentlemen, der er natürlich war, als er Tante Elisa den Blumenstrauß überreichte. „Aber selbstverständlich, Frau Walter. Bestrafe mich Gott, sollte ich jemals zu einem Essen in Ihrem Haus Nein sagen."

Schlagartig lief Tante Elisa rot an und kicherte wie ein kleines Mädchen. „So ein amüsanter junger Mann. Sind die Rosen etwa für mich?"

Samuel verbeugte sich ein wenig. „Ich hätte sie ebenso gerne Annemarie geschenkt, aber ich denke, heute mache ich mal eine Ausnahme."

Das hohe Lachen, das aus Tante Elisas Kehle kam, ließ mich das Gesicht verziehen. Sobald Samuel anwesend war, fühlte sie sich um dreißig Jahre in der Zeit zurückversetzt. Er erinnerte sie immer an Paul, ihren Ehemann. Der heute allerdings ein dickbäuchiger, griesgrämiger Mann war, der den ganzen Tag mit Zeitung lesen und schlafen verbrachte.

„Geh doch schon mal hinein", sagte sie zu ihm und schubste ihn beinahe in unser Wohnzimmer. „Wir Frauen werden gleich hinterherkommen."

„Aber lasst euch nicht zu lange Zeit!", rief Samuel noch, bevor er um die Ecke verschwand, von wo schon der Geruch von frisch gebackenem Kuchen kam.

Ich zog ließ meine Handtasche zu Boden fallen und schloss die Haustür hinter mir. „Ich habe Vater gesagt, er möchte ihn bitte nicht einladen. Wieso hört er nie auf mich?"

„Ach, Anne, er fällt doch niemandem zur Last", meinte Tante Elisa und drückte den Rosenstrauß an ihre Brust. „Hast du ein hübsches Kleid für die kleine Anneliese gefunden?"

Seufzend betrachtete ich das Geschenk in meiner Hand. „Es sollte ihr gefallen. Ist sie noch oben?"

„Sie macht sich noch einmal die Haare schön, ja." Tante Elisa warf einen prüfenden Blick zum Wohnzimmer und dann hinter sich, bevor sie mich am Arm packte und mich näher an sich heranzog. „Hast du schon von Samuels Überraschung gehört?"

Verwundert darüber, wie geheimnisvoll sie mit mir sprach, runzelte ich die Stirn. „Er hat etwas angedeutet, aber ich weiß nicht genau, wovon er spricht."

Und daraufhin grinste sie wieder schwer seufzend. „Hach, Kind, du bist eine zu beneidende Frau. Aber bist du dir sicher, dass du dir nicht auch noch einmal die Haare kämmen möchtest?"

„Sind meine Haare relevant für die Überraschung?"

„Ich möchte nur, dass du hübsch aussiehst, wenn du heute neben Samuel sitzt."

Ich rollte mit den Augen und entwich ihrem Griff, um das Wohnzimmer zu betreten. „Mach dich lieber auf die Suche nach einer Vase, in die die vielen Rosen hineinpassen!"

Heute war ich nicht gut aufgelegt. Ich war mir nicht sicher, ob es nur an Samuel lag, Tante Elisas Verhalten oder der Tatsache, dass der 8. Mai war. Jeden Tag hatte ich tausend Gründe, schlecht gelaunt zu sein. Es erschien mir bereits wie ein Dauerzustand.

Mein Vater saß bereits an dem großen Esstisch, als ich das Wohnzimmer betrat. Samuel hatte sich zu ihm gesetzt, gemeinsam sprachen sie über das gestrige Fußballspiel. Samuel war nämlich ein begnadeter Spieler, noch dazu Kapitän der Berliner Fußballmannschaft, die mein Vater so liebte.

Manchmal hasste ich Samuel dafür, dass jeder ihn für so perfekt hielt. Objektiv gesehen, hatte er alles, was ein Mensch brauchte, um gemocht zu werden. Er war nett, höflich, zuvorkommend und drückte sich stets gehoben aus. All dies kotzte mich an.

„Werde ich heute nicht von dir begrüßt?", sprach mein Vater mich an, als ich Annels Geschenk auf ihren üblichen Platz legte.

„Wir haben uns heute schon begrüßt", gab ich zurück und setzte mich an die andere Seite des Tisches. Ich schenkte mir Kaffee ein. „Oder verlangst du nach einer stündlichen Erinnerung, dass ich noch lebe?"

Mein Vater warf mir über den Rand seiner Lesebrille einen strengen Blick zu. „Es ist nicht zu viel verlangt, Respekt zu zeigen und mir einen Guten Tag zu wünschen."

Ich ignorierte seinen Blick und streute etwas Zucker in mein Getränk. „Ich wünsche dir einen Guten Tag, Vater. Zum zweiten Mal."

Das Verhältnis zwischen ihm und mir ist nicht zu vergleichen mit dem von vor vier Jahren. Ich hatte mir immer gewünscht, man würde ihn einsperren für das, was er damals getan hat. Er hatte mich viel geschlagen, ich hatte ihn viel beschimpft und noch heute hasse ich ihn dafür, dass er mir Harry weggenommen hat. Aber all dies interessierte ihn nicht. Genauso wie damals, tat er so als hätte der Krieg niemals existiert. Er wollte eine ganz normale Familie haben, wenn auch ohne unsere Mutter. Um die er niemals auch nur eine Sekunde trauerte. Zumindest nicht in meiner Gegenwart.

„Wo ist denn der Alte Walter?", warf Samuel mit guter Laune eine Frage in die angespannte Stimmung. Er war immer gut darin, gute Laune zu verbreiten. „Er sitzt heute gar nicht mit Bademantel und Zeitung in der Hand auf dem Sofa."

„Er hat das Land verlassen, als ich ihm gesagt habe, dass du heute auch hier sein wirst", sagte Annel, die gerade das Wohnzimmer betrat.

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