Kapitel 33
• I S A A C •
Ich erkenne ihn schon, als er noch ein paar Meter weiter entfernt stand. Mein Herzschlag setzt aus, als er sich langsam mir nähert. "Isaac? Was zur Hölle tust du hier?" "Das könnte ich dich genauso fragen, Kay", erwidere ich.
Er sieht mich vollkommen überrumpelt an. Als sein Hund mich anspringen will, hocke ich mich mit einen kleinen Lächeln hin und kraule ihn. "Du solltest nicht hier sein, Isaac." Er klingt beinahe verzweifelt. Ich schaue zu ihm hoch. "Doch, sollte ich. Ich kann dich nicht vergessen, Kayden. Und ich weiß, dass es dir auch nicht leicht fällt."
Vielleicht war die Aktion ein bisschen heikel, aber was sollte ich denn tun? Ich wurde von meinen Gefühlen für ihn hierher geführt. Und dagegen konnte und wollte ich nicht ankämpfen.
"Du bist doch vollkommen bescheuert! Verschwinde und sei für deine Familie da." Kay dreht sich von mir weg und kramt nach seinen Schlüssel. Ich mache aber keine Anstalten, zu gehen, und folge ihm nach drinnen, als er ins Haus flüchten will. "Sag mal, geht's noch?" "Es wird gleich wie aus Eimern regnen. Willst du etwa, dass ich mir den Tod hole?", frage ich ihn, während wir die Treppen nach oben laufen. "Wäre nicht schlecht, dann muss ich wenigstens nicht befürchten, dass du mir überall auflauerst." "Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass das sowas von gelogen ist. Wenn das passieren würde, wärst du derjenige, der jeden Sonntag an mein Grab kommt und es pflegt." Er lacht auf. "Davon kannst du gerne träumen", brummt er und will in seine Wohnung gehen, doch ich schlüpfe ebenfalls hinein, bevor er mir die Tür vor der Nase zuknallen kann. "Man, Isaac!"
Ich sehe mich um. Es ist eine ziemlich kleine Wohnung. Sie ist halt nur für den Übergang zu gebrauchen. Doch sie ist erstaunlicherweise blitz blank. Wenn ich mit meinem Finger über verschiedene Flächen gehen würde, wüsste ich, dass nirgends Staub liegt.
Selbst an der Tür stehend, erkenne ich, dass er aus dem kleinen Fenster eine tolle Aussicht auf einen Park hat.
Mein Blick wandert weiter. Es scheint, als würde er im Wohnzimmer schlafen. Die Küche grenzt direkt an dieses Zimmer und eine weitere Tür wird wohl ins Badezimmer führen.
Das heißt wiederrum, dass er täglich auf dieser abgenutzten Couch schlafen muss, was wirklich nicht gut für sein Rücken ist.
"Bist du fertig, hier alles zu analysieren?", fährt mich Kayden an und geht augenverdrehend an mir vorbei. "Gemütlich hast du es hier-" "Es ist für den Übergang, Isaac. Wenn alles steht, werde ich mir eine größere Wohnung suchen, vielleicht auch ein kleines Häuschen." "Du könntest aber auch bei mir bleiben", meine ich mit leiser Stimme, weiß aber, dass er es gehört hat.
"Isaac, du weißt, dass das nicht möglich ist. Warum machst du es uns also so schwer, indem du nach Monaten vor meiner Tür stehst?" "Weil ich dich liebe, verdammt. Und du liebst mich auch, weshalb ich nicht verstehen kann, wie du uns so leichtfertig aufgeben konntest, obwohl wir endlich glücklich hätten sein können."
Er lacht auf. "Diese Entscheidung war mir auch nicht leicht gefallen-" "Aber warum-" "Was nicht heißt, dass sie deshalb falsch ist", unterbricht er mich, dreht sich aber nicht zu mir um. Ich starre noch immer nur seinen Hinterkopf an, während er irgendwas in der kleinen Küche tut.
Er traut sich nicht, mir in die Augen zu schauen, weil er weiß, dass er nachgeben würde...
Entschlossen gehe ich auf ihn zu, entledige mich währenddessen von meinem vom Regen durchnässten Mantel. "Kayden." Er schweigt. "Sieh mich an, Kay." Noch immer keine Reaktion. Ich stehe nun direkt hinter ihm und auch er hat es bemerkt, er wirkt vollkommen angespannt.
"Hast du eine Ahnung, was du mit mir machst? Wie sehr ich unter diese ganze Situation leide? Ich bin zu der Frau zurückgekehrt, weil du mich darum gebeten hast...Und ich bereue es. Es macht mich innerlich so fertig, jeden Abend neben ihr einzuschlafen und jeden Morgen neben ihr aufzuwachen, und zu realisieren, dass sie nicht du ist. Obwohl wir uns seit Monaten nicht gesehen haben, du keinen meiner Anrufe oder Nachrichten beantwortet hast, warst du doch immer stets bei mir. In meinem Kopf hast du mich verfolgt", meine Kehle schnürrt sich zusammen, "Wie kannst du nur daran denken, dass ein Umzug auf einen anderen Kontinent die Lösung dafür ist, dass du mich vermisst? Ist es das alles wirklich wert? Hast du auch einmal an die anderen gedacht? Wie sehr deine Familie und deine Freunde dich vermissen werden? Es würde deiner armen Mutter das Herz brechen...genauso wie Emma. Sie wäre so unglücklich-" "Hör auf damit", raunt er mit belegter Stimme.
Ohne weiter darüber nachzudenken, drehe ich ihn zu mir um und presse meine Lippen auf seine. Den Überrasschungsmoment nutze ich, um unseren Kuss zu vertiefen. Warum ist er nur so gefühllos? Wo ist der Kayden hin, der nur so vor Emotionen sprühte?
*Flashback*
Vor 12 Jahren...
"Wo gehen wir hin, Isaac?" Ich ziehe Kayden grinsend hinter mir her, ohne auf seine Frage zu antworten. Wenn ich sagen würde, wohin wir gehen, wäre es doch keine Überraschung.
Es ist mitten in der Nacht, er war ganz verschreckt, als ich so plötzlich in seinem Garten stand und bat, dass er mal runterkommt.
Wir kannten uns noch nicht lange, erst ein paar Monate. Er ist mir schon etwas länger aufgefallen - sein Lächeln, seine Augen, seine süßen Locken. Diese Gefühle, die immer aufkamen, wenn ich ihn sah...sie haben mich verwirrt.
Mochte ich Kay? Natürlich, er war eine tolle Person, er konnte mich zum Lachen bringen, war ein guter Zuhörer, ein guter Freund. Ich fühlte mich wohl in seiner Nähe.
"Isaac bitte, es ist kalt und morgen ist Schule", quengelt mein Freund. "Wir sind ja gleich da." "Und wo ist 'da'? Was ist 'da'?" "Lass dich einfach überraschen." "Du bist doch blöd...Warum bin ich nochmal mit dir befreundet?" "Weil ich der coolste bin", erwidere ich stolz.
Plötzlich stolpert er, doch ehe er hinfallen kann, findet er sich in meinen Armen wieder. Trotz der Dunkelheit kann ich ein kurzes Leuchten in seinen Augen erkennen, als unsere Gesichter nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt sind.
Das komische Gefühl ist wieder da...
"Du bist echt ein kleiner Tollpatsch", ziehe ich ihn auf, während er sich aufrichtet. Kay schnaubt. "Nur wegen dir bin ich hier! Um diese Uhrzeit sollten wir beide in unseren Betten liegen. Stell dir mal vor, unsere Eltern entdecken, dass wir nicht da sind...Meine Mum bringt mich u..." Ich halte ihm den Mund zu und deute mit der anderen Hand in den Himmel hinauf. "Schau mal, es müsste gleich soweit sein."
Wir stehen mitten auf einen Feld, welches ein bisschen außerhalb liegt. Aber um diesen Anblick genießen zu können, lohnt es sich auf jeden Fall.
"Was soll denn da sein? Isaac, die Sterne hätte ich auch von meinem Fenster aus sehen können." "Jetzt warte doch mal ab", meine ich und setze mich auf die Wiese. Er tut es mir nach einem kurzen Moment nach und schaut dann wie gebannt nach oben. "Es ist schön hier", höre ich ihn sagen. Meine Augen liegen auf ihn. Ich möchte seine Reaktion sehen.
Ein paar Minuten vergehen, in denen wir schweigend dasitzen. Als er zu zittern beginnt, lege ich meinen Arm schützend um ihn. Da sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, kann ich erkennen, dass sich seine Wangen rot färben. "Ist es dir unangenehm?", frage ich augenblicklich und will mich gerade wieder zurücklehnen, als er den Kopf schüttelt. "Nein, e-es ist...schön." Lächelnd schmiege ich mich enger an ihn.
"O mein Gott!" In diesem Moment erscheint eine Sternschnuppe über dem Himmel. "Hast du sie gesehen?", ruft Kay begeistert aus. Das war die erste, die er bisher gesehen hat. Ich wollte ihm unbedingt diesen Moment schenken, nachdem er mir vor einiger Zeit anvertraut hatte, noch nie eine gesehen zu haben.
"Wünsch dir etwas", flüstere ich ihm ins Ohr. Er dreht seinen Kopf langsam zu mir um, unsere Nasenspitzen berühren sich beinahe. In seinen Augen haben sich Tränen gesammelt. "Dankeschön, dass du mir das gezeigt hast", sagt er leise. Eine kleine Träne löst sich und bahnt sich ihren Weg über seine weiche Haut. Ich hebe meine Hand und wische sie weg.
Dieses Kribbeln in meinem Bauch ist wieder da. Es macht mich nervös, weil ich nicht weiß, was es bedeutet.
"Gern geschehen. Jetzt musst du dir aber schnell etwas wünschen, bevor es zu spät ist. Sonst geht dein Wunsch vielleicht nicht mehr in Erf..." Ich höre auf zu sprechen, als Kayden sich langsam mir nähert. Mein Herz beginnt, schneller zu schlagen.
Und dann berühren sich unsere Lippen. Erst nur sehr leicht, vorsichtig. Seine Lippen sind unglaublich weich. Eine wohlige Wärme breitet sich in meinem Körper aus. Und sie bleibt auch, als wir uns kurz darauf voneinander lösen.
Kayden wendet sich schüchtern von mir ab und schaut auf seine Finger. "E-entschuldige", murmelt er eher für sich. Ich kann nicht anders als zu schmunzeln. "Du bist so süß." Erschrocken blickt er mich dann doch an. "W-was? Nein, bin ich nicht!" Ich lege wieder meinen Arm um ihn und hauche ihm einen Kuss auf die Wange. "Ich mag dich, Kay."
* Flashback Ende *
Seine Wangen sind feucht, er hat also gerade geweint, ohne dass ich es bemerkt habe. Schluchzend erwidert er den Kuss, schmiegt sich an mich und legt seine Arme um meinen Körper. All unsere Gefühle sind in diesem Kuss zu finden. Sie prallen alle auf einmal aufeinander, konfrontieren sich.
Doch dann drückt er mich von sich weg. "Bitte geh", sagt er leise und meidet meinen verwirrten und verletzten Blick. "Kayden, das...das kannst du nicht tun. Wir lieben uns, wie oft müssen wir uns das denn noch beweisen, bis es endlich funktioniert?", frage ich ihn zuletzt und bin kurz davor, einen Nervenzusammenbruch zu bekommen.
Er legt seine Hände auf meine Wangen und sieht mich mit seinen tränenüberströmten Augen an. "Ich liebe dich, Isaac. Du wirst immer der eine bleiben. Niemand wird jemals das in mir auslösen, was du bewirkst. Aber wir dürfen einfach nicht egoistisch sein. Es geht nicht alleine um uns beiden. Dein Kind wird es nicht verstehen." "Und du glaubst, es wird glücklicher sein, wenn es in einer Lüge aufwächst? Wenn seine Eltern ihm nur vorspielen, eine wirkliche Familie zu sein?" "Ich kenne das Gefühl, ohne Vater aufgewachsen zu sein. Es hat immer etwas gefehlt im Leben", er streicht mir eine Träne von der Wange, die ich gar nicht wirklich bemerkt habe, "Du musst mir verzeihen, Isaac."
Dann ist es jetzt also wirklich vorbei...
Wir haben beide verloren. Es gibt keine Chance mehr.
Ich atme tief durch und löse dann seine Hände von meinem Gesicht. Ohne ihn noch einmal anzusehen, drehe ich mich um und gehe zur Tür, nehme davor meinen Mantel von der Couch. "Bitte, Isaac!", ruft er mir schluchzend hinterher, als ich nach draußen trete und die Tür hinter mir schließe. Für immer.
Wie betäubt krame ich mein Smartphone aus meiner Tasche heraus, während ich die Treppen nach unten laufe, und wähle Katherines Nummer. "Isaac, wo steckst du? Bist du von allen guten Geistern verlassen, einfach abzuhauen, ohne Bescheid zu sagen?" "Ich komme zurück", ich trete in den kalten Regen, "und dann werden wir heiraten."
So ein beschissenes Kapitel 😫
Entschuldigt, meine Wortwahl, meine Lieben. Aber dieses Kapitel hat mich emotional echt fertig gemacht 😣
Lasst euren Gedanken freien Lauf...mir geht es nicht anders 😭
Ob sie überhaupt noch ein Happy End bekommen??
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