Eine Frage der Schuld
Tae POV
Als ich durch die Tür zum Eingangsbereich der Villa schritt, sah ich Namjoon, wie er einen bewusstlosen Kerl durch die große Empfangshalle schleifte.
Neugierig näherte ich mich und erkannte sofort den Typ vom Foto, der mit dem Hemd, mit den komischen gelben Pilzen drauf, - Y/n's Bruder, auch wenn er natürlich andere Klamotten anhatte. Er trug eine schwarze, enganliegende Jeans und einen schwarzen Kapuzen-Pulli, die Art von Sachen, die man anzieht, wenn man im Dunkeln nicht gesehen werden will. Ich musste grinsen, denn es hatte ihm wohl offensichtlich nichts gebracht.
"Wo habt ihr den denn aufgelesen? Und warum ist er bewusstlos?" Stellte ich meine beiden drängendsten Fragen, gleich beide auf einmal.
"Vielleicht packst du mal mit an, bevor du anfängst, Fragen zu stellen" raunzte mich Namjoon an, der den Typ unter den Achseln gepackt hielt und über den mit Marmor gefließten Boden schleifte.
Ich schielte zu Jin, der eben die Eingangstür schloss, er schien sich absichtlich damit Zeit zu lassen, wer weiß wie weit die beiden den Typ schon geschleppt hatten. Ich nickte also und griff beherzt die Beine von Y/Ns Bruder. Zusammen brachten wir ihn in das große Wohnzimmer und legten ihn auf die Couch, auf der ich bis eben noch gelegen hatte.
"Ich hole JK" sagte Jin, der es nun auch bis ins Wohnzimmer geschafft hatte.
Namjoon nickte nur, er wirkte geschafft, was meine Vermutung bestätigte, dass sie den Typ ein ganzes Stück geschleppt haben müssen.
"Also?" Ich musterte ihn neugierig "was habe ich verpasst?"
"Nicht viel." Namjoon grinste und zwei kleine Grübchen erschienen auf beiden Wangen. "Wir waren in dem großen Baugebiet für die Smartcity unterwegs, weil Jin dort Hongjoongs Versteck vermutete. Und dort haben wir in einer leerstehenden Druckerei Y/n'S Bruder aufgegabelt"
"...und gleich mal bewusstlos geschlagen" ergänzte ich Joons Erzählung.
Er rieb sich den Hinterkopf und lächelte entschuldigend, seine Grübchen strahlten auf seinen Wangen "war nicht viel dazu" sagte er und zuckte unbekümmert mit den Schultern.
"Was ist passiert? Habt ihr Hinweise zu Y/N?" fragte JK gleich, als er ins Wohnzimmer gehastet kam. Er trug noch seine gestreifte, grüne Pyjama Hose und hatte sich in der Hast ein weißes Hemd übergeworfen, das er nur eilig zugeknöpft hatte. Die Knöpfe waren nicht alle zugeknöpft und steckten teilweise in den falschen Knopflöchern. Seine Haare waren zerzaust und standen in alle Richtungen ab, trotzdem war er hellwach.
Suga folgte ihm auf dem Fuß, war aber alles andere als wach. Er trug seinen ausgebeutelten, dunkelblauen Lieblingspyjama und war ebenfalls noch ganz bettstrubbelig um den Kopf. Im Gegensatz zu JK hatte er sichtliche Schwierigkeiten damit die Augen offen zu halten.
Jin schüttelte den Kopf. "Von Ateez oder Y/N war leider nichts zu sehen, aber in einem leerstehenden Gebäude sind wir auf Y/N's Bruder gestoßen. Er schien dort nach etwas zu suchen."
"Er wird wohl seine Schwester gesucht haben" vermutete RM mit Blick auf Hoseok.
"Deshalb war er wohl auch alleine unterwegs" kombinierte Jin.
JK musterte Y/N's Burder argwöhnisch. "Mich würde interessieren, weshalb er sich überhaupt mit Ateez eingelassen hat. Zeit das herauszufinden." Sagte er kalt und es klang für mich wie eine Aufforderung.
"Hey" ich stieß den Bewusstlosen an der Schulter an "Zeit aufzuwachen". Er rührte sich nicht. Ich warf RM einen Blick zu "Na , da hast du ja ganze Arbeit geleistet."
"Hast du was anderes erwartet?" fragte er nur und zog etwas spöttisch eine Augenbraue nach oben.
"Wartet, das haben wir gleich", Jin ging in den Flur und kramte dort herum, dann kam er mit einem kleinen Fläschchen Eau de parfum zurück, von dem er etwas auf ein Taschentuch träufelte um es dem Bewusstlosen unter die Nase zu halten.
Ich runzelte dir Stirn als ich das kleine Fläschchen sah. Der hochwertige Flakon mit dem runden, goldenen Emblem auf der Vorderseite, das einem Steuerrad oder einer Sonne ähnelt, kam mir extrem bekannt vor, er wird doch nicht etwa aus meiner Jackentasche...
"Wo hast du das her?!" rief ich entsetzt, "Weißt du eigentlich was eine Flasche davon kostet?" Ich riss Jin, das Fläschchen aus den Händen, bevor er noch einen einzigen, weiteren Tropfen davon vergeuden konnte. "Das ist ein Duft von Amouage! Weißt du eigentlich was der kostet?" Wiederholte ich mich aufgebracht.
Doch bevor ich mich weiter echauffieren konnte, spürte ich eine große Hand auf meine Schulter klopfen "Dein Opfer hat sich gelohnt. Er scheint zu sich zu kommen." Ich funkelte Namjoon böse an, er hatte natürlich leicht reden, war ja nicht sein Parfum gewesen. Ich wette, er besaß gar kein eigenes, er lieh sich nämlich sowieso ständig unsere Sachen aus und das auch noch ohne zu fragen.
Aber tatsächlich, in den Typ, bei dem bis eben noch alle Lichter ausgeblasen waren, kam wieder Leben. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und er begann seinen Kopf zu bewegen und tiefer zu atmen. Tja, vielleicht hat er ja doch Stil und weiss einen guten Duft zu schätzen....überlegte ich.
"Er kommt zu sich" Stellte Jin unnötigerweise trotzdem noch fest.
Neugierig rückten wir alle näher ums Sofa herum zusammen.
Kaum dass Y/n's Bruder seine espressobraunen Augen aufgeschlagen hatte, beugte sich JK bedrohlich über ihn und hatte seine langen, starken Finger um seinen Hals gelegt, freilich ohne sofort zuzudrücken, waren wir doch froh, dass er endlich ansprechbar war und begierig auf ein paar Antworten.
Die Wirkung verfehlte es trotzdem nicht, denn Hoseok sah uns überrascht an und geriet offensichtlich in Panik, als er sich umsah. "Wo bin ich? Wie spät ist es? Ich muss zurück nach Busan! Hongjoong wird.." weiter kam er nicht, denn bei der Nennung von Hongjoongs Namen drückte JK automatisch zu. Hoseok röchelte. RM sah JK ernst an und dieser lockerte seinen Griff, wenn auch nur widerwillig.
"Du musst nirgendwo hin" stellte JK klar und warf ihm einen abschätzenden Blick zu. "Hongjoong weiß also nichts von deinen nächtlichen Aktivitäten?" fasste er knapp zusammen, was er sich aus Hoseoks Worten hatte zusammen reimen können.
Hoseok nickte, seine Haut war sehr blass, er schien von Sorgen zerfressen zu sein "Ich muss sie doch finden, ... ich muss ihr doch helfen." Seine Stimme war kurz davor zu brechen, er schien den Tränen nah.
Jk zeigte keinerlei Regung des Mitgefühls.
"Schonmal daran gedacht, dass sie ohne dich jetzt vielleicht nicht in dieser Lage wäre?" Wieder schoss seine Hand nach vorn und legte sich um Hoseoks Hals.
Dieser nickte und eine Träne rollte ihm über die Wange "Du weißt nicht, wie oft" gab er zu.
Seine entwaffnende Ehrlichkeit berührte etwas tief in mir und ein Blick in die mitleidigen Gesichter meiner Hyungs zeigte mir, dass es ihnen ähnlich ging. Ok. Jk mal ausgenommen. Wir waren zwar Mafiosis, aber für Familie und Freunde würden wir alles tun. Das waren Werte, die wir stets hochhielten.
JK ballte indessen die andere Hand zur Faust, und auch der Griff der Hand, die auf Hoseoks Adamsapfel lag, verstärkte sich, was Hoseok sichtlich quälte und ihm noch mehr Tränen in die Augen trieb.
"Warum hast du dich mit denen eingelassen?" zischte JK gefährlich drohend.
Hoseok röchelte und JK musste seinen Griff etwas lockern, damit dieser sprechen konnte "Ich glaube, dass unser Vater vor 6 Monaten ermordet worden ist und dass Hongjoongs Vater dafür verantwortlich ist." erklärte er mit heiserer Stimme.
JK ließ los. Er starrte Hoseok fassungslos an. Auch wir anderen waren betroffen. Wr kannten alle das Schicksal von Jk's Vater. Es schockierte mich, wie sehr das Schicksal dieser Beiden füreinander Fremden in diesem Moment miteinander verwoben schien. JK empfand anscheinend dasselbe.
"War euer Vater Architekt?" fragte nun Jin und störte damit irgendwie diesen ergreifenden Moment, seine Augen glitzernden, nicht weil er ebenfalls mit Tränen kämpfte, nein, die Freude am Kombinieren und Zusammenführen der Fakten und Puzzleteile, war es, die seine Augen jetzt glänzen ließ.
Hoseok schien überrascht und sah verblüfft zu ihm "Ja. Unser Vater war Jeong Jonghun. Er war leitender Archtitekt im H1 Bauprojekt. Es kam aber zu Unstimmigkeiten mit Kim Jonghyuk, da dieser ihm bei der Bauplanung Vorschriften machen wollte, die die offizielle Baugenehmigung gefährdet hätten. Das hatte mein Vater abgelehnt und kurz darauf hatten er und unsere Mutter einen tödlichen Autounfall, bei dem die Bremsen des Autos aufgrund eines technischen Defektes versagten."
Es war muksmäuschenstill im Raum geworden, während Hoseok uns mit leiser Stimme die Geschichte seines Vaters erzählte, man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören können.
JK fing sich als erster und zog zischend die Luft ein, alarmiert sah ich zu Hoseoks Hals, weil ich schon fürchtete, JK könnte seinem Ärger erneut Luft machen, indem er ihn wieder würgte, aber glücklicherweise, wandte JK sich ab. "Ja. Das klingt nach Kim Jonghyuk. Und da dachtest du, du könntest über seinen Sohn an Informationen über ihn kommen?" Er sagte das in einem verbitterten Ton und sah Hoseok dabei nicht an.
"Ja" In Hoseoks Augen stand die pure Verzweiflung "ein fataler Fehler" setzte er murmelnd hinterher.
"Das kannst du laut sagen" JK wirbelte mit gezogener Waffe zu ihm herum, das unheilvolle Klicken ließ mich kurz zusammenzucken, als er Hoseok seine entsicherte Waffe an die Schläfe hielt.
"Weißt du eigentlich, wie lange ich schon an ihm dran bin? Weißt du, warum ich das hier alles mache? Wenn es so einfach wäre, wie du dachtest... " Er drückte die Mündung der Waffe so stark gegen Hoseoks Kopf, dass dieser vor Schmerz das Gesicht verzog. "... hätte ich all das nicht auf mich nehmen müssen. Um dich mit Kim Jonghyuk anzulegen, musst du vorher alles aufgeben. Y/n könnte tot sein!, verdammt!" Die letzten Worte schrie JK schon fast, so aufgebracht war er, die Hand, in der er die Waffe hielt, zitterte.
Hoseok biss sich auf die Unterlippe und nickte "Ich weiß. Ich bin ja schon an Hongjoong gescheitert. Er hat mich mit ihr bedroht. Von Anfang an. Erst nur mit ihrem Foto und dann..." er brach in Schluchzen aus. Jk's Miene verfinsterte sich und ich bekam wirklich Angst um den Fremden mit den espressofarbenen Augen und dem möglichen Sinn für stilvolle Dinge.
Ich sah alarmiert zu Namjoon, doch dieser winkte entspannt ab. Er ging anscheinend nicht davon aus, dass JK ihm gleich das Hirn aus der Birne pusten würde. Nunja, wahrscheinlich hatte er Recht, Hoseok hatte das Glück Y/N's Bruder zu sein, auch wenn er verdammte Scheiße gebaut hatte, war das wohl eine Art Freifahrschein für ihn.
"Dann?" zischte JK. Er will also die ganze Geschichte hören. Ich seufzte, denn ich wusste, dass es ihn nur selbst quälen würde.
"Dann hat er Yunho auf sie angesetzt und ihn an ihre Uni geschickt."
JK nickte. Das wusste er ja schon.
"Er bedrohte mich immer mehr, vorallem nach der Sache in Incheon und dem Überfall auf Tea-suk im Hafen von Dong-gu konnte ich mir keine Fehler mehr erlauben. Ich hatte solche Angst, dass er sie meinetwegen tötet" Hoseok schluchzte, er schien die Waffe an seiner Schläfe kaum mehr zu bemerken, so versunken war er in seinem Leid.
Ich hatte einen fetten Kloß im Hals und starrte auf JK. Sein ganzer Arm, der die Waffe hielt zitterte. Ich sah in sein Gesicht und wusste, was für Vorwürfe er sich gerade machte. Er stellte sich sicher die Frage, ob Hongjoong Y/n auch entführt hätte, wenn wir Ateez und Teasuk damals nicht angegriffen hätten.
Doch Hoseok war noch nicht fertig "Als Yunho dann in der Uni angeschossen wurde, ist Hongjoong schließlich komplett ausgerastet und hat seinen Leuten befohlen Y/n zu ihm zu bringen. Und ich hatte keine Ahnung, wo er sie hingebracht hat. Er hat mich nach Busan geschickt um Aufträge für ihn zu erledigen."
JK war nun weiß wie ein Gespenst und obwohl er noch immer die Waffe in der Hand hielt, schien es umgekehrt zu sein und jedes Wort von Hoseok schien JK einen tödlichen Treffer zu versetzen.
Ich schluckte die Tränen fort. Ich konnte es nicht länger mit ansehen. Auch Namjoon schaute mitleidig von einem zum anderen und selbst Suga sah nun mehr erschrocken als müde aus.
Jins Augen blitzten noch immer fasziniert, aber um seinen Mund lag ein Ausdruck von Traurigkeit und Wehmut.
Hoseok schluchzte und weinte fürchterlich. Tränen liefen ihm in Strömen übers Gesicht und ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen Kerl so erbitterlich weinen gesehen. Es muss sich lange aufgestaut haben und ich konnte es ihm irgendwie nachfühlen.
Was Suga als nächstes tat, überraschte mich. Er beugte sich zu Hoseok hinunter und legte ihm eine Hand auf die Schulter und flüsterte ihm etwas zu was klang wie "nicht die Hoffnung verlieren", ich zog eine Augenbraue hoch, das hätte ich ihm nicht zugetraut.
Jk zitterte nun am ganzen Körper, er war kreidebleich und hatte sichtbar Mühe, das Gehörte zu verarbeiten.
Namjoon seufzte laut.
Es war offensichtlich, dass Beide sich jeweils selbst die Schuld an Y/n's Schicksal gaben.
"Wir finden Sie" sagte Namjoon nun mit durchdringender Stimme und im Brustton der Überzeugung "Und der Hauptschuldige ist immer noch Hongjoong."
"Tae, wecke Jimin. Wir kommen zu einer Besprechung zusammen." wies mich Namjoon nun an, da Jk immer noch unfähig war zu handeln, hatte Namjoon als seine rechte Hand das Zepter für den Moment in die Hand genommen.
Ich nickte und bemerkte erst jetzt, das Jimin tatsächlich fehlte. Oh dieses Murmeltier! Wie würde der sich ärgern, dass er nun wieder alles verpasst hat!
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