Der Falke schnappt den Käse
Hoseok POV
Ich renne als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter mir her. Aber der Teufel ist nicht hinter mir her.
Nein, er wartet auf mich.
Ich fliege förmlich über den Asphalt, meine Turnschuhe berühren dabei kaum den Boden. Mit den Augen suche ich verzweifelt die Gegend nach etwas Bekanntem ab, an dem ich mich orientieren könnte, denn im Moment habe ich nicht den blassesten Dunst, wo ich hier überhaupt gerade bin.
Warum mussten wir die Panne auch so weit draußen haben? Ich weiß noch nicht mal zu welchem Bezirk diese Gegend hier gehört. Hier gibt es nichts. Die Straße erstreckt sich mehrere hundert Meter weit vor mir schnurgerade und rechts und links davon sind rießige Fabrikhallen mit großen Rolltoren, die allesamt geschlossen sind. Alles nicht sehr einladend.
In diesem Teil der Stadt war ich definitiv noch nie. Hoffentlich gibt es hier überhaupt eine U-Bahnstation in der Nähe, oder wenigstens eine Bushaltestelle.
Drei Fabrikhallen weiter kommen endlich die ersten Wohnhäuser in Sicht, die nach und nach auch immer größer werden, in der Ferne seh ich jetzt auch die für Seoul typischen Hochhäuser.
Fast augenblicklich spüre ich, wie sich die Erleichterung in mir ausbreitet und mir das Rennen wieder etwas leichter fällt, denn wo Wohnhäuser sind, ist auch die nächste Haltestelle sicher nicht weit.
Es ist Abend, der Himmel zeigt schon die ersten zarten orange und rosa Töne.
Wenn die Sonne jetzt noch richtig auf mich runter prasseln würde, würde mir das sicher den Rest geben, aber sie war schon weit genug auf ihrem Weg Richtung Horizont vorangeschritten und war jetzt irgendwo rechts von mir hinter Häusern verborgen.
Ihr Licht erreicht nicht mehr die Straßen und Gassen, die sich zwischen den Häusern erstrecken, und je Höher die Häuser, destso düsterer werden die Häuserschluchten.
Die Luft ist aber immer noch schwül warm. Sie fühlt sich schwer an.
Ich renne wie gegen sie an, sie füllt schwer und warm meine Lungen.
Heute war es so heiß gewesen, dass die Stadt sich aufgeheizt hat wie eine Raclette Grill mit heißem Stein. Während ich über das Pflaster renne, kann ich fühlen, wie der Asphalt die Wärme von unten abstrahlt. Ich komme mir vor wie die Käsescheibe auf einem Sandwich, mit einer heißen Scheibe Toast von unten und einer heißen Scheibe Toast die warm von oben drückt und in der Mitte zerlaufe ich. Dass ich nun schon einige Kilometer gerannt bin, macht es nicht gerade leichter. Der Schweiß rinnt mir von der Stirn und auch mein T-Shirt klebt schon ganz verschwitzt an meinem Rücken. Sicher stinke ich auch wie in der Sonne zerlaufener Käse.
Aber da ist es endlich! Das gelbe Symbol auf blauen Grund, nachdem ich so verzweifelt gesucht habe! Eine U- Bahn-Station!
Wir beflügelt renne ich die letzten hundert Meter, ich renne die Treppe hinunter, renne durch den viel zu langen Tunnel und springe einfach über die Absperrung, da ich mein Handy in der Hektik eh im Auto liegen gelassen habe und ich es nicht hätte an den Scanner halten können. Ich renne weiter zum Gleis. Scheiße! Hoffentlich ist das jetzt auch die richtige Richtung, aber da steht schon ein Zug. Keine Zeit nochmal irgendwo nachzusehen. Jetzt oder Nie. Die letzten Leute steigen gerade ein, ich lege noch einen Zahn zu und springe im letzten Moment, bevor sich die Türen schließen, in die Bahn.
Geschafft. Ich kann es kaum glauben. Nach vorn gelehnt und mit beiden Händen auf meinen Oberschenkeln abgestützt bleibe ich stehen und nehme erstmal drei tiefe Atemzüge, während die Bahn mit mir im dunklen Tunnel verschwindet. Dann hebe ich den Kopf.
Eine ältere Dame, die schräg gegenüber der Tür sitzt, schaut mich streng an und schüttelt missbilligend den Kopf. Mit ihrem langen verkniffenen Gesicht sieht sie aus wie ein Varan, der mit Sauerkraut gefüttert wurde. Ich grinse, drehe mich dann aber um und schaue gebannt auf die Anzeige über mir.
Daebak! Das ist die richtige Richtung und ich kann mein Glück kaum fassen, es ist sogar die richtige Linie! Ich muss nicht umsteigen! Ich lehne mich erleichtert an die Wand und atme in großen Stößen, gierig saugen meine Lungen die Luft ein. Ich werfe noch einen Blick auf die Anzeige und zähle die Stationen. 9. Ich sehe auf die Uhr noch 11 Minuten. Das wird eng. Aber ich kann es nicht ändern.
An jeder Haltestelle hoffe ich, dass keine Leute aus oder einsteigen, damit der Zug nicht so lange stehen bleibt, aber es bleibt bei dem Wunsch. In der Bahn sind schon jetzt über die Hälfte der Plätze besetzt und bei jeder Station Richtung Zentrum steigen mehr Leute ein als aus. Ich seufze. Das geht mir alles viel zu langsam und es dauert jedes Mal viel zu lange bis der Zug wieder an fährt.
19 Minuten später hält die Bahn dann endlich in Jung-gu. Ich springe als Erster aus dem Wagen, kaum dass die Türen sich öffnen. Meine Beine haben sich etwas erholt und ich stecke alle meine Kraft in die letzten Meter. Wieder fluche ich still über die viel zu langen unterirdischen Tunnel. Die Leute, die mir entgegenkommen weichen mir aber automatisch aus, denn ich renne, als ginge es um Leben und Tod.
Nur 6 Minuten später erreiche ich mein Ziel:
Ein Hochhaus in Jung-gu. Ich renne zur Tür und komme ins straucheln. 'Stimmt ja eine Drehtür' Ich bremse notgedrungen um den richtigen Moment abzupassen und nicht gegen die Glasscheiben der Tür zu donnern. Kaum macht die Tür mir wieder Platz, renne ich gleich zu den Fahrstühlen und drücke alle Knöpfe aufeinmal. Der Herr am Empfang ruft mir irgendwas zu, aber der kann mich mal kreuzweise. Mir egal. Ich habe Glück, eine Tür öffnet sich sofort. Der Fahrstuhl ist da. Ich stolpere hastig hinein und drücke auf die 13. Etage. Ich hatte mich schon immer gewundert, wieso es in diesem Haus eine 13. Etage gibt. In den meisten Gebäuden hier gibt es gar keine 13. Etage, weil viele denken, es würde Unglück bringen. Wie recht sie haben. Aber wie ich hörte, gehört dieses Haus einer Schweizer Immobilienfirma, dort ist man wohl nicht so abergläubig oder zumindest nicht was Zahlen angeht. Und Hong Joong schert sich um sowas sowieso einen Dreck. Im Gegenteil, er hat sein Büro wahrscheinlich absichtlich in diesem Stockwerk.
Als die Fahrstühltür sich zu öffnen beginnt, quetsche ich mich auch schon durch den kleinen Spalt und renne den Gang entlang. Vor Hong Joongs Büro zögere ich keine Sekunde. Ich klopfe und reiße im selben Moment die Tür auf.
Er steht am Fenster. Er trägt einen anthrazit farbenen Anzug. In solchen feinen Klamotten sehe ich ihn selten und es schüchtert mich gleich noch mehr ein. Er schien heute ebenfalls Verhandlungen geführt zu haben, nur eben anders als wir. Er dreht sich mit einem Lächeln zu mir und mir wird sofort klar, ja , er hat auf mich gewartet. Scheiße.
Er hebt sein Handgelenk, seine silbernen Manschettenknöpfe funkeln im Licht. Sind das Edelsteine? Edelsteine auf silbernen Manschettenknöpfen? Holy Fuck. Jetzt sieht er demonstrativ auf seine Uhr.
Er lächelt.
Ist das gut oder schlecht? Noch während ich versuche sein Lächeln einzuordnen begrüßt er mich schon.
"Hoseok, wie ich sehe, hast du dich beeilt" das Lächeln ist nun ein Grinsen. Fast schon spöttisch schaut er zu mir. Seine bernsteinfarbenen Augen funkeln mit den Manschettenknöpfen um die Wette. Dann deutet er mit dem Kopf auf die Wand neben der Tür.
"Komm und setz dich da auf die Couch, nicht das du umkippst. Sag, wie geht es dir?"
Ich übergehe seine Frage. Ich weiß, dass es ihm furzegal ist, wie es mir geht. Setze mich aber trotzdem. Ich bin ihm eh nicht gewachsen. Da kann ich auch vor ihm die schwächere Haltung einnehmen und mich setzen. Mein Körper hatte jedenfalls nichts dagegen.
"Wie geht es ihr?" fragte ich darum bemüht mit ruhiger Stimme zu sprechen und meinen vom Rennen noch erhitzten Atem zu kontrollieren. "Was hast du ihr angetan?"
Die Frage scheint ihn zu freuen. Er grinst noch breiter und ich sehe dabei seine Zähne. "Gut. Sag, mal Hoesok, was denkst du denn von mir?" er zielt gespielt die Augenbrauen hoch.
Dann wird er plötzlich ernst. Wie als hätte jemand einen Schalter umgelegt oder eine Taste gedrückt und er fügt leise hinzu "Und wenn du dir weiter Mühe gibst, bleibt das auch so."
Ich starre ihn an. Ich balle die Hände zu Fäusten, meine Fingernägel schneiden in meine Haut. 'Beherrsch dich. Hoseok. Beherrsch dich. Was hast du denn erwartet' Ich nicke. Langsam und kontrolliert.
"Was willst du von mir?" frage ich leicht zögernd. Will ich es wirklich wissen? Ich würde alles tun für Y/n und er weiß es. Er könnte verlangen, dass ich jemanden töte. Was dann? Was dann? Oh Gott, Hoseok, nein, reiß dich zusammen. Ich zwinge mich ruhig weiter zu atmen.
"Nichts weiter. Du gehst mit Mingi und San für eine Weile nach Busan. Ihr werdet BTs dort komplett vom Markt verdrängen. Das ist euer Auftrag."
"Nach Busan? Ich? Jetzt? Wieso?! " ich kann meine Verzweiflung nicht verbergen. Er will mich 300 Km weit weg schicken?! Geht es noch schlimmer?
Sein Gesichtsausdruck wird hart und er sieht mir direkt in die Augen "Weil ich Schnüffler hier jetzt nicht gebrauchen kann."
Da hatte ich meine Antwort. Ich fühle einen heftigen Stich in der Brust. Das wars. Der Falke hat zugestoßen. Er weiß es. Er hat es die ganze Zeit gewusst. Er hat mich umkreist wie ein Greifvogel seine Beute, hat alles genau beobachtet um mich im richtigen Moment schnappen zu können. Und jetzt lässt er mich zappeln.
Er schreitet bedächtig vor dem Fenster auf und ab, lässt mich dabei aber nicht aus den Augen. Er genießt das hier gerade sichtlich. "Ich weiß nicht wieso du an Informationen über meinen alten Herren kommen willst und es juckt mich auch nicht wirklich." Jetzt bleibt er stehen und sieht direkt zur mir "aber ich möchte nicht, dass du in meinen Angelegenheiten rumschnüffelst und deine Schwester ist jetzt meine Angelegenheit" Sein Blick ist fest und bohrt sich in meinen. Seine Stimme wird gefährlich leise "Bilde dir nicht ein, dass du sie finden kannst. Versuche es erst gar nicht." Den letzten Satz betont er mit Nachdruck.
Ich muss mich am Sofa festhalten. Am liebsten würde ich mich unter dem Sofa verkriechen.
"Mach deinen Job und mache ihn gut. Das ist alles, was ich von dir verlange." Sagt er und dreht sich wieder zum Fenster um. "Enttäusche mich nicht" Setzt er noch nach, wie um dem ganzen die Krone aufzusetzen.
Ich halte mich noch immer am Sofa fest, weil ich fürchte, sonst zusammen zu brechen.
________________________
Für mich wird es langsam schwer alle drei Handlungsstränge im Griff zu haben,
im nächsten Kapi geht es mit Y/N weiter, aber JK ist dann eigentlich auch mal wieder dran...
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro