20. New York
4/20/18
"Charlotte, aufstehen!"
Ich brummte und drehte mich auf die andere Seite.
"Komm schon, Charlotte!", sagte Daniel sanft und schüttelte mich erneut an meiner Schulter. "Wir sind da. Wir sind in New York!"
Ich drehte mich zurück und blickte in Daniels blaue Augen.
"New York?", murmelte ich verwirrt. Daniel nickte und plötzlich wurde mir die Bedeutung dieser Wörter bewusst. Ich schlug meine Decke zurück und hüpfte aus meiner Koje. "Tatsächlich. Wir sind in New York!"
Begeistert zog ich mir meine Schuhe über und zog Daniel mit mir. Ich spang die Stufen aus dem Bus und tanzte lachend über den Hotelparkplatz.
"Komm schon, Daniel!", rief ich ihm begeistert zu. "Wir sind in New York!"
"Aber es regnet.", erwiderte er lachend.
Stimmt. Ich tanzte im Regen herum, wie eine Verrückte. Doch das machte nichts. Ich lief wieder zu Daniel und nahm seinen Arm.
"Egal!", sagte ich und zu meiner Überraschung kam er mit mir.
Ich hätte es niemals geschafft, ihn mitzuziehen, wenn er sich gewehrt hätte. Dafür war er viel zu stark. Aber anscheinend konnte ich ihn mit meiner Freunde anstecken. Lachend drehten wir uns im Kreis, Daniel nahm mich huckepack und wirbelte herum. Als er mich wieder absetzte, fiel ich ihm um den Hals. Er zog mich eng zu sich und wir verharrten in der Umarmung.
"Als ich nach L.A. gezogen bin, hatte ich furchtbare Angst.", sagte ich an seinem Ohr. "Was, wenn das doch die falsche Entscheidung gewesen war? Wenn mich das Studium nicht weiterbringen würde? Ich habe damit so viel auf's Spiel gesetzt. Vielleicht sollte ich doch lieber in Deutschland bleiben? Aber weißt du was?" Bei den Worten sah ich ihn wieder an. "Es hat sich gelohnt. All das. Ich bin in New York, verdammt! Mit den besten Menschen auf der Welt!"
Glücklich strahlte ich Daniel an und er erwiederte es. Seine Augen funkelten und es fielen ihm nasse Haarsträhnen ins Gesicht.
"Ich bin froh, hier zu sein.", flüsterte ich. "Auch, wenn ich wieder so viel riskiere. Es ist es definitiv wert."
"Ich bin auch froh, dass du hier bist.", erwiderte er und zog mich an sich. Ich lehnte mein Kopf an ihn und schloss die Augen. Um uns herum prasselte der Regen auf den Asphalt und ich hörte Daniels Herzschlag.
Da fing meine Nase an, zu kribbeln. Ich konnte mich gerade rechtzeitig von Daniel wegdrehen, um ihn nicht anzuniesen.
"Hatschi!"
"Na, komm.", kicherte er. "Wir wollen ja nicht, dass du noch krank wirst."
Kichernd ließ ich mich von ihm zum Hotel ziehen. Als wir dann eingecheckt waren, schnappte ich mir ein Handtuch und einen Pulli, der im Zimmer herum lag. Der Größe nach zu urteilen war er weder von Jack, Zach oder mir. Es war erstaunlich, dass Corbyn schon nach einer knappen Stunde so eine Unordnung hinterließ.
"Von wem ist der Pulli?", rief ich durch das Zimmer. "Von niemandem? Perfekt, danke!"
Eine halbe Stunde später saß ich frisch geduscht und kuschelig angezogen bei Corbyn.
"Hey Charlotte,", sprach er mich an, "ich gehe heute mal wieder zum Friseur, Haare färben. Hast du Lust mitzukommen?"
"Klar, wieso nicht.", antwortete ich.
"Ich komme auch mit!", rief Daniel von irgendwo. "Ich muss mir mal dringend wieder die Haare schneiden."
"Ich nicht.", murmelte ich und sagte laut:
"Geht klar!"
"Und du, Charlotte?"
Jetzt war Daniel aus dem Bad aufgetaucht. Seine Haare waren zerstrubbelt und es hingen noch Wasserperlen darin.
"Ich mach nichts.", meinte ich. "Die Länge ist gut so."
"Hast du nie überlegt, dir die Haare zu färben?", hakte Corbyn nach.
"Ähm, nein?", sagte ich spöttisch. "Ich mach doch nicht freiwillig meine Haare kaputt!"
"Wir fragen ja nur.", verteidigte sich Daniel.
Da kam Jonah zu uns.
"Ich dachte wir wollten heute zu Christina.", warf er ein.
"Oh, stimmt ja!", rief Corbyn und sprang auf. "Wie viel Uhr ist es denn? Schon so spät! Los, los! Sonst sind wir noch zu spät!"
"Dann gehen wir eben morgen zum Friseur.", murmelte Daniel und fuhr sich durch seine Haare.
~
Christina war nett. Freundlich. Fröhlich. Hübsch. Unkompliziert.
Ich könnte immer so weiter machen und unendlich viele einfältige Attribute aufzählen, die zu Christina passten.
Aber Christina war nicht nur einfältig. Sie war auch klug und erfolgreich. Hatte sich etwas aufgebaut und hart dafür gearbeitet. Trotzdem war sie nicht gerade das Mädchen, das zu meiner besten Freundin werden könnte. Ich mochte sie trotzdem. Auch wenn es mit ihr anders war, als mit Anna oder Gabbie.
Gabbie war einfach nur toll. Sie war natürlich, offen, locker und lustig. Mit ihr konnte man einfach reden und Spaß haben. Sie war eine natürliche Schönheit und verstellte sich nie.
Und Anna war so bodenständig und reif. Obwohl sie fast zwei Jahre jünger war als ich, waren wir komplett auf einer Wellenlänge. Die Gespräche mit ihr waren immer total entspannt und außerdem war ihr der Glaube genau so wichtig wie mir.
Christina war so perfekt. Nicht makellos, aber irgendwie perfekt. So mädchenhaft und lieb. Mit tollen dunkelbraunen Haaren und den genau so dunklen, großen Augen.
Eine Influencerin.
Und obwohl ich sie mochte, kam ich mir neben ihr vor, wie eine graue Maus. Sie war so viel besser für die Öffentlichkeit gemacht als ich. Meine Augen waren nicht so schokoladig dunkel wie ihre, aber auch nicht so bernsteinfarbend hell, wie die von Gabbie. Es war ein langweiliges Dazwischen. So wie bei meinen Haaren. Ein einfaches Braun, ohne Strähnen oder besonderem Glanz. Ich lief jeden Tag so gut wie ungeschminkt herum und kleidete mich nicht typisch wie alle anderen Mädchen. Keine freizügigen, körperbetonte und typisch mädchenhafte Sachen. Und genau das setzte mir mehr und mehr zu.
Am Abend verabschiedeten wir uns von Christina. Doch sie nahm mich noch kurz zu Seite und lächelte mich an.
"Ich bin froh, dass Corbyn so eine Person wie dich gefunden hat.", sagte sie. "Bei uns beiden war es einfach nicht so. Aber du... Du tust ihm einfach nur gut."
"Aber wir sind gar nicht zusammen.", erwiderte ich verwirrt und Christina lachte ihr einzigartiges Lachen. Ehrlich ansteckend und ein bisschen rau.
"Ich weiß. Aber manchmal ist eine Freundschaft noch mehr wert als eine Beziehung. Es scheint, als hätte Corbyn seine Seelenverwandte gefunden."
Mit einer letzten Umarmung verabschiedete sie sich. Schweigend lief ich neben den Anderen her und grübelte über ihre Worte nach. Corbyn und ich, Seelenverwandte? Stimmte das?
Vielleicht. Ich fühlte mich wohl bei ihm. Unbeschwert. Geborgen. Verstanden. Geliebt. Ohne das Liebe im Spiel war.
Da stupste mein bester Freund mich an und fragte:
"Hey, ist alles in Ordnung?"
Geistesabwesend nickte ich und sah ihn nach ein paar Sekunden an.
"Was meinst du, welche Haarfarbe würde mir stehen?"
~
"Wow.", flüsterte ich überwältigt, als ich in den Spiegel sah. Seit vier Stunden saß ich schon hier und konnte endlich das Ergebnis sehen. "Das ist..."
"Perfekt?", grinste Corbyn mich an.
"Allerdings. Perfekt."
Und es war, als hätte ich mit meinen platinblonden Haaren eine neue Person kreiert.
"Du siehst phantastisch aus.", rief Daniel begeistert.
"Das tu ich doch immer.", erwiderte ich frech.
Auch Jack, Jonah und Zach waren von meinen neuen Haaren begeistert.
"Das sieht ja mega aus!", meinte Jack und da kam ich aus dem Grinsen gar nicht mehr raus. Das konnte nur ein guter Tag sein.
Aber auch einer der letzten Tage der Tour durch Amerika. Und diese Einsicht machte mich etwas melancholisch. Es war eine tolle Zeit gewesen. Voller Termine, Stress und Anstrengung. Aber vor allem voller Freude, Aufregung und Begeisterung. Eine tolle Zeit. Und jetzt die letzte Shows.
Aber das war nicht das Ende, nein.
Wir würden noch eine Woche in New York bleiben. In der Stadt gab es drei Konzerte und danach noch eins in New Jersey. Dort würden wir aber nicht über Nacht bleiben, sondern danach wieder zurück nach New York kommen. Es waren noch Interviews, Studioaufnahmen und Videodrehs geplant. Danach würden wir für eine Pause anderthalb Wochen nach LA zurückkehren.
Und dann kam Europa. Endlich.
"Worüber denkst du nach?"
Daniel war wieder neben mir aufgetaucht.
Ich lächelte.
"Europa."
"Freust du dich?"
"Und wie! Ich kann wieder Nachhause, meine Familie und Freunde sehen! Und du?"
"Ich bin ein bisschen aufgeregt.", lächelte er. "Das erste mal in Europa. Das wird bestimmt einzigartig."
"Bestimmt."
Schweigend liefen wir weiter.
"Was willst du machen?", fragte Daniel plötzlich.
"Wie meinst du das?"
"So, wie ich es sage. Wenn du es dir wünschen könntest, was würdest du am liebsten hier in New York machen?"
Ich musste nicht lange überlegen.
"Ein Musical im Broadway Theater sehen."
"So so..."
"Warum?"
Grinsend sah Daniel mich an.
"Ich bin mir sicher, dass dein Wunsch irgendwann mal in Erfüllung geht. Vielleicht nicht jetzt, vielleicht erst in ein paar Monaten, oder in einem Jahr. Aber dann lade ich dich ein, ja? Und wir gehen zusammen da hin."
Mein Herz machte einen Satz.
"Ja.", lächelte ich. "Und wir machen uns schick. Wie für die Oper, oder ein klassisches Konzert. Und dann sind wir für einen Abend andere Personen. Nicht Daniel und Charlotte, sondern Mr Seavey und Miss May. Und niemand wird uns kennen. Wir werden da sitzen und uns von dem Spiel auf der Bühne verzaubern lassen. Wir werden für einen Abend nur wir sein, nur irgendwelche Menschen, die einen Abend gemeinsam verbringen."
"Und niemand wird auf uns achten.", ergänzte Daniel mit genauso träumerischer Stimme, wie ich. "Einen Abend entfliehen wir der Realität. Nur für ein paar Stunden. Das wäre schön."
"Ja, das wäre es."
Wir schlenderten weiter, bis wir endlich wieder auf die Anderen stießen.
"Da seid ihr ja!", rief Tyler gestresst. "Kommt, wir haben einen straffen Terminkalender!"
Daniel und ich sahen uns seufzend an.
Und die Realität begann wieder.
1582 Wörter
I hope you like it!
Gerne voten und kommentieren xD
Ich update wieder etwas langsamer, weil ich immernoch krank bin juhu.
Schaut doch bitte auch bei meinen anderen Werken vorbei!
Vor allem bei "free", das ist auch eine Wdw FF.
xoxo carli<3
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