Kapitel 6
„Lere, darf ich dir meinen Bruder und Gastgeber dieser Feier vorstellen?“ Sirius lächelte nicht und doch schien die Sonne aus seinem Inneren zu erstrahlen. Der Fremde Mann trat näher und nahm mit einem charmanten Lächeln Leres Hand und hauchte dieser einen zarten Kuss auf, während er sich verbeugte. Sein schwarzes, mittellanges Haar kitzelte bei dieser Bewegung ihre Haut. Es war weich und schien von gleicher Seidigkeit wie das silberne Haar seines Bruders. Lere wusste nicht was sie sagen sollte, starrte die hellere Version Sirius‘ einfach nur an. „Ich bin Dante. Es freut mich sehr.“ Ein verführerischer Laut kam ihm über die Lippen.
Dante war weit aus feinfühliger und offenherziger was Bekanntschaften anging, anders als Sirius der sich ein solches Verhalten nie zugetraut hätte. Unbewusst ballte er die Hände zu Fäusten. >>Er ist ihr viel zu nahe und sie schmachtet ihn an!<<, dachte er zornig und wollte seinen Bruder am liebsten zur Seite stoßen und ihn davon abhalten, Lere zu berühren und überhaupt nur anzusehen, aber er hielt sich zurück. Dantes Blicke fraßen sie förmlich auf, doch sie war zu gefangen von dem Anblick des charmanten Dantes, der viel offenherziger war.
Es gefiel ihm nicht, dass sie von Dantes Anblick angetan wirkte, ob gleich es an seinem Wesen lag, das allgemein anziehend auf das andere Geschlecht wirkte. Unter Dantes Führung, folgte ihm Lere die Treppen hinauf und einen langen Gang entlang. >>Was will er von Lere?<<, fragte er sich und knirschte mit den Zähnen. Sein Bruder konnte es auch nicht lassen, die Frauen zu verführen, selbst wenn sie sich in Sirius'Gesellschaft befanden. Einer der Gründe aus denen er sie meist von sich stieß, damit sich nicht einmal Freundschaft zwischen ihnen entwickeln konnte. Vor einer weißen Tür blieb Dante stehen und führte sie in den Raum, der sein Arbeitszimmer darstellte. Es war über und über im Chaos versunken. Papiere lagen überall zerstreut, sowie Bücher. Sirius schloss hinter sich tief Tür und hob ein Blatt vom Boden auf, auf das er getreten ist. >>Meine letzten Tage auf Erden<<, was bedeuteten diese Zeilen? Er wollte gerade nachfragen, als sich Lere von Dante los riss, als wäre sie aus einer tiefen Hypnose erwacht. Dante hatte nicht vorgehabt sie frei zu geben und war überrascht, dass sie es von selbst tat. Mit gehobenen Brauen hob er den Blick zu ihren eisigen blauen Augen, die ihn wütend anfunkelten. Sie hatte etwas bemerkt, dass sie aus seiner Anziehungskraft befreit hatte.
„Ein Nephilim?“
Dante prustete los.
Er hatte ein helles Lachen, das einen schrillen Ton annahm, als ihm allmählich die Tränen kamen.
„Lieber Bruder, die Frau gefällt mir!“ Dante beruhigte sich aus seiner Hysterie und atmete mehrmals tief durch und stemmte eine Hand in die Hüfte, als er sich zu seinem Bruder wandte.
„Lere.“ Sirius streckte seine Hand nach ihr aus, die sie sofort ergriff und sich zu ihm ziehen ließ. Sie fühlte sich an seiner Seite gleich wohler. Der gierige Ausdruck auf Dantes Gesicht, wie er sich die Lippen leckte und seine Augen nicht mehr von ihr abließen, als wollte er sie fressen, behagte ihr überhaupt nicht.
„Oh, Bruder! Sie weiß es noch gar nicht?“
Ein tiefes Knurren drang aus Sirius‘ Kehle. Diese Frage hätte er besser nicht gestellt, zumindest nicht in Leres Beisein. Es war noch zu früh. Lere würde das Weite suchen und flüchten, das wollte er nicht. Sie sollte bei ihm bleiben!
„Was hast du mir nicht gesagt?“, fragte sie neugierig und hielt sich an seiner Schulter fest.
Sirius biss die Zähne zusammen. Sein Kiefer verspannte sich und begann zu mahlen. Er wollte ihr auf diese Frage keine Antwort schenken, noch nicht. Dante bemerkte mit Verzücken das Zögern seines Bruders.
>>Feigling!<<, dachte er und erkannte an Sirius‘ Augen, dass er seinen vielsagenden Blick richtig gedeutet haben muss.
„Das er ein Dämon ist“, lachte Dante. Bei all seiner Liebe, die Sirius trotz Dantes verschroben er Art, für ihn empfand, nichts hasste er mehr, als sich jemand anderem zu offenbaren der noch nicht bereit dazu war.
Seine Augen begannen zu leuchten.
Wie ein Prisma leuchtete ein Regenbogen in seinen Augen auf. Lere, die diese Augen von dem Gemälde aus den Fluren der Grafschaft kannte, schreckte zurück. Ihre Augen waren weit aufgerissen, die Pupillen nur noch so groß wie eine Nadelspitze, während ihre Hände über ihrem Mund gefaltet waren. Sie konnte es nicht glauben, wollte es nicht. Sirius herum fahren. Sprachlos stand sie vor ihnen und wich erst einen, dann einen zweiten Schritt zurück und stieß einen Sockel mit einer Büste um, die mit einem Knall auf dem Boden zerbrach und nur noch ein Haufen aus wertlosem Staub und Stein war.
Finster ruhten Dantes Augen auf ihr, doch seine Wut richtete sich nicht an die zierliche Frau, auch wenn sie diese Wut verdient hatte. Diese Büste war ihm lieb und teuer, denn sie war das Abbild seines Vaters. Aber dieses Missgeschick war nicht der Grund seiner Wut und er würde den Verlust dieses Erinnerungsstücks schon noch verkraften.
„Mein lieber Bruder ist der erste Sohn des Königs, der einst dieses Land regierte. Ich habe direkt gespürt, dass du nicht von hier bist, denn sonst wärst du niemals in seiner Nähe geblieben. Nur eine Unwissende würde-„
Dante hielt mitten im Satz inne, als Lere ihm eine schallende Ohrfeige verpasste.
Dante erstarrte.
Nie hätte es jemand gewagt, ihm Gewalt an zu tun, schon gar keine Frau. Diese wären ihm eher gütig gesonnen. Seine Hand legte sich auf seine Wange. Ihr Schlag war beeindruckend stark gewesen, auch wenn er bei ihm keine Schmerzen verursachen konnte, dafür war er zu abgehärtet, durch sein Wesen. „Mir ist egal, was Sirius ist. Mit was nimmst du dir das Recht, sein Wesen zu offenbaren? Irgendwann hätte er es getan und es stand dir nicht zu, es für ihn zu übernehmen!“
Lere hechelte und keuchte.
Sie war wütend und hatte sich zur Gewalt hinreißen lassen, wo dies doch gar nicht ihre Natur war, verabscheute sie Gewalt doch zutiefst.
Ein böses Grinsen zierte die blassen Lippen Dantes. Noch nie war er von einem Menschen beeindruckter gewesen, als von Lere. Sie machte ihm Spaß!
„Diese Frau gefällt mir immer mehr, Bruder!“ Dante packte ihre Hand, die sie noch in der Luft hielt und zerdrückte ihr das Handgelenk. Erst keuchte sie, doch dann schrie sie auf, als er immer fester zupackte. All seine Skrupel hatte er in nur einer Sekunde über Bord geworfen.
>>Was fällt ihm ein?<< Sirius wurde wütender, hatte niemals solche Ausmaße erwartet. Alles was er heute wollte war einen schönen Tag zu verbringen und seinen Bruder wieder zu sehen, der sich in vergangener Zeit doch mehr verändert hatte, als Sirius angenommen hat. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sein Bruder gegenüber einer Frau je gewalttätig wurde. Was war nur mit ihm geschehen?
„Finger weg von ihr!“
Sirius Stimme hatte sich verändert.
Sie war gefüllt von Dunkelheit.
Monströs und so finster, dass Dante auch erschrak. Unbewusst packte er noch etwas mehr zu, sodass der Frau die Tränen kamen. Ihr Gelenk knackte bedrohlich. Sirius‘ Schatten, der in Leres Blickfeld lag, wurde größer. Langsam richtete sie den Blick gen Spiegel, der sich hinter Dante befand, als sie im Augenwinkel etwas anderes im Spiegelbild erkannte, was dort nicht hingehörte.
Große Hörner wuchsen aus Sirius‘ Kopf.
Bläuliche Schuppen wuchsen auf seinem Gesicht. Seine kurzen Fingernägel verwandelten sich in die dunklen langen Krallen einer Bestie. Lere zitterte bei diesem Anblick, war apathisch. Sie traute sich nicht mehr, auch nur einen Atemzug zu tätigen.
„Fass meine Frau nicht an!“ Bedrohlich kam er seinem Bruder näher, der das Mädchen grob zur Seite schubste, sodass sie unsanft auf dem Boden aufkam und trat vor seinem Bruder zurück. Lere umschlang ihren Oberkörper. >>Wie konnte es bloß so ausarten?<< Sie blieb liegen. Ihr Körper zitterte vor Angst und wegen des Schluchzens, das sie unterdrückte und ihren ganzen Körper zum beben brachte.
„Verschwinde, bevor ich dich auch vernichte!“, knurrte der drachenartige Mann und scheuchte seinen Bruder zur Tür hinaus. Nur widerwillig ließ er sich verjagen, doch er wollte nicht wie sein Vater enden.
„Sirius…“, wimmerte Lere und hielt zitternd ihren Arm fest, der blau angelaufen war. Dantes Handabdruck zeichnete sich in einer bläulichen Spur auf ihrer Haut ab. „Oh, Lere…“ Zerknirscht ging er vor ihr auf die Knie und hob ihren Arm an, was sie wimmern ließ. „Was stimmt denn nicht mit deinem Bruder?“, fragte sie und hob mit wütenden Augen den Blick. Sirius atmete auf, als er keine Angst in ihnen sah. „Er kann es nicht leiden, wenn eine Frau ihn zurückweist. Verzeih mir, ich habe nicht mit sowas gerechnet“, seufzte er und strich ihr vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht. Trotz der Klauen schmiegte sie sich an das, was noch von seiner Hand übrig geblieben war.
„Du hast keine Angst?“
Sie schüttelte den Kopf und lächelte schief, was ihren Schmerzen zu verschulden war. „Du bist wunderbar. Er ist das Monster, nicht du“, sagte sie ruhig und stand langsam auf. Er stützte sie und musterte sie eindringlich. Lere schien tatsächlich keine Angst vor ihr zu haben. Es musste die Überraschung gewesen sein, die sie hat zurückweichen lassen.
Ein Lächeln umspielte seine Lippen und er sah im Spiegel, dass er sich wieder zurückverwandelte. Er hatte sich wieder beruhigt. Nun konnten sie wieder nach Hause.
Als sie das Zimmer verließen, war Dante nicht mehr dort. Er war zumindest so schlau gewesen, sich seinem Bruder nicht weiter in den Weg zu stellen.
Sirius stützte Lere und lief mit ihr durch die Flure der Dienstboten, um den anderen Gästen aus dem Weg zu gehen. Er wollte seine Zeit nicht damit verschwenden müssen, sich von ihnen zu verabschieden. Lere brauchte so schnell wie möglich einen Arzt, der einen Bruch behandeln konnte, auch wenn dies nur seine erste Vermutung war, genau wusste er es nicht.
„Hältst du noch etwas durch?“, fragte er hoffnungsvoll, als sie endlich wieder in ihrer Kutsche saßen und hielt sie fest im Arm, während die Kutsche sich in Bewegung setzte. „Ich versuch’s“, keuchte sie an seiner Schulter.
Ihre Temperatur fiel ab.
Sie stand noch immer unter Schock.
Ihr war übel vor Schmerz, sie würde sich am liebsten übergeben. „Ich werde einen Druiden herholen. Er ist ein Magier, der das sicher schnell in Ordnung bringen wird“, flüsterte er. Seine Worte drangen nicht mehr zu ihr durch, war bereits von der Dunkelheit eingenommen, die tröstend ihre Arme um sie legte.
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