#46 Autofahrt
Die Aussicht von hier oben war wirklich schön. Ich nahm mein Handy und fing an zu fotografieren. Das tat ich oft. Es erinnerte mich an meine Gefühle, die ich in diesem Moment fühlte. Ich war nicht gut meine Gefühle zu beschreiben. Also schrieb ich kein Tagebuch. Doch die Fotos waren sowas wie ein visuelles Buch für mich. Damit fing ich im Krankenhaus an.
Meine psychologische Betreuung hatte mir verschiedene Möglichkeiten genannt. Ein Diktiergerät war für mich noch schwieriger, als die Dinge aufzuschreiben. Und ein Videotagebuch war mir noch mehr ein Graus. Ich konnte nach dem Unfall lange nicht in den Spiegel sehen und wollte bestimmt nicht gefilmt werden während ich versuchte meine Gefühle in Worte zu formulieren.
Aber Fotos schießen war einfach. Jeder Andere würde nur das Bild sehen, aber nicht meine geheimen Gefühle und Gedanken dazu. Es war für mich hilfreich diese zu dokumentieren und auf diese Weise sicher vor Anderen. Ich dachte ich hätte mich bereits geändert, aber ich war eindeutig noch immer sehr misstrauisch anderen gegenüber. Oder schon wieder?
Ich schüttelte meinen Kopf und meinen Körper, der mir von der angespannten fahrt hierher weh tat. Dann setzte ich mich auf ein kleines Stück Wiese und zog die Beine an meinen Körper. Es war mir lieber als das Auto, dass eine Falle sein konnte.
Ich sah mir meine kleine Narbe vom Unfall an meinem Bein an und dachte daran wie ich in den Trümmern eingeklemmt war. Ich fühlte mich immer noch als wäre ich darin gefangen.
Ich dachte immer ich wollte in meinem Leben nicht alleine sein, denn das war ich nun mal viel. Aber ich hatte mich geirrt. Das was ich brauchte und wonach ich mich sehnte war in Wirklichkeit Sicherheit.
Sicherheit davor, dass ich keinen Anfall bekam, dass der Freund meiner Mom mich nicht quälte, dass ich keinen allergischen Schock bekam, dass ich nicht ertrank, dass ich nicht wiederbelebt werden musste, dass Oliver mich nicht entführte, dass ich keinen Autonfall hatte, dass ich nicht Tablettenabhängig wurde, dass ich nicht um mein Leben kämpfte während ich in einem Wrack gefangen war. Dass ich nicht...
Toby
Cat.
Ich konnte nicht mal aufsehen. Ich schämte mich so sehr, dass ich wieder Hilfe brauchte. Toby setzte sich neben mich und nahm meine Hand.
Toby
Du bist eiskalt Cat.
Das passte gut zu der Kälte in mir drin. Wie sollte ich auch warm sein wo nur Dunkelheit war?
Toby
Möchtest du los?
Ich schüttelte den Kopf.
Toby
Du wirst mir noch krank.
Toby strich mir die Haare zurück auf meinen Rücken und streichelte dann meine Wange. Es war eine seltsam intime Geste, die mich an Cane erinnerte. Aber schließlich waren die zwei sich auch ziemlich ähnlich.
Toby
Lass uns nach Hause fahren. Es wird alles in Ordnung kommen.
Mein Körper schmerzte und ich fühlte mich absolut ausgelaugt. Toby bewegte sich und nahm mich hoch. Er trug mich zum Auto während ich zurück zur Klippe schaute. Er setzte mich vorsichtig auf den Beifahrersitz ab und automatisch atmete ich hektisch. Ich war so bewegungsunfähig als hätte ich fesseln um. Doch die Fesseln waren nur in meinem Kopf. Das alles war nur in meinem Kopf.
Toby
Catherine?
Gefangen. Ich war gefangen. Dabei wusste ich, dass ich es nicht wirklich war. Ich bohrte meine Hände in meine Beine, aber der Schmerz reichte nicht aus. Mehr!!! Als mich dann warme Hände davon abhielten mir weh zu tun, sah ich auf.
Toby
Tue das nicht.
Seine Stimme war brüchig und ein Ruck ging durch mich durch. Ich zog Toby an seinem Shirt näher zu mir, bis ich im tief in seine Augen sehen konnte. Er war mein Stiefbruder. Und auch wenn er mir das Leben ziemlich schwer gemacht hat, so war es nun nicht mehr so. Er sorgte sich um mich.
Toby
Cat!?
Catherine
Tue mir weh! Hilf mir!
Toby öffnete seinen Mund, aber sagte kein Wort.
Cane
Das wird er ganz sicher nicht. Aber wenn er dir weiter so nahe ist, dann werde ich ihm weh tun! Stiefbruder hin oder her.
Ich hatte nicht mitbekommen, dass Cane hier war. Ich hatte nicht mal mitbekommen in welchem Auto ich saß.
Catherine
Cane!?
Cane
Irgendwer musste doch mit, um dein Auto nach Hause zu bringen. Aber glaub mir Cat, schmerz hilft dir nicht weiter. Ich muss es wissen.
Natürlich war er hier. So wie er immer da war. So wie ich ihm immer Umstände machte. Mein schlechtes Gewissen wurde größer.
Toby
Also entweder lässt du mich jetzt los oder du küsst mich. Der da wird dann aber eher durchdrehen und ich werde mich wohl übergeben müssen. Immerhin bist du meine kleine Schwester!
Cane knurrte und ich zog erschrocken die Luft ein. Toby hingegen lachte und wieder ging ein Ruck durch mich durch. Ich ließ Toby los und sah meine verkrampfte Hände an.
Toby
Tun sie weh?
Catherine
Ja.
Toby
Wir fahren jetzt nach Hause. Und dann gehst du heiß baden. Das wird helfen. Auch damit du nicht mehr so
eiskalt bist.
Es war nicht Toby, der sich auf den Fahrersitz setzte und erst mich und dann sich anschnallte. Ebenso beugte er sich noch einmal vor, um meine Sitzheizung anzuschalten.
Catherine
Es tut mir leid.
Cane
Kitty, wenn du denkst das ich sauer bin, dann irrst du dich. Wir haben uns nur Sorgen gemacht.
Catherine
Das wollte ich nicht.
Cane
Ich weiß. Aber es wäre mir lieber, wenn du Toby nicht so zu dir ziehen würdest. Denn dann werde ich mehr als nur sauer. Dann fühle ich mich wie ein Höhlenmensch und würde dich am liebsten über meine Schulter schmeißen und Toby meine Stärke beweisen. Ehrlich. Meine Theorie ist, dass ein sehr eifersüchtiger Mann für die Eiszeit verantwortlich war!
Das brachte mich zum Lächeln.
Catherine
Du hättest immerhin die richtige Figur, um so etwas tragen zu können.
Cane
Ist das so? Du stehst also auf Fell?
Catherine
Nein, aber ich stehe auf dich.
Cane seufzte laut.
Cane
Was mache ich nur mit dir Cat!
Catherine
Ich weiß es nicht. Aber wenn wir zu Hause sind, dann werde ich meinen Therapeuten anrufen.
Cane
Es ist ein Mann!?
Catherine
Ja, ich machte keine Fortschritte und Mom und Jack hielten es für das beste zu wechseln.
Cane
Es scheint als wäre es eine gute Entscheidung gewesen.
Catherine
Vor einer Stunde hätte ich noch mit nein geantwortet.
Cane
Wann kommen Marie und Jack zurück?
Catherine
Morgen.
Cane
Und wie geht es dir damit?
Catherine
Gut.
Cane
Und deine Mom?
Catherine
Ich glaube ich habe sie verletzt als ich sagte sie sollen beide gehen. Der neue Psychologe hatte gesagt ich solle sagen wie ich mich fühle. Aber ich hätte es feinfühliger machen können.
Cane
Welche Mom hört schon gerne, dass sie gehen soll, wenn es ihrem Kind schlecht geht.
Catherine
Jack wollte den neuen Psychologen gleich wieder feuern.
Cane
Will! Er erkundigt sich jeden Tag bei Toby. Und der muss ihm jedes mal überzeugen, dass er seinen Job gut macht.
Catherine
Mom hat ganz schön geweint.
Cane
Ja, aber es geht nicht um sie. Es geht um dich und darum wie dir geholfen werden kann. Wenn du sie brauchst ist sie nur eine kurze Fahrt entfernt.
Catherine
Ja, aber dennoch wollte sie gerne mit Jack kommen und mich sehen. Ich bin froh, dass er sie davon abhalten konnte. Sie ist so aufdringlich geworden. Nun nicht aufdringlich. Es ist einfach ungewohnt, dass sie ständig um mich herum getanzt ist. Als würde sie nur darauf warten, dass ich versage.
Cane
Du kannst mir sagen, wenn ich dir zu viel bin. Du musst nicht weglaufen.
Catherine
Mein Kopf und meine Gefühle und dann auch noch mein Körper. Alles sagt mir etwas anderes. Und ich weiß nicht worauf ich hören soll.
Cane
Es sollte kein Vorwurf sein.
Catherine
Ich weiß, aber ich wollte es dir erklären.
Cane
Brauchst du nicht. Wie gesagt ich warte. Egal wie lange es dauert.
Catherine
Ich brauche hilfe Cane. Ich schaffe das nicht alleine.
Cane
Ich weiß. Und ich bin froh, dass du das erkennst und auch dementsprechend handelst. Du machst Fortschritte. Auch wenn du sie nicht siehst. Toby und ich sehen sie.
Catherine
Ich dachte nur sie wären größer. Auch wenn ich heute einen
Durchbruch hatte. Ich fühle mich als wenn ich viele Schritte zurück gegangen wäre.
Cane
Du irrst dich. Alleine das du mir das alles gesagt hast ist mehr als ich mir erhofft habe.
Da hatte er recht. Der Weg bis ich endlich etwas sagte war lang, aber mit Cane zu reden war einfach. Es ging wie von alleine.
Catherine
Cane. Es gibt da etwas...
Cane
Wir sind da.
Ich schaute durch die Frontscheibe und konnte nicht glauben, dass wir wirklich bereits zurück waren.
Catherine
Ich hatte gar keine Zeit, um mir Sorgen zu machen.
Cane
Die Autofahrt? Es macht dich also doch immer noch nervös?
Catherine
Macht es. Manchmal habe ich es im Griff, aber es gibt auch andere Tage.
Er stieg aus, ging um das Auto rum und öffnete mir die Tür. Dann reichte er mir seine Hand und ich nahm sie an. Toby stieg ebenso aus dem Auto aus und kam und entgegen.
Catherine
Cane? Ich möchte unbedingt mit dir ausgehen.
Cane
Wirklich?
Catherine
Ja! Dürfte ich es nur planen? Ich glaube damit würde ich mich wohler fühlen.
Toby
Das ist leider nicht...
Cane stieß Toby den Ellenbogen in die Rippen und dieser stöhnte vor Schmerz auf.
Cane
Alles was du willst!
Wieso hatte ich das Gefühlt, dass ich schon wieder etwas vermasselt hatte? Und wieso war die Fahrt nur so schnell vorbei.
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