Die Heimkehr der Prinzessin (1)
Halbwach lag ich in meinem Bett und lauschte den singenden Vögeln. Eine angenehme Brise frische Luft zog durch mein Zimmer und der blumige Duft meiner Bettdecke lag mir in der Nase. Ich hatte schon vollkommen vergessen wie es war in Mullingar aufzuwachen. Die Stille, obwohl das Fenster die ganze Nacht geöffnet war, war wunderbar und das Zirpen der Grillen war alles andere als störend. Es war einfach kein Vergleich zu meiner Heimatstadt oder der Millionenmetropole London.
Ein sanftes Klopfen lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Ohne die Augen zu öffnen, wusste ich schon wer es wohl sein würde.
"Mäuschen. Willst du auch mit Frühstücken?"
Das einzige was ich herausbrachte war ein. "Hmm..." Ich stöhnte und zog mir die Decke weiter hoch. "Fünf Minuten noch." Nach dem unruhigen Flug gestern hatte ich Schlaf bitter nötig.
"Okay." Meine Mutter schloss die Tür wieder und ging nach unten. Essen war wohl das einzige das mich momentan aus dem Bett brachte, denn eigentlich hätte ich nichts dagegen gehabt den ganzen Tag faul im Bett liegen zu bleiben und mich bedienen zu lassen. 'Ne Königin müsste man sein, dann würde das wohl so funktionieren.
Schlapp drehte ich mich von der Seite auf den Rücken, dabei rutschte mir die Decke bis zum Bauch hinunter, die ich anschließend mit meinen Füßen von mir strampelte. Ich streckte mich, gähnte und rieb mir meine verschlafenen Augen. Einige Haarsträhnen meines Zopfes hingen mir dabei in die Augen. Ich pustete sie zwar aus meinem Gesicht, aber sie fielen mir immer wieder in die Sicht. Ich fühlte mich so verdammt schwer und kam einfach nicht auf, deswegen drehte ich mich wieder zur Seite und sah auf den hellen Parkettboden unter mir. Würde es wehtun, wenn ich mich nach unten abrollen würde? Vermutlich.
Schlussendlich kam ich irgendwie auf die Beine und schleppte mich in mein Badezimmer. Der erste Blick in den Spiegel war, wie immer, grauenhaft. Ich wusch mir mein Gesicht, putze mir meine Zähne und frisierte mein Haar. In Hauslatschen und Schlafanzug polterte ich die Treppen hinunter und betrat die Küche. Bobby saß mit einer Zeitung in der Hand an seinen Platz und dabei hielt er eine Tasse, die sicher mit Kaffee gefüllt war. Seine runde Harry Potter Brille hatte er auch mal auf.
"Nach auch schon auf?" fragte mich meine Mutter, die hinter mir gerade die Küche betrat und zum Kühlschrank ging. Ich nickte nur leicht und schnappte mir eine Tasse Kaffee. Anschließend bediente ich mich am Kühlschrank und ließ mich neben Bobby am Tisch nieder. Ein belegtes Brot und eines mit Nutella lagen vor mir. Während ich mir kleine Stücke von meinem belegten Brot abschnitt beschwerte sich Bobby über den Mord und Totschlag in der Welt.
Ich winkte ab. "Das ist doch eh immer dasselbe." Erneut nahm ich einen Bissen.
Bobby schüttelte den Kopf, faltete die Zeitung zusammen und legte sie ab. "Ja, aber das ist doch gerade das schreckliche daran. Wer will in so einer Welt ein Kind groß ziehen?"
Schulterzuckend erwiderte ich: "Ähm. Habt ihr das nicht?" Dabei glitt mein Blick zwischen Bobby und meiner Mutter hin und her, die gerade genüsslich an ihrer Tasse zog und sich nach hinten an ihren Stuhl lehnte. Bobby räusperte sich und damit schien für ihn das Thema gegessen zu sein.
"Ich hoffe, dir hat dein Geschenk gefallen, das wir dir für deinen Geburtstag geschickt haben. Hast du schon viele Bilder damit gemacht?" meldete sich meine Mutter zu Wort. Bei dem Wort 'Bilder' wurden ihre Augen groß. Sie und ihre Fotos.
"Ja, total viele." Die Tatsache, dass sie Kamera noch verschlossen in meinem Zimmer lag, verschwieg ich ihr jetzt mal.
Mum seufzte zufrieden. "Ach, sehr schön. Hast du sie mit? Wir könnten sie in deinen Ordner dazu geben."
"Nein, habe ich nicht." erwiderte ich knapp. Ich sah hinab auf meinem Teller und schnitt mir wieder ein weiteres Stück meines Brotes herunter. Bobby stand währenddessen auf und befüllte sich seine Tasse erneut. "Du hast ein gutes Auge dafür Amara. Deine Mutter hat mir die Bilder gezeigt und mir erzählt, dass du dich dafür insgeheim interessierst." erzählte mein Stiefvater mir und meine Mutter nickte zustimmend.
"So kann man das nicht sagen." sagte ich. "Meine Mutter hat den zwang alles zu fotografieren, was gerade geschieht. Denkt doch nur mal daran als wir letztes Jahr das erste Mal zusammen mit Niall, Greg, Denise und Maura zu Abend gegessen haben. Oder an das Mal, als ich meinen ersten Kater hatte... Mir blieb früher nichts anderes über, als die Bilder von ihr zu knipsen. Zum Glück bin ich an euren Hochzeitstag verschont geblieben."
Es roch nach frischen Kaffee und der Dampf des heißen Getränkes stieg nach oben als Bobby sich wieder setzte. "Wenn wir schon von unserer Hochzeit sprechen... " begann er plötzlich. „Du und Niall. Habt ihr euch jetzt endlich wieder vertragen?"
Ich schlucke meinen Bissen hinunter und nahm einen Schluck aus meiner Tasse. "Jap. Alles wieder gut."
Bobby kniff die Augen zusammen. "Ich wusste damals überhaupt nicht, dass ihr so eifersüchtig aufeinander wart. Als mir Kate alles erklärt hatte, war ich mehr als nur verwirrt darüber. Ich meine, ihr seid doch beide alt genug um zu wissen, dass Niall dir nicht deine Mutter wegnimmt und auch andersherum."
Etwas verwirrt sah ich zu meiner Mutter hinüber, die mich starr an nickte. Sie wusste was los war. Ich hatte es ihr an diesen Abend erzählt und mir war es egal, ob sie Bobby davon erzählen würde oder nicht, ich war sogar fast so weit gegangen, um des Bobby absichtlich zu erzählen, damit er seinen Sohn mal die Ventilen lesen würde. Na ja, ich entschied mich dagegen. Dass sie es Bobby nicht erzählt hatte, hatte sie mir gesagt, aber das sie ihm so einen Unsinn erzählen würde... damit hatte ich sicher nicht gerechnet.
"Ich bin ein Einzelkind. Ist das Erklärung genug?" erklärte ich ihm und versuchte somit die Situation scherzend zu übergehen - was auch klappte.
"Und was machen wir heute noch?" fragte meine Mutter wenig später in die Runde.
Ich runzelte die Stirn. "Wir? Ich weiß ja nicht was ihr macht, aber ich zu meinen Teil, schnappe mir, nachdem ich mich umgezogen habe, meinen Wagen und mache die Gegend unsicher."
"Du meinst wohl eher die Straße. Wir sollten wohl der Polizei Bescheid sagen, dass sie die Plastik-bäume aufstellen sollen." unterbrach mich Bobby grinsend. Meine Mutter konnte sich selbstverständlich ihr Lachen nicht unterdrücken.
"Sehr witzig, Bobby."
Ich rollte lächelnd mit den Augen, räumte mein Geschirr vom Tisch ab und ging hoch in mein Zimmer. Eine kurze Jeans-Shorts und ein schwarzes Basic Shirt hatte ich schnell in meinen Koffer gefunden und angezogen. Im Badezimmer trug ich noch Make-up auf und machte mir Dutch-Braids. Warum ich mir gerade Dutch-Braids antat wusste ich auch nicht, da ich immer ewig brauchte bis ich sie hin bekam. Vermutlich war auch genau das der Grund, warum ich sie so gut wie nie machte.
Mit meiner schwarzen Handtasche ging ich die Treppen hinunter und ging auf das Kästchen zu, in dem alle Schlüssel aufbewahrt wurden und unter anderem auch mein Zulassungsschein, sowie der Schlüssel von Nialls Range Rover und dessen Papiere. Der Wagen, in dem wir nach Dublin gefahren waren und eine Nacht, wegen dem schlechten Wetter verbringen mussten. Mussten - eigentlich eher durften. Ich erinnere mich noch genau daran, wie Niall im Bett gegenüber von mit lag und seelenruhig schlief, während Gott sein Schlagzeugsolo gab.
Ich ließ meine Finger über den Anhänger an seinen Schlüssel gleiten. Es war eine Runde Münze auf der "NH" mit Schlagzeugsticks gedruckt war. Er war neu, damals war er noch nicht an seinen Schlüsselbund.
Bevor ich in die Garage ging verabschiedete ich mich noch bei Bobby, da ich meine Mutter nirgends sehen konnte und begab mich zu meinen Wagen. Sie hatten derweil ein riesiges weißes Tuch über meinen Wagen gespannt, was wohl hieß, dass er seit einer Ewigkeit nicht mehr gefahren wurde. Ich zog daran und der Staub flog mir entgegen, ich musste einige Male husten und mit der Hand versuchte ich den Staub von mir weg zu fächern. Das Tuch schoss ich einfach quer in eine Ecke neben Nialls Wagen, der ebenfalls abgedeckt war.
Mein hellblauer VW Golf kam zum Vorschein. Ich legte meine Tasche am Beifahrersitz links neben mir ab und kontrollierte die Spiegel. Anschließend legte ich mir den Sicherheitsgurt um und drückte den Einschaltknopf. Es krächzte kurz aber zu meinem Glück ging der Motor an. Ich hatte schon die Befürchtung dass die Batterie komplett leer sein würde. Langsam fuhr ich durch das bereits geöffnete Garagentor hinaus auf die Einfahrt und bog anschließend zur Straße ab.
Die Klimaanlage blies angenehme kühle Luft in den Wagen und die Musik dudelte aus dem Radio. 'Havana' von Camila Cabello lief gerade. Auch obwohl ich den Song schon hunderte male gehört hatte, konnte ich es nicht unterlassen mitzusingen. Schätzungsweise fünf bis sieben Autos kamen mir bis zur Mall entgegen. Es war ruhig auf den Straßen von Irland.
Ich hatte schnell einen Parkplatz direkt am Eingang ergattert, schnappte mir meine Tasche und ging in angenehmem Schritttempo die Mall hinunter. Ich war eine schreckliche Tochter. Der Geburtstag meiner Mum war schon morgen und ich hatte noch immer kein Geschenk für sie. Im Geschenke kaufen war ich sowieso schon immer eine Niete. Ich hatte es immer lieber, wenn mir jemand genau sagte, was er haben wollte, dann musste ich nicht lange nach irgendetwas halbwegs passablen suchen. Bei meiner Mum war es schwer, inzwischen besaß sie doch schon alles was sie wollte. Der Beweis ist dieses riesige Haus in dem sie lebt, mit dem Mann, der sie abgöttisch liebt. Wie sollte ich das mit etwas anderen also toppen?
Ich hielt in einigen Läden an und suchte nach irgendetwas das ich ihr schenken konnte, jedoch fand ich nichts Passendes. Klamotten hatte sie doch eh genug und außerdem ist das mit Klamotten immer so eine Sache, jeder hat eben nicht denselben Geschmack. Kerzen und so schnick schnack fand ich auch alles andere als passend.
Mein nächster Halt brachte mich, mit einen köstlichen Latte, an einen freien Tisch im Starbucks Café. An und ab nippte ich an meinen Becher während ich derweil meinen Twitter Feed durchforstete. Stolze 61 Tausend Follower hatte ich erst letzte Woche erreicht, was natürlich nichts mit mir zu tun hatte, sondern nur mit dem Fakt, dass wir uns in die Horan Familie eingeheiratet hatten. Mich wunderte es wirklich, warum die mir alle folgten, immerhin postete ich wirklich nur ganz selten etwas.
"Ja, kannst du es fassen? Ich hatte nicht damit gerechnet." Diese Stimme kam mit vertraut vor. Ich löste den Blick von meinem Display und drehte mich um. Ein Lächeln zog sich über mein Gesicht. Ich sah ihm zu wie er sich etwas bestellte und in die andere Richtung sah, um mit seiner Schwester zu sprechen. Der Junge hinter der Theke übergab ihn seine Bestellung und erst jetzt sah er das erste Mal in meine Richtung. Unsere Blicke kreuzten sich.
Es war Matt.
"Amara. Hey!" grüßte er mich schon als er mit großen Schritten auf mich zukam. Ich stand ebenfalls auf und nahm ihn in die Arme. Mein Kopf lag an seiner Brust, da er deutlich größer war als ich. Durch sein Tank top sah ich, dass er ein neues Tattoo auf seiner Schulter hatte. Einen Adler mit roten Augen.
Wir lösten uns wieder voneinander und grinsten uns gegenseitig an. "Wie geht es dir? Ich wusste nicht, dass du wieder in Mullingar bist. Hat dir London nicht gefallen?"
Ich schüttelte den Kopf und setzte mich wieder auf meinen Platz, was mir Matt gleich tat, als er sich gegenüber von mir setzte. Seine Schwester Amber ignorierte ich eiskalt. Ich hatte aber mitbekommen, dass sie den Mund verzogen hatte und die Arme verkreuzte.
Matt sah gut aus. Sein rabenschwarzes Haar war etwas kürzer als beim letzten Mal, seine dunklen Augen glänzen, die schönen langen Wimpern hatte er noch immer und seine Muskeln waren definitiv mehr geworden.
"London ist toll. Ich bin wegen dem Geburtstag meiner Mutter hier." erklärte ich.
Matt nickte. "Wie ich. Ich bin auch auf Besuch hier. Wann fliegst du wieder zurück?"
"In fünf Tagen, also am Mittwoch." antwortete ich daraufhin. Wieder nickte Matt. "Das heißt, du hast also genügend Zeit, um am Sonntag mit mir, Sean, Leon und Emily campen zu gehen."
"Campen?" wiederholte ich ihm und zog dabei die Augenbrauen hoch. "Ich und campen?"
Matt zuckte mit den Schultern und grinste schief: "Ja, warum nicht? Wir bestimmt lustig."
Ich verzog den Mund. Den Drang danach auf den harten Boden zu schlafen verspürte ich einfach nicht. "Kommt denn deine Latina Freundin nicht mit?"
Matt seufzte und umklammerte seinen Kaffeebecher. "'Ne. Das ist schon wieder alles vorbei. Wir haben nicht zusammen gepasst." Er sah auf seine Hände hinab und anschließend wieder hoch zu mir. "Also, kommst du mit?"
Ich biss mir in die Wange. Bock hatte ich eigentlich nicht, aber so konnte ich wieder ein bisschen Zeit mit ihm verbringen. "Na gut. Aber ich muss erst mal Bobby fragen, ob er irgendwo ein Zelt und einen Schlafsack hat, sonst wird das nämlich nichts."
"Falls er nichts hat, ist das nicht so schlimm. In meinen Zelt ist immer Platz für dich und einen Schlafsack könnte ich sicher auch auftreiben." bot Matt mir netterweise an.
Amber schnaufte laut: "Meinen bekommt die sicher nicht!"
"Glaub mir, bevor ich mich in deinen lege schlafe ich lieber auf Steinen." sagte ich schroff zu ihr und gab ihr einen tödlichen Blick. Blöde Kuh, warum war die noch immer da?
Matt verabschiedete sich kurz darauf von mir und verließ das Café mit seiner Schwester. Ich trank noch in Ruhe aus und machte mich wenig später ebenfalls auf den Weg nach Hause. Meinen Wagen parkte ich in der Auffahrt. Schon als ich die Haustür öffnete hörte ich Nialls Stimme. Ich schlüpfe aus meinen Schuhen und legte meine Handtasche an einen kleinen Schrank ab.
Leise schlich ich mich an den Türrahmen des Wohnzimmers und lehnte mich dagegen. Niall stand mit den Rücken zu mir und erzähle unseren Eltern irgendeine Geschichte, bei der er wie wild gestikulierte. Der Blick von Bobby glitt an Niall vorbei an mich. Grinsend fragte er: "Wie viel Bäume hast du angefahren?"
Niall wurde plötzlich still und drehte sich ebenfalls in meine Richtung. Er lächelte mich sanft an und ich lächelte zurück. Ich hatte ihn seit dem Zwischenfall im Park nicht mehr gesehen.
"Ich habe gar keinen Baum angefahren. Es könnte sein, dass ich deinen Wagen leicht gestreift habe, als ich in die Einfahrt gefahren bin."
Mehr musste ich nicht sagen, schon verzog Bobby das Gesicht und stürmte an mir vorbei nach draußen.
"Amara ist das dein ernst?" fragte meine Mutter plötzlich. Ich ging an Niall vorbei, schmiss mich auf die Couch und legte die Füße hoch. Die Fernbedienung hatte ich auch schnell gefunden. "Vielleicht, vielleicht auch nicht. Findet es heraus."
----------------
Hallöchen!
Ich hoffe das Kapitel war halbwegs in Ordnung.
Wir sind zurück in Mullingar! Yay!
Ich hoffe ihr hattet eine schöne Woche.
Danke für eure Votes und Kommentare. Ich freue mich auch dieses Mal wieder von euch zu hören bzw. zu lesen.
Liebe Grüße, Sabrina.
PS: My irish Stepbrother hat diese Woche fünftausend Leser geknackt. Danke dafür!
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro