Das verlorene Kind
Laut gähnend streckte ich mich. Mit geschlossenen Augen griff ich an das Kästchen neben meinen Bett, bis ich den rechteckigen Gegenstand ertastete, nach dem ich gesucht hatte. Ich musste einige Male blinzeln bis ich schließlich in der Lage war, die Zahlen auf meinen Bildschirm lesen zu können. Es war kurz nach drei Uhr nachmittags. Dieses Nickerchen war länger als es sich angefühlt hat.
4 verpasste Anrufe, 1 Neue Nachricht
Ich schluckte. Dylan hatte versucht mich zu erreichen. Hätte ich mein Handy nicht vorhin auf Stumm geschaltet, hätte ich es gehört. Schneller als mir lieb war setzte ich mich auf und rutschte an das Kopfende meines Bettes, um mich an die Wand anzulehnen und meinen Knie anzuwinkeln.
Hey tut mir leid, wenn ich dich störe. Wollte nur deine Stimme hören. Hoffe du verbringst eine gute Zeit mir deiner Familie. Vermisse dich.
Erneut schluckte ich. Warum ist er nur so nett? Kann er mir nicht einen schlimmen Grund geben, um ihn zu sagen, dass ich das mit und zurzeit nicht mehr vorsetzten will? Warum sind Typen immer nett zu einem, wenn sie es nicht sein sollen? Und warum sind sie Arschlöcher, wenn sie nett sein sollen? Weswegen ist das nur so? Ist das der Lauf des Lebens?
Nervös biss ich auf meiner Lippe herum, rangelte mit meinen Gewissen herum. Ich kann ihn doch nicht einfach anrufen und ihm sagen, dass aus uns nie ein richtiges uns werden wird, da ich mich jetzt doch für Niall entschieden habe, obwohl ich ihm gesagt habe, dass er nichts von Niall zu befürchten hätte. So schnell ändern sich Dinge. Einmal zusammen im Pool, einen Einkaufsbummel und eine Nacht im Wald und alles steht Kopf. Ich hatte eher die Vermutung, dass Mullingar, die Stadt, daran schuld war. Die Stadt ließ mich in Erinnerungen schwelgen. Vor einen knappen Jahr hatte die Geschichte hier begonnen, kaum zu glauben. Ich weiß noch, als ich die Treppen herunterkam und er mit den Rücken zu mir stand, mit unseren Eltern sprach. Wie nett er sich Verhalten hatte und mich mit ins Pub nahm - eine Fremde, die er noch keinen Tag kannte, seinen Freunden vorstellte. Ich habe noch immer seinen nach Bier riechenden Atem in der Nase, als er mich zu einem Tanz auffordern wollte ... Damals hätte ich es mir nie erträumen lassen zu was das alles noch führen würde.
Ich entschied mich dafür Dylan anzurufen und schon nach dem zweiten Tüten hob er ab. "Hey Amara." hörte ich seine Stimme. Er keuchte laut.
"Hab ich dich wobei gestört?" fragte ich, machte den Lautsprecher an und warf das Handy vor mich auf mein Bett.
Er lachte. "Nein, überhaupt nicht. Drehe gerade nur meine übliche Runde. Wie geht es dir?"
"Gut." log ich, da ich mir überhaupt nicht sicher war, wie ich mich im Moment fühlte. Es war, als stünde ich direkt neben einer Klippe bereit in die Schlucht zu stürzend, weil ich Dylan eine Abfuhr erteilen muss und meine Mutter und Bobby erfahren werden was ich und Niall heute vorhaben.
"Es ist langweilig ohne dich in London. Zum Glück kommst du schon übermorgen wieder zurück zu mir. Und wenn du zurück bist, mach bitte deinen Mitbewohner klar, dass die Wände unserer Wohnungen sehr dünn sind. Ich konnte die ganze letzte Nacht kein Auge zubekommen!", sagte er und ich konnte mir vorstellen wie er zu grinsen begann und mir seine süßen Grübchen zeigen würde, wenn ich bei ihm wäre. "Was haben Sophie und Tobi angestellt? Ich habe wirklich keine Ahnung." Welchen Unsinn stellen die Beiden an, wenn ich nicht zu Hause bin?
Dylan räusperte sich. "Um ehrlich zu sein, glaube ich eher, dass es sich um Tobi und seinen Besuch gehandelt hat, was es irgendwie komisch macht ..."
Ich grinste und begann zu lachen. "Warum sagt du es ihm nicht selbst? Tobi ist cool, keine Sorgen."
"Ja, klar. Ich werde einfach anklopfen uns sagen: Yo, poppt bitte leiser. Ich finde es komisch das Gestöhne zweier Kerle zu hören, wenn ich versuche zu schlafen. Amara, bitte tu mir das nicht an. Ich würde im Erdboden versinken."
"Na gut. Ich werde mein bestes Versuche." sagte ich, um seiner Bitte nachzukommen. Ich stellte mir Bildlich vor, wie Dylan an unsere Tür klopfen würde, um sich bei Tobi zu beschweren weil er und sein 'Date' zu laut sind.
"Hör auf zu lachen!" beschwerte sich Dylan plötzlich. Ich hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass ich zu lachen begonnen hatte. Ich und meine Fantasie ...
Kurz darauf fiel mir der Grund ein. Der Grund, warum ich überhaupt zurückgerufen hatte. Ich strich mir durch mein Haar und sah auf den Display meines Handys herab. Es zeigte ein Foto von ihm. Sein perfektes Lächeln und die schönen wild abstehenden dunklen Haar. "Dylan?"
"Hm?", er seufzte und ich hörte wie er einen Schluck von etwas machte. Vermutlich von einer seiner Mineralwasserflasche, die er immer mitnahm, wenn er Laufen ging. "Du bist so ruhig. Ist was passiert?"
"Ich muss dir etwas sagen." begann ich nervös zu sagen. Mein Herz schlug wie verrückt und ich war mir nicht sicher, ob ich das Richtige tat. Am Telefon Schluss zu machen ist doch genauso mies wie per SMS, oder nicht? Oder zählte es hier nicht als Schluss machen da wir keine 'normale' Beziehung führten - wenn man das überhaupt als Beziehung bezeichnen konnte, da es nur ein paar Tage lief. Er würde es doch sicher auch noch nicht als Beziehung interpretieren. Wir waren schließlich nur auf einen Date und haben geknutscht, mehr ist nicht passiert. Wie damals mit Matt. Genau!
Ich atmete tief aus und sagte schüchtern: "Kannst du dich noch an diesen einen Tag erinnern, an dem du zu mir ins Café gekommen bist?"
"Du meinst den Tag, an dem ich dich gebeten habe meine Freundin zu sein?" hakte er nach obwohl ich wusste, dass er wusste, wovon ich sprach. Ich nickte, bis mit einfiel dass er mich nicht sehen konnte. "Ähm, ja. Der Tag." Es war still am anderen Ende der Leitung. Dylan schien abzuwarten, was ich ihm zu sagen hatte. "Also ..." fuhr ich fort und raufte mir mein Haar. "Ich hatte in den letzten Tagen Zeit darüber nachzudenken, was ich da getan hatte. Eine offene Beziehung vorzuschlagen, war ein großer Fehler. Ich wäre nie für so etwas gemacht, für das bin ich sicher viel zu Eifersüchtig." gestand ich ihm. Er lachte leise: "So etwas habe ich mir schon gedacht. Du hast mich damit wirklich sehr überrascht."
"Ja, wohl war." Ich legte mich auf den Bauch uns stützte meinen Kopf mit meinen Händen ab, während ich Dylans Foto ansah. Wie soll ich es bloß sagen? Ich sollte es einfach geradeaus sagen und mir nicht so viele Gedanken machen. Es wäre für uns Beide das Beste. "Ich denken wir sollten nur Freunde sein. Und es tut mir leid, dass ich das am Telefon mit dir kläre, aber ich und Niall ..." Er unterbrach mich: "Niall!?"
"Dylan hör zu ich ..."
"Ich weiß wirklich nicht was ich sagen soll Amara und ich will das auch nicht am Telefon klären. Wenn du zurück bist reden wir darüber. Mach's gut."
Mit geöffnetem Mund starrte ich auf den Display, an dem ich sah, dass Dylan den Anruf beendet hatte. Ich war mir nicht sicher, ob er sauer war oder nicht. Mach's gut. Er wird verletzt sein und das tat mir auch leid, aber ganz ehrlich? Es waren nur ein paar Tage, ein Fehler. Wie hätte ich das auch ahnen sollen, dass es hier so ablaufen würde? Vor zwei Monaten hatte ich gehofft Niall nie wieder sehen zu müssen - obwohl er mir irgendwie gefehlt hatte und mit diesen Gefühl hätte ich leben können.
Bitte sei mir nicht sauer.
Ich tippte die Worte und drückte auf senden. Dass er mir vermutlich nicht antworten würde, war mir klar. Anschließend steckte ich mein Smartphone an das Ladekabel und legte es an dem Kästchen eben mir ab, sprang vom Bett auf und ging auf den Flur hinaus. Es war merkwürdig still. Während ich die Treppen hinunter ging band ich mir meine trockenen Haare zusammen.
"Ich möchte, dass ihr versteht, dass ich sie wirklich gern habe."
Abrupt blieb ich auf der vorletzten Stufe stehen. Es war Niall der in ruhigem Ton sprach. Mit wem redet er da? Er tat gerade nicht wirklich das, woran ich gerade dachte oder?
"Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ihr beide zusammen?" Mein Herz machte einen Satz als ich die Stimme meiner Mutter hörte. "Niall du führst ein solch außergewöhnliches Leben, mit dem du Amara in Verbindung bringen würdest. Ich möchte nicht, dass mein Kind in das Blitzlichtgewitter gedrängt wird, verfolgt von Paparazzo und Fans, die verrückt nach dir sind. Ich will nur das Beste für sie." fuhr sie seufzend fort. Mich wunderte es, dass sie so ruhig geblieben ist. Und warum zur Hölle führt Niall dieses Gespräch ohne mich?
"Kate, du kennst mich. Ich würde sie nie verletzten. Amara ist mir wichtig. Außerdem versuche ich mein Privatleben nie großartig ins Rampenlicht zu rücken", versuchte Niall sie von seinen guten Absichten zu überreden.
"Du würdest sie nie verletzten?" wiederholte ihm meine Mutter spöttisch. "Wir wissen wohl Beide dass du das bereits getan hast." - "Kate, Niall hat sich dafür schon entschuldigt. Ich glaube meinen Sohn. Meinen Segen habt ihr." hörte ich Bobby plötzlich sagen. Er ist ein großartiger Vater. Mum seufzte laut: "Wenn es Amara auch will, möchte ich euch nicht im Weg stehen. Aber sie ist mein ein und alles. Bitte versprich mir dass du sie so behandelst, wie sie es verdient."
"Ich verspreche es Kate." Ich konnte mir ein Lächeln nicht unterdrücken, als ich Nialls Worte hörte. Ich hatte mir dieses Gespräch viel schlimmer vorgestellt. Niall räusperte sich: "Und wenn wir schon darüber sprechen, sie so zu behandeln wie sie es verdient, dann möchte ich loswerden, dass du Amara etwas über ihren Vater erzählen musst." Stocksteif riss ich die Augen auf und hielt die Luft an. "Amara ist am Boden zerstört darüber, dass ihr noch ein Kind bekommt."
"Was?" fragte meine Mum unglaubwürdig nach. "Sie freut sich nicht für uns? Ich dachte sie würde sich freuen." - "Sie ist am Boden zerstört?" wiederholte auch Bobby seinen Worte.
Ich konnte mir vorstellen das Niall wohl gerade nickte. "Ja und das dürft ihr Amara auch nicht übel nehmen. Ich denke es hat nichts mit dem Baby zu tun, aber eben mit dem Fakt, dass sie nicht weiß wer ihr Vater ist. Kate, warum verschweigst du es ihr? Was ist mit ihren Vater? Ist er ein Verbrecher oder warum soll sie nichts von ihm erfahren?" Niall klang ernst und seine Stimme hob sich etwas. Er versuchte ihr Druck zu machen.
"Ne- Nein. Das ist er nicht." erwiderte meine Mutter stotternd. "Ich wusste nicht, dass ihr das so nahe ging. Sie hat mich schon ewig nichts mehr über ihn gefragt, ich habe gedacht das Thema sei gegessen ..." Jetzt meldete sich auch Bobby zu Wort: "Schatz du hast auch mir noch nie etwas über ihren Vater erzählt. Sie ist erwachsen, sie verdient zu wissen wer ihr Vater ist."
"Ich möchte einfach nicht dass sie Kontakt mit ihm hat!" stellte meine Mutter klar. Warum sagt sie so etwas? Es ist ja wohl mein Recht! "Er hat mir schon ein Kind weggenommen und ich möchte nicht, dass er mir jetzt auch noch meine Amara wegnimmt!" Sie wurde laut und ich konnte deutlich hören dass sie zu weinen begann. Sie schluchzte.
Unglaubwürdig rutschte ich mit den Rücken die Wand herunter und setzte mich auf die Stufe. Wovon sprach sie? Welches andere Kind hat er ihr weggenommen? Sie hatte doch nur mich, oder nicht?
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro