K A P I T E L 53
Song Empfehlung:
Arcade von Duncan Laurence
E d w a r d
Lässig sitze ich auf dem Stuhl im Verhörraum und sehe auf meine Handschellen. Beinahe muss ich schmunzeln. Eine einnehmende Gänsehaut breitet sich über mir aus, als ich an den Kuss denken muss, den sie mir geschenkt hat. Es hat beinahe etwas Verzweifeltes an sich gehabt, als wir dort auf den Boden gekniet haben und es den Anschein erweckt hat, die Welt würde stillstehen. Sie haben uns erst auseinanderreißen müssen, ehe dem hätten wir uns wohl nie gelöst. Das blasse Gesicht von Alex oder das entsetzte von Clair werde ich wohl nie vergessen. So wie das vollkommen überraschte Gesicht von Agent Adams. Jedoch hat mich das nicht im geringsten interessiert. Nur Ellie galt all meine Aufmerksamkeit, wie sie auch Handschellen bekam und in ein Auto verfrachtet wurde. Nichts hätte mein Herz mehr zerreißen können als der Anblick, als sie uns beide getrennt haben. Doch das Wissen, dass sie mir noch immer vertraut, noch immer liebt, gibt mir die Sicherheit, die ich brauche, um ihr Leben zu retten. Denn nichts, wirklich rein gar nichts, ist mir wichtiger als sie. Das ist vom ersten Tag an so gewesen und wird auf ewig so bleiben. Nennt mich obsessiv, doch ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich sie liebe. So sehr liebe, wie es jeder Mensch verdient hat, geliebt zu werden. Ich sehne mich nach der Zweisamkeit mit ihr. Der Freiheit und Unbesorgtheit. Die Tür wird heftig aufgestoßen und ich sehe in das etwas überforderte Gesicht von Agent Adams. Lautstark schmeißt er die Tür wieder zu und setzt sich vor mich hin. Eine Zeit lang liefern wie uns ein intensives Blickduell. Unter anderen Umständen wäre mir dieser Mann wahrscheinlich sogar sympathisch, doch er hat Ellie hier festgehalten, stundenlang. Das kann ich ihm einfach nicht verzeihen. Was sie angeht, bin ich sehr nachtragend. Abwehrend verschränkt er die Arme vor der Brust. „Also...", fängt er an. „Sie wollten nie einen Gegenstand... Es ging immer um sie, nicht wahr?" Bestätigend nicke ich und schaue auf die Uhr über ihm. Das kann interessant werden.
Er hat ein ähnliches Gemüt wie ich, was mich für ihn vielleicht auch so interessant macht. „Also haben Sie etwas mit Ihrer... Schwester?", fragt er noch mal nach. „Wir sind adoptiert, wie Sie sehr wohl wissen, Agent. Was zwischen Ellie und mir ist, geht Sie jedoch nichts an." Er presst genervt seine Kiefer zusammen. „Ich habe Sie für ein gefühlloses Arschloch gehalten." „Oh, das bin ich auch", grinse ich. „Doch... bei ihr nicht?", fragt er mich verständnislos. „Oder nutzen Sie sie irgendwie aus?" Enttäuscht schnalze ich mit der Zunge und lehne mich nach vorne. „Ich habe Sie für klüger gehalten..." „Aber Sie können sie unmöglich... lieben." Ernst sehe ich ihn an und verschränke meine Finger ineinander. „Lieben Sie jemanden?", frage ich ihn und er lacht belustig auf. „Nein, ganz bestimmt nicht." „Hören Sie... Menschen wie wir werden irgendwann jemanden im Leben finden, die unsere Sichtweise auf einfach alles vollkommen verändert und uns, ohne dass wir es wollen, zu einem besseren Menschen machen." „Menschen wie wir?", fragt er skeptisch, doch ich stehe auf. „Sie werden es verstehen, wenn es soweit ist." Ohne Probleme löse ich die Handschellen und gehe zur Tür. „Wo wollen Sie hin?" „Ich werde gehen. Denn der Anruf, den Sie eben erhalten haben, hat Ihnen gesagt, dass Sie mich laufen lassen müssen. Wir sind uns ähnlicher als Sie denken. Ich kann verstehen, warum Sie mich noch diese Dinge fragen mussten. Ich schätze, der Rest wird sich von alleine klären." Zum Abschied hebe ich noch die Hand und lasse den grübelnden Agent zurück. Auch, wenn ich mich über meine Freiheit freue, hinterlässt sie auch einen bitteren Beigeschmack, der mich schon jetzt verfolgt. Draußen sitzt Ellie und sieht vollkommen überfordert umher. Sanft lächelnd sehe ich zu ihr und sofort kommt sie zu mir. „Du... Du kannst gehen?", suchend sieht sie nach den Handschellen, doch sie sind nicht mehr da. „Es ist vorbei", sage ich und nehme ihre Hand. „Lass uns gehen." Zusammen verlassen wir das Gebäude und treffen draußen auf Clair und Alex. Abschätzig sieht sie auf unsere Hände. „Ich hätte es wissen müssen", seufzt sie und verdreht die Augen. Alex jedoch sieht noch immer etwas verstimmt zu uns. „Ich werde trotzdem keine Luftsprünge machen", knurrt er und steht von der Bank auf. Brüderlich schlage ich ihm auf die Schulter. „Bitte sag mir, dass meine Versuche euch voneinander fernzuhalten, wenigstens etwas gebracht haben." Belustig schnaufe ich. „Ein bisschen", brumme ich und zusammen laufen wir zu Alex Auto. „Ich hab's versucht", er zuckt mit den Schultern und gibt mir die Autoschüssel. Das bestätigt mich in meiner Vermutung, dass er bereits weiß, was jetzt passieren wird. Wir steigen ein und fahren los. Noch immer scheint die Sonne und erhellt die Stimmung etwas. Wir sind alle müde und sehnen uns nach einem Bett, umso schmerzlicher ist es, dass ich nun dort hinfahre, wo ich hinfahren muss. Verwundert sieht Ellie auf. „Was wollen wir denn wieder hier?", fragt sie mich und sieht zu dem Flughafen, wo wir noch vor ein paar Stunden gestanden haben. Ein kleiner Jet steht bereit und ein Mann steht davor. Langsam halte ich an und schweige. „Komm", sagt Alex zu Clair und beide steigen aus. „Eddie?" „Ich muss gehen Elizabeth." „Was?!", entsetzt sieht sie mich an. „Nein! Nein. Nein, bitte tu' mir das nicht an." Traurig schluckend streiche ich über mein Lenkrad und sehe zu ihr. „Viktor hat sich gestellt und die beiden Morde, für die ich bezichtigt wurde, gestanden...", fange ich an zu erzählen. „Das tat er nur, weil ich seinen Bruder hatte. Man mag es kaum glauben, aber auch einem Arschloch wie Viktor liegt etwas an seiner Familie. Seinen Bruder habe ich der Behörde übergeben, die das aus mir gemacht haben", ich deute auf mich. „Trotzdem habe ich all diese andern Morde begangen. Es gibt zwar keine Beweise, jedoch musste ich einen Deal vereinbaren, um dich in Sicherheit zu wissen, damit ich gehen kann." „W-Was?" „Ich liebe dich viel zu sehr, als dass ich dich alleine lassen könnte, doch ich muss gehen. Du musst hierbleiben, deinen Abschluss machen und leben. Mehr wünsche ich mir gar nicht." „Nein. Bitte! Edward! Bitte", tausende Tränen laufen ihr Gesicht hinab. „Ich kann nicht anders. Es tut mir leid. Ich habe meinen ehemaligen Vorgesetzten um Hilfe gebeten. Doch ich muss als Gegenleistung das Land verlassen. Ich wünschte, es wäre anders, Elizabeth. Ich wünschte wir könnten zusammen sein. Ich wünschte... wir hätten ein Happy End." Schluchzend reißt sie die Autotür auf und geht nach draußen. Seufzend tue ich es ihr gleich und nicke meinem Vorgesetzten zu, der schon an der Leiter zum Flugzeug steht und auf mich wartet. Stützend lehnt sich Ellie an die Motorhabe und weint, so sehr, dass mein Herz bricht. „Bitte geh nicht. Bitte, Edward. Bitte." „Kleines...", sanft streiche ich über ihr Haar. „Dann... lass mich mit dir gehen. Lass mich mir dir kommen", erwartend und voller Hoffnung sieht sie zu mir auf. „Das geht nicht", leidend schüttle ich den Kopf. „Ich werde das nicht akzeptieren!", schreit sie schmerzerfüllt. „Du kannst mich doch nicht hier lassen! Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen!" „Ellie...", flehe ich sie an. „Ich liebe dich doch viel zu sehr, als dass ich es überleben könnte, dich zu verlieren", wimmert sie und bricht in sich zusammen. Schnell schlinge ich meine Arme um sie und halte sie fest. „Bitte lass mich gehen", flehe ich sie an. „Nein", schluchzt sie und krallt sich an mir fest. „Ich habe dich doch gerade erst wieder! Wieso müssen wir uns immer gegenseitig verlassen? Das ist nicht fair!" Hart schlucke ich, da mich die Trauer beinahe mitreißt und ich sie wieder ins Auto setzen und mit ihr zusammen abhauen möchte, doch das geht nicht. Dies hier ist die Realität. Und auch, wenn meine Liebe zu ihr größer ist, als alles andere, muss ich gehen, um sie in Sicherheit zu wissen. Denn ich werde immer eine Gefahr für sie darstellen. Sie ist mein Engel. Sachte hebe ich ihren Kopf an und lege meine Lippen auf ihre, koste noch ein letztes Mal. Ein letztes Mal für immer. „Es tut mir leid", flüstere ich und löse mich von ihr. Versucht kühl zu bleiben, gehe ich zum Flugzeug. „Nein!", schreit sie, wird aber von Alex aufgehalten. Mein Vorgesetzter sieht mich mittleidig an und reicht mir die Akte meiner neuen Identität. Langsam steige ich die Treppen nach oben, bleibe auf der letzten Stufe stehen. Ohne, dass ich es eigentlich will, sehe ich noch ein letztes Mal zu ihr. Zu meinen Geschwistern und der Liebe meines Lebens. Ihre Tränen, die sie vergießt, während Alex sie mit aller Macht aufhält zu mir zu rennen, lassen mein Herz stillstehen. Und dann wende ich den Blick ab und steige in das Flugzeug. In meine Zukunft, eine Zukunft ohne sie.
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