K A P I T E L 16
E d w a r d
„Clair?", erleichtert sehe ich in das Gesicht von meiner Schwester und nehme sie in den Arm. Wir befinden uns vor dem Gebäude, da ich gerade die letzten Schüler aus der Schule geholt habe. „Wo ist sie?", suchend sehe ich mich um. „Wer?", verwirrt sieht sie mich an. „Na Ellie." „Ich habe sie bis jetzt noch nicht gesehen...", sofort löse ich mich von ihr und sehe mich hektisch um. „Ellie!", brülle ich und viele Köpfe drehen sich zu mir um. Unfassbares Adrenalin bricht über mir ein und überschwemmt mich wie ein Tsunami. Schnell laufe ich durch die Menschenmassen, suche nach ihr und den blauen Augen zu meiner Seele. Immer wieder drehe ich Mädchen um, die aussehen wie sie, muss aber mit Enttäuschung feststellen, dass sie nicht unter ihnen ist. „Ellie!", brülle ich wieder und wünsche mir nichts mehr auf dieser Welt, als dass sich ihre zierlichen Arme um mich schlingen. „Edward!"
Hoffend drehe ich mich um, weiß aber schon jetzt, dass sie es nicht ist, da ich ihre Stimme überall wieder erkennen würde. Maddy, ihre Freundin, kommt auf mich zu gerannt. „Wo ist sie?!", auffordernd mir zu antworten, packe ich sie an den Armen. „Sie... Sie..." „Maddy!", knurre ich. „Sie ist zurück. Ich weiß nicht wieso." Unfassbare Angst, die ich noch nie gespürt habe, überrennt mich. Sofort lasse ich von ihr ab und renne zu den Einsatzkräften, die sich über einen Plan unterhalten, die Schule zu stürmen, da sie nicht wissen, ob noch Überlebende drinnen sind. Ohne zu zögern, schlage ich einem voll bewaffneten Mann an den Hals, sodass er sofort ummächtig wird. Ich schnappe mir sein Maschinengewehr und visiere die Männer an, die gerade die Waffen auf mich richten wollten. „Unterstehen Sie sich", knurre ich so finster, dass sie ohne zu zögern die Hände heben. Schnell laufe ich rückwärts Richtung Eingang und drehe mich nach einiger Entfernung um. Weg von den überraschten Blicken der Schüler, weg von den Beamten, die mich erstaunt ansehen. Ich drücke mich gegen den Eingang zur Schule und renne hinein. Mein Ziel ist klar. Finden, Retten, Feind eliminieren. Mein Körper ist wie in Trance, reagiert auf seine Umgebung, bewegt sich geschickt und schnell vorwärts, immer weiter, um sie zu finden. Verdammt Ellie, ich habe dir doch beigebracht, überlegt zu handeln! Wie konntest du dich nur so in Gefahr bringen? Wieso kannst du nicht einmal auf das hören, was ich dir sage! Ich würde es nicht ertragen, dich zu verlieren. Fest und schwer liegt das Gewehr in meinen Händen, bereit zum Einsatz. Mein Rennen scheint kein Ende zu haben, denn egal in welchen Flur ich komme, dort ist sie nicht. „Wo bist du nur...", murmle ich vor mich hin. „Ich habe dir doch gesagt, dass da welche drin waren." „Das war's für dich, Bitch!" Oh bitte nicht! Schneller als jemals zuvor renne ich weiter, hechte um die Ecke und ohne zu zögern, schieße ich zwei präzise Schüsse ab. Wie ein nasser Sack fallen die zwei jungen Männer in sich zusammen. Ich entlasse meinen angehaltenen Atem und senke meine Waffe. Meine Prinzessin steht mit zitternden Gliedern dort, die Augen fest zusammengepresst und irgendwas hinter sich versteckend. Zügig gehe ich auf sie zu. „Kleines", murmle ich. Zögernd öffnet sie ihre wunderschönen Augen und bricht in sich zusammen. Schnell bin ich bei ihr und fange sie noch auf. „Hey, ich bin ja da", fest presse ich ihren Kopf an mich. Erst jetzt erkenne ich das kleine Mädchen hinter ihr. „Es ist jetzt alles gut", flüstere ich und drücke ihre kleine Hand. Sie nickt schwach und schlingt ihre kleinen Arme um uns. Eine Weile hocken wir so da, ehe sich Ellie leicht von mir löst. „Ich dachte, es ist vorbei. Ich dachte, du würdest nicht kommen", mit tränenden Augen sieht sie zu mir auf. „Ich werde dich immer und vor allem retten, Kleines."
Langsam stehen wir auf. „Sind sie tot?", ich gehe ihren Puls ertasten, doch weiß ich bereits, dass sie tot sind, denn ich treffe immer mein Ziel. Immer.
„Ja...", aufmerksam betrachte ich ihre Leichen. Sie sind noch so jung gewesen... Wie sind sie nur an solch eine militärische Ausrüstung gekommen? Aufmerksam studiere ich ihre Waffen, als mich die Erkenntnis trifft. Aufgeregt richte ich mich auf und sehe mich hektisch um. „Was ist?", fragt mich Ellie. „Es gibt einen dritten!" „Was?! Wie kommst du darauf?" „Es fehlt ein Gewehr!"
Genau in dem Moment schreitet ein junger Mann mit zielgerichtetem Schritt, bereit für den Tod, um die Ecke und eröffnet das Feuer. Allgegenwärtig stelle ich mich vor sie, vor das wichtigste in meinem Leben. Mein wertvollster Schatz. In dieser Millisekunde meiner Reaktion zücke ich mein Messer aus meinem Stiefel und werfe. Die Schüsse hören schlagartig auf und mir wird klar, dass ich ihn getroffen habe. Röchelnd fällt er auf den Boden. Schnell drehe ich mich zu den beiden um, die sich schützend hinter mir zusammengepresst haben. Ihr geht es gut! „Edward!", schreit Ellie aufgeregt und presst ihre Hand an meine Seite. Erstaunt sehe ich nach unten.
Blut tropft auf den klaren, weißen Boden. Ihre Hände sind blutgetränkt und ihr Blick ist voller Angst. „Das wird wieder! Das wird wieder!? Das wird doch wieder, oder?", flehend sieht sie mich an. Doch alles an was ich denke, ist ihre unfassbare Schönheit, die sie ausstrahlt. Sie ist das schönste Lebewesen auf diesem Planeten. Beruhigend streiche ich ihr eine Strähne hinters Ohr. „Rede mit mir!", sagt sie völlig überfordert und presst nun beide Hände auf meine Wunde, die bereits mein ganzes T-Shirt tränkt. „HILFE!!!", schreit sie und tatsächlich höre ich Leute auf uns zukommen. Sanft streiche ich immer wieder über ihre blütenzarte Haut. „Wie kannst du dich nur immer noch auf den Beinen halten!", entsetzt sieht sie auf die kleine Pfütze, die bereits unter mir entstanden ist. Ein glatter Durchschuss, doch mir geht es gut. Keine meiner Organe sind getroffen worden. Jedoch werde ich diesen Moment, in der sie vor Sorge beinahe zusammenbricht noch etwas genießen, denn genau jetzt weiß ich, dass sie mich liebt. Vielleicht nicht so wie ich es mir wünsche, doch sie liebt mich bedingungslos.
Ich liebe dich, Ellie. Ich liebe dich so sehr, dass es mir eine Ehre wäre, für dich zu streben. Und trotzdem genieße ich es, wie du mich berührst, deine Hände auf meine Wangen legst, deine Fürsorge mich überschwemmt. Wie ich deine Liebe zu mir beinahe fassen kann. Was würde ich darum geben, dich jetzt um den Verstand zu küssen. Endlich deinen Geschmack auf meinen Lippen zu spüren. Ist er süß? Bestimmt ist er das. Doch weiß ich, wenn ich auch nur einmal koste, werde ich nie wieder damit aufhören können. Nur durch Watte bekomme ich die Leute um uns mit, die versuchen sich um uns zu kümmern. Jedoch erscheinst du mir gerade wie die Sonne selbst. Du blendest alles aus, meine Aufmerksamkeit liegt nur bei dir. Und genau jetzt wird mir klar, dass etwas nicht stimmen kann. Ein weiterer Schuss? Ich muss woanders getroffen worden sein. Deswegen hat sie solche Angst. Es ist alles so unwirklich. Ich würde so gerne fallen, die Müdigkeit scheint mich zu übermannen. Nur einmal kurz die Augen schließen. Wie in Zeitlupe falle ich nach hinten, meine Hand auf einer meiner Wunden gepresst. Den Aufprall spüre ich nicht, höre nur die Stimme eines Engels, der meinen Namen ruft.
Ich liebe dich.
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