Kapitel 6 ~ Beschützer #4
„Hat er dich gerade nach einem Date gefragt?" Neugierig streckte Zoey ihren Kopf aus dem Bad. Falls sie auch den Rest unseres Gesprächs gehört hatte, sprach sie mich jedenfalls nicht darauf an. „Ich glaub schon", sagte ich noch etwas perplex. „Willst du mir jetzt immer noch erzählen, ihr wärt nur Freunde?" „Eigentlich schon. Bisher hat es nicht einen einzigen Hinweis darauf gegeben, dass er nochmal mehr wollte."
Sie legte mir eine Hand auf die Schulter: „Ach Schätzchen, bist du wirklich so blind?" Ich legte den Kopf schief: „Nein, Mäuschen, bin ich nicht. Aber da war wirklich nichts. Ich dachte, ab jetzt wollten wir Freunde bleiben und jetzt sowas... Du hast ihm doch nichts gesagt, oder?" Unschuldig sah sie mich an, und ich konnte mich nicht entscheiden, ob sie nun log, oder nicht. „Ich doch nicht."
„Soll ich dir das jetzt glauben?" „Ich hab echt nichts gesagt, versprochen", sagte sie ernst und die Ironie war aus ihrer Stimme gewichen. „Hast du vielleicht eine Ahnung, warum er mich dann nach einem Date fragen sollte? Falls es überhaupt eins ist." „Ich würde schon sagen, dass es eins ist. Ihr geht schließlich tanzen und es gibt nichts, das eher als Trockensex durchgeht." Breit grinsend hüpfte sie durchs Zimmer.
Was war denn nun schon wieder mit ihr los? „Hat Cale dir Drogen eingeflößt?", fragte ich besorgt. „Nichts dergleichen, aber ich habe endlich mal richtig was zu tun." Sie hüpfte gleich noch ein bisschen höher. „Was hast du denn zu tun?" „Na da fragst du noch! Du gehst nachher auf ein Date und auch wenn es mit meinem Bruder ist, will ich, dass du richtig vorbereitet bist. Was willst du anziehen?"
Begeistert klatschte sie. „Ähm, Kleidung?", murmelte ich wenig geistreich und stellte mich jetzt schon auf einen endlosen Nachmittag in den Tiefen eines Kleiderschranks ein. „Das hab ich mir schon gedacht, Dummerchen. Du musst doch mit deinen weiblichen Reizen auftrumpfen!" Ab diesem Moment schaltete ich mehr oder weniger auf Durchzug, weil ich von allem Folgenden ohnehin keine Ahnung hatte.
Für mich war ihr Gerede fast so unverständlich wie Chinesisch. Etwa drei Jahrzehnte später hatten wir -das beinhaltete Zoey und weniger mich- unsere Klamotten auf zwei Stapel verteilt. Laut meiner besten Freundin war der eine Stapel ‚tragbar' und der andere nicht. Der einzige Unterschied, den ich feststellen konnte, war die Größe. ‚Tragbar' war nicht mal halb so groß wie nicht tragbar.
Wie ich Zoey kannte, waren auf dem Stapel mit ihrer Meinung nach tragbaren Klamotten nur ihre Sachen. Zum Glück hatten wir in etwa die gleiche Größe, deshalb konnten wir unsere Kleidung nach Belieben tauschen. „So, willst du schon mal weitermachen?" Überfordert starrte ich den Haufen an. „Mhm", machte ich und tat so, als würde ich ernsthaft überlegen. „Vielleicht besser nicht, du kannst das einfach viel besser." Sie nickte: „Du hast wohl recht."
Die nächste Viertelstunde wurde ich nicht mehr gebraucht, weshalb ich mich heimlich aus dem Staub machte und duschen ging. Diesmal konnte ich mir richtig Zeit lassen, also stellte ich das warme Wasser an und verwandelte das Bad in eine Saunalandschaft. Normalerweise machte ich nicht so lang, weil ich wusste, dass es Wasserverschwendung war, aber heute hatte ich es mir verdient.
Als ich mit einem weißen Bademantel und plüschigen Pantoffeln wieder in unserem Zimmer stand, hatte sich der ‚tragbar' Stapel nochmal sehr verkleinert. Es waren jetzt noch maximal fünf Outfits. „So, ab jetzt darfst du entscheiden. Immerhin musst du es später tragen und ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass es dir selbst gar nicht gefällt."
Seufzend hielt ich mir das Kleid vor den Körper, das ganz oben auf dem Stapel lag. Eigentlich fand ich es ganz hübsch, aber der lilane Stoff war hell und deshalb würde man jeden noch so kleinen Tropfen Schweiß direkt sehen. Da ich mir Attraktiveres vorstellen konnte, sortierte ich das direkt mal aus. Das zweite war ein Top, ziemlich bunt mit verschiedenen Mustern. Ich fand es eigentlich ziemlich hübsch.
Dazu gehörte wohl die schlichte, schwarze Hotpants. Jetzt musste das Ganze nur noch passen. Das sagte ich auch zu Zoey, als ich mir eine Garnitur meiner Unterwäsche schnappte und im Bad verschwand. Sie war zwar meine beste Freundin, aber nackte musste sie mich trotzdem nicht unbedingt sehen. Es war tatsächlich auch an mir noch hübsch. Das fand Zoey auch, als ich mich ihr präsentierte.
„Nicht zu gewollt, aber trotzdem auffällig. Perfekt." Dann schnappte sie sich eine Bürste und zwang mich dazu, mich aufs Bett zu setzen. Offenbar hatte sie auch noch etwas mit meinen Haaren vor. Als hätte der Rest noch nicht gereicht. Ich spürte, wie sie meine Haare flocht und als ich mich endlich angucken durfte, war ich wirklich positiv überrascht. Mit den Zöpfen und dem Oberteil sah ich aus wie eine Indianerin. Irgendwie war ich nun doch froh, Zoey alles gemacht haben zu lassen.
Am Ende hatte sich mein Vertrauen wohl ausgezahlt. Jetzt musste ich nur noch hoffen, dass es Jason auch gefallen würde. Bei Jungs wusste man schließlich nie. „Jetzt sind wir schon so weit gekommen. Darf ich dich auch noch schminken?" Abwartend sah mich Zoey an, als wäre sie ein Hund, dem ich ein Leckerli zuwerfen sollte. Da sie bisher kaum bessere Arbeit hätte leisten können, stimmte ich natürlich zu.
Sie holte ihren Beutel aus dem Bad und schmierte mir Zeug ins Gesicht, dessen Namen ich nicht mal aussprechen konnte. Aber ich ließ sie machen, weil sie offenbar wusste, was sie da tat. Am Ende schob sie mir noch eine Sonnenbrille in die Haare, um ‚meine Lässigkeit zu betonen'. Ich war nach wie vor mehr als zufrieden mit dem Ergebnis. „Wenn mein Bruder so nicht endlich kapiert, dass er auf dich steht, weiß ich auch nicht."
Damit schob sie mich aus der Tür. Verwirrt blickte ich sie an: „Wo gehen wir hin?" Das Date begann erst in über einer Stunde, wo wollte sie mich denn jetzt hinbringen? „Wir tanzen uns jetzt ein", bestimmte sie fröhlich. Gemeinsam durchquerten wir die halbe Hotelanlage, bis wir vor dem großen Amphitheater ankamen. In dessen Mitte lief gerade wie jeden Abend die Kinderdisko. Fassungslos sah ich meine beste Freundin an: „Das ist nicht dein Ernst, oder?"
Sie grinste. „Sehe ich so aus, als würde ich Scherze machen? Es gibt keinen besseren Ort, seine Hemmungen fallen zu lassen, als eine Kinderdisko. Die Kinder können nämlich auch nicht tanzen. Da dürftest du dich doch gleich wohl fühlen." Ich runzelte die Stirn, und hob fragend eine Augenbraue, bevor ich ihr antwortete: „Danke, dass du immer so aufbauende Worte für mich hast. Da bekommt mein Selbstbewusstsein direkt den nötigen Kick." Grinsend nickte sie: „Dafür bin ich bekannt."
Das wahrhaft Deprimierende daran war, dass ich ihr das wirklich glaubte.
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