Kapitel 5 ~ Sowas passiert immer nur anderen #7
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war das erste was ich spürte, dass meine Augenlider geschwollen waren. Das passierte immer, wenn ich völlig verheult einschlief. Meine Position war zwar nicht übermäßig bequem, aber trotzdem viel zu schön, um sich groß zu bewegen.
Als ich blinzelte, fiel mir als erstes auf, dass ich nicht alleine im Bett lag. Normalerweise hätte ich gekreischt, als wäre ein gruseliger Clown auf mich losgegangen, aber ich konnte mich gerade noch beherrschen. Im Schlaf sah Jason ja noch viel goldiger aus, als am Tag! Ich glaube, kein Junge will hören, dass er total süß ist, aber in diesem speziellen Fall, könnte es nicht wahrer sein.
Er lag auf dem Rücken und hatte Arme und Beine weit von sich gestreckt. Deshalb hatte ich auch so unbequem gelegen. Da war ein Arm unter mir gewesen. Ihn schien das nicht gestört zu haben und auch jetzt hatte er noch nicht bemerkt, dass Bewegung in die ganze Sache gekommen war. Im Schlaf strampelte er ein wenig mit den Beinen und ach du Scheiße, er war oberkörperfrei!
Ich weiß, man soll nicht auf Äußerlichkeiten achten, aber das war das erste Mal, dass ich ganz ungeniert hinstarren konnte. Um ehrlich zu sein, hatte ich schon wieder vergessen, warum ich überhaupt hier war, aber das hier war es auf jeden Fall wert.
Ich stellte mir gerade vor, wie er jetzt langsam die Augen öffnen würde, um mich anzüglich anzugrinsen und dann zu sagen: „Mach ein Foto, das hält länger." Und dann würden wir uns küssen. Ja, sehr lange und sehr intensiv. Aber die Realität sah dann doch etwas anders aus. Schade eigentlich.
Jason rieb sich zuerst die Augen, bevor er sie öffnete. „Guten Morgen", sagte er heißer und ich musste zugeben, dass Morgenstimmen nicht ganz so heiß waren, wie es immer hieß. „Hi." Er richtete sich auf, musterte mich eingehend und fragte schließlich: „Wie geht es dir?"
Ich kaute ein bisschen auf meiner Unterlippe herum, weil mich sein Blick nervös machte, rückte aber letztendlich mit der Wahrheit heraus. „Naja, eigentlich gut, aber auch nur, weil ich das Gefühl hab, mir das von gestern alles nur eingebildet zu haben. Als hätte ich es geträumt." Er nickte, aber das war wenig hilfreich. „Meinst du, ich hab überreagiert?", fragte ich.
Wenn ich jetzt darüber nachdachte, war meine Reaktion von gestern schon reichlich überzogen gewesen. Ich schämte mich sogar ein bisschen dafür. Jason widersprach mir trotzdem sofort: „Nein! Gar nicht! Der Typ hätte wer weiß was mit dir anstellen können." Vorsichtig sah ich ihn an: „Könntest du das vielleicht für dich behalten? Zoey wird sich schon genug Gedanken gemacht haben."
Natürlich war es gelogen, denn Zoey dachte ja, ich hätte eine entspannte Nacht in Cales Zimmer hinter mir. Natürlich könnte Cale im Nachhinein noch auf die Idee kommen, dass er mir ja nie seine Schlüsselkarte gegeben hatte, aber ich hielt es für unwahrscheinlich, dass er mich danach fragen würde.
Jason runzelte die Stirn: „Warum bist du eigentlich nicht zu euch ins Zimmer?" Das war eine ausgezeichnete Frage, auf die ich leider keine gute Antwort hatte. Was sollte ich denn jetzt sagen? Es ging ihn nichts an, dass Zoey und Cale miteinander geschlafen hatten und erzählen wollte ich ihm das schon zweimal nicht.
„Ja, also..." Mist. „Ich wollte nicht, dass sie sich irgendwelche Vorwürfe macht." Das war gar nicht mal gelogen, denn das war einer der Gründe, warum ich gestern Abend nicht zu ihr gegangen war. Natürlich hatte ich sie auch nicht stören wollen, aber das andere hatte durchaus auch eine Rolle gespielt.
„Was hätte sie denn dafür gekonnt?", hakte er nach. Vielleicht sollte ich einfach nochmal anfangen zu weinen, damit er aufhörte, solche Fragen zu stellen! Das war ja schlimmer als jedes Verhör. „Naja, du weißt doch, wie Mädchen sind." Mir gingen langsam echt die guten Lügen aus, und dabei war es gar kein gutes Gefühl, ihn anzuschwindeln.
Aber manchmal musste es eben sein, da konnte ich auch nichts machen. „Du willst also wirklich, dass ich es niemandem erzähle? Der Typ verdient eine Anklage!" Mit hochgezogenen Augenbrauchen sah er mich an und ich schluckte meinen Stolz hinunter. „Nein, es ist ja nichts passiert." Resigniert fuhr er sich durch die Haare, die wild vom Kopf abstanden.
„Aber Cora, du musst doch irgendwas tun. Ganz ehrlich, der Spinner hat es nicht verdient, dich auch nur anzuschauen." In Gedanken musste ich mich sofort zur Ordnung rufen, um jetzt nicht nachzugeben. Wenn er mich beschützen wollte, war er noch traumhafter als sonst. „Er dachte eben, ich wollte es auch. Und so gesehen, hat er mich ja zu nichts gezwungen, weil ich weggelaufen bin, bevor es dazu kommen konnte."
„Zum Glück." Er wirkte sichtlich zerknirscht, aber was sollte ich schon dagegen tun? Schließlich war es letztendlich meine Schuld, dass er sich überhaupt Gedanken machte. „Was willst du Zoey eigentlich sagen? Sie wird ja wohl bemerkt haben, dass du gestern nicht in euer Zimmer gekommen bist." „Ich sag einfach, dass sie schon geschlafen hat, als ich kam und dass ich heute ganz früh am Morgen aufgewacht sei und nicht mehr schlafen hätte können", log ich. Jede weitere Lüge machte es mir einfacher, mir etwas einigermaßen Glaubhaftes auszudenken.
In Wirklichkeit würde ich Zoey gar nichts erklären müssen. Allenfalls Cale, aber für den würde ich schon eine passende Ausrede finden. Und falls nicht, gab es ja auch immer noch die Wahrheit, wenn auch etwas abgeändert. Und zwar so, dass ich die Gelegenheit genutzt hätte, um die Nacht mit Jason zu verbringen. Er würde wahrscheinlich denken, dass das untypisch für mich war, aber er würde Jason mit Sicherheit nicht danach fragen.
Im Lügen hatte ich ja jetzt Erfahrung. „Und du meinst, das glaubt sie?", fragte er zweifelnd. Ich nickte überzeugt: „Klar, warum sollte sie nicht? Sie weiß ja nicht, was passiert ist und von selbst kommt sie da auch nicht drauf. Ich muss nur die verheulten Augen loswerden." Zielstrebig ging ich auf den kleinen Kühlschrank zu, und nahm die erstbeste Flasche heraus.
„Alkohol wird dieses Problem aber nicht lösen", murmelte Jason mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Ich will es ja auch nicht trinken." Um ihm zu zeigen, was ich mit der Flasche wollte, drehte ich mich um und presste sie dann gegen mein linkes Auge. „Das hilft gegen die Schwellung", murmelte ich. Auf seinen fragenden Blick antwortete ich: „Du weißt doch, dass ich eine depressive Phase hatte. Nix mit Ritzen, aber jede Menge Rumgeheule. Da lernt man sowas."
Skeptisch beobachtete er mich dabei, wie ich alle zehn Sekunden das Auge wechselte und nach etwa fünf Minuten aufgab. Die Schwellung war zwar noch nicht ganz verschwunden, aber besser war es allemal. „Wie hast du eigentlich geschlafen? Das von gestern war doch sicher total aufwühlend." Ich hätte ihm jetzt gerne erklärt, dass es absolut kein Problem gewesen war, in seinen Armen einzuschlafen, aber ich war mir nicht sicher, ob er das hören wollte.
„Ich weiß auch nicht, vom Weinen werd ich immer müde." „Interessant, ich dachte eigentlich immer, es wäre andersrum. Du weißt schon, dass man sich über zu viele Dinge Gedanken machen muss und deshalb nicht schlafen kann." Schulterzuckend meinte ich: „Ich bin eben anders."
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