Kapitel 1 ~ Eltern #2
„Er hat nicht wirklich versucht, dich über Cale auszuhorchen, oder?" Zoey schien nicht besonders begeistert von dieser Vorstellung, obwohl ich es ihr schonend beigebracht hatte. Bevor ich mich dazu durchgerungen hatte, war sie nämlich mit einer Gesichtsmaske in meine Nähe gekommen. Normalerweise hätte ich mich gewehrt, aber an diesem Tag war ich viel zu froh, sie zu haben.
„Ich sag doch, dass es gar nicht so schlimm war. Er will ihn eben auch mal kennenlernen, immerhin müssen wir alle dein dämliches Grinsen am Esstisch ertragen." „Hey", rief sie empört und boxte mich auf den Arm. Zum Glück war sie Tänzerin, und keine Kampfsportlerin. Entschuldigend sah ich sie an, während ich mir über den Arm rieb. Das würde mit Sicherheit einen blauen Fleck geben. Wenn man sie sah, traute man ihr gar nicht zu, dass sie so gewalttätig war.
„Ich find es ja ganz super. Ganz ehrlich", beteuerte ich, „aber sie sind deine Eltern, es ist ihr Job nervig, peinlich und überfürsorglich zu sein. Das wird sich in nächster Zeit auch nicht ändern. Du könntest Cale ja mal mit hierher bringen." Zoey sah entsetzt aus. Sehr sogar. Die grüne Pampe in ihrem Gesicht trug auch nicht gerade dazu bei, sie besser aussehen zu lassen.
„Kein Grund dich in eine Hexe zu verwandeln. Der Besen ist ohnehin einen Stock tiefer", zog ich sie auf. Zoey hatte einen ausgesprochen guten Sinn für Humor, selbst in Situationen, in denen sie sich eigentlich nicht wohl fühlte. Deshalb schnitt sie mir jetzt auch eine Grimasse, anstatt nochmal nach mir zu schlagen. Irgendwann würde sie mir sicher noch den Arm brechen. Und dann täte es ihr leid.
„Du kennst doch meinen Vater! Kein Junge kann es ihm recht machen, egal wie toll er ist. Außerdem will ich doch auch nur, dass sie sich gut verstehen. Meine Mutter würde ihn lieben, da bin ich mir sicher, aber ich will nicht der Grund dafür sein, dass der Haussegen schief hängt. Am Ende muss ich auch noch bei Oma einziehen. Stell dir das mal vor! Jason, sein komisches Schlagenvieh, meine Oma mit ihrem Tee und ich unter einem Dach. Das wäre das Chaos in Vollendung."
Wenn ich es mir bildlich vorstellte, hatte sie recht, es wäre wirklich chaotisch. „Deine Eltern werden dich nicht raus werfen, vor allem, weil du ansonsten ja zu Cale ziehen könntest. Und wenn sie ihn nicht mögen sollten, wollen sie das ja nicht." Zoey tippte sich auf die Nase und seufzte dann erleichtert, als sie merkte, dass ich recht behielt. „Das Problem wäre dann also gelöst, aber was ist, wenn Cale meine Eltern nicht mag?"
Ich zuckte mit den Schultern, was sollte dann schon sein? Er sollte schließlich nicht ihre Eltern daten. „Zoey, er soll dich mögen und er mag dich, deine Eltern sind da echt nicht in der Position, um das irgendwie zu verändern. Gib es zu, du bist nur viel zu nervös, um sie einander vorzustellen und suchst deshalb Gründe, um es nicht tun zu müssen."
Sie holte tief Luft, bevor sie sie in einem Schwall wieder ausstieß. „Ich hasse es, das sagen zu müssen, aber du hast recht. Schon wieder." Nur mit Mühe konnte ich mich davon abhalten, einen Siegestanz zu vollführen. Meistens war Zoey diejenige von uns beiden, die die besseren Argumente hatte. Heute hatte sich das Blatt allerdings geändert.
Vielleicht sollte ich eine Paarberatungsstelle aufmachen.
Cocos Kusswerkstatt: Gebrochene Herzen und kaputte Beziehungen werden hier repariert.
Ich wäre natürlich der Inhaber, mit einer pinken Latzhose. Im Hinterzimmer hätte ich dann einen Vorrat an Schokolade, für besonders schlimme Fälle. So könnte ich der Welt einen echten Nutzen erweisen. Außerdem war das eine Marktlücke, die man mit Sicherheit ausnutzen konnte. „Also bist du auch der Ansicht, dass sie sich endlich kennenlernen sollten?", hakte ich nach, um wieder aufs Thema zurück zukommen.
Sie nickte ergeben, etwas anderes blieb ihr auch gar nicht übrig. Meine bestechende Argumentation ließ ihr gar keine andere Wahl. Cocos Kusswerkstatt konnte schon erste Erfolge verzeichnen. Die Idee gefiel mir, um ehrlich zu sein, immer besser. Vielleicht könnte ich das ja wirklich zu meinem Beruf machen.
„Na dann sollten wir wohl etwas planen, bei dem sie sich erst mal beschnuppern können." „Wie Hunde?" Ich nickte. „Wie Hunde", bestätigte ich, woraufhin sie das Gesicht verzog. „Du bezeichnest meinen Freund als einen Hund? Und meine Eltern auch? Was macht das dann aus mir?", erkundigte sie sich. Da sie immer noch die grüne Maske im Gesicht hatte, fiel mir die Antwort nicht allzu schwer: „Eine Hexe."
Ich selbst sah vermutlich kaum besser aus, obwohl ich eine weiße Gesichtsmaske aufgetragen hatte (nach ein paar Sekunden allerdings, hatte sie beschlossen einfach rosa zu werden. Ausgerechnet rosa!) Aber wenigstens sah ich nicht aus wie eine Hexe, auch wenn die Maske allmählich erstarrte und mein Gesicht schon halb eingefroren war.
Wahrscheinlich sollte man sie abwaschen, wenn man nicht einmal mehr richtig sprechen konnte. Was das betraf war jedoch Zoey der Experte, und sie sagte nichts, also sollten wir sie wohl noch drauf lassen. „Sagte der rosarote Panther." Hm, das wäre eigentlich ganz cool. Von der Farbe mal abgesehen.
„Jaja, aber jetzt zurück zum Thema! Deine Eltern und Cale sollen sich doch beschnuppern. Aber sie sollen auch nicht die Gelegenheit bekommen, sich böse über den Tisch hinweg anzustarren. Vielleicht hat am Ende sonst noch einer Schaum vor dem Mund!" Ich war ganz begeistert von der Vorstellung, und klatschte bei meinen Erläuterungen in die Hände.
Bei der ganzen Sache hatte ich wesentlich mehr Spaß als Zoey. „Wenn das passieren sollte, musst du mir auf jeden Fall ein Foto schicken!" Zoey schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn und schien dabei ganz vergessen zu haben, dass sie ja grüne Pampe im Gesicht hatte. Quietschend sprang sie auf. Es klang, als wäre man einem Schwein auf den Ringelschwanz getreten. Entsetzt sah sie auf ihre Hand: „Die Gesichtsmaske hatte ich ganz vergessen."
„Siehst du? Und genau deshalb benutze ich so ein Zeug nicht. Stell dir mal vor du gehst damit in die Schule. Ja, das wäre ein Desaster. Und ja, ich würde dann auch so tun, als würde ich dich nicht kennen." Zoey verdrehte die Augen, grinste aber belustigt. „Du siehst übrigens so aus, als wäre dein Gesicht erstarrt", bemerkte sie stichelnd. Woran das wohl lag? „Es wäre möglich, dass dem der Fall ist. Ich kann beim Sprechen nicht mal mehr den Mund richtig aufmachen. Das ist doch nicht gesund, oder?"
Anstatt auf eine Antwort zu warten, die zweifellos auf die Verletzung meiner Ehre abgezielt hätte, ging ich ins Bad. Während ich mir das Gesicht wusch, dachte ich weiter darüber nach, wie sich Cale und Zoeys Eltern am besten kennenlernen könnten. Aber auch als ich mein Gesicht wieder normal verziehen konnte, war ich zu keiner intelligenten Erkenntnis gekommen. Das war schwieriger, als gedacht. In Cocos Kusswerkstatt würde ich Experten für solche Dinge engagieren. Dann müsste ich mich nicht mehr selbst darum kümmern. Aber ohne besagte Experten verkomplizierten wir alles.
Zoey war auch keine sonderliche Hilfe, mit ihren vielen zu abenteuerlichen Vorschlägen, die vermutlich im Tod von einer oder mehreren Personen geendet hätte. „Und denkst wirklich, Messerwerfen wäre eine gute Idee?", fragte ich sie zweifelnd, während ich sie über meine eigene Liste hinweg anblickte. Ich wollte nicht behaupten, dass meiner Vorschläge gut waren, aber Zoeys waren mehr als unterirdisch.
„Da müssten sie einander vertrauen", beharrte sie. Das würde ein langer, sehr langer Tag werden. Mental machte ich mir eine Notiz, nie wieder zu einem Mädelstag zuzustimmen.
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