Ablenkung
Tw: Alkohol
Kapitel 30 - Ablenkung
Shoto POV.
Das Klingeln meines Handys riss mich unsanft aus dem Schlaf. Blind taste ich danach und schmiss dabei alles mögliche herunter, was sich auf meinem Nachttisch befand. Fluchend richtete ich mich auf. Ein Blick auf mein Handy verriet mir auch, wer mich hier gerade wachklingelte.
"Izuku? Was ist los?", wollte ich wissen.
Es war 10 Uhr an einem Samstag... Warum rief er mich um diese Uhrzeit an?
"Wo bist du?", fragte mein bester Freund zurück.
"Wie wo bin ich? Zu Hause in meinem Bett. Wir haben Samstag, falls du es vergessen haben solltest...", antwortete ich und ließ mich wieder in die Kissen sinken.
"Mir ist bewusst, dass wir Samstag haben, aber falls du es vergessen haben solltest, wollten wir uns alle bei mir treffen, um zu lernen. Nur du fehlst noch", gab er zurück.
Mist! Das hatte ich ja komplett vergessen!
"Oh... Sorry, ich hab's total verpennt. Ich bin gleich da. Gib mir zwanzig Minuten!"
Kurz war es still am anderen Ende und ich hörte, wie eine Tür ins Schloss fiel.
"Izuku? Ist was?", hakte ich nach.
"Ich glaube, das sollte ich eher dich fragen. Ist was mit Katsuki passiert...? Hab ihr gestern gesprochen?"
Ich seufzte und drehte mich auf die Seite, um auf das Chaos zu schauen, das ich angerichtet hatte, als ich nach meinem Handy gesucht hatte. Die ganzen Aufzeichnungen, mit denen ich gesten versucht hatte zu lernen, um mich irgendwie abzulenken. Natürlich hatte es nicht funktioniert und ich hatte mich irgendwann in den Schlaf geweint..
"Ja... Wir haben gesprochen und.. es ist jetzt aus zwischen uns", sagte ich und unterdrückte den dicken Kloß, der sich in meinem Hals bildete.
"Das tut mir leid, Shoto..Wie geht es dir?", fragte Izuku vorsichtig.
Ich presste meine Lippen zusammen. "Ich muss damit klarkommen, denke ich... Das wird schon."
Er musste ja nicht wissen, dass es sich so anfühlte, als würde meine andere Hälfte fehlen. Als würde mein Herz nur noch in einer leeren Hülle schlagen. Weil Katsuki meine Welt gewesen war....
"Ich bin gleich da, okay? Bis dann!"
Ich beendete den Anruf, ohne auf seine Antwort zu warten, und stand auf. In Rekordzeit machte ich mich fertig und packte die wichtigsten Dinge zusammen. Als ich in die Küche kam, stand mein Vater gerade an der Kaffeemaschine und füllte sich eine Tasse ein.
"Morgen", begrüßte ich ihn und schnappte mir einen Apfel, um ihn unterwegs zu essen.
"Guten Morgen, Shoto", antwortete er mir.
Ich wollte schon wieder gehen, als er mich zurückhielt.
"Warte mal, Shoto!"
Langsam drehte ich mich um und wartete, was er mir zu sagen hatte. "Touya hat mich gestern in der Firma angesprochen...", begann er. "Rei hat sich bei ihm gemeldet und gefragt, warum du dich nicht bei ihr meldest..."
Ich verdrehte die Augen. Musste sie jetzt sogar bei Touya dafür ankriechen? Dass sie sich nicht mal dafür mit meinem Vater in Kontakt treten konnte.. Oder einfach abwarten konnte, bis ich mich bei ihr meldete! Weil es sonst niemand anging, was ich von der ganzen Sache hielt.
"Sie hat ihre neue Wohnung erwähnt und vorgeschlagen, dass du für dein Studium bei ihr in die Nähe ziehen könntest, weil sie das freuen würde", erzählte mein Vater weiter und stellte seine Kaffeetasse auf den Küchentisch.
"Du kannst Touya ausrichten, dass ich mich bei ihr melden werde, wenn ich das will! Aber feststeht, dass ich für mein Studium nicht zu ihr ziehe. Ich bleibe in Tokyo", stellte ich fest.
Sofort wurde mein Vater hellhörig und sah mich interessiert an. "Weißt du jetzt, was du studieren wirst?", wollte er wissen.
Ich schluckte. Eigentlich wollte ich dieses Gespräch noch etwas vor mir herschieben... Meinen Vater meine Zukunftpläne zu erklären, würde schwierig werden und sicher nicht disskusionslos ablaufen und heute hatte ich echt keinen Nerv dafür.
"Und ich denke, dass du dich unbedingt gegen deinen Vater durchsetzen solltest. Du spielst so schön und mit so viel Leidenschaft. Wo ist denn deine große Klappe geblieben?"
Katsukis Worte ließen für einen winzigen Augenblick Wärme in meine Brust steigen, bevor ich sie wieder tief in mir vergrub. Diese Gefühle durfte ich nicht länger zulassen!
"Ja, ich habe mich entschieden. Ich werde Klavier studieren", sagte ich mit möglichst fester Stimme und sah ihm dabei in die Augen.
Alle Hoffnungen fielen von ihm ab und sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. "Shoto, wir haben doch bereits darüber gesprochen. So ein Studium kommt gar nicht in Frage!"
Ich ging wieder auf ihn zu. Leider war er einen ganzen Kopf größer als ich, doch ich ließ mich davon nicht klein machen!
"Du kannst nichts an meiner Entscheidung ändern! Ich werde dieses Studium machen, ob du willst oder nicht. Und es ist mir egal, was du davon hälst. Es ist verdammt noch mal mein Leben, über das ich entscheiden kann! Du hast nicht das Recht, über solche Dinge zu urteilen."
Ich hielt seinem finsteren Blick stand. Seine Kieferknochen traten deutlich hervor und ich konnte Enttäuschung und Wut in seinen Augen sehen. Enttäuschung darüber, dass er seinen jüngsten Sohn nicht ebenfalls in irgendein Leben zwängen konnte, wie es ihm passte. Wut darüber, dass er die Kontrolle über mich verloren hatte.
Ich wand mich mit den Worten, "Ich gehe jetzt zu Izuku und lerne", ab und verließ das Haus. Kaum stand ich draußen in der warmen Juni Luft, fiel eine unglaubliche Last von meinen Schultern. Ich hatte meinem Vater endlich die Meinung gesagt!
Ich war zwar viel zu spät bei Izuku, dafür aber mit einer Sorge weniger. Auch wenn mich die Sorgen und Ängste in Bezug auf Katsuki immer noch von innen zerfraßen.
"Da bist du ja endlich!", rief Ochako, als ich das Zimmer betrat und umarmte mich überschwänglich.
"Ja... hat ein bisschen länger gedauert...", gab ich verlegen zu und begrüßte auch die anderen.
"Was du nicht sagst. Du hast von zwanzig Minuten geredet und hast über eine halbe Stunde gebraucht. Gab es etwas, was dich aufgehalten hat?", wollte Izuku wissen und ich hasste es, dass er sich immer an alles erinnerte.
"Vielleicht hatte ich eine kurze Auseinandersetzung mit meinem Vater..."
Ich ließ mich auf den Teppich vor dem Bett sinken und legte meine Aufzeichnungen vor mir auf den Boden.
"Oh nein! War es schlim?", hakte Tsuyu sofort nach.
"Nein... Es ging um mein Studium. Diesmal habe ich ihm aber klar gemacht, dass er nicht die Kontrolle hat, darüber zu entscheiden, wie meine Zukunftspläne aussehen. Und dass meine Entscheidung, Klavier zu studieren, feststeht", erklärte ich.
Ochako klatschte begeistert in die Hände und Tenya legte mir eine Hand auf die Schulter. "Ich finde es echt mutig, dass du dich endlich gegen ihn behauptest. Woher der Sinneswandel?"
Ich dachte an Katsukis Worte und welche Kraft sie mir gegeben haben... Wenn er doch nur auch hier wäre, um mir weiterhin Kraft zu geben. So langsam hatte ich das Gefühl, auseinander zu brechen, wenn er nicht bei mir war.
"Sag wir mal, jemand hat mir Mut gemacht, für meinen Traum einzustehen..", sagte ich vage.
"Uhhhhh das ist ja so toll! Dann wissen wir ja alle, was wir nach der Schule machen werde", freute sich Ochako.
"Leider müssen dafür erstmal unsere Abschlusprüfungen bestehen...", gab Tenya zu bedenken und erntete kollektives Stöhnen.
"Erinner uns doch nicht daran!"
"Wir sind ja zum Lernen hier!"
Wir verbrachten den ganzen Tag damit, Lernzettel zu schreiben, Dinge zu verinnerlichen und uns gegenseitig abzufragen. Dabei drifteten meine Gedanken immer wieder zu Katsuki und was er wohl gerade machte... Wie ging er mit der Situation um? Fühlte er sich auch so leer und irgendwie ziellos?
Leider brachte es gar nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, also schob ich diese Gedanken so gut es ging zur Seite und versuchte mich auf den Lernstoff zu konzentrieren...
"Ich geh uns was zu trinken holen. Kommt jemand mit?", unterbrach Izuku uns.
Schnell stand ich auf und folgte ihm nach unten, glücklich darüber, kurz einmal abgelenkt zu sein.
"Wenn ich irgendwas für dich tun kann..." Er ließ das Ende des Satzes einfach in der Luft hängen. Ich schenkte ihm ein leichtes Lächeln.
"Danke, Izuku. Ich denke, grade kannst du nichts machen. Ich muss... einfach damit klarkommen, dass mein Leben sich gerade so durcheinander anfühlt...."
Ich stapelte fünf Glaser übereinander.
"Mit Katsuki hatte ich irgendwie ein Ziel im Leben... Wir haben über unsere Pläne für die Zukunft gesprochen und er hat mir geholfen, für mein Studium einzustehen..."
Izukus Blick zeigte, dass er sich das schon längst gedacht hatte.
"Aber jetzt... Ich habe mich zwar gegen meinen Vater behauptet, aber es ist seltsam. Natürlich habe ich auch mit Katsumi schon darüber gesprochen, was wir machen, wenn sie die Schule abgeschlossen hat, aber ich liebe sie nicht mehr.... Wofür kämpfe ich hier eigentlich gerade?"
Ich starrte auf die Küchenzeile vor mir, während Izuku dagegenlehnte und mir aufmerksam zuhörte.
"Ich glaube kaum, dass diese Situation dich, geschweigedenn Katsumi, auf Dauer glücklich machen wird...", sprach er meine tiefsten Befürchtungen aus. "So wie du erzählst hast, gehe ich davon aus, dass es Katsuki gerade ähnlich geht. Ihr habt eine Entscheidung getroffen, die--"
".. die richtig war", fiel ich ihm ins Wort. "Es war die richtige Entscheidung."
"Und trotzdem macht sie Katsuki, dich und Katsumi auf Dauer unglücklich!"
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und lockerte sie wieder, um den Sturm an Gefühlen in mir zu lockern. "Ich weiß, aber was soll ich den machen, Izuku? Ich kann nur hoffen, dass wir irgendwann heilen... Zeit heilt doch bekanntlich alle Wunden, oder nicht?"
"Zeit kann vielleicht Plaster auf die Wunden kleben, aber sie nicht heilen. Es braucht nur eine kleine Begegnung, ein Blick, eine Berührung - und die wird es geben, wenn du mit Katsumi zusammen bleibst -, die alle Wunden wieder aufreißen..."
"Fuck, Izuku.... Ich versuche doch nur, Katsumi glücklich zu machen. Warum ist das so schwierig?"
Darauf hatte mein bester Freund auch keine Antwort und für ein paar Sekunden breitete sich Stille zwischen uns aus.
"Ich weiß, was du jetzt brauchst!"
Er drehte sich um und lief zu einem Schrank, den ich sehr gut kannte. Kurz war das Klirren von Glasflaschen zu hören, bevor er mit einer Flasche Wodka zurückkam.
"Wir müssen noch lernen, Izuku..."
"Und du brauchst Ablenkung. Komm schon, Shoto. Nur ein Glas!"
Er nahm zwei Shotgläser und füllte sie mit Alkohol. Eines hielt er mir hin, das ich entgegennahm. Wir liefen die Gläser gegeneinander klirren, bevor wir tranken. Der Wodka ließ meine Kehle brennen und hinterließ ein warmes Gefühl in meinem Magen. Ich verzog das Gesicht.
"Das Zeug ist wirklich wiederlich", beschwerte ich mich.
"Ich weiß, aber es bewirkt Wunder, glaub mir."
Wir füllten die Gläser noch ein zweites Mal auf, bevor wir zurück zu unseren Freunden gingen. Izuku hatte Recht; Ich brauchte Ablenkung.
Also stürzte ich mich ins Lernen und ließ keinen Gedanken an Katsuki oder meine Gefühle für ihn zu.
1782 Wörter
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