síx
Meine Schicht hatte gerade eben erst angefangen, ich wechselte einige Worte mit Jong, als ich ihn am Schaufenster vorbei laufen sah. Seine recht heutigen Auftritte wurden langsam wirklich nervenaufreibend. Taeyong hielt Jonghyun die Tür auf und trat herein. Mein Kollege bedankte sich freundlich und hatte selbstverständlich nicht die geringste Ahnung, wer der Junge mit den pinken Haaren eigentlich war, was er mit mir zutun hatte und wie wir zueinander standen. Ich ließ mir nichts anmerken und lief an die Kasse, um den unscheinbaren Kunden in Empfang zu nehmen. "Wie kann ich Ihnen behilflich sein?" Fragte ich mit einem zuckersüßen Lächeln zu dem Älteren gewandt, währenddessen legte ich meine Hände auf dem Tresen ab. Ich beobachtete mein Chef im Augenwinkel bis er um die Ecke verschwand und nicht mehr für diesen zu sehen war. "Mh, ich hätte gerne-.." Fing mein gegenüber an zu sprechen, während er die Angebote über mir musterte. Jedoch zog ich ihn mit einer schnellen Bewegung und einem festen Griff am Kragen zu mir runter und näherte mich seinem Ohr. "Taeyong, was willst du schon wieder hier?! Ich bin am arbeiten, das sieht man doch!" Flüsterte ich gereizt zu seinem abwartendes Gesicht und ließ ihn daraufhin wieder los. Er blickte etwas überrumpelt zu mir hinunter und richtete daraufhin erstmal sein Oberteil. "Es geht um das Treffen mit-.."
"Ja ok, was ist damit?" Unterbrach ich ihn schnell und legte mein Kopf genervt zur Seite. "Wann soll es denn sein?" Fragte er. Ich drehte mich um, so als ob ich ihn nicht verstanden hätte, griff nach einem Lappen und wischte über die Theke. Der Ältere ließ allerdings nicht locker und folgte meinen Schritten auf der anderen Seite der Holzplatte. "Linn?" Hackte er weiter nach und stoppte meine Hand indem er seine Hand fest auf meine presste. Ich schaute zu ihm hoch und drehte meinen Kopf dann zu der Uhr hinter ihm um. Ich stieß einen frustrierten Seufzer aus, doch fand mich dann wieder in den verzweifelten Augen des Pinkhaarigen wieder. "Ok. Ich muss heute den Laden schließen, weil mein Chef früher los muss. Ich glaube, dann kann ich auch etwas länger für euch auflassen. Heißt natürlich, wenn es denn Herrn Idol einrichten kann." Der Größere lockerte seine Hand um meine, sah über mein beleidigendes Kommentar hinweg und lächelte mir hoffnungsvoll zu. Ich schreckte zusammen als mich mein Chef rief und zog sofort meine Hand unter Taeyong's hervor. "Ist alles in Ordnung?" Fragte mich Herrn Hwang, streckte sein Kopf in unsere Richtung und zog hinterfragend eine Augenbraue hoch. Ich versicherte ihm mit einer einfachen Handbewegung das alles in Ordnung sei. "Alles bestens Chef, dieser Herr hatte nur nach dem Weg gefragt." Ich lächelte scheinheilig in seine Richtung und drehte mich dann wieder zu Taeyong. Er bedankte sich bei mir, als ob ich ihm tatsächlich etwas erklärt hätte und schüttelte überraschenderweise meine Hand. "Um 10." Quetschte er durch seine zusammengepressten Zahnreihen, welche mir entgegen gestreckt wurden und zu einem dankenden Lächeln interagierten. Ich nickte lächelnd und widmete mich dann den nächsten Kunden zu. Auch wenn ich probierte einen lockeren Eindruck zu machen, hatte ich Angst ihn wiederzusehen.
Die Zeit verging und mit jedem Minuten Ticken der Uhr wurde ich nervöser. Es gab soviel was ich ihn fragen wollte, soviel was ich wissen wollte. Aber warum wollte ich das alles überhaupt noch wissen? Warum wollte ich überhaupt mit ihm sprechen? Momentmal. Wollte ich überhaupt mit ihm sprechen? Es war ja immerhin nicht meine Idee sondern die von Taeyong, allein wäre ich auch niemals darauf gekommen, nochmal mit ihm zu reden, geschweige denn mich mit ihm auszusprechen. "Linn, du schließt dann gleich ab, ja? Ich kann mich doch auf dich verlassen oder?" Ich zuckte zusammen, doch nickte meinem Chef, welcher mit den Schlüsseln vor meiner Nase herum klimperte, schnell entgegen. "Bis Montag Herrn Hwang!" Rief ich ihm noch hinterher bevor er dann auch schon um die Ecke des Gebäudes verschwand. Wir hatten es halb zehn, also drehte ich das geöffnet-Schild auf geschlossen und kassierte die letzten Geste ab. Danach wischte ich nochmal über alle Tische und ließ mich an einen der Tische an der Wand fallen. Die Lichter hatte ich bereits alle ausgeschaltet damit mich niemand beobachten konnte und auch sah dass das Dalbich nicht mehr geöffnet hatte. Mein Kopf fiel gegen die kalte Wand neben mir und ich stieß einen lauten Seufzer aus. Meine Augenlider verdeckten mir langsam die Sicht und ich gähnte leise. Als ich meine Augen wieder öffnete sah ich nur unzählige Schatten über den Boden des Cafés huschen. Es regnete leicht und einige Leute kramten ihre Schirme heraus. Und dann hörte ich die Klingel der Tür klimpern, woraufhin mir mein Blut in den Adern zu Eis gefror. Ich war total regungslos.
Taeyong kam komplett schwarz gekleidet in den Raum hinein, wie ich es nicht anderes von ihm erwartet hätte, jedoch gefolgt von einer weiteren Person. Diese trug eine schwarze Jeans, eine schwarze Jacke und die Kapuze über'n Kopf gezogen. Nur seine Haare hingen unter der Kopfbedeckung hervor und passten sich seinen Bewegungen an. Langsam schlenderte der Größere über den Boden und musterte suchend den schlecht durchleuchteten Raum. "Hab ich doch gesagt, dass es geschlossen ist. Lass uns wieder gehen Hyung, wir bekommen auch noch woanders was zu trinken." Erklang eine mir alt zu bekannte Stimme, welche mich erstarren ließ. So kalt. So emotionslos. Der Jüngere drehte sich wieder um und griff nach dem Türhenkel, allerdings wurde er von dem Pinkhaarigen aufgehalten, da er nach seinem Arm griff. "Warte noch," flehte Taeyong ihn an. "Warum wolltest du eigentlich so unbedingt hier hin? Hier ist doch nichts, der Laden ist komplett leer, die haben wohl kaum etwas, was für uns interessant hätte sein können." Ich schluckte schwer und drückte mich noch mehr in die dunkle Ecke hinein in welcher ich saß. Ich war also nichts für ihn, ich war ihm egal.
"Es ist wichtig." Bestätigte der Ältere weiter und schaute sich hilfesuchend in der Dunkelheit um. "Jaja," nuschelte der Kleinere herum und drehte sich wieder zur Tür um. Taeyong schaute verzweifelt in die Finsternis und flüsterte deutlich lesbar mit seinen Lippen das Wort Bitte nach. Ich fasste mir ans Herz und presste mich zitterig aus der Ecke hinaus. Mit tonlosen Schritten näherte ich mich den beiden. Der Schwarzhaarige zog die Tür auf und wollte gerade seinen ersten Schritt raus wagen als ich diesen unterband. "Willst du etwa schon gehen?" Er hielt inne. "Ohne Hallo oder Tschüss zu sagen?" Wie in Zeitlupe drehte er sich wieder um und hob seinen Blick.
"Es ist lange her, nicht wahr, Jeno?" Der Junge ließ seine Hand von der Klinke fallen und drehte sich wie in Zeitlupe zu mir um. "Gänseblümchen," flüsterte er ungläubig. Taeyong durchbrach das bedrückende Schweigen welches sich im Raum breit machte, indem er einen Stuhl etwas lauter nach hinten rückte. Wir verstanden sofort worauf er hinaus wollte und setzten uns mit an den Tisch. Keiner sagte etwas, weder ich, noch mein gegenüber oder der Junge welcher mich in diese ganze Situation reingeritten hatte. Taeyong legte langsam seine Hand auf die von Jeno's und deutete ihm an anzufangen. Dieser atmete tief ein und rückte mit seinem Stuhl ein Stück weiter vor. "Du siehts noch genau so aus wie damals." Begann dieser. Ich schüttelte verächtlich meinen Kopf. "Ist das alles, was du nach der ganzen Zeit zu sagen hast? Das ich genau so aussehe wie damals? Mehr nicht?" Langsam kamen in mir Zweifel auf, was das ganze hier eigentlich bezwecken sollte. "Ich wollte damit sagen, dass du toll aussiehst. Genauso, wie ich dich in Erinnerung hatte." Er lehnte sich ein bisschen zu mir vor, probierte Augenkontakt aufzubauen, doch ich blockte ab. "So hast du mich also in Erinnerung behalten? Weißt du, wie ich dich in Erinnerung habe?" Ich machte eine kurze Pause und hob mein Blick, in seinen Augen sah ich...Angst.
"Ich habe dein emotionsloses Gesicht vor Augen als du alles beendetest. Du sagtest, ich sei nicht gut genug für dich, ich hätte nicht dein Niveau. Aber wie ich gesehen habe, bist du ja schnell über mich hinweg gekommen. Entspricht sie deinem Niveau Jeno? Kann sie dir das geben, was ich dir niemals konnte?" Langsam beruhigte ich mich und entspannte meine Gesichtszüge wieder. Erschrocken lehnte er sich nach hinten aber fing sich schnell wieder. "Ich hab dich nie vergessen-.." Fing er an aber ich unterbrach ihn. "Lüg mich nicht an, ich weiß über Sora bescheid!" Tränen stiegen mir langsam in die Augen, denn erst jetzt realisierte ich, mit wem ich eigentlich redete und worüber. Schnell drehte ich mein Kopf zur Seite, denn ich hatte gedacht, dass es mich nicht treffen würde, dass ich es verkraften würde und auch, dass meine Gefühle weg wären. Aber das war nur Wunschträumen. "Sora bedeutet mir nichts, dass musst du mir glauben LinKi." Stotterte er. Ich stand von meinem Stuhl auf und betrachtete den Jungen vor mir mit gläsernen Augen. "Hör auf. Hör einfach auf Jeno. Tue ihr nicht das Selbe an wie mir damals, spiel nicht mit ihr. Ich glaube, dass das ganze hier ein einziger Fehler war. Tut mir leid um deine Bemühungen Taeyong, aber ich kann das einfach nicht. Es ist Zeitverschwendung."
Ich drehte mich um und band mir hektisch die Schürze ab. Hinter mir schob jemand ebenfalls sein Stuhl nach hinten und plötzlich packte jemand nach meinem Arm. Panisch drehte ich mich um und riss diesen aus Jeno's Griff. "Nimm deine Hände weg! Fass mich nicht an." Sagte ich schon fast hysterisch. Sofort verschwand seine Hand aus meinem Blickfeld und ich warf meine Schürze hinter die Theke. Ich nahm meine Jacke in meine Hand und näherte mich der Tür, als mir Jeno hinterher kam. "Komm mir nicht näher! Ich kenne dich nicht mehr. Also tu so, als ob du mich auch nicht kennen würdest. Es ist jämmerlich, inmitten der verblassten Erinnerungen, zu leben, also sollten wir es sein lassen." Ich schüttelte leicht meinen gesenkten Kopf. "Weißt du, was wirklich lustig daran ist? Dass ich mich nicht einmal mehr an die guten Zeiten erinnere. Ich erinnere mich nicht mehr, weil sie mir nichts mehr bedeuten." Jeno blieb geschockt stehen und machte ein unsicheren Schritt vor. "Das sind Lügen, du lügst! Du kannst sie nicht vergessen haben.." Ich drehte mich zur Tür um und legte meine Hand auf die Klinke. "Lasst mich allein." Ich öffnete sie und machte ein Schritt raus, blieb dann aber doch noch kurz stehen. Ich drehte mich ein letztes Mal zudem nichtverstehenden Jungen hinter mir um. "Nehmen wir an, es war ein Spiel. Sagen wir, ich hätte verloren...Doch erklär mir, was hast du gewonnen? Bei dem Verlust eines anderen, der dich mehr als alles andere liebte, was hast du da gewonnen?" Meinte ich mit verzweifelter Stimme, schmiss ihm den Schlüssel des Dalbich zu und ging. Meine Tränen flossen langsam an meinen Wangen hinunter, doch ich probierte sie so gut es ging zu verstecken. Ich wollte kein Schmerz zeigen, keine Schwäche. Doch was ich dort sagte, glaubte ich doch noch nicht einmal selbst.
..Fortsetzung folgt..
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