..~Tanzstunden~..
.....Raven.....
Von meinem Laptop aufblickend beobachte ich Dayton, der wie die letzten Tage auch fast regungslos am Fenster steht und dem trüben Wetter zusieht. Seitdem wir vor einigen Tagen wieder zurück kamen ist das Wetter genau wie die Laune hier im Haus. Er redet zwar normal mit mir, wenn er denn mal redet, aber er sieht mich immer an als hätte ich ihm ein Messer in den Rücken gerammt. Sein Blick hat etwas sehr verletzliches, aber auch viel kaltes in sich. So hat er mich nicht einmal ganz zum Anfang angesehen. Ich kann es ihm ja nicht einmal übel nehmen, schließlich bin ich es, die dafür verantwortlich ist. Hätte ich seinen Kuss nicht erwidert, sondern gleich einen Abstand gegraben, würde er glaube ich nun anders reagieren. Ich habe das alles zu verantworten und hätte niemals gedacht, das es mir selbst so weh tun könnte. In den letzten Tagen hatte ich sehr viel Zeit zum nachdenken. Ich kann das alles aber drehen und wenden wie ich will, meine Gefühle ihm gegenüber verändern sich dadurch einfach nicht. Hätte ich ihm doch sagen sollen was ich für ihn empfinde? Ich bin in einer echt verzwickten Lage. Wieso verliebe ich mich auch ausgerechnet in ihn?
Es klingelt vorne an der Tür und Dayton läuft Wortlos an mir vorbei, um die Tür zu öffnen. Nach einiger Zeit kommt er mit ein paar Briefen wieder und seufzt laut auf, als er einen der Briefe geöffnet hat. Mutlos und mürrisch schmeißt er sich auf die Couch und legt die Briefe auf den Tisch. „Schlechte Neuigkeiten" frage ich. Er sieht mich kurz an und schüttelt dann mit dem Kopf „Nein, ich habe nur eine Einladung zur Hochzeit von Will und Heidi erhalten" antwortet er und sein Blick geht wieder in Richtung Fenster. Erfreut über diese Nachricht stehe ich auf und laufe zu ihm.
Ich nehme die Einladung an mich und setzte mich neben ihn. Noch immer schaut er aus dem Fenster hinaus. Ich lese mir kurz die Einladung durch, die Hochzeit wird schon in zwei Wochen stattfinden. Nun haben es die beiden aber eilig. „Das ist doch ein schöner Anlass, die beiden freuen sich wenn du kommen würdest. Er ist dein bester Freund" sage ich und rutsche etwas dichter an ihn heran. Er dreht sich nun zu mir und sieht mich kühl an „Ich werde aber wohl nicht hingehen". Erstaunt schaue ich ihn an „Aber wieso denn nicht"? Er wirkt verlegen und schaut dann stur auf den Tisch „Weil es peinlich für mich werden könnte und darauf habe ich keine Lust" mault er etwas. Ich seufze leise auf „Was sollte dir denn peinlich werden können"? Er nimmt den Umschlag in die Hand und faltet daran herum „Das solltest du nach unserem Urlaub auf Harbour Island eigentlich wissen. Ich kann nicht tanzen. Wenn ich tanze, dann wird es wirklich peinlich" jammert er und sieht mich danach peinlich berührt an.
In Gedanken muss ich lachen, denn er hat recht, er kann wirklich nicht tanzen. Wenn ich so darüber nachdenke wäre es mir auch peinlich an seiner Stelle. Ich überlege kurz, dann mache ich ihm einen Vorschlag „Ja entweder du tanzt nicht oder ich werde es dir in den nächsten zwei Wochen beibringen. Es ist ja genügend Zeit". Mit großen Augen stiert er mich an „Meine Mutter hat es mir vor Jahren mal beibringen wollen und sie ist daran verzweifelt, ich kann es einfach nicht. Aber gut wenn du willst, bringe es mir ruhig bei. Aber kaufe dir feste Schuhe, denn ich trample auf deinen Füßen herum" erwidert er und sieht mich dabei auffordernd an. Ich glaube das wäre mir egal, so können wir vielleicht ein wenig mehr Normalität hier herein bringen. Denn so wie es jetzt läuft geht es einfach nicht. Viel sagend erwidere ich seinen Blick „Dann mal los".
.....Dayton.....
Nun sind es nur noch drei Tage bis zur Hochzeit von Will und Heidi und ich bin doch nicht so ein hoffnungsloser Fall wie ich gedacht habe. Raven hat eine unglaubliche Engelsgeduld und übt jeden Tag mit mir das tanzen. Ich weiß gar nicht wie häufig ich ihr auf die Füße getreten bin, den einen Tag humpelte sie weil es ihr wirklich weh getan hatte. Ich habe sie herum geschleudert, sie ist gefallen. Ich habe sie los gelassen, sie ist gefallen. Ich war wirklich tollpatschig. Sie hat aber nicht aufgegeben und man könnte sagen, ihre und meine Mühe trägt endlich Früchte. Ich werde zwar nicht der perfekte Tänzer, aber um mich nicht auf der Hochzeit zu blamieren reicht es. Ich habe Raven gebeten mich zu begleiten, denn alleine wollte ich dort nicht auftauchen. Anfangs druckste sie herum und wollte wohl nicht mit, aber sie hat dann doch ja gesagt. Ich weiß nicht ob ich mir noch Hoffnungen machen soll. Denn die Schmach von Harbour Island möchte ich nicht noch einmal erleben.
Aber der Rabe scheint für mich wie Segen und Fluch zur selben Zeit zu sein. Ich brauche sie, will sie in meiner Nähe haben. Aber genau diese Nähe ist an einigen Tagen gar nicht zu ertragen. Habe ich mich denn wirklich so getäuscht? Sie hat meinen Kuss erwidert und er war wirklich schön. Man erwidert doch keinen Kuss, wenn man für den anderen nichts empfindet. Ich sehe es in ihren Augen, sie hat auch Gefühle für mich. Einen Korb habe ich noch nie bekommen, aber das ist es nicht was mich verletzt hat. Damit kann ich Leben, aber nicht damit zu wissen das sie etwas für mich empfindet und nichts sagt. Ich kann mir gut vorstellen das sie vielleicht Angst hat. Aber diese Angst trage ich auch in mir. Ich werde sterben und habe nicht mehr genügend Zeit um alles zu genießen. Ich möchte doch nur einmal die wirkliche Liebe empfinden. Ich weiß das ich es mit ihr kann, aber sie blockiert und lässt mich nicht. Verliebt war ich häufig, aber nicht so wie jetzt. Das Leben scheint sich wirklich gegen mich gestellt zu haben. Ich darf nicht einmal für 5 Minuten glücklich sein. Und wieder wünscht man sich einfach das die Zeit für einen winzigen Moment stehen bleibt. Gerade jetzt ist sie in meinen Armen, auch wenn nur um zu tanzen, aber ich kann ihr nahe sein.
„Dayton du erdrückst mich ja fast, wo bist du denn mit deinen Gedanken" murmelt Raven ihre Worte an meine Brust. Ich schrecke aus meinen Gedanken heraus und schaue nach unten. Ich drücke sie tatsächlich zu eng an mich heran. Sie wird von meinen Armen komplett verschlungen, aber ich will sie nicht los lassen. Sie hebt ihren Kopf und sieht mich an. „Ist alles in Ordnung bei dir? Geht es dir nicht gut? Hast du Schmerzen" fragt sie und hebt ihre Hand an meine Wange. Da ist er wieder, dieser Blick von ihr. Er hat so viel sanftes in sich, nichts mitleidiges, mehr etwas liebevolles. So kann man doch niemanden anschauen wenn man nichts für ihn empfindet. Ich bin mir sicher sie versucht es nur zu unterdrücken, wer will schon einen Mann der nicht mehr lange zu leben hat? Aber sie kann doch auch etwas riskieren, für mich, für ihr eigenes Glück, selbst dann wenn und nicht viel Zeit bleibt.
Ich lasse sie los, aber nur um meine Hand gegen ihre zu legen. Zaghaft drücke ich ihre Hand weiter gegen meine Wange. Sie unternimmt nichts um sie weg zu ziehen. Wir schauen uns Wortlos an. Doch ihr Blick verändert sich. „Dayton lass das bitte" krächzt sie leise und nimmt nun doch ihre Hand weg. Sie entzieht sich mir komplett. Es versetzt mir wieder diesen Stich in meinem Herzen. Am liebsten würde ich es mir heraus reißen wollen, dann ist der Schmerz weg und wir können wirklich so weiter machen wie bisher. „Ich glaube du bist soweit, mehr kann ich dir auch nicht beibringen" sagt sie und wendet sich weiter von mir ab. Am liebsten würde ich sie wieder in meine Arme ziehen, aber ich fürchte mich das sie mich doch noch verlässt, nur weil ich meine Gefühle nicht unter Kontrolle habe. „Ich werde das Abendessen machen" sagt sie und geht in die Küche. Wehmütig schaue ich ihr hinterher und lasse mich wie ein Sack Kartoffeln auf die Couch sinken. Die letzten Tage waren wirklich toll. Wir waren uns näher als sonst. Ich habe tatsächlich tanzen gelernt, woran meine Mutter damals verzweifelte.
Raven's süßlicher Duft schwebt in meinem Wohnzimmer und auch in meiner Nase. Noch immer spüre ich ihre zarten Hände in meinen. Ihre zarten Bewegungen während sie mit mir tanzte lassen mich auch nicht mehr los. Wieder beobachte ich sie. Diese Frau ist wirklich nicht der Typ von Frau mit denen ich mich sonst umgeben habe. Sie ist so anders. Laut, redet manchmal wie ein Kerl. Ihr Kleidungsstil ist oft sehr grauenhaft. Bunt, so wie heute. Sie trägt diesen bunten Rock und dazu ein farblich nicht passendes Shirt. Sie hat manchmal sogar etwas von einer Roma. Aber eine wie sie scheine ich wirklich zu brauchen. Sie will mich aber nicht. Mag es sein weil sie wirklich nichts fühlt, oder aber weil sie Angst hat. Oder sie sieht wirklich nur den Patienten in mir den sie begleitet.
Wieder einmal hat mich die tiefe dunkle Nacht verschlungen. Ich liege in meinem Bett und kann schon wieder nicht schlafen. Die letzten Nächte schon lag ich wach in und habe mir Gedanken gemacht. Ich habe einfach über alles nachgedacht. Über meinen Tod, über Raven, einfach über alles. Die letzten Wochen waren wirklich bis auf ein paar Ausnahmen die schönsten die ich hatte. Sie konnte mir wieder ein Lächeln in mein Gesicht zaubern. Dieses Lächeln möchte ich gerne beibehalten. Ich möchte sie anlächeln bevor ich sie küsse, bevor ich sie in meine Arme schließe. Ich weiß einfach nicht was ich machen soll. Sollte ich es noch einmal riskieren und ihr sagen was ich empfinde? Was würde sie dann aber tun? Im schlimmsten Fall geht sie weg und jemand anderes kommt an ihrer Stelle. Das will ich aber nicht. Ich weiß aber nicht ob ich noch einmal den Mut aufbringen könnte und ihr sagen kann das sie mir unendlich viel bedeutet. Noch einmal könnte ich keine Zurückweisung ertragen.
Ich habe mir schon vor einigen Tagen einen dummen Plan ausgedacht, damit könnte ich heraus finden ob sie wirklich genauso fühlt wie ich, oder ob ich mir das alles nur einbilde. Ich glaube ich werde diesen Plan auch in die Tat umsetzten, auch wenn es vielleicht nicht nett sein wird. Aber an ihrer Reaktion werde ich es erkennen. Dann weiß ich es und wenn sie so reagiert wie ich es mir erhoffe, muss sie mir die Wahrheit sagen. Dann kann sie nicht mehr vor ihren eigenen Gefühlen davon laufen. Ich will sie doch nur glücklich machen dürfen, wenigstens für die Zeit die mir noch bleibt. Ich möchte noch viele schöne Momente mit ihr erleben, ohne den bitteren Nachgeschmack der Ungewissheit. Ich kann das bekommen was ich mir sehnlichst wünsche. Raven kann doch in der Lage sein mir diesen Wunsch zu erfüllen, selbst wenn ich Anfangs nie daran gedacht habe das es mal so kommen könnte. Morgen werde ich es wissen und wenn ich recht habe entkommt sie mir nicht mehr. Sie kann sich dann nicht mehr verstecken und muss ihre Gefühle genauso wie ich auch akzeptieren.
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