Die Sonnenstrahlen fielen durch die Vorhänge, als Jimin seinen Tag mit einem Seufzen begann. Er hatte kaum geschlafen. Wie so oft in den letzten Jahren hatte ihn die Sorge um die Zukunft wachgehalten. Das leise Lachen und Flüstern aus dem Kinderzimmer ließ ihn jedoch lächeln. Seine Zwillinge, Yuna und Felix, waren der Grund, warum er überhaupt noch weitermachte.

Er zog sich schnell an und ging in die Küche, wo die Kaffeemaschine bereits vor sich hin brummte. Auf dem Küchentisch lag der Stapel Papier, der seine volle Aufmerksamkeit verlangte: Bewerbungsunterlagen für einen Job bei Min Industries.

Min Industries, dachte er nervös. Die größte und prestigeträchtigste Firma des Landes. Das war nicht nur irgendein Job – es war eine Chance auf ein besseres Leben. Doch gleichzeitig war es auch eine Tür, die er vor Jahren mit aller Kraft zugeschlagen hatte.

„Mama, ich hab Hunger!" Yunas Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

Jimin drehte sich um und lächelte. Yuna stand mit zerzaustem Haar im Türrahmen, ihr Lieblingsplüschtier fest an die Brust gedrückt. Kurz darauf tauchte Felix hinter ihr auf, mit einem Grinsen, das so breit war, dass Jimin beinahe laut auflachen musste.

„Okay, okay, ich mache Frühstück," sagte Jimin und wuschelte Yuna durchs Haar.

Während die Kinder am Tisch saßen und Jimin Pfannkuchen zubereitete, dachte er über den bevorstehenden Tag nach. Das Vorstellungsgespräch war in ein paar Stunden. Es fühlte sich wie ein Schritt ins Unbekannte an – und gleichzeitig wie eine Rückkehr in eine Vergangenheit, die er versucht hatte zu vergessen.

Sechs Jahre waren vergangen, seit er Yoongi das letzte Mal gesehen hatte. Min Yoongi. Allein der Gedanke an seinen Namen ließ Jimins Herz schneller schlagen.

Damals waren sie unzertrennlich gewesen. Jimin erinnerte sich an die gemeinsamen Abende, an Yoongis leises Lachen und an die Wärme, die er in seiner Nähe gespürt hatte. Doch dann war alles zerbrochen.

Jimin hatte nie den Mut gefunden, Yoongi von der Schwangerschaft zu erzählen. Und bevor er es konnte, hatte Yoongi die Beziehung beendet – abrupt, ohne Erklärung. Es hatte Wochen gedauert, bis Jimin akzeptierte, dass es vorbei war.

Doch jetzt, mit Yuna und Felix, war sein Leben ein anderes. Es ging nicht mehr nur um ihn. Die Zwillinge waren fünf Jahre alt und wussten nichts über ihren leiblichen Vater. Jimin hatte sich geschworen, sie zu schützen, vor allem, was sie verletzen könnte – auch vor Yoongi.

„Mama, darf ich noch Sirup?" fragte Felix und brachte Jimin wieder in die Realität zurück.

„Natürlich, mein Schatz."

Nach dem Frühstück half Jimin den Kindern beim Anziehen, bevor er sie bei der Nachbarin ablieferte. Die alte Frau Kim war eine gütige Seele, die immer bereit war, auf die Zwillinge aufzupassen.

„Mach dir keine Sorgen," sagte Frau Kim, als Jimin sich verabschiedete. „Ich habe ihnen versprochen, später Kekse zu backen."

„Danke, Frau Kim," murmelte Jimin, bevor er sich auf den Weg machte.

Die Fahrt zum Gebäude von *Min Industries* war eine Mischung aus Nervosität und Vorfreude. Als er schließlich vor dem riesigen Komplex stand, stockte ihm der Atem. Der gläserne Wolkenkratzer ragte hoch in den Himmel, und die geschäftigen Menschen, die ein und ausgingen, wirkten wie aus einer anderen Welt.

„Das ist meine Chance," flüsterte Jimin zu sich selbst, während er tief durchatmete und die Drehtür betrat.

Die Lobby war beeindruckend. Glänzende Marmorböden, hohe Decken, elegante Dekorationen. Jimin fühlte sich klein und fehl am Platz, doch er zwang sich, die Schultern zu straffen.

Am Empfang meldete er sich an, und eine freundliche Mitarbeiterin führte ihn zu einem Konferenzraum im obersten Stockwerk.

„Bitte nehmen Sie hier Platz. Der Geschäftsführer wird gleich bei Ihnen sein," sagte sie, bevor sie verschwand.

Jimin setzte sich, wischte nervös die Hände an seiner Hose ab und versuchte, ruhig zu bleiben. Die Minuten zogen sich wie Stunden hin, bis schließlich die Tür geöffnet wurde.

„Herr Park?"

Die Stimme ließ ihn erstarren. Langsam hob Jimin den Blick – und seine Welt geriet ins Wanken.

Vor ihm stand Min Yoongi.

Yoongi blieb in der Tür stehen, die Hand noch am Griff. Seine dunklen Augen verengten sich, als er Jimin erkannte. Der Moment war wie eingefroren.

„Jimin," sagte Yoongi leise, fast flüsternd.

Jimins Herz schlug wild. Sein erster Gedanke war Flucht, doch seine Beine bewegten sich nicht. Er hatte nicht damit gerechnet, ihn hier zu sehen – und schon gar nicht als den Mann, der über seine Zukunft entscheiden würde.

„H-Herr Min," stammelte er schließlich.

Yoongi betrat den Raum, schloss die Tür hinter sich und setzte sich langsam an den Tisch. Sein Blick war unergründlich, seine Stimme kühl, als er sagte: „Setzen wir uns. Wir haben ein Vorstellungsgespräch zu führen."

Das Gespräch verlief sachlich. Yoongi stellte die üblichen Fragen, und Jimin gab die besten Antworten, die er geben konnte. Doch die Spannung im Raum war spürbar. Jeder Satz, jeder Blick war von unausgesprochenen Gefühlen und Erinnerungen durchzogen.

Als das Gespräch endete, stand Jimin auf und verbeugte sich leicht. „Vielen Dank für die Gelegenheit."

Yoongi nickte, sagte aber nichts.

Als Jimin das Gebäude verließ, fühlte er sich, als hätte er einen Sturm überlebt. Doch ein Teil von ihm wusste, dass dies nur der Anfang war.